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J b2.09
{Sutta: J i 001 } {Vaṇṇanā: atta. b2.09|atta. b2.09}
Der Angriff des Mara
b2.09
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche von:
Julius Dutoit

Zu dieser Zeit dachte der Göttersohn Mara: „Der Prinz Siddhattha will meiner Gewalt entkommen; ich werde ihn nicht entkommen lassen.“ Er ging zu Maras Heer hin, verkündete ihm dies, und nachdem er den Streitruf Maras hatte erheben lassen, ging er mit Maras Heer fort. Dies Heer des Mara erstreckte sich vor Mara zwölf Meilen [167a] weit nach rechts und links auch zwölf Meilen, hinten aber stand es bis zum Ende der Welt; nach oben war es neun Meilen hoch. Wenn es schrie, so ließ sich der Laut dieses Schreies von tausend Meilen her so deutlich hören wie der Laut des Berstens der Erde. Darauf bestieg der Göttersohn Mara seinen Elefanten namens Girimekhala, der anderthalbhundert Meilen groß war, machte sich tausend Arme und ergriff mannigfache Waffen. Auch von dem übrigen Gefolge des Mara ergriffen nicht zwei Leute die gleiche Waffe, sondern mit mannigfaltigem Aussehen und mannigfaltigem Antlitz kamen sie herbei, das große Wesen überdeckend. Aus den zehntausend Weltsystemen aber standen die Gottheiten da und sagten Lobsprüche auf das große Wesen. Der Götterkönig Sakka stand da und blies die Muscheltrompete Vijayuttara. Diese Muscheltrompete nämlich war zweitausend Ellen groß; wenn man sie einmal hatte Wind fassen lassen, so konnte sie beim Blasen vier Monate lang Ton geben und wurde dann erst wieder tonlos. Der Naga-König Mahakala stand dabei, indem er mit viel hundert Versen den Ruhm von jenem verkündete. Der große Brahma stand dabei und hielt den weißen Sonnenschirm. Sobald aber das Heer Maras nach dem Erleuchtungskreise kam, vermochte kein einziger davon, stehen zu bleiben, sondern auf der Stelle, sobald sie ihn erblickten, liefen sie davon. Da tauchte der Naga-König Kala in die Erde unter, begab sich in seinen fünfhundert Meilen großen Manjerika-Palast und legte sich nieder, indem er mit beiden Händen sein Antlitz bedeckte. Sakka nahm seine Muscheltrompete auf den Rücken und stellte sich an den Rand der Welt. Der große Brahma stellte den weißen Sonnenschirm an das Ende der Welt und kehrte in die Brahma-Welt zurück. Keine einzige Gottheit vermochte dort zu bleiben. Das große Wesen blieb allein zurück.

Da sprach Mara zu seinem Gefolge: „Ihr Lieben, es gibt keinen andren Mann, der Siddhattha, dem Sohne des Suddhodana, gleicht. Wir werden nicht vor seinem Angesicht den Kampf unternehmen können, aber von hinten werden wir ihn unternehmen.“ Der große Mann aber sah nach drei Seiten und merkte, dass sie infolge des Weglaufens aller Gottheiten leer waren. Abermals aber sah er, wie von der Nordseite her Maras Heer heranstürmte, und er dachte: „Diese so vielen Leute machen um meinetwillen allein diese große Bemühung und Anstrengung. An diesem Orte sind nicht meine Eltern oder ein Bruder oder irgendein anderer Verwandter von mir. Diese zehn Vollendungen aber gleichen einem Gefolge, das ich lange erhalten habe. Darum will ich die Vollendungen zu meinem Schilde machen und mit dem Schwerte der Vollendungen sie treffen; so ziemt es mir, dies Heer zu vernichten.“ Und er setzte sich nieder, indem er über die zehn Vollendungen nachdachte.

Darauf dachte der Göttersohn Mara: „So werde ich Siddhattha zur Flucht veranlassen“, und ließ einen Wirbelwind sich erheben. In demselben Augenblick erhoben sich die den Osten und die andern Weltgegenden durchbrechenden Winde; aber obwohl sie im Stande waren, Bergspitzen von der Größe einer halben Meile oder von zwei Meilen oder drei Meilen zu zerschmettern, die Sträucher und Bäume des Waldes u. dgl. zu entwurzeln und überall die Dörfer und Flecken in Staub zu verwandeln, erreichten sie infolge der Tugendstärke des Helden mit geschwächter Kraft den Bodhisattva und konnten nicht einmal den Zipfel seines Gewandes bewegen.

Darauf dachte Mara: „Mit Wasser will ich ihn überschütten und ihn so töten“, und er ließ einen großen Regen entstehen. Durch dessen Macht erhoben sich Regenwolken, die übereinander hundert Hüllen oder tausend Hüllen u. dgl. durchbrechen konnten, und gossen ihren Regen aus. Durch die Gewalt der Regenströme wurde die Erde durchlöchert; über den Bäumen des Waldes kam die große Flut daher, doch konnte sie am Gewande des großen Wesens nicht so viel, wie ein Tautropfen groß ist, benetzen.

Darauf erregte er einen Steinregen. Ganz große Bergspitzen kamen rauchend und sprühend durch die Luft herbei; als sie aber zu dem Bodhisattva gelangten, wurden sie zu einem Ballen himmlischer Kränze.

Darauf erregte er einen Regen von durchbohrenden Waffen. Einschneidige und zweischneidige Schwerter, Speere, Bogen u. dgl. kamen rauchend und sprühend durch die Luft daher; als sie aber den Bodhisattva erreichten, waren sie göttliche Blumen.

Darauf erregte er einen Regen glühender Kohlen. Rot wie Kimsuka-Blumen [168] kamen die glühenden Kohlen durch die Luft daher; zu den Füßen des Bodhisattva aber zerstreuten sie sich, zu göttlichen Blumen geworden.

Darauf erregte er einen glühenden Aschenregen. Die glühende, wie Feuer aussehende Asche kam durch die Luft daher; zu den Füßen des Bodhisattva aber fiel sie als Sandelpulver nieder.

Darauf erregte er einen Sandregen. Die ganz feinen Staubwolken kamen rauchend und sprühend durch die Luft herbei; zu den Füßen des Bodhisattva aber fielen sie als göttliche Blumen nieder.

Darauf erregte er einen Schmutzregen. Der Schmutz kam rauchend und sprühend durch die Luft; zu den Füßen des Bodhisattva aber fiel er als himmlische Salbe nieder.

Dann dachte er: „Damit will ich Siddhattha erschrecken und ihn zur Flucht veranlassen“, und er erregte eine Finsternis. Sie wurde zu einer vierfachen großen Dunkelheit; als sie aber an den Bodhisattva herankam, verschwand die Finsternis, als wäre sie von den Strahlen der Sonne getroffen.

Als so Mara mit diesen neun Überschüttungen, dem Wind, Regen, Steinregen, Waffenregen, Kohlenregen, Aschenregen, Sandregen, Schmutzregen und der Finsternis, den Bodhisattva nicht zur Flucht veranlassen konnte, rief er: „Warum, sag ich, bleibt ihr stehen? Fasst diesen Prinzen, schlagt ihn und treibt ihn in die Flucht!“ Nachdem er dies seinem Gefolge befohlen, kam er selbst auf der Schulter seines Elefanten Girimekhala sitzend mit seiner Radwaffe [169] auf den Bodhisattva zu und sprach: „Siddhattha, stehet von diesem Sitze auf! Er gehört nicht Euch, mir kommt er zu.“ Als das große Wesen dessen Worte hörte, antwortete es: „Mara, du hast nicht die zehn Vollendungen erfüllt, weder die Nebenvollendungen noch die äußersten Vollendungen. Du hast auch nicht die fünf Aufopferungen geübt; du hast nicht den Wandel zur Erkenntnis, nicht den Wandel zum Heile der Welt und nicht den Wandel zur Erleuchtung betätigt. Dieser Sitz kommt nicht dir zu; mir allein kommt er zu.“

Da konnte der zornige Mara die Gewalt seines Zornes nicht ertragen, sondern er schleuderte auf den Helden seine Radwaffe; diese aber blieb über ihm, da er über die zehn Vollendungen nachdachte, als ein Kranzbaldachin stehen. Dieses mit Rasiermessern besetzte Rad schnitt sonst, wenn es von ihm im Zorne geschleudert wurde, Säulen aus einem einzigen festen Stein bestehend wie Bambussprossen durch. Als es jetzt aber über ihm als Kranzbaldachin stehen blieb, dachte das übrige Gefolge Maras: „Jetzt wird er von seinem Sitze aufstehen und entfliehen“, und sie schleuderten lauter große Felsspitzen nach ihm; diese aber wurden, während der Held über die zehn Vollendungen nachdachte, zu einem Kränzehaufen und fielen so zu Boden. Die am Rande der Welt stehenden Gottheiten streckten den Hals aus, hoben den Kopf empor und blickten hin, indem sie dachten: „Verloren fürwahr, ach, ist des Prinzen Siddhattha zur höchsten Schönheit gelangte Person; was wird er wohl tun?“

Nachdem darauf der Held gesagt hatte: „Der Sitz, den die Bodhisattvas, welche die Vollendungen erfüllt haben, am Tage ihrer völligen Erleuchtung erhalten, gehört mir“, sprach er zu dem dastehenden Mara: „Mara, wer ist der Zeuge für dich, dass du Almosen gespendet hast?“ Mara erwiderte: „Diese alle sind meine Zeugen“, und streckte nach Maras Heere die Hand aus. In diesem Augenblicke verbreitete sich der Ruf: „Ich bin der Zeuge, ich bin der Zeuge“, und es war ein Getöse, als wollte die Erde bersten. Darauf fragte Mara den Helden: „Siddhattha, wer ist aber Zeuge für dich, dass du Almosen gespendet?“ Der Held erwiderte: „Du hast dafür, dass du Almosen gespendet, mit Vernunft begabte Zeugen; ich aber habe ja an diesem Orte keinen mit Vernunft begabten Zeugen. Doch abgesehen davon, dass ich in meinen übrigen Existenzen Almosen gespendet habe, — als ich mich aber in meiner Existenz als Vessantara befand, dass ich da ein siebenhundertfaches großes Almosen spendete [170], dafür ist diese feste, große Erde, wenn sie auch vernunftlos ist, die Zeugin!“ Und indem er aus dem Innern seines Gewandes die rechte Hand herauszog, sprach er: „Dass ich, als ich in der Existenz als König Vessantara lebte, ein siebenhundertfaches großes Almosen spendete, bist du dafür Zeugin oder bist du nicht Zeugin?“, und er streckte die Hand nach der großen Erde aus. Da rief die große Erde: „Ich war damals die Zeugin dafür“, als wolle sie mit hundert Rufen und tausend Rufen und hunderttausend Rufen das Heer Maras überschütten. Während darauf der Held mit den Worten: „Gegeben hast du, Siddhattha, eine große Gabe, die höchste Gabe“, immer wieder die Spende des Vessantara berührte [171], fiel der anderthalbhundert Yojana große Elefant Girimekhala auf die Knie. Da entfloh Maras Heer nach allen Richtungen; es gab keine zwei, die auf demselben Wege gegangen wären. Sie ließen ihren Kopfschmuck, ihre Gewänder und Kleider im Stich und flohen nach allen Richtungen immer geradeaus davon.

Als da die Götterversammlung Maras Heer entfliehen sah, da rief sie: „Mara hat eine Niederlage erlitten, dem Prinzen Siddhattha gehört der Sieg! Wir wollen die Siegverehrung ausführen.“ Die Nagas schickten zu den Nagas, die Supannas zu den Supannas, die Gottheiten zu den Gottheiten, die Brahma-Götter zu den Brahma-Göttern; mit duftenden Kränzen u. dgl. in der Hand gingen sie zu dem Helden hin nach dem Erleuchtungssitze. Als sie aber dorthin gegangen waren,

[§274] „Sieg dies bedeutet für den Buddha ruhmerfüllt, doch für den bösen Mara ist es Niederlage“, so riefen am Erleuchtungskreise hocherfreut den Sieg des großen Weisen da die Naga-Scharen. [§275] „Sieg dies bedeutet für den Buddha ruhmerfüllt, doch für den bösen Mara ist es Niederlage“, so riefen am Erleuchtungskreise hocherfreut den Sieg des großen Weisen die Supanna-Scharen. [§276] „Sieg dies bedeutet für den Buddha ruhmerfüllt, doch für den bösen Mara ist es Niederlage“, so riefen am Erleuchtungskreise hocherfreut den Sieg des großen Weisen da die Götterscharen. [§277] „Sieg dies bedeutet für den Buddha ruhmerfüllt, doch für den bösen Mara ist es Niederlage“, so riefen am Erleuchtungskreise hocherfreut den Sieg des großen Weisen da die Brahma-Götter.

Die übrigen Gottheiten aus den zehntausend Weltsystemen traten auch hinzu, indem sie mit Kränzen, wohlriechenden Substanzen und Salben ihre Verehrung bezeigten und Loblieder sprachen.

Anmerkungen

167a.
„Meile“ steht hier für „Yojana“.
168.
Die Blüte des Baumes Butea frondosa.
169.
Ein großes, mit scharfen Messern besetztes Rad, das er auf seinen Gegner zu schleudern pflegte.
170.
Jataka 547 Str.62
171.
Das Wort „sammasati“ hat dieselbe übertragene Bedeutung wie berühren = auf etwas zurückkommen. Rhys Davids bezieht das Wort auf den Elefanten, was aber nach der Konstruktion unmöglich ist.
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