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J 40
{Sutta: J i 233|J 040|J 040} {Vaṇṇanā: atta. J 040|atta. J 040}
Die Erzählung von der Akazienkohlengrube
040
Khadirangara-Jataka (Khadiraṅgārajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Gern stürz ich in die Höll' hinab

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf Anāthapindika. Anāthapindika hatte nämlich des Klosters wegen fünfhundertvierzig Millionen für die Buddhalehre ausgegeben [1]. Und da er außer den drei Kleinodien [2] nichts anderes als ein Kleinod betrachtete, machte er, wenn der Meister im Jetavana verweilte, täglich drei große Aufwartungen; nämlich er kam einmal in der Frühe, einmal nach dem Frühstück [3] und einmal am Abend. Dazwischen aber machte er noch andere Aufwartungen. Und wenn er kam, dachte er: „Die Novizen oder die Jungen sollen meine Hand anschauen, was ich mitgebracht habe“, und kam daher niemals mit leeren Händen; sondern wenn er am Morgen kam, ließ er Reisschleim mitbringen, nach dem Frühstück zerlassene Butter, Butter, Honig, Zucker und dergleichen, und zur Abendzeit brachte er wohlriechende Substanzen, Kränze und Gewänder. Während er aber Tag für Tag solche Spenden brachte, gab es kein Maß mehr in seinen Spenden. Auch viele Geschäftsleute erhielten von ihm gegen eine Verschreibung Geld in der Höhe von hundertachtzig Millionen als Schuld; der Großkaufmann aber forderte sie nicht wieder ein. Andere hundertachtzig Millionen, die seiner Familie gehörten, waren am Flussufer vergraben worden; aber durch eine Sturmflut, welche den Abhang des Flusses zerstörte, wurden sie in den großen Ozean getrieben und die eisernen Gefäße rollten auf den Grund des Meeres und blieben dort liegen. — In seinem Hause aber war beständig Reisspeise für fünfhundert Mönche bereit gestellt; denn das Haus des Großkaufmanns war für die Mönchsgemeinde wie ein an einem Kreuzweg gegrabener Lotosteich [4]. Deshalb ging auch der völlig Erleuchtete in sein Haus und die achtzig großen Theras [5] kamen auch dorthin; die übrigen Mönche aber, die dort aus- und eingingen, waren ohne Zahl.

Sein Haus hatte sieben Stockwerke und war mit sieben Türerkern [6] geschmückt. In dem vierten Türerker aber wohnte eine irrgläubige [7] Gottheit. Wenn nun der völlig Erleuchtete das Haus betrat, konnte sie in ihrer Wohnung nicht bleiben [8], sondern sie stieg mit ihren Kindern hinab und stellte sich auf die Erde. Auch wenn die achtzig großen Theras und wenn die übrigen Theras kamen und gingen, musste sie dasselbe tun. Da dachte sie: „Wenn der Asket Gotama [9] und seine Schüler dieses Haus betreten, habe ich keine Ruhe mehr. Ich kann doch nicht die ganze Zeit immer hinabsteigen und mich auf die Erde stellen. Deshalb muss ich bewirken, dass diese dies Haus nicht mehr betreten.“ Als nun eines Tages der erste Gehilfe sich zur Ruhe begeben hatte, ging sie zu ihm und stand als leuchtende Erscheinung vor ihm. Da er sagte: „Wer ist da?“, antwortete sie: „Ich, die Gottheit, die in dem vierten Türerker wohnt.“ Auf die weitere Frage, warum sie gekommen sei, sprach sie: „Ihr bemerkt nicht, was der Großkaufmann tut. Ohne an seine Zukunft zu denken, holt er sein Geld hervor und bereichert damit nur den Asketen Gotama. Er betreibt keine Handelschaft, er macht kein Geschäft. Ermahnet Ihr den Großkaufmann, dass er seine Geschäfte besorgt, und bewirket, dass der Asket Gotama samt seinen Schülern dies Haus nicht mehr betritt.“ Der andere aber erwiderte ihr: „Du törichte Gottheit, wenn der Großkaufmann sein Geld ausgibt, so gibt er es für die zum Heile führende Buddhalehre aus. Wenn er mich an den Haaren packen und verkaufen würde, so würde ich doch nichts derartiges sagen. Gehe weg!“ — Ein andermal ging sie zu dem ältesten Sohne des Großkaufmanns hin und gab ihm dieselbe Ermahnung. Aber auch dieser tadelte sie auf die angegebene Weise. Mit dem Großkaufmann selbst aber konnte sie nicht reden.

Da der Großkaufmann aber unaufhörlich Almosen spendete und keine Geschäfte betrieb, nahmen seine Einkünfte ab und sein Vermögen ging verloren. Als er nun allmählich arm geworden war, war sein Besitz, seine Kleidung, sein Lager, seine Nahrung nicht mehr wie früher. Trotzdem aber spendete er der Mönchsgemeinde noch Almosen; freilich konnte er keine vorzügliche Speise mehr spenden. Als er nun eines Tages den Meister begrüßt und sich niedergesetzt hatte, sprach zu ihm der Meister: „Werden in diesem Hause Almosen gereicht, Hausvater?“ Er erwiderte: „Ja, es werden Almosen gereicht; es ist aber nur ein wenig Brühe von gestern.“ Da sprach Buddha: „Hausvater, mache dir das Herz nicht schwer darüber, dass du unschmackhafte Speise spendest. Wenn das Herz gut ist, ist auch das den Buddhas, den Paccekabuddhas [10] und den Buddhaschülern gespendete Almosen nicht schlecht. Warum? Wegen der Größe der daraus entspringenden Frucht.“ Wenn nämlich einer sein Herz gut machen kann, ist auch seine Gabe nicht schlecht; dies ist durch Folgendes zu erläutern [11]:

[§0.1] „Wenn die Gesinnung gläubig ist, ist kein Almosen zu gering für Buddha, den Vollendeten, noch für des Buddha Schülerschar. [§0.2] Bei dem das Hohe Lehrenden, bei Buddha gilt kein Dienst gering. Sieh an die Frucht der Handvoll Reis, der trocknen, ungesalzenen!“

Weiter sprach Buddha zu ihm: „Hausvater, wenn du auch unschmackhafte Speise gibst, so gibst du sie doch den Helden des achtfachen Pfades [12]. Ich aber habe, als ich die sieben Kleinodien [13] spendete, den ganzen Jambu-Erdteil umgewühlt und mein großes Almosen dahinfließen lassen, wie wenn ich die fünf großen Ströme [14] zu einer einzigen Flut vereinigte, und habe doch niemand gefunden, der sich in die drei Zufluchten begeben oder der die fünf Gebote beobachtete. Schwer zu erhalten sind die Leute, die wert sind, mit Gaben bedacht zu werden. Mache dir darum das Herz nicht schwer mit dem Gedanken, deine Gabe sei unschmackhaft.“ Und nach diesen Worten erzählte er ihm das Velamaka-Sutta [15].

Die Gottheit aber, die zur Zeit, da der Großkaufmann mächtig war, nicht mit ihm hatte sprechen können, dachte: „Jetzt, wo es ihm schlecht geht, wird er meine Worte annehmen.“ Und sie betrat um Mitternacht sein fürstliches Schlafgemach und stand als eine glänzende Erscheinung in der Luft. Als der Großkaufmann sie sah, sprach er: „Wer bist du?“ Sie erwiderte: „Ich, o Großkaufmann, bin die im vierten Türerker wohnende Gottheit.“ Er fragte weiter: „Warum bist du gekommen?“ „Weil ich begierig bin, dir eine Ermahnung zu geben.“ „Sage es mir!“ Darauf sprach die Gottheit: „O Großkaufmann, du denkst nicht an deine Zukunft, du berücksichtigst nicht deine Söhne und Töchter. Für die Lehre des Asketen Gotama hast du viel Geld ausgegeben; weil du nun zu lange dein Geld verschwendet und keine neuen Geschäfte gemacht hast, bist du durch den Asketen Gotama in diese schlimme Lage gekommen. Trotzdem aber lässt du nicht von dem Asketen Gotama; noch heute kommen die Asketen in dein Haus. Was bis jetzt von ihnen mitgenommen wurde, das kann man nicht zurückbringen; das sollen sie behalten. Aber von jetzt an gehe selbst nicht mehr zu dem Asketen Gotama hin und lass seine Schüler dies Haus nicht mehr betreten; wende dich nicht um, um ihn anzuschauen, sondern besorge deine Geschäfte, treibe Handel und bringe so deinen Besitz wieder in die Höhe.“ Darauf antwortete der Kaufmann: „Ist das die Ermahnung, die du mir geben musstest?“ Sie versetzte: „Ja, das ist sie.“ Da sprach er: „Auch für hundert oder tausend oder hunderttausend solcher Gottheiten bin ich durch den Vollendeten unbeeinflussbar gemacht worden, denn mein Glaube ist wohl begründet und unbeweglich wie der Berg Sineru. Für die zum Heile führende Edelsteinlehre habe ich mein Geld ausgegeben. Etwas Unrechtes hast du gesagt, verletzt hast du die Buddhalehre durch eine derartige unziemliche, unbotmäßige Feindschaft. Ich kann mit dir nicht mehr in einem Hause wohnen; verlasse schnell mein Haus und gehe anderswohin!“

Als die Gottheit diese Worte des bekehrten edlen Schülers vernahm, vermochte sie nicht zu bleiben; und sie ging in ihre Wohnung, nahm ihre Kinder bei der Hand und ging weg. Sie dachte aber: „Da ich keine andere Wohnung finde, werde ich den Großkaufmann um Verzeihung bitten und wieder hier Wohnung nehmen.“ Und sie ging zu dem die Stadt beschützenden Göttersohne hin, grüßte ihn und blieb vor ihm stehen. Als er sie fragte: „Warum bist du gekommen?“, antwortete sie: „Ich, o Herr, redete unüberlegt mit Anāthapindika und er hat mich, darüber erzürnt, fortgejagt; bringe mich zu dem Großkaufmann zurück, versöhne mich mit ihm und lass mich dadurch dort wieder Wohnung finden.“ Darauf fragte er weiter: „Was hast du aber zu dem Großkaufmann gesagt?“ Sie erwiderte: „‘Von nun an mache Buddha und der Mönchsgemeinde keine Aufwartung mehr; lass den Asketen Gotama nicht mehr in dein Haus kommen’, so sprach ich zu ihm, Herr.“ Da sprach der Gott: „Etwas Unrechtes hast du gesagt, verletzt hast du die Lehre; ich werde nicht im Stande sein, mit dir zu dem Großkaufmann hinzugehen.“

Als sie seine Gunst nicht gewinnen konnte, begab sie sich zu den vier Großkönigen [16]. Als sie aber auch von diesen abgewiesen wurde, ging sie zu dem Götterkönige Sakka [17] hin, erzählte ihm die Begebenheit und bat ihn recht eindringlich: „Ich, o Herr, finde keinen Wohnort, muss deshalb meine Kinder an der Hand halten und stehe schutzlos da; lasst mir in Eurem Reiche einen Wohnort geben.“ Aber auch er sprach: „Du hast etwas Unrechtes getan, du hast die Lehre des Siegers [18] verletzt; ich kann deinetwegen mit dem Großkaufmann nicht reden. Ich will dir aber ein Mittel sagen, wodurch du die Verzeihung des Großkaufmanns erlangen kannst.“ Sie sagte: „Es ist gut, Herr; teile mir das Mittel mit“; und er fuhr fort: „Von dem Großkaufmann haben die Leute gegen Ausstellung von Schuldscheinen Geld bekommen im Betrage von hundertachtzig Millionen. Nimm darum die Gestalt seines Bevollmächtigten an und gehe, ohne jemand etwas davon wissen zu lassen, mit den Schuldscheinen, von einigen Dämonen umgeben, in der einen Hand den Schuldschein, in der anderen den Schreibstift haltend in ihr Haus. Stelle dich dann in die Mitte des Hauses, erschrecke sie durch deine Dämonenmacht und sprich: ‘Dies ist Eure Schuldverschreibung. Unser Großkaufmann hat zur Zeit, da er mächtig war, nichts zu Euch gesagt; jetzt aber geht es ihm schlecht. Gebt darum die von Euch genommenen Kahapanas wieder her!’ Zeige damit deine Dämonenkraft; bringe die hundertachtzig Millionen Geldstücke zusammen und fülle damit wieder die leeren Kammern des Großkaufmanns. Eine andere Geldsumme ist am Ufer des Aciravati-Flusses [19] niedergelegt worden, wurde aber, als der Flussabhang zerstört wurde, in das Meer hinabgetrieben; auch dieses hole durch deine Dämonenmacht und fülle damit die Kammern. Noch eine andere Geldsumme im Betrage von hundertachtzig Millionen liegt herrenlos an der und der Stelle; auch diese hole herbei und fülle damit die leeren Kammern. Wenn du mit diesen fünfhundertvierzig Millionen die leeren Kammern gefüllt hast, hast du damit Busse getan [20] und kannst den Großkaufmann um Verzeihung bitten.“

Die Gottheit stimmte den Worten Sakkas bei, indem sie sagte: „Es ist gut, Herr“; und sie holte auf die angegebene Weise das ganze Geld herbei. Dann begab sie sich um Mitternacht in das fürstliche Schlafgemach des Großkaufmanns und stand als eine glänzende Erscheinung in der Luft. Als er sie fragte: „Wer bist du?“, erwiderte sie: „Ich, o Großkaufmann, bin die blinde, törichte Gottheit, die in Eurem vierten Türerker wohnte. Infolge meiner großen Verblendung und Torheit habe ich, da ich die Vorzüge des Buddhas nicht kannte, in früheren Tagen etwas zu Euch gesagt. Verzeiht mir diese Schuld! Ich habe nämlich nach der Weisung des Götterkönigs Sakka Buße getan, indem ich Eure Schulden im Betrag von hundertachtzig Millionen zusammenbrachte, ferner die hundertachtzig Millionen, die in das Meer hineingetrieben waren, und andere hundertachtzig Millionen, die an der und der Stelle herrenlos lagen, im ganzen also fünfhundertvierzig Millionen holte und damit Eure leeren Kammern anfüllte. Damit ist das Geld, das für das Jetavana aufging, wieder eingebracht. Ich aber bin erschöpft, weil ich keine Wohnung finde; darum denket nicht mehr an das, was ich aus Unwissenheit tat, und verzeiht mir, o Großkaufmann.“ Als Anāthapindika ihre Worte hörte, dachte er: „Dies ist eine Gottheit und sie sagt, sie habe Buße getan, und sie erkennt ihre Schuld. Der Meister wird an sie gedacht und sie deshalb zum Erkennen seiner Vorzüge gebracht haben. Ich will sie dem völlig Erleuchteten zeigen.“ Und er sprach zu ihr: „Liebe Gottheit, wenn du dich wieder mit mir aussöhnen willst, so söhne dich bei dem Meister mit mir aus.“ Sie versetzte: „Gut, ich werde so tun; gehe zum Meister hin und nimm mich mit!“ Darauf sagte er: „Gut“; und in der Frühe, als es noch dämmerte, ging er mit ihr zum Meister hin und erzählte dem Vollendeten alles, was sie getan hatte. Als der Meister seine Worte vernommen hatte, sprach er: „Sieh, Hausvater, ein böser Mensch sieht, solange das Böse nicht gereift ist, nur das Gute; wenn aber das Böse für ihn zur Reife gelangt ist, dann sieht er erst das Böse. Ein guter Mensch aber sieht, solange das Gute nicht zur Reife gelangt ist, das Böse; und erst wenn das Gute für ihn zur Reife gelangt ist, sieht er auch das Gute.“ Nach diesen Worten sagte er folgende zwei Strophen aus dem Dhammapadam:

[§0.3] „Der Böse sieht stets Gutes nur, solang das Böse nicht gereift; und erst wenn Böses ist gereift, dann merkt er, dass es böse ist. [§0.4] Das Gute sieht stets Böses nur, solang das Gute nicht gereift und erst wenn Gutes ist gereift, dann merkt er, dass es Gutes ist.“

[Dhp. 119-120]

Nach Beendigung dieser Strophen aber gelangte die Gottheit zur Frucht der Bekehrung. Und sie warf sich nieder zu den mit dem Rade [22] gezierten Füßen des Meisters und bat den Meister um Verzeihung mit den Worten: „Herr, da ich erfüllt war von Leidenschaft, befleckt durch Sünde, verblendet durch Irrtum, blind durch Unwissenheit, habe ich, weil ich Eure Vorzüge nicht kannte, ein böses Wort gesagt. Verzeiht es mir!“ Und auch den Großkaufmann bat sie um Verzeihung.

Zu der Zeit pries Anāthapindika vor dem Meister seine eigne Tugend, indem er sprach: „Herr, diese Gottheit wollte mich abhalten, die Buddha-Aufwartung auszuführen, sie konnte mich aber nicht davon abhalten; und auch als sie mich vom Almosen Spenden abhalten wollte, gab ich doch Almosen. Ist das keine Tugend von mir, Herr?“ Der Meister versetzte: „Du, Hausvater, bist bekehrt, ein edler Schüler, du hast ein festes Vertrauen, einen reinen Glauben. Dass du dich von dieser ohnmächtigen Gottheit nicht hast abhalten lassen, ist kein Wunder. Dass aber in früherer Zeit, als der Buddha noch nicht erschienen, als die Erkenntnis noch nicht gereift war, die Weisen, obwohl Mara, der Herr der Sphäre der Lust, in der Luft stand und ihnen sagte: ‘Wenn du Almosen gibst, wirst du in dieser Hölle gefoltert werden’, indem er ihnen dabei eine achtzig Ellen tiefe Grube voll glühender Kohlen zeigte, trotz dieser Abmahnung Almosen zu geben, inmitten des Samengehäuses einer Lotosblume stehend, doch Almosen gaben, das ist wunderbar.“ Und auf die Bitte des Anāthapindika hin erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva zu Benares in einer Großkaufmannsfamilie seine Wiedergeburt. In mannigfacher herrlicher Pflege wuchs er auf wie ein königlicher Prinz; als er dann allmählich Einsicht erlangt hatte, im Alter von sechzehn Jahren gelangte er zur Vollkommenheit in allen Künsten. Nach dem Tode seines Vaters erhielt er die Großkaufmannsstelle. Darauf ließ er an den vier Stadttoren vier Almosenhallen, in der Mitte der Stadt eine und am Tore seines Hauses eine, im Ganzen also sechs Almosenhallen errichten und spendete reiche Almosen; auch beobachtete er die Gebote und übte die Uposatha-Gebräuche [23] aus. —

Als nun eines Tages zur Zeit des Frühstücks die gute, äußerst wohlschmeckende Almosenspeise des Bodhisattva herbeigebracht wurde, da erhob sich ein Paccekabuddha aus seiner sieben Tage dauernden Ekstase; und da er merkte, dass es die Zeit des Almosenganges war, dachte er: „Heute kommt es mir zu, zur Türe des Hauses des Großkaufmanns von Benares zu gehen.“ Und er reinigte mit einem Zahnstocher vom Holze des Betelstrauches seine Zähne, wusch sich das Gesicht im Anotatta-See [24], zog dann, in der Manosila-Ebene stehend, sein Untergewand an, gürtete sich und legte das Obergewand darüber. Dann nahm er eine durch Wunderkraft gefertigte irdene Almosenschale, nahm seinen Weg durch die Luft und trat an die Haustüre, als die Almosenspeise des Bodhisattva gerade herbeigebracht wurde. Als der Bodhisattva ihn sah, erhob er sich von seinem Sitze, bezeigte ihm seine Unterwürfigkeit [25] und sah den Aufwärter an; und als dieser ihn fragte, was er tun solle, sprach er: „Bringe die Almosenschale des Edlen!“

In diesem Augenblick erhob sich zitternd Mara der Böse [26], indem er dachte: „Dieser Paccekabuddha hat seit sieben Tagen keine Nahrung mehr zu sich genommen; wenn er auch heute keine Nahrung erhält, wird er zugrunde gehen. Ich will ihn zugrunde richten und den Großkaufmann am Almosen Spenden hindern.“ Und in diesem Augenblicke kam er herbei und erschuf im Innern des Hauses eine Grube glühender Kohlen, achtzig Ellen tief; diese war mit Akazienholzkohlen angefüllt und brannte und glühte, dass man sie für die große Avici-Hölle [27] halten konnte. Nachdem er diese aber geschaffen, stellte er sich selbst in die Luft. —

Als nun der Mann kam, um die Almosenschale in Empfang zu nehmen, sah er die Grube und kehrte um, von großer Furcht erfüllt. Der Bodhisattva fragte: „Warum bist du umgekehrt, Lieber?“ Jener erwiderte: „Herr, mitten im Hause ist eine große brennende und glühende Kohlengrube.“ Und alle anderen, die dorthin kamen, wurden von Furcht ergriffen und liefen rasch davon. Da dachte der Bodhisattva: „Heute wird Mara Vasavatti [28] sich darauf verlegt haben, mich am Almosen Geben zu hindern. Ich weiß aber noch nicht, ob ich durch hundert oder auch durch tausend Maras nicht beeinflusst werden könnte. Heute werde ich sehen, ob meine Kraft und meine Macht größer ist oder die des Mara.“ Und er nahm selbst die Reisschüssel, wie sie hergerichtet war, verließ sein Gemach, stellte sich an den Rand der Kohlengrube und schaute empor. Da sah er Mara und fragte: „Wer bist du?“ Er antwortete: „Ich bin Mara.“ „Hast du diese Kohlengrube geschaffen?“ „Ja, ich habe sie geschaffen.“ „Warum?“ „Um dich am Almosen Geben zu hindern und den Paccekabuddha des Lebens zu berauben.“ Da sprach der Bodhisattva: „Ich werde nicht zulassen, dass du mich am Almosen Geben hinderst und den Pacceka-Buddha des Lebens beraubst; heute werde ich erkennen, ob meine Stärke größer ist oder die deinige.“ Und am Rande der Kohlengrube stehend rief er: „Herr Paccekabuddha, ich werde nicht umkehren, auch wenn ich kopfüber in diese Grube glühender Kohlen stürze. Nehmt nur Ihr die von mir gereichte Speise an.“ Nach diesen Worten sprach er folgende Strophe:

[§1] „Gern stürz ich in die Höll hinab, kopfüber, Füße obenauf; doch nichts Unedles werd ich tun. Wohlan, nimm meine Gabe hin!“

Nach diesen Worten fasste der Bodhisattva mit starker Anstrengung die Reisschüssel und betrat die Oberfläche der Kohlengrube. Sogleich wuchs aus der achtzig Ellen tiefen Kohlengrube vom Boden herauf eine unvergleichlich schöne, große Lotosblume und nahm die Füße des Bodhisattva auf. Dann erhob sich Staub, so viel wie ein großes Gefäß enthält, legte sich auf das Haupt des großen Bodhisattva und bestreute seinen ganzen Körper wie mit goldenem, wohlriechendem Pulver. Er aber gab, im Samengehäuse des Lotos stehend, die äußerst wohlschmeckende Reisspeise dem Paccekabuddha in seine Almosenschale. Dieser nahm sie an und dankte ihm; dann warf er seine Schale in die Luft, erhob sich, während viel Volk zuschaute, selbst in die Luft und kehrte, gleichsam auf einer Reihe mannigfach gestalteter Wolken einhergehend, zum Himavant [29] zurück. Auch Mara begab sich wieder in seine Behausung, besiegt und voll Ärger. Der Bodhisattva aber erklärte, in dem Samengehäuse der Lotosblume stehend, durch die Auseinandersetzung des Almosen Gebens und der Gebote viel Volks die Lehre und kehrte dann, von einer großen Volksmenge umgeben, in seine Behausung zurück. Und nachdem er Almosen gegeben und andere gute Werke zeitlebens verrichtet hatte, gelangte er an den Ort seiner Verdienste.

[§C]

Nachdem der Meister mit den Worten: „Nicht dies, o Hausvater, ist wunderbar, dass du, der du so mit Einsicht begabt bist, dich jetzt von einer Gottheit nicht hast umstimmen lassen; was in früheren Zeiten Weise taten, das nur ist wunderbar“, diese Lehrunterweisung beendigt hatte, stellte er die gegenseitigen Beziehungen fest und verband das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals ging der Paccekabuddha gerade zu der Zeit zum vollständigen Nirvana ein [30]; der Großkaufmann von Benares aber, der im Samengehäuse der Lotosblume stehend dem Paccekabuddha das Mahl reichte, der war ich.“

Ende der Erzählung von der Akazienkohlengrube

Anmerkungen:

1.
Über den Ankauf des Jetavana für die Gemeinde Buddhas vgl. „Leben des Buddha“, S. 146 ff.
2.
Der Ausdruck bedeutet dasselbe wie die „drei Zufluchten“, nämlich Buddha, die Lehre und die Gemeinde.
3.
Also etwa um die Mittagszeit.
4.
D. h. sein Haus wurde von den Mönchen so stark benutzt wie ein an der Vereinigung mehrerer Heerstrassen liegender Teich von den Reisenden.
5.
Damit sind die angesehensten Mönche gemeint. Der Ausdruck deutet auf eine spätere Zeit hin.
6.
Dies sind mit Zinnen geschmückte Gelasse über den Toren.
7.
Auch die Gottheiten sind teils für teils wider Buddha.
8.
In Indien darf der Niedrigere auf keinen Fall sich über dem Höhergestellten aufhalten.

9.
Weil die Gottheit nicht an Buddha glaubt, ist er für sie nur der Asket Gotama; vgl. „Leben des Buddha“, S. 340.
10.
Paccekabuddha, skr. „pratyekabuddha“, ist ein Buddha, der zwar auch aus sich selbst das zum Nirvana führende Wissen erlangt hat, es aber den anderen nicht predigt.
11.
Diese Bemerkung nebst den folgenden Versen ist vom Kommentator eingeschoben.
12.
Damit ist entweder der vierfache Weg zur Heiligkeit gemeint und die vierfache Frucht des Weges (vgl. Jātaka 1 Anm. 25 [Zum Nirvana führt ein vierfacher Weg:
(1.) die Bekehrung,
(2.) die einmalige Rückkehr,
(3.) die Nichtrückkehr und
(4.) die Heiligkeit.
Näheres in „Leben des Buddha“, S. 329 f., Anm. 83.]), oder der achtgliedrige Weg:
  • (1.) Rechter Glaube,
  • (2.) rechter Entschluss,
  • (3.) rechte Rede,
  • (4.) rechter Wandel,
  • (5.) rechtes Leben,
  • (6.) rechtes Streben,
  • (7.) rechtes Denken,
  • (8.) rechte Versenkung.
Vgl. „Leben des Buddha“, S. 81.
13.
Die 7 Kleinodien sind:
  • (1.) Gold,
  • (2.) Silber,
  • (3.) Perlen,
  • (4.) Juwelen,
  • (5.) Lapislazuli,
  • (6.) Diamanten und
  • (7.) Korallen.
14.
Dies sind:
  • (1.) Ganga,
  • (2.) Yamuna,
  • (3.) Aciravati,
  • (4.) Sarabhu und
  • (5.) Mahi.
15.
Es ist nicht klar, welches Lehrstück damit gemeint ist, wie überhaupt der letzte Absatz etwas dunkel ist. (A.IX.20)
16.
Die vier Großkönige sind die Welthüter; sie wohnen auf dem Yugandhara-Berge. Vgl. „Leben des Buddha“, S. 345.
17.
Sakka, skr. „S'akra“, ist der Beiname des Gottes Indra, des Beherrschers der fünf untersten Götterwelten.
18.
Sieger, pali „Jina“, ist nicht nur ein Beiname des Buddha, sondern auch des Mahavira, dessen Anhänger sich daher Jainas nennen.
19.
Die Aciravati, jetzt Rapti, ist ein nördlicher Seitenfluss des Ganges. An ihr lag Savatthi. Sie gehörte zu den fünf großen Strömen; vgl. Anm. 14.
20.
Damit ist die öffentliche Kirchenbuße gemeint, die der Buddhist für seine Sünden leisten musste.
22.
Zu den besonderen Abzeichen des Buddha gehört auch ein kleines Rad auf der Fußsohle.
23.
D. h. er beobachtete an den monatlich mehrmals stattfindenden Uposatha-Tagen auch das 6., 7. und 8. Gebot; vgl. „Leben des Buddha“, S. 319, Anm. 5.
24.
Einer der großen Seen im Himalaya; in der Nähe war die Manosila-Ebene.
25.
Der Ausdruck kann auch übersetzt werden: zeigte ihm (dem Aufwärter), dass er eine Dienstleistung wolle, indem er ihn ansah.
26.
Mara ist eigentlich der Todesgott, dann überhaupt das Prinzip der Weltlichkeit. Näheres im „Leben des Buddha“, S. 349 f. Vgl. auch Windisch, „Mara und Buddha“ 1895.
27.
Eine der acht großen Höllen.
28.
Ein Beiname des Mara. Das Wort bedeutet „zur Unterwerfung bringend“.
29.
Ein anderer Name für den Himalaya.
30.
Dies war also damals die letzte Existenz dieses Paccekabuddha; deshalb kann Buddha ihn nicht mehr mit einem seiner Zeitgenossen identifizieren.
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