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J 201
{Sutta: J ii 140|J 201|J 201} {Vaṇṇanā: atta. J 201|atta. J 201}
Die Erzählung von dem Gefängnis
201
Bandhanagara-Jataka (Bandhanāgārajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

6. Nataṃdaḷhavaggo

Nicht diese Bande nennen fest die Weisen

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf das Gefängnis. Zu der Zeit nämlich hatte man viele Einbrecher, Wegelagerer und Mörder vor den König von Kosala gebracht und ihm gezeigt. Der König ließ sie mit Ketten, Stricken und allerlei Banden fesseln. —

Nun kamen damals dreißig Mönche vom Lande, um den Meister zu besuchen. Als sie ihn gesehen und begrüßt hatten, kamen sie am nächsten Tage, während sie auf ihrem Almosengange begriffen waren, an das Gefängnis und sahen die Räuber. Nachdem sie von ihrem Almosengang zurückgekehrt waren, gingen sie zu dem Vollendeten hin und sagten: „Herr, als wir heute unsern Almosengang machten, sahen wir im Gefängnis viele Räuber mit Ketten und anderen Banden gefesselt, die großes Leid ausstanden. Sie können nicht diese Ketten zerbrechen und davonlaufen. Gibt es wohl ein andres Band, das fester ist als diese Fesseln?“ Der Meister antwortete: „Ihr Mönche, dies sind Fesseln; die Fessel der Lust aber, die aus der Begierde nach Geld, Feldfrüchten, Weib und Kind u. dgl. entspringt, ist hundert- und tausendmal fester als diese Fesseln. Obwohl aber diese Fessel so groß und so schwer zu zerbrechen ist, zerbrachen sie doch in der Vorzeit Weise, die dann nach dem Himalaya zogen und die Welt verließen.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, wurde der Bodhisattva in einer in schlechten Verhältnissen befindlichen Hausväterfamilie wiedergeboren. Nachdem er herangewachsen war, starb sein Vater. Er diente um Lohn und ernährte damit seine Mutter. Seine Mutter aber führte ihm gegen seinen Willen eine Tochter von guter Familie ins Haus; darauf starb auch sie.

Im Leibe seiner Gattin aber entstand eine Frucht. Jener wusste nicht, dass eine Leibesfrucht entstanden war, und sagte zu seiner Gattin: „Liebe, erwirb dir deinen Unterhalt durch Lohnarbeit; ich will die Welt verlassen“. Sie aber erwiderte: „In mir ist eine Leibesfrucht entstanden; wenn ich geboren habe und du dein Kind gesehen hast, kannst du die Welt verlassen.“ Er gab mit dem Worte: „Gut“, seine Zustimmung. Als sie geboren hatte, fragte er sie: „Liebe, du hast in Gesundheit geboren; jetzt will ich die Welt verlassen.“ Doch sie entgegnete ihm: „Gehe doch erst, wenn dein Sohn von der Mutterbrust entwöhnt ist.“ Darauf empfing sie abermals.

Jetzt dachte jener: „Ich kann nicht gehen mit ihrer Erlaubnis; ich muss, ohne es ihr zu sagen, davonlaufen und die Welt verlassen.“ Und ohne ihr etwas zu sagen, stand er bei Nacht auf und lief davon. Es nahmen ihn aber die Stadtwächter fest. Da sagte er ihnen: „Ihr Herren, ich muss meine Mutter ernähren; lasst mich los!“ Als er sie so veranlasst hatte, ihn loszulassen, blieb er an einem Orte; dann verließ er durch das Haupttor die Stadt und zog nach dem Himalaya, wo er die Weltflucht der Weisen betätigte. Er erlangte die Erkenntnisse und die Vollkommenheiten und verharrte beständig im Glück der Ekstase.

Während er dort weilte, dachte er: „Eine solche schwer zu zerbrechende Fesselung durch Weib und Kind, die Fessel der Lust habe ich zerbrochen“; und in begeistertem Ausruf sprach er folgende Strophen:

[§1] „Nicht diese Bande nennen fest die Weisen, die eisern sind, aus Holz bestehn, aus Schlingen, doch leidenschaftliche Begier nach Ringen aus Edelsteinen und nach Weib und Kindern. [§2] Dies nennen Weise eine starke Fessel, die, wenngleich schlaff, hinabzieht, schwer zu lösen; auch diese brechen Weise und sie wandeln in Freiheit, losgelöst vom Glück der Lust.“

Dhp 345

Nachdem der Bodhisattva diesen begeisterten Ausruf ausgestoßen hatte, gelangte er, unablässig in Ekstase versunken, in die Brahma-Welt.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, verkündete er die Wahrheiten und sprach (am Ende der Verkündigung von den Wahrheiten aber wurden einige bekehrt, einige einmalzurückkehrend, einige nichtzurückkehrend und einige heilig): „Damals war die Mutter die große Maya, der Vater war der Großkönig Suddhodana, die Gattin war die Mutter Rāhulas, der Sohn war Rāhula; der Mann aber, der die Welt verließ, nachdem er Weib und Kind aufgegeben, war ich.“

Ende der Erzählung von dem Gefängnis

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