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J 63
{Sutta: J i 298|J 063|J 063} {Vaṇṇanā: atta. J 063|atta. J 063}
Die Erzählung von der Dattel
063
Takka-Jataka     (Takkapaṇḍitajātakaṃ) [0a] [1]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Voll Zorn sind sie und undankbar

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen unzufriedenen Mönch. Als diesen nämlich der Meister fragte: „Ist es wahr, o Mönch, dass du unzufrieden bist?“, und die Antwort erhielt: „Es ist wahr“, sprach er: „Die Weiber sind undankbar und verräterisch gegen Freunde; warum bist du ihretwegen unzufrieden?“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, hatte der Bodhisattva die Weltflucht der Weisen ausgeführt und sich am Ufer des Ganges eine Einsiedelei errichtet. Hier erlangte er die Vollkommenheiten [2] und die Erkenntnisse [3] und lebte im lieblichen Glücke der Ekstase. —

Zu der Zeit hatte der Großkaufmann von Benares eine Tochter, Prinzessin Bösewicht mit Namen; die war grausam und hart und sie schlug und zankte ihre Sklaven und Diener. Eines Tages nun nahmen sie diese und gingen nach dem Ganges, um zu spielen. Während sie dort spielten, kam die Zeit des Sonnenuntergangs. Eine Wolke stieg herauf. Als die Leute die Wolke sahen, liefen sie von da und dort her rasch weg. Da dachten die Sklaven und Diener der Tochter des Großkaufmanns: „Heute kommt es uns zu, ihren Rücken zu sehen“; und sie warfen sie in das Wasser und eilten fort. Jetzt ließ der Gott regnen. Die Sonne war untergegangen und es wurde dunkel. Die Leute kamen ohne sie nach Hause; als man sie fragte: „Wo ist sie?“, antworteten sie: „Sie ist aus dem Ganges herausgestiegen; aber wir wissen nicht, wohin sie gegangen ist.“ Ihre Verwandten suchten nach ihr, fanden sie aber nicht.

Das Mädchen aber trieb laut schreiend auf dem Wasser dahin und kam zur Mitternachtszeit in die Nähe der Laubhütte des Bodhisattva. Als dieser ihre Stimme hörte, dachte er: „Es ist die Stimme eines Weibes; ich werde sie erretten.“ Und er nahm eine Grasfackel und ging an das Flussufer; und als er sie sah, beruhigte er sie mit den Worten: „Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht.“ Darauf durchschritt er, der Elefantenstarke, der Kraftbegabte, den Fluss, hob sie auf und brachte sie in seine Einsiedelei; hier machte er Feuer und ließ sie sich wärmen. Als die Kälte vergangen war, bot er ihr süße Waldfrüchte an. Und als sie diese verzehrt hatte und dastand, fragte er: „Wo wohnst du und wie bist du in den Ganges gefallen?“ Sie erzählte ihm diese Begebenheit. Darauf sprach er: „Bleibe nur hier“, und ließ sie in der Laubhütte wohnen.

Nachdem er selbst zwei oder drei Tage unter freiem Himmel sich aufgehalten hatte, sagte er: „Gehe jetzt!“ Sie aber dachte: „Ich werde diesen Büßer zum Bruch seines Gelübdes veranlassen, ihn mit mir nehmen und fortgehen“, und ging nicht. Da nun die Zeit verging, zeigte sie ihre Weiberkunst und Weiberschlauheit und brachte ihn dazu, sein Gelübde zu brechen und die Beschauung zu unterlassen. Und er nahm sie zu sich und wohnte im Walde. — Da sprach sie zu ihm: „Edler, was sollen wir im Walde wohnen? Wir wollen zu den Menschen hingehen!“ Und er ging mit ihr in ein benachbartes Dorf und erhielt sie, indem er durch Handel mit Datteln den Lebensunterhalt erwarb. Weil er nun vom Verkauf von Datteln lebte, gab man ihm den Namen „der Dattelweise“ [Takkapandita]. Darauf gaben ihm die Dorfbewohner Sold, indem sie sagten: „Verkünde uns, was für uns passend oder nicht passend ist, und wohne hier“; und sie ließen ihn in einem Hause am Ende des Dorfes wohnen.

Zu dieser Zeit kamen Räuber vom Berge herab und plünderten die Nachbarschaft. Eines Tages überfielen sie jenes Dorf, ließen sich von den Dorfbewohnern ihr Hab und Gut geben, und als sie nach ihrem Wohnort zurückkehrten, nahmen sie auch die Tochter des Großkaufmanns mit; die übrigen Leute ließen sie wieder gehen. Der Räuberhauptmann aber, der sich in ihre Schönheit verliebt hatte, machte sie zu seiner Frau. — Der Bodhisattva fragte: „Wo ist denn die Frau?“; und als er hörte: „Sie ist von dem Räuberhauptmann mitgenommen und zu seiner Frau gemacht geworden“, dachte er: „Sie wird nicht ohne mich dort bleiben, sondern fortlaufen und hierher zurückkehren.“ Und er blieb dort, indem er auf ihre Rückkehr wartete. —

Die Großkaufmannstochter wiederum dachte bei sich: „Ich lebe hier glücklich. Vielleicht kommt der Dattelweise und holt mich aus irgendeinem Grunde von hier fort; dadurch würde ich meines Glückes verlustig gehen. Wie, wenn ich nun, gerade als ob ich ihn liebte, ihn zu mir kommen und ihn töten ließe?“ Und sie rief einen Mann herbei und sandte jenem folgende Botschaft: „Ich lebe hier im Unglück; der Dattelweise soll kommen und mich holen.“ — Als dieser ihre Botschaft vernahm, glaubte er ihr und begab sich dorthin; und er blieb am Eingang des Dorfes stehen und sandte ihr Botschaft. Sie kam heraus und sprach, als sie ihn sah: „Edler, wenn wir jetzt fortgehen, wird uns der Räuberhauptmann verfolgen und uns beide töten. Wir wollen zur Nachtzeit fortgehen.“ Und sie führte ihn mit sich fort, speiste ihn und ließ ihn in ihrem Gemach sich niedersetzen.

Als nun der Räuberhauptmann kam und Branntwein trank und davon berauscht war, sprach sie zu ihm: „Herr, wenn du jetzt deinen Nebenbuhler sehen würdest, was würdest du mit ihm tun?“ Er erwiderte: „Das und das würde ich tun.“ Da sagte sie: „Er ist aber nicht weit; er sitzt in meinem Gemache.“ Da nahm der Räuberhauptmann eine Fackel und ging dorthin; und als er ihn sah, packte er ihn, warf ihn mitten im Hause hin und schlug ihn mit dem Ellenbogen u. dgl., solange es ihm gefiel. Obwohl jener aber geschlagen wurde, sagte er nichts als die Worte: „Zornig und undankbar sind sie, verleumderisch und verräterisch gegen Freunde.“ Nachdem ihn der Räuber geschlagen hatte, band er ihn und warf ihn auf den Boden; er selbst legte sich nieder, nachdem er seine Abendmahlzeit eingenommen hatte.

Als er dann nach Aufhebung der Wirkung des am Abend genossenen Branntweins [4] erwachte, begann er, ihn abermals zu schlagen. Jener aber sprach wieder nur diese vier Worte. Da dachte der Räuber: „Während dieser so geschlagen wird, sagt er trotzdem nichts anderes als nur diese vier Worte; ich will ihn fragen.“ Und als er merkte, dass jener aufmerkte, fragte er ihn: „He, warum sagst du, obwohl du so geschlagen wirst, nur diese Worte?“ Der Dattelweise erwiderte: „Höre darum zu“, und erzählte ihm die ganze Begebenheit von Anfang an: „Ich war früher ein im Walde wohnender, der Ekstase teilhaftiger Büßer. Als jenes Weib auf dem Ganges dahertrieb, zog ich sie heraus und pflegte sie; sie aber verführte mich und machte mich unfähig zur Ekstase. Darauf verließ ich den Wald und wohnte in einem benachbarten Dorfe und ernährte sie. Als sie hierauf von den Räubern hierher gebracht war, schickte sie mir folgende Botschaft: ‘Ich lebe im Unglück; komm und hole mich’, und ließ mich dadurch in deine Hände fallen. Aus diesem Grunde rede ich so.“

Da dachte der Räuber bei sich: „Wenn diese sich gegen einen solchen mit Tugend ausgestatteten Helfer so übel beträgt, was für Unheil wird sie da nicht über mich bringen? Sie muss getötet werden.“ Und nachdem er den Dattelweisen getröstet hatte, weckte er jene, nahm ein Schwert, ging hinaus und sprach: „Ich werde diesen Mann am Eingang des Dorfes töten.“ Darauf ging er mit ihr vor das Dorf hinaus, sagte ihr: „Nimm ihn bei der Hand“, und als sie ihn an der Hand gefasst hatte, nahm er sein Schwert; indem er aber tat, als treffe er den Dattelweisen, spaltete er sie in zwei Teile.

Darauf ließ er den Dattelweisen sich von Kopf zu Fuß waschen; und nachdem er ihn einige Tage mit vorzüglicher Speise befriedigt, fragte er: „Wohin willst du jetzt gehen?“ Der Dattelweise antwortete: „Nach dem Wohnen im Hause gelüstet es mich nicht; ich werde die Weltflucht der Weisen ausführen und eben dort im Walde wohnen.“ Der andere versetzte: „Ich möchte auch die Welt verlassen“; und so verließen sie beide die Welt und gingen in jene Waldgegend. Und nachdem sie die fünf Erkenntnisse und die acht Vollkommenheiten erlangt hatten, kamen sie am Ende ihres Lebens in den Brahma-Himmel.

[§A2]

Nachdem der Meister diese zwei Begebenheiten erzählt und die gegenseitigen Beziehungen klargelegt hatte, sprach er, der völlig Erleuchtete, folgende Strophe:

[§1] „Voll Zorn sind sie und undankbar, verleumderisch, verräterisch. Du wandle, Mönch, in Heiligkeit; denn so verlierst du nicht das Glück.“

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, verkündete er die Wahrheiten. Am Ende der Verkündigung der Wahrheiten gelangte der unzufriedene Mönch zur Frucht der Bekehrung.

[§C]

Darauf verband der Meister das Jātaka mit den Worten: „Damals war der Räuberhauptmann Ananda, der Dattelweise aber war ich.“

Ende der Erzählung von Takka.

Anmerkungen:

0a.
Bei Dutoit heißt das Jātaka „Die Erzählung von der Dattel“. „Takka“ bedeutet jedoch nicht nur „Dattel“, sondern ist hier offensichtlich die Kurzform von „Takkapandita“ = „der Dattel-Weise“, dem Eigennamen des Bodhisattva in diesem Jātaka. Daher ziehe ich es vor, diesen Namen unübersetzt zu lassen.
1.
Der Titel bezieht sich auf die Benennung „der Dattelweise“, die dem Bodhisattva in dieser Geschichte beigelegt wird.
2.
Vgl. Jātaka 10 Anm. 6. [Darunter sind verstanden die vier Stufen der Ekstase und die vier sogenannten unkörperlichen Sphären, nämlich
  • (5.) die Sphäre der Unendlichkeit des Raumes,
  • (6.) die Sphäre des Nichtsseins,
  • (7.) die Sphäre des weder sich Bewusstseins noch sich nicht Bewusstseins und
  • (8.) die Sphäre des Aufhörens von Empfindung und Bewusstsein.
(Vgl. „Leben des Buddha“, S. 344.)]
3.
Damit sind die 5 übernatürlichen Fähigkeiten gemeint. Vgl. Jātaka 43 Anm. 3. [Dies sind:

  • 1. die Fähigkeit, Wunder zu wirken,
  • 2. das göttliche Gehör,
  • 3. die Kenntnis der Gedanken anderer,
  • 4. die Kenntnis der früheren Existenzen,
  • 5. das göttliche Auge.]
4.
Der Ausdruck „jinnasayasuraya“ wird verschieden aufgefasst. Steinthal (Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte, Band X, S. 84) übersetzt: „nachdem er den Abendtrank verdaut hatte“; Chalmers dagegen sagt „when he had slept off his over-night's debauch“. Ich halte den Vorschlag Fausbölls, „saya“ in „saya“ zu ändern, für passend, wodurch sich die oben stehende Deutung ergibt.
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