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J 282
{Sutta: J ii 402|J 282|J 282} {Vaṇṇanā: atta. J 282|atta. J 282}
Die Erzählung von dem Besseren
282
Seyya-Jataka (Seyyajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Den besten Teil hat der erwählt

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Minister des Königs von Kosala. Dieser war nämlich eine große Hilfe für den König und er erledigte alle seine Geschäfte. Der König dachte: „Er ist mir eine große Hilfe“, und erwies ihm große Ehre. Da dies einige nicht mit ansehen konnten, streuten sie üble Nachreden über ihn aus und verleumdeten ihn. Der König glaubte ihren Worten; er ließ, ohne die Schuld zu untersuchen, den Tugendhaften, Schuldlosen in Ketten und Banden schlagen und in das Gefängnis werfen.

Während jener aber hier einsam weilte, erlangte er infolge seiner Tugendfülle die reine Erkenntnis. Durch seine reine Erkenntnis verstand er die Samkharas [1] und gelangte so zur Frucht der Bekehrung.

Zu einer anderen Zeit aber erkannte der König seine Schuldlosigkeit; er ließ seine Ketten und Bande sprengen und erteilte ihm noch mehr Ehre als zuvor. Der Minister aber dachte: „Ich will dem Meister meine Verehrung bezeigen.“ Er nahm viel wohlriechende Substanzen, Kränze u. dgl. mit, begab sich nach dem Kloster, brachte dem Vollendeten seine Verehrung dar, begrüßte ihn und setzte sich ihm zur Seite. Der Meister begann ein freundliches Gespräch mit ihm und sagte: „Wir haben gehört, dass Euch ein Unglück zugestoßen ist.“ Der Minister antwortete: „Ja, Herr, mir ist ein Unglück zugestoßen. Ich aber habe aus dem Unglück ein Glück gemacht; denn als ich im Gefängnis saß, erlangte ich die Frucht der Bekehrung.“ Darauf sprach der Meister: „Nicht nur du, o Laienbruder, hast aus einem Unglück ein Glück gemacht; in der Vorzeit verwandelten auch Weise ihr Unglück in Glück.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Schoße von dessen erster Gemahlin seine Wiedergeburt. Nachdem er herangewachsen war und zu Takkasilā die Künste erlernt hatte, bestieg er nach seines Vaters Tode den Thron. Er betätigte die zehn Königstugenden; er spendete Almosen, hielt die Gebote und beobachtete die Uposatha-Tage.

Es verfehlte sich aber einer seiner Minister im Harem des Königs. Als dies die Diener und andere merkten, meldeten sie dem Könige, der Minister so und so habe sich in seinem Harem verfehlt. Der König ließ ihn beobachten; als er den Sachverhalt bemerkte, ließ er ihn rufen und verbannte ihn mit den Worten: „Diene mir nicht mehr von jetzt an“, aus seinem Reiche. Dieser ging hin und diente einem benachbarten König,

[§D]

usw. wie es oben im Mahasilava-Jātaka erzählt ist.

Auch hier glaubte jener König, nachdem er zuerst dreimal einen Versuch gemacht hatte, den Worten des Ministers; und indem er dachte: „Ich will das Reich von Benares einnehmen“, gelangte er mit großem Gefolge an die Grenze des Reiches. Als die Offiziere des Königs von Benares, fünfhundert an Zahl, von diesem Ereignis Kunde erhielten, sprachen sie zum König: „O Fürst, der und der König kommt herbei, um das Reich von Benares einzunehmen, und verwüstet das Land; auf, wir wollen hingehen und ihn gefangen nehmen.“ Der König aber antwortete: „Ich will kein Reich, das ich durch Verletzung meines Nächsten erhalten; tut nichts!“ Darauf kam der Räuberkönig heran und umlagerte die Stadt. Abermals gingen die Minister zum Könige hin und sagten: „O Fürst, tut nicht so; wir wollen den König gefangen nehmen.“ Der König aber erwiderte: „Ihr dürft nichts tun; öffnet die Tore der Stadt.“ Er selbst aber setzte sich, von seinen Ministern umgeben, im Thronsaale auf sein Thronpolster.

Der Räuberkönig stellte inzwischen an den vier Toren Leute auf, zog in die Stadt, stieg zu dem Palaste hinauf, nahm den von seinen Ministern umgebenen König gefangen, ließ ihn mit Ketten fesseln und in das Gefängnis werfen.

Während aber der König im Gefängnisse saß, erzeugte er in sich das Gefühl der Liebe gegen den Räuberkönig und gelangte zur Liebesekstase. Infolge von dessen Liebesempfindung entstand im Körper des Räuberkönigs ein Fieber. Sein ganzer Leib wurde, als würde er mit Fackelpaaren verbrannt. Von großem Schmerz überwältigt fragte er: „Was ist die Ursache davon?“ Man antwortete ihm: „Ihr ließet den tugendhaften König in das Gefängnis werfen; daher wird Euer Leiden gekommen sein.“

Darauf ging er hin, bat den Bodhisattva um Verzeihung und gab ihm seine Herrschaft zurück mit den Worten: „Euer Reich soll Euch allein gehören.“ Dann fügte er hinzu: „Von jetzt an gehen Eure Feinde mich an.“ An dem verräterischen Minister ließ er die Königsstrafe [3] vollziehen und kehrte hierauf in seine Stadt zurück.

Als nun der Bodhisattva in seinem reich gezierten Thronsaale auf seinem von dem weißen Sonnenschirm beschatteten Thronpolster saß, sprach er, indem er seine rings um ihn sitzenden Minister anredete, die folgenden beiden ersten Strophen:

[§1] „Den besten Teil hat der erwählt, der immer nach dem Bess'ren strebt. Da ich mit einem mich vertrug, hab hundert ich vom Tod bewahrt. [§2] Wer darum mit der ganzen Welt in Eintracht lebt, braucht nach dem Tode zum Himmel nicht allein zu gehen; merkt euch dies wohl, Kasi-Bewohner.“

Nachdem so das große Wesen viel Volks die Betätigung der Liebe angepriesen hatte, gab er den weißen Sonnenschirm [4] in der zwölf Yojanas messenden Stadt Benares auf, begab sich nach dem Himalaya und betätigte dort die Weltflucht der Weisen.

Der Meister fügte, als er der völlig Erleuchtete war, folgende dritte Strophe hinzu:

[§3] Nach diesen Worten legte Kamsa [5], der große Herrscher von Benares, den Bogen nieder und den Köcher und strebte nach der Selbstbezwingung.
[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der Räuberkönig Ananda, der König von Benares aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Besseren

Anmerkungen:

1.
Die Bekehrung besteht darin, dass man von der Vergänglichkeit des Irdischen fest überzeugt wird. Die Samkharas sind ja nichts anderes als die Zusammenfassung alles dessen, was auf das Irdische Bezug hat.
3.
Vgl. Jātaka 86 Anm. 4. [D. h. die Strafe, die auf die Aneignung königlichen Gutes gesetzt ist. Als Königsstrafe wird im Allgemeinen die Todesstrafe bezeichnet].
4.
Hier ist in eigentümlicher Metonymie das Zeichen der Königswürde anstatt der Königswürde selbst gemeint.
5.
Dies ist der Name, den der Bodhisattva in dieser Existenz als König von Benares führte.
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