[reload all]
[simple read]

J 259
{Sutta: J ii 317|J 259|J 259} {Vaṇṇanā: atta. J 259|atta. J 259}
Die Erzählung von Tiritavaccha
259
Tiritavaccha-Jataka (Tirīṭavacchajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Nichts hat er durch sein Wissen

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung darauf, dass Ananda von den Frauen des Königs von Kosala fünfhundert und vom König selbst auch fünfhundert, im ganzen also tausend Gewänder erhalten hatte.

[§D]

Die Begebenheit ist schon oben im zweiten Buche im Sigala-Jātaka erzählt [1].

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Reiche Kasi in einer Brahmanenfamilie seine Wiedergeburt. Am Tage der Namengebung erhielt er den Namen „Prinz Tiritavaccha“. Nachdem er allmählich herangewachsen war und zu Takkasilā die Künste erlernt hatte, wählte er das Leben im Hause. Nach dem Tode seiner Eltern aber zog er erschütterten Herzens weg, betätigte die Weltflucht der Weisen und wohnte in einem Walde, wo er sich von den Wurzeln und Früchten des Waldes ernährte.

Während er dort weilte, geriet das Grenzland des Königs von Benares in Aufruhr. Der König zog dorthin, wurde aber im Kampfe besiegt. Von Todesfurcht erfasst, entfloh er auf dem Rücken eines Elefanten nach der einen Seite. Während er so im Walde herumritt, kam er am Vormittag, als gerade Tiritavaccha weggegangen war, um sich Waldfrüchte zu sammeln, nach dessen Einsiedelei. Er dachte: „Dies ist eine Wohnung von Asketen“, und stieg von seinem Elefanten herab. Ermüdet durch den Glutwind und durstig sah er sich nach einem Wassertopf um, sah aber keinen; da bemerkte er am Ende des Wandelganges einen Brunnen. Als er keinen an einem Stricke befestigten Topf zum Herausschöpfen des Wassers fand, nahm er, da er den Durst nicht mehr aushaken konnte, das Band, das um den Leib des Elefanten geschlungen war, ließ den Elefanten an den Rand des Brunnens hintreten, befestigte das Band an seinem Fuße und ließ sich an diesem Bande in den Brunnen hinab. Da aber das Band nicht ausreichte, knüpfte er noch sein Obergewand an das Ende des Bandes und ließ sich daran hinab. Aber auch so reichte es nicht. Mit den Fußspitzen fühlte er schon das Wasser; da dachte er, zu sehr vom Durste gequält: „Wenn ich meinen Durst gestillt, will ich gerne sterben“, und ließ sich in den Brunnen fallen. Hier trank er nach Belieben; dann blieb er dort stehen, da er nicht heraufsteigen konnte. Der Elefant aber ging, weil er so gut abgerichtet war, nirgend anderswohin, sondern blieb dort stehen und wartete auf den König.

Als nun der Bodhisattva zur Abendzeit seine Waldfrüchte nach Hause brachte, sah er den Elefanten. Er dachte: „Der König wird gekommen sein, denn hier steht ja sein gewappneter Elefant. Was ist da geschehen?“ Und er ging in die Nähe des Elefanten. Da aber der Elefant merkte, dass jener herankomme, stellte er sich auf die Seite. Der Bodhisattva ging nun an den Brunnen hin; da sah er den König. Er tröstete ihn mit den Worten: „Fürchte dich nicht, o Großkönig“, befestigte eine Leiter am Brunnen und ließ den König hinaufsteigen. Dann rieb er ihm den Körper, bestrich ihn mit Öl, gab ihm ein Bad und bot ihm Waldfrüchte an; hierauf löste er die Rüstung des Elefanten.

Nachdem der König zwei oder drei Tage sich erholt hatte, ließ er sich vom Bodhisattva versprechen, dass er zu ihm kommen werde, und reiste ab. Das Heer des Königs aber hatte unweit von der Stadt ein befestigtes Lager geschlagen. Als es den König lebend daherkommen sah, umringte es ihn.

Nach anderthalb Monaten kam auch der Bodhisattva nach Benares. Nachdem er im Park übernachtet, kam er am nächsten Tage auf seinem Almosengange an das Tor des königlichen Palastes. Der König hatte gerade sein großes Fenster geöffnet und schaute in den Hof hinunter; da sah er den Bodhisattva. Er erkannte ihn, stieg von seinem Palaste herab und begrüßte ihn mit Ehrfurcht. Er ließ ihn in den Thronsaal hinaufsteigen und unter dem aufgespannten weißen Sonnenschirm auf dem königlichen Thronsitze Platz nehmen. Hier bewirtete er ihn mit den für ihn selbst bereiteten Speisen. Nachdem er dann selbst gegessen hatte, führte er ihn nach dem Parke, ließ ihm dort eine mit einem Wandelgang u. dgl. versehene Wohnung erbauen und versah ihn mit allen Requisiten eines Mönches. Hierauf legte er ihn dem Parkwächter ans Herz, grüßte ihn und ging fort.

Von da an verzehrte der Bodhisattva im königlichen Palaste sein Mahl. Viel Ehrung und Auszeichnung wurde ihm zuteil. Dies ertrugen die Minister nicht. Sie sagten untereinander: „Wenn ein Krieger solche Ehrung erhielte, was würde er da tun?“ Und sie gingen zum Vizekönig hin, zu dem sie folgendes sprachen: „O Fürst, unser König ist einem Asketen zu sehr ergeben. Was hat er an ihm gesehen? Sprecht doch darüber mit dem König!“ Jener stimmte zu, ging mit den Ministern zum Könige hin, begrüßte ihn und sprach folgende erste Strophe:

[§1] „Nichts hat er durch sein Wissen je vermocht, er ist dir nicht verwandt, noch dir befreundet. Warum verzehrt der Mann mit den drei Stäben [2], Tiritavaccha so kostbare Speise?“

Als dies der König hörte, sprach er zu seinem Sohne [3]: „Mein Sohn, erinnerst du dich, dass, als ich in das Grenzland zog und im Kampfe besiegt wurde, ich zwei oder drei Tage lang nicht zurück kehrte?“ Da der Sohn antwortete: „Ich erinnere mich“, fuhr der König fort: „Damals wurde mir durch diesen Asketen das Leben gerettet“, und erzählte die ganze Begebenheit. Dann sagte er weiter: „Mein Sohn, auch wenn ich dem, der mir das Leben gerettet, wenn er mich besucht, mein ganzes Königreich gäbe, so könnte ich ihm damit noch nicht mit etwas Entsprechendem vergelten.“ Nach diesen Worten sprach er die folgenden beiden Strophen:

[§2] „In meiner Not, als ich im Kampf besiegt, allein im wasserlosen Walde weilte, da reicht' er dem Unglücklichen die Hand; an ihr stieg ich herauf, vom Leid erlöst. [§3] Durch seine Hilfe nur bin ich gekommen aus Yamas [4] Reich zu dieser Welt des Lebens. Der Ehrung würdig ist Tiritavaccha; erweist ihm also Achtung und Verehrung.“

So verkündete der König die Vorzüge des Bodhisattva, wie wenn er am Himmel den Mond aufgehen ließe. Seine Tugend aber wurde allenthalben bekannt und darum ward ihm noch viel mehr Ehrung zuteil. Von da an getrauten sich weder der Vizekönig, noch die Minister, noch irgendein andrer, etwas dem Könige zu sagen.

Der König aber beharrte bei der Ermahnung des Bodhisattva, tat gute Werke wie Almosen Geben u. dgl. und gelangte dann in den Himmel. Der Bodhisattva erlangte die Erkenntnisse und die Vollkommenheiten und ging hierauf in die Brahma-Welt ein.

[§C]

Nachdem der Meister mit den Worten: „Auch in der Vorzeit taten Weise Werke der Hilfe“, diese Lehrunterweisung beschlossen, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der König Ananda, der Asket aber war ich.“

Ende der Erzählung von Tiritavaccha

Anmerkungen:

1.
Dies ist das 152. Jātaka. Doch ist hier nicht dieses Jātaka gemeint, sondern das 157 Jātaka.
2.
Diese dienen zum Tragen und Aufhängen des Wassertopfes.
3.
Der Vizekönig ist gewöhnlich der älteste Sohn des Königs.
4.
Vesāyī, vgl. Jātaka 240 Anm. 9. [Ähnlich wie Mara der Gott des Todes. Er tritt besonders in der bekannten Savitri-Episode auf.]

[vorige Seite][nächste Seite]