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J 307
{Sutta: J iii 024|J 307|J 307} {Vaṇṇanā: atta. J 307|atta. J 307}
Die Erzählung von dem Palasa-Baum
307
Palasa-Jataka (Palāsajātakaṃ) [1]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Den nichts Empfindenden, Brahmane

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er auf dem Sterbebette [2] lag, mit Beziehung auf den Thera Ananda. Dieser Ehrwürdige hatte erkannt, dass in dieser Nacht zur Zeit der Morgendämmerung der Meister zum völligen Nirvana eingehen werde[3]. Da dachte er: „Ich bin noch ein Schüler, ich muss noch vorwärts kommen und nun wird mein Meister zum völligen Nirvana eingehen. Die Dienste, die ich während fünfundzwanzig Jahren dem Meister geleistet, werden ohne Frucht bleiben.“ Und von Schmerz überwältigt, lehnte er sich im Innenraum des Gartens an den Mauersims und weinte.

Als ihn der Meister nicht sah, fragte er: „Wo ist Ananda, ihr Mönche?“ Da sie ihm die Sache erzählten, ließ er Ananda rufen und sagte zu ihm: „Ein gutes Werk hast du getan, Ananda. Fahre fort in deinem Streben; bald wirst du sündlos sein. Sei unbesorgt! Warum soll der Dienst, den du mir jetzt erwiesen, fruchtlos bleiben? Auch der Dienst, den du mir früher erwiesen, da du noch der Lust und den andern Sünden verfallen warst, ist nicht fruchtlos geblieben.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva als eine Palasa-Baum-Gottheit unweit von Benares wiedergeboren worden. Damals waren die Einwohner von Benares Verehrer der Gottheiten und beständig bestrebt, Opferspenden u. dgl. zu geben. — Nun dachte ein Brahmane, dem es schlecht ging: „Auch ich will einer Gottheit dienen.“ Er machte bei einem großen Palasa-Baume, der an einer erhöhten Stelle stand, die Wurzeln eben und säuberte sie vom Gras; er streute Sand rings um ihn und kehrte den Boden sauber. Auch spendete er ihm fünf Finger dick[4] Wohlgerüche, verehrte ihn mit Girlanden, wohlriechenden Substanzen und Weihrauch und ließ eine Lampe dort brennen. Dann sagte er: „Schlafe glücklich“, umwandelte den Baum von rechts und entfernte sich. Am nächsten Tage kam er in der Frühe wieder und fragte, ob die Gottheit gut geruht habe.

Eines Tages nun dachte die Baumgottheit: „Dieser Brahmane pflegt mich gar sehr. Ich will den Brahmanen auf die Probe stellen und sehen, aus welchem Grunde er mir so eifrig dient.“ Als der Brahmane kam und den Fuß des Baumes fegte, trat sie in der Tracht eines alten Brahmanen nahe an ihn heran und sprach folgende erste Strophe:

[§1] „Den nichts Empfindenden, Brahmane, der nichts hört, den nichts Verstehenden fragst du, Verständiger, beständig, unablässig, unermattet, ob gut er hat geschlafen. Warum tust du dies?“

Da dies der Brahmane hörte, sprach er folgende zweite Strophe:

[§2] „Weit abseits ist gepflanzt der große Baum. Erhöht steht er; man merkt, ein Gott wohnt dort. Darum will den Palasa ich verehren und seine Gottheit, auch des Geldes wegen.“

Als dies die Baumgottheit hörte, sagte sie zufrieden mit dem Brahmanen: „Ich, o Brahmane, bin die Gottheit, die in diesem Baume lebt. Fürchte dich nicht, ich werde dir Geld verschaffen.“ Nachdem sie ihn so getröstet, stellte sie sich an der Türe ihrer Wohnung durch ihre große Göttermacht in die Luft und sprach die folgenden beiden übrigen Strophen:

[§3] „Ich werde an dir tun nach meinen Kräften, da ich, Brahmane, dankbar dich erkenne. Wie könnten, wenn mit Weisen du verkehrtest, vergeblich sein die Worte, die du sprachest? [§4] Dem Tindu-Baum [5] zur Seite ein Pilakkhu [6] steht weit beachtet, altverehrt und mächtig. An dessen Wurzel liegt ein Schatz vergraben, der keinem sonst gehört; geh, hole ihn.“

Nach diesen Worten aber fügte die Gottheit noch Folgendes hinzu: „O Brahmane, wenn du diesen Schatz hebst und wegnimmst, so wirst du ermüdet werden. Gehe nur; ich allein will ihn in dein Haus bringen und ihn an dem und dem Orte niederlegen. Genieße du zeitlebens dieses Vermögen; spende Almosen und beobachte die Gebote!“ Nachdem sie so den Brahmanen ermahnt, ließ sie durch ihre göttliche Macht den Schatz in sein Haus verbringen.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der Brahmane Ananda, die Baumgottheit aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Palasa-Baum

Anmerkungen:

1.
Palasa ist der Baum Butea frondosa.
2.
Wörtlich: „auf dem Bette, auf dem er zum völligen Nirvana eingehen sollte“.
3.
Vgl. dazu und zum folgenden die Stelle aus dem Mahaparinibbana-Sutta, übersetzt in „Leben des Buddha“, S. 292 f., die offenbar der Jātaka-Erzählung zugrunde liegt.
4.
Vgl. zu diesem Ausdruck Jātaka 186 Anm. 11. [Rouse meint, der an sich unklare Ausdruck beziehe sich auf die Sitte, zur Abwendung des bösen Blickes an den Gegenständen das Bild einer Hand mit fünf ausgestreckten Fingern anzubringen. Dann wäre also eine Anordnung wohlriechender Blumen in Form der fünf Finger gemeint; doch ist die Deutung zweifelhaft.]
5.
Der Baum Diospyros embryopteris, aus der Familie der Ebenholzgewächse.
6.
Ficus infectoria.
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