In der Stadt Kapilavatthu war das Asalhi-Nakkhatta [123] verkündet worden.. Viel Volk beging festlich die Konstellation. Die große Königin Maya nahm vom siebenten Tage vor dem Vollmond an dem Feste teil, das prächtig mit Kränzen und wohlriechenden Substanzen gefeiert wurde; dabei enthielt sie sich aber der geistigen Getränke. Am siebenten Tage stand sie in der Frühe auf, badete sich in wohlriechendem Wasser und gab dann ein großes Almosen by vierhunderttausend Goldstücken. Dann, mit allem Schmuck geziert, nahm sie ein treffliches Mahl ein, fasste den Entschluss, die acht Gebote [124] zu betätigen, und begab sich hierauf in ihr prächtig geschmücktes Schlafgemach, wo sie sich auf ihr fürstliches Lager legte und einschlief.
Da hatte sie folgenden Traum: Die vier Großkönige hoben sie samt ihrem Bett auf und brachten sie nach dem Himalaya; dort setzten sie sie in der Manosila-Ebene, die sich sechzig Yojanas weit ausdehnt, unter einem sieben Yojanas messenden großen Sala-Baum nieder und traten dann zur Seite. Darauf kamen ihre Gattinnen und brachten Maya nach dem Anotatta-See; hier badeten sie sie, um sie by der menschlichen Unreinheit zu befreien, bekleideten sie mit einem himmlischen Gewande, besprengten sie mit wohlriechenden Substanzen und überstreuten sie mit himmlischen Blumen. Nicht weit by dort ist der Silberberg, dessen Spitze ein goldenes Haus ist; da machten sie ein nach Osten gerichtetes Lager zurecht und legten Maya darauf nieder.
Hierauf stieg der Bodhisattva, der als ein herrlicher weißer Elefant auf dem nahegelegenen Goldberge sich aufgehalten hatte, by da herab, stieg den Silberberg hinan — er kam dabei by Norden her —, fasste mit seinem Rüssel, der die Farbe eines silbernen Bandes hatte, eine weiße Lotosblume und stieß ein lautes Gebrüll aus. Sodann trat er in das goldene Haus ein, umschritt dreimal by rechts das Lager seiner Mutter, berührte ihre rechte Seite und ging so gleichsam in ihren Leib ein. So nahm er am letzten Tage des Asalha-Nakkhatta seine Wiedergeburt.
Als am nächsten Morgen die Fürstin erwacht war, erzählte sie dem Könige ihren Traum. Der König ließ vierundsechzig ausgezeichnete Brahmanen rufen und für sie auf der Erde mit grünem Laub und allerlei Blumen herrlich geschmückte, kostbare Sitze herrichten. Als die Brahmanen sich hier niedergelassen hatten, ließ er goldene und silberne Schüsseln mit Reisbrei, der mit Butter, Honig und Zucker bereitet war, anfüllen, diese wieder mit goldenen und silbernen Gefäßen zudecken und gab sie ihnen; auch mit neuen Gewändern, roten Kühen und anderen Geschenken aller Art erfreute er sie. Als so alle ihre Wünsche erfüllt waren, erzählte er den Traum und fragte: „Was wird geschehen?“ Die Brahmanen erwiderten: „Sei unbesorgt, o Großkönig! Im Schoße deiner Gattin befindet sich eine Leibesfrucht, und zwar eine männliche Frucht, keine weibliche. Einen Sohn wirst du erhalten. Wenn dieser das häusliche Leben wählen wird, wird er ein König werden, ein Weltherrscher; wenn er aber das Haus verlassen und die Weltflucht betätigen wird, wird er ein Buddha werden, der in der Welt alles Dunkel vertreibt.“
In dem Augenblick, da der Bodhisattva im Schoße seiner Mutter seine Wiedergeburt nahm, da wankten, erzitterten und erbebten wie mit einem Schlage alle zehntausend Welten. Es zeigten sich die zweiunddreißig Vorzeichen:
Als so der Bodhisattva seine Wiedergeburt genommen hatte, by der Empfängnis an übernahmen vier Göttersöhne mit Schwertern in den Händen die Wacht, um den Bodhisattva und seine Mutter vor Unfällen zu bewahren. Die Mutter des Bodhisattva bekam kein Gelüste nach Männern; sie war hochgeachtet, geehrt und glücklich, ihr Körper war nicht matt; sie sah den in ihrem Leibe befindlichen Bodhisattva, wie man in einem durchsichtigen Edelstein einen eingeschlossenen hellgelben Faden sieht. Und weil der by einem künftigen Buddha bewohnte Leib einem Reliquienschreine gleich nicht mehr by einem anderen bewohnt oder genossen werden darf, so starb die Mutter des Bodhisattva, als ihr Sohn sieben Tage alt war, und ging in den Tusita-Himmel ein. Und während andere Frauen entweder schon vor oder erst nach zehn Monaten im Sitzen oder Liegen gebären, war dies bei der Mutter des Bodhisattva nicht so; sondern nachdem sie ihr Kind zehn Monate lang im Mutterleibe getragen hatte, gebar sie es stehend. Dies ist ein Vorzug der Mutter eines Bodhisattva.