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J 181
{Sutta: J ii 091|J 181|J 181} {Vaṇṇanā: atta. J 181|atta. J 181}
Die Erzählung vom Prinzen Unvergleichlich
181
Asadisa-Jataka (Asadisajātakaṃ) [0a]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

4. Asadisavaggo

Der Bogenschütze Unvergleichlich

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die große Weltentsagung. Der Meister sprach: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, hat der Vollendete die große Weltentsagung ausgeführt, sondern auch früher schon gab er den weißen Sonnenschirm [1] auf und entsagte der Welt.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Schoße von dessen erster Gemahlin seine Wiedergeburt. Als er gesund zur Welt gekommen war, gab man ihm am Namengebungstage den Namen „Prinz Unvergleichlich“ [Asadisakumāra]. Als er aber in das Alter kam, wo er allein umherlaufen konnte, nahm ein anderes tugendhaftes Wesen im Schoße der Königin seine Wiedergeburt. Nachdem dieses gesund zur Welt gekommen war, gab man ihm am Tage der Namengebung den Namen „Prinz Brahmadatta“ [Brahmadattakumāra].

Von ihnen begab sich der Bodhisattva, als er sechzehn Jahre alt war, nach Takkasilā und erlernte bei einem weitberühmten Lehrer die drei Veden und die achtzehn Wissenszweige; in der Kunst des Bogenschießens war er unvergleichlich. Darauf kehrte er nach Benares zurück. — Als der König im Sterben lag, sprach er: „Gebt dem Prinzen Unvergleichlich die Königswürde und dem Prinzen Brahmadatta die Vizekönigswürde.“ Dann starb er.

Als nun nach dessen Tode dem Bodhisattva die Königswürde übergeben wurde, sagte er: „Mich verlangt nicht nach der Königswürde“, und wies sie zurück. Darauf weihte man den Prinzen Brahmadatta zum Könige. Der Bodhisattva aber wünschte für sich gar nichts, da er dachte: „Mich verlangt nicht nach Ehre.“ — Während aber der Jüngere die Herrschaft führte, lebte jener, wie natürlich, mit königlicher Pracht. Doch die Trabanten des Königs verleumdeten den Bodhisattva bei dem Könige, indem sie sagten: „Der Prinz Unvergleichlich strebt nach dem Throne.“ Der König schenkte ihren Worten Gehör und glaubte der Verleumdung; und er schickte Leute fort mit dem Auftrage: „Nehmt meinen Bruder gefangen.“

Ein Bediensteter des Bodhisattva aber teilte dies dem Bodhisattva mit. Von Zorn erfüllt gegen seinen jüngern Bruder begab sich der Bodhisattva in ein andres Reich und ließ dem Könige melden: „Ein Bogenschütze ist gekommen und steht vor des Königs Türe.“ Der König fragte: „Wie viel Sold verlangt er?“ „Hunderttausend für ein Jahr.“ „Gut, er soll kommen.“ — Als er nun kam und neben dem Könige stand, fragte ihn dieser: „Bist du ein Bogenschütze?“ Er antwortete: „Ja, o Fürst“ „Gut“, sagte der König, „du sollst mir dienen.“ Und von da an diente er dem Könige. Als aber die früheren Bogenschützen sahen, wie viel Sold ihm gegeben wurde, murrten sie: „Er erhält zuviel.“

Eines Tages nun begab sich der König nach seinem Parke. Neben der königlichen Steinbank ließ er ein Zelt errichten und legte sich am Fuße eines Mangobaumes auf sein großes Lager nieder. Als er in die Höhe schaute, sah er auf der Spitze des Baumes einen Büschel von Mangofrüchten; und da er dachte: „Es ist nicht möglich, hinaufzusteigen und sie zu holen“, ließ er seine Bogenschützen herbeirufen und sprach: „Werdet ihr im Stande sein, dieses Mangobüschel mit einem Pfeile abzutrennen und herabfallen zu lassen?“ Sie erwiderten: „O Fürst, dies ist nicht schwer für uns. Der König hat früher lange Zeit unsre Tätigkeit gesehen; jetzt aber ist ein Bogenschütze gekommen, der mehr erhält als wir. Lasst ihn die Früchte herunterschießen.“

Darauf ließ der König den Bodhisattva herbeirufen und fragte: „Lieber, wirst du im Stande sein, dies zum Herabfallen zu bringen?“ Jener antwortete: „Gewiss, o Großkönig; wenn ich einen bestimmten Platz erhalte, werde ich es können.“ „Welchen Platz?“ „Den Platz, wo Euer Lager steht.“ Der König ließ sein Lager beiseite schaffen und jenem so Platz machen.

Nun hatte der Bodhisattva seinen Bogen nicht in der Hand, sondern er trug ihn immer unter seiner Kleidung befestigt. Deshalb sprach er zum Könige: „Kann ich ein Zelt bekommen?“ Der König sagte: „Gut“, ließ ein Zelt herbeiholen und aufstellen. Darauf ging der Bodhisattva in das Zelt hinein, legte das weiße Gewand, mit dem er oben bekleidet war, ab und zog ein rotes Gewand an, das er an der Schulter befestigte, sowie ein anderes rotes Gewand, das er um den Leib gürtete. Dann zog er aus einem Sack ein zusammensetzbares Schwert hervor und gürtete es an seine linke Seite. Darüber zog er ein goldfarbenes Gewand, befestigte die Bogenhülle an seinem Rücken, nahm seinen zusammensetzbaren großen Widderbogen und zog eine korallenfarbene Sehne daran auf. Hierauf setzte er einen Turban auf sein Haupt, öffnete das Zelt, indem er einen spitzen Pfeil auf den Nägeln herum wirbelte, und trat heraus wie ein geschmückter Naga-Prinz [2], der die Erde gespalten. Er begab sich an den Ort, von wo er den Pfeil abschießen wollte, legte den Pfeil auf und sprach zum Könige: „O Großkönig, soll ich dieses Mangobüschel durch einen Pfeil, der nach oben fliegt, herabfallen lassen oder durch einen Pfeil, der von oben herunterkommt?“ Der König erwiderte: „Lieber, ich habe schon viele gesehen, die etwas durch einen nach oben fliegenden Pfeil herabschossen; solche aber, die mit einem von oben kommenden Pfeile etwas herabschossen, sah ich noch nie. Schieße es darum mit einem von oben kommenden Pfeile herab!“ Der Bodhisattva fuhr fort: „O Großkönig, dieser Pfeil wird weit hinauffliegen. Bis zum Himmel der vier Großkönige [3] wird er fliegen und dann von selbst herunterfallen. Bis er aber herunterkommt, so lange müsst Ihr warten.“ Der König gab mit dem Worte: „Gut“, seine Zustimmung. Darauf sprach jener abermals zu ihm: „O Großkönig, wenn dieser Pfeil hinauffliegt, wird er beim Hinauffliegen den Stängel des Mangobüschels in der Mitte treffen; wenn er aber wieder herunterkommt, wird er nicht um eines Haares Breite diesseits oder jenseits davon treffen, sondern auf denselben Punkt auffallen, den Mangobüschel mit sich nehmen und so herabkommen. Gib Acht, o Großkönig!“ Und er schoss mit großer Gewalt den Pfeil ab. Der Pfeil traf den Stängel des Mangobüschels in der Mitte und flog dann weiter. Als der Bodhivattva merkte: „Jetzt wird der Pfeil bis zum Himmel der vier Großkönige gekommen sein“, schoss er mit großer Gewalt einen Pfeil ab, der noch stärker war als der zuerst abgeschossene. Dieser traf auf seinem Fluge das Gefieder des ersten Pfeiles und brachte ihn dadurch zur Umkehr; er selbst flog in den Himmel der dreiunddreißig Götter hinauf. Dort fingen ihn die Gottheiten auf.

Als aber der nach unten gewendete erste Pfeil die Luft durchschnitt, verursachte er einen Ton wie Donnerhall. Eine große Menge fragte: „Was ist dies für ein Ton?“ Der Bodhisattva sagte ihnen, es sei der Ton von dem zurückkehrenden Pfeile. Als er aber merkte, dass sie alle fürchteten, der Pfeil möchte ihren Körper treffen, beruhigte er die von Furcht ergriffene Volksmenge mit den Worten: „Fürchtet euch nicht“; dann fügte er hinzu: „Ich werde den Pfeil nicht zu Boden fallen lassen.“ — Als nun der Pfeil herabkam, traf er nicht um eines Haares Breite diesseits oder jenseits, sondern fiel gerade auf denselben Punkt wieder auf und zerschnitt das Mangobüschel. Der Bodhisattva ließ weder das Mangobüschel noch den Pfeil zur Erde herabfallen, sondern fing sie in der Luft auf und erfasste mit der einen Hand das Mangobüschel und mit der andern den Pfeil.

Als die Volksmenge dies Wunder sah, riefen sie: „Noch niemals haben wir etwas Derartiges gesehen“; und sie priesen den großen Mann, jubelten ihm zu, klappten mit den Fingern, schüttelten die Finger und tausend Gewänder flatterten in der Luft. Das Gefolge des Königs schenkte ihm erfreut und befriedigt Geld, im Ganzen zehn Millionen. Auch der König schenkte ihm viel Geld, wie wenn er einen Geldregen auf ihn herabströmen ließe, und ließ ihm große Ehre zuteil werden.

Als nun so der Bodhisattva von diesem Könige geehrt wurde und in großem Ruhme dort lebte, hörten sieben Könige: „Der Prinz Unvergleichlich lebt nicht mehr in Benares.“ Und sie kamen dorthin, umlagerten Benares und schickten dem Könige einen Brief mit folgendem Inhalt: „Er soll uns sein Reich geben oder mit uns kämpfen.“ Von Todesfurcht ergriffen fragte der König: „Wo hält sich mein Bruder auf?“ Als er hörte, er diene einem Könige in der Nachbarschaft, schickte er Boten aus mit dem Auftrag: „Wenn mein Brüderchen nicht zurückkehrt, ist mein Leben verloren. Geht, verehret in meinem Namen seine Füße, bittet ihn um Verzeihung und kommt mit ihm zurück.“ Sie gingen hin und teilten dem Bodhisattva die Sache mit. Der Bodhisattva verabschiedete sich vom Könige, kehrte nach Benares zurück und tröstete den König mit den Worten: „Fürchte dich nicht.“

Hierauf schnitt er in einen Pfeil folgende Worte: “Ich, Prinz Unvergleichlich, bin zurückgekehrt. Ich werde euch mit einem einzigen Pfeil, den ich abschieße, allen das Leben nehmen. Wem an seinem Leben etwas liegt, der möge entfliehen.“ Darauf stellte er sich auf den Wartturm und schoss den Pfeil ab, dass er den Knopf der Goldschüssel traf, von der die sieben Könige speisten. Als sie die Worte lasen, wurden sie von Todesfurcht erfasst und entflohen alle.

Nachdem das große Wesen so, ohne auch nur so viel Blut zu vergießen als eine kleine Mücke trinkt, die sieben Könige in die Flucht gejagt hatte, verließ er seinen jüngern Bruder, gab die Lüste auf und betätigte die Weltflucht der Weisen. Er erreichte die Erkenntnisse und die Vollendungen und gelangte am Ende seines Lebens in die Brahma-Welt.

[§A2]

Darauf sagte der Meister: „So, ihr Mönche, betätigte der Prinz Unvergleichlich, nachdem er sieben Könige in die Flucht gejagt hatte, er, der Sieger im Kampfe, die Weltflucht der Weisen.“ Und der völlig Erleuchtete sprach folgende Strophen:

[§1] „Der Bogenschütze Unvergleichlich, der Königssohn von großer Kraft, der Weithintreffer, Blitzschnellschießer, hat über große Macht gesiegt. [§2] All seine Feinde er besiegte und hat doch niemanden verletzt. Dem Bruder brachte er den Sieg; er selbst zog vor die Selbstbezwingung.“
[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der jüngere Bruder Ananda, der Prinz Unvergleichlich aber war ich.“

Ende der Erzählung von Asadisa [0a]

Anmerkungen:

0a.
Bei Dutoit heißt das Jātaka „Die Erzählung vom Prinzen Unvergleichlich“ im Kopftitel bzw. „Die Erzählung von dem Prinzen Unvergleichlich“ im Schlusstitel. Ich ziehe es jedoch vor, den Eigennamen „Asadisakumara“, in der Strophe und im Jātaka-Titel verkürzt auf „Asadisa“, den der Bodhisattva in diesem Jātaka führt, im Titel unübersetzt zu lassen.
1.
Das Zeichen der königlichen Würde.
2.
Vgl. Jātaka 31 Anm. 22. [Die Nagas sind mythische Wesen in Gestalt von Schlangen. Obwohl meist den Menschen feind, bekehrte sich eine Anzahl von ihnen zu Buddha. Vgl. "Leben des Buddha", S. 69.]
3.
Dies ist der unterste der sechs Götterhimmel; der nächste ist der Tāvatimsa-Himmel, der Himmel der dreiunddreißig Götter. Vgl. „Leben des Buddha“, S. 343 und 355.
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