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J 198
{Sutta: J ii 134|J 198|J 198} {Vaṇṇanā: atta. J 198|atta. J 198}
Die Erzählung von Radha
198
Radha-Jataka (Rādhajātakaṃ) [1]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Zurückgekehrt von meiner Reise

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen unzufriedenen Mönch. Als dieser nämlich vom Meister gefragt wurde: „Ist es wahr, o Mönch, dass du unzufrieden bist?“, gab er zur Antwort: „Es ist wahr, Herr.“ Der Meister fragte weiter: „Weshalb?“, und jener erwiderte: „Infolge der Lust, nachdem ich ein geschmücktes Weib gesehen.“ Darauf sprach der Meister zu ihm: „Ein Frauenzimmer, o Mönch, kann man nicht behüten. In der Vorzeit stellte man Wächter dazu, die es doch nicht behüten konnten. Was willst du mit einem Weibe? Auch wenn du es erhalten, kannst du es nicht behüten.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, wurde der Bodhisattva als ein Papagei wiedergeboren. Er hieß Radha; sein jüngster Bruder aber hatte den Namen Potthapada. — Als sie beide noch klein waren, fing sie ein Jäger und gab sie einem Brahmanen in Benares. Der Brahmane nahm sie an Sohnes statt an und zog sie auf.

Die Gattin des Brahmanen aber war nicht zu behüten und lasterhaft. Als jener einmal wegreiste, um ein Geschäft zu besorgen, sprach er zu den jungen Papageien: „Ihr Lieben [2], ich gehe, um Geschäfte zu machen. Beobachtet, was eure Mutter zur Zeit und zur Unzeit tut. Merkt euch, ob ein anderer Mann geht oder kommt.“ Nachdem er so seine Brahmanin den jungen Papageien übergeben hatte, reiste er fort.

Seitdem er aber weg war, verübte sie Unzucht und bei Nacht wie bei Tage war von Kommenden und Gehenden kein Ende. Als dies Potthapada sah, fragte er Radha: „Der Brahmane hat vor seiner Abreise seine Gattin uns zur Bewachung übergeben; sie aber tut Böses. Soll ich es ihr sagen?“ Radha erwiderte: “Sage es nicht.“ Jener aber befolgte seinen Rat nicht und sprach zu der Brahmanin: „Mutter, warum tust du Böses?“ Da bekam sie Lust, ihn zu töten, und sie rief: „Lieber, du bist ja mein Sohn; von jetzt an will ich es nicht mehr tun. Komm her, Lieber!“ Nachdem sie ihn so mit lieben Worten gerufen, packte sie ihn, als er herbeikam, und sagte: „Du gibst mir Ermahnungen? Du kennst deine Befugnis nicht.“ Und sie fasste ihn am Halse, tötete ihn und warf ihn in den Ofen.

Als der Brahmane zurückgekehrt war und sich ausgeruht hatte, fragte er den Bodhisattva: „Mein lieber Radha, hat eure Mutter Unzucht getrieben oder nicht?“ Und er sprach folgende erste Strophe:

[§1] „Zurückgekehrt von meiner Reise, mein Lieber, bin ich eben erst. Hat nicht, mein Lieber, deine Mutter mit einem anderen verkehrt?“

Radha aber belehrte ihn: „Vater, die Weisen erzählen weder das Geschehene noch das nicht Geschehene, wenn es nicht zum Heile führt.“ Und er sprach folgende zweite Strophe:

[§2] „Nicht ist es gut, ein Wort zu sagen, wenn es der Wahrheit auch entspricht. Drum liegt jetzt Potthapada tot, geröstet in des Ofens Asche.“

Nachdem so der Bodhisattva dem Brahmanen die Wahrheit verkündet, dachte er: „Auch ich kann an diesem Orte nicht länger bleiben.“ Und er verabschiedete sich von dem Brahmanen und begab sich in den Wald.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte der unzufriedene Mönch zur Frucht der Bekehrung): „Damals war Potthapada Ananda, Radha aber war ich.“

Ende der Erzählung von Radha

Anmerkungen:

1.
Vgl. das ähnliche Jātaka 145, bei dem jedoch der Schluss anders ist.
2.
Im Texte redet der Brahmane nur den einen an.
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