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J 266
{Sutta: J ii 340|J 266|J 266} {Vaṇṇanā: atta. J 266|atta. J 266}
Die Erzählung von dem Wind-Sindhu-Ross
266
Vataggasindhava-Jataka (Vātaggasindhavajātakaṃ) [0a]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Um den du abgemagert bist

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Gutsbesitzer zu Savatthi. — Zu Savatthi nämlich hatte ein sehr schönes Weib einen sehr schönen Gutsbesitzer gesehen und sich in ihn verliebt. Als ob ihr ganzer Körper brennen würde, so brannte in ihrem Innern das Feuer der sinnlichen Lust. Sie hatte kein körperliches, kein geistiges Vergnügen mehr, das Essen schmeckte ihr nicht mehr; sie lag nur da und hielt das Kissen ihres Bettes umfasst. — Es fragten sie aber ihre Dienerinnen und Freundinnen: „Warum liegst du da mit zitterndem Herzen und hältst das Kissen umfasst? Was fehlt dir?“ Beim ersten und zweiten Mal sagte sie es nicht; als sie aber immer wieder gefragt wurde, erzählte sie die Begebenheit.

Darauf trösteten sie jene und sagten: „Bekümmere dich nicht; wir werden ihn herbeiholen“; und sie gingen hin und besprachen sich mit dem Gutsbesitzer. Dieser wies sie anfänglich zurück; als er aber immer wieder gebeten wurde, gab er seine Zustimmung. Darauf ließen sie sich von ihm versprechen, er werde an dem und dem Tage, zu der und der Stunde kommen, und meldeten es dem Mädchen. Dieses richtete sein Schlafgemach her und schmückte sich. Als er nun kam, setzte sie sich auf ihr Lager und er setzte sich auch auf eine Seite ihres Lagers. Da dachte sie: „Wenn ich ihm keine Schwierigkeiten mache und ihm sogleich zu Gefallen bin, so wird meine Herrschaft verloren gehen. Am ersten Tage, da einer kommt, soll man ihm nicht zu Willen sein. Heute will ich ihn unbefriedigt lassen und mich ihm an einem andern Tage hingeben.“

Als er daher mit Händefassen usw. seinen Scherz zu treiben begann, stieß sie ihn, da er sie an den Händen hielt, zurück und sagte: „Gehe weg, ich will dich nicht.“ Er ließ sie los, stand voll Scham auf und kehrte in sein Haus zurück.

Da die übrigen Frauen merkten, was jene getan, gingen sie, als der Gutsbesitzer das Haus verlassen hatte, zu ihr hin und sprachen: „Du warst so verliebt in diesen Mann, dass du dalagst, ohne Speise zu dir zu nehmen. Jetzt brachten wir ihn auf unser wiederholtes Bitten herbei; warum bist du ihm nicht zu Willen gewesen?“ Jene erzählte den Grund. Darauf sagten die Frauen: „Nun, du wirst ja sehen“, und gingen weg. — Der Gutsbesitzer aber drehte sich nicht einmal mehr um, um sie anzuschauen. Da das Mädchen ihn nicht erhielt, aß es nichts mehr und musste daher sterben.

Nachdem nun der Gutsbesitzer erfahren, dass sie gestorben sei, begab er sich mit viel Kränzen, Parfüms und Salben nach dem Jetavana, wo er dem Meister seine Verehrung bezeigte und ihn grüßte. Als er zur Seite des Meisters saß und dieser ihn fragte: „O Laienbruder, warum sieht man dich nicht mehr?“, erzählte er die Begebenheit und fügte hinzu: „Daher, o Herr, bin ich aus Scham diese ganze Zeit nicht zur Buddha-Aufwartung gekommen.“ Darauf sprach der Meister: „Nicht nur jetzt, Laienbruder, ließ dich diese aus sinnlicher Begierde zu sich rufen, da du aber kamst, war sie dir nicht zu Willen und beschämte dich dadurch. Schon in der Vorzeit war sie in Weise [1] verliebt, ließ sie herbeirufen, war ihnen aber, als sie kamen, doch nicht zu Willen, sondern verursachte ihnen Schmerz und vertrieb sie.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in der Familie der Sindhu-Rosse seine Wiedergeburt und war unter dem Namen „das Wind-Sindhu-Ross“ [1a] das Leibross des Königs. Die Pferdewärter pflegten, ihn an den Ganges zu führen und dort baden zu lassen.

Dort sah ihn eine Eselin, Kundali mit Namen. Sie verliebte sich in ihn; zitternd vor sinnlicher Begierde fraß sie kein Gras mehr, noch trank sie Wasser. Sie wurde abgezehrt und mager und bestand nur noch aus Haut und Knochen. Als aber ihr Sohn, ein junger Esel, sie sich so abzehren sah, fragte er sie: „Mutter, warum frisst du kein Gras mehr und trinkst kein Wasser? Ganz abgezehrt liegst du da, an allen Gliedern zitternd; was fehlt dir?“ Sie sagte es anfänglich nicht; als sie aber immer wieder gefragt wurde, erzählte sie den Grund. Darauf tröstete sie ihr Sohn mit folgenden Worten: „Mutter, sei nicht bekümmert; ich werde ihn herbeiholen.“

Als nun das Wind-Sindhu-Ross zum Baden ging, lief der junge Esel auf es zu und sagte: „Lieber, meine Mutter ist in Euch verliebt; sie frisst nichts, magert ab und muss sterben. Gebt ihr das Leben wieder.“ Der Bodhisattva erwiderte: „Gut, mein Sohn, ich will es ihr wiedergeben. Wenn die Pferdewärter nach meinem Bade mich loslassen, damit ich ein wenig am Gangesufer herumwandeln kann, so nimm deine Mutter mit dir und komme an diese Stelle.“

Jener ging hin, brachte seine Mutter herbei, ließ sie an dieser Stelle los und stellte sich selbst verborgen zur Seite hin. Der Pferdewärter ließ ebenfalls das Wind-Sindhu-Ross an diesem Orte. Als dies die Eselin erblickte, ging es zu ihr hin.

Als es zu der Eselin gekommen war und ihren Körper beroch, dachte diese: „Wenn ich ihm keine Schwierigkeiten mache, sondern ihm in dem Augenblicke, da es kommt, mich hingebe, so wird meine Ehre und meine Herrschaft zugrunde gehen. Ich muss mich stellen, als wollte ich nicht.“ Sie schlug mit dem Fuße aus, traf das Sindhu-Ross am Unterkiefer und lief davon. Eine Zahnwurzel wurde dadurch zerbrochen und fiel heraus [2].

Jetzt dachte das Sindhu-Ross: „Was brauche ich sie?“, und voll Scham lief es davon. Die Eselin aber machte sich Vorwürfe, fiel an derselben Stelle nieder und blieb bekümmert liegen. Da kam ihr Sohn zu ihr, und indem er sie fragte, sprach er folgende erste Strophe:

[§1] „Um den du abgemagert bist, um den das Futter dir nicht schmeckte, der Teure war doch hergekommen; warum bist du jetzt fortgelaufen?“

Als die Eselin die Worte ihres Sohnes vernommen, sprach sie folgende zweite Strophe:

[§2] „Wenn gleich vom ersten Anfang an man die Vertrautheit hat gestattet, so geht der Weiber Ehr' verloren; darum, mein Sohn, bin ich entflohen.“ .

So schilderte sie ihrem Sohne das Verhalten der Weiber.

[§A2]

Die dritte Strophe aber sprach der Meister, da er völlig erleuchtet war, in folgender Weise:

[§3] „Wenn eine einen edlen Jüngling zurückweist, wenn er zu ihr kommt, so muss sie trauern lange Zeit, wie Kundali um Vatagga [3].“
[§C]

Nachdem der Meister diese Begebenheit aus der Vergangenheit erzählt und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte der Gutsbesitzer zur Frucht der Bekehrung): „Damals war die Eselin dieses Weib, das Wind-Sindhu-Ross aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Wind-Sindhu-Ross

Anmerkungen:

0a.
Bei Dutoit heißt das Jātaka „Die Erzählung von dem Wind-Sindhu-Ross“. „Vataggasindhava“ ist jedoch der – in der dritten Strophe auf „Vatagga“ verkürzte - Eigenname des Bodhisattva in diesem Jātaka. Daher ziehe ich es vor, diesen Namen unübersetzt zu lassen.
1.
Mit diesem Wort meint Buddha, wie gewöhnlich, sich selbst, obwohl er in der betreffenden Existenz ein Pferd war.
1a.
Auf Pali: „Vataggasindhava“.
2.
Dies ist doch wohl die Bedeutung der Stelle. Rouse übersetzt: „It broke his jaw, and half killed him.“ Es ist mir unklar, wie er zu dem letzten Ausdruck kommt.
3.
Dies ist das Pali-Wort für „Windross“.
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