[reload all]
[simple read]

J 315
{Sutta: J iii 050|J 315|J 315} {Vaṇṇanā: atta. J 315|atta. J 315}
Die Erzählung von dem Fleisch
315
Mamsa-Jataka (Sabbamaṃsalābhajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Gar barsch, fürwahr sind deine Worte

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die wohlschmeckenden Speisen, die der Thera Sāriputta denen geschenkt hatte, die ein Abführmittel eingenommen hatten. —

Damals nämlich hatten im Jetavana einige Mönche ein aus Fett bestehendes Abführmittel eingenommen und sie verlangten nun nach einer den Appetit reizenden Speise. Die Krankenwärter [1] erklärten, sie würden wohlschmeckende Speise [2] holen, gingen nach Savatthi hinein und machten in der Straße ihren Almosengang, in welcher die Häuser der Köche waren. Als sie dort aber keine wohlschmeckende Speise erhielten, kehrten sie wieder um.

Als nun jener Thera etwas später am Tage seinen Almosengang machte, sah er die Mönche und fragte: „Freunde, warum kehrt ihr schon so früh zurück?“ Sie erzählten ihm die Sache. Darauf sprach zu ihnen der Thera: „Gehet also mit mir“, nahm sie mit sich und ging wieder in dieselbe Straße. Die Leute füllten jetzt die Schalen mit wohlschmeckender Speise an und gaben sie den Mönchen. Die Krankenwärter brachten diese in das Kloster und gaben sie den Kranken und diese aßen sie.

Eines Tages nun begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, als die Krankenwärter für die Mönche, die ein Abführmittel genommen hatten, keine wohlschmeckende Speise erhielten und umkehrten, hat der Thera sie mitgenommen, ist in die Straße, wo die Köche wohnen, gegangen und hat viel wohlschmeckende Almosenspeise geschickt.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen? Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, hat nur Sāriputta Fleisch erhalten; auch früher schon ward dies den Weisen zuteil, die sanft redeten und die geschickt waren, mild zu sprechen.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva ein Großkaufmannssohn. Eines Tages nun hatte ein Gazellenjäger viel Fleisch erbeutet. Er füllte einen Wagen damit und ging in die Stadt, um es zu verkaufen. Damals hatten vier Großkaufmannssöhne, die zu Benares wohnten, die Stadt verlassen und sich in der Nähe der Straße hingesetzt, indem sie über irgendetwas, was sie gesehen oder gehört hatten, sich zusammen besprachen.

Als nun einer von diesen Großkaufmannssöhnen den Wagen mit Fleisch sah, fragte er: „Soll ich diesen Jäger uns ein Stück Fleisch bringen lassen?“ Sie antworteten: „Gehe hin und hole eines.“ Darauf ging er zu dem Jäger hin und sagte: „Holla [3], du Jäger, gib mir ein Stück Fleisch!“ Der Jäger erwiderte: „Wenn man einen andern um etwas bittet, muss man lieb zu ihm sprechen. Du wirst ein deiner Rede entsprechendes Stück Fleisch erhalten.“ Und er sprach folgende erste Strophe:

[§1] „Gar barsch, führwahr, sind deine Worte und doch bist du ein Bittender. Der Lunge gleicht die Rede dein; drum gebe ich dir, Freund, die Lunge [4].“

Darauf fragte jenen der zweite Großkaufmannssohn: „Was sagtest du, als du deine Bitte aussprachst?“ „‘Holla’, sagte ich.“ Jetzt sagte der andere: „Auch ich will ihn bitten“; er ging hin und sprach: „Du mein ältester Bruder, gib mir ein Stück Fleisch!“ Der andere sagte wieder: „Du wirst ein deinen Worten entsprechendes Stück erhalten“, und sprach folgende zweite Strophe:

[§2] „Als Glied am Körper eines Menschen bezeichnet oft man seinen Bruder. Dem Glied entsprechen deine Worte; drum geb ich dir das Fleisch der Glieder.“

Nach diesen Worten hob er das Gliederfleisch heraus und gab es ihm.

Darauf fragte diesen der dritte Großkaufmannssohn: „Was sagtest du, als du ihn batest?“ „‘Bruder’, sagte ich.“ Jetzt dachte der andere: „Auch ich will ihn bitten“; er ging hin und sprach: „Väterchen, gib mir ein Stück Fleisch.“ Der Jäger erwiderte: „Du sollst etwas erhalten, was deinen Worten entspricht“; und er sprach folgende dritte Strophe:

[§3] „Sobald ein Sohn sagt: ‘Väterchen’, so rührt er seines Vaters Herz. Dem Herzen gleichen deine Worte; drum geb ich, Lieber, dir das Herz.“

Nachdem er so gesprochen, hob er mit dem Herzfleisch zusammen das süße Fleisch heraus und gab es ihm.

Ihn fragte der vierte Großkaufmannssohn: „Was sagtest du, als du ihn batest?“ „‘Väterchen’, sagte ich.“ Darauf ging der andere zu dem Jäger, um ihn auch zu bitten und sagte: „Genosse, gib mir ein Stück Fleisch!“

Der Jäger erwiderte: „Du sollst erhalten, was deinen Worten entspricht“, und sprach folgende vierte Strophe:

[§4] „In wessen Dorf ein Freund nicht ist, dem geht's, wie wenn im Wald er wohnte [5]. Dem Ganzen gleichen deine Worte; drum geb ich dir das Ganze, Freund!“

Nach diesen Worten sagte er: „Komm, Lieber, ich werde diesen ganzen Wagen voll Fleisch in dein Haus bringen.“ Darauf ließ ihn der Bodhisattva seinen Wagen fortfahren, begab sich in sein Haus und ließ ihn das Fleisch vom Wagen herunternehmen. Er erwies ihm alle möglichen Ehrungen. Auch seine Frau und seine Kinder ließ er in sein Haus rufen; ferner bewog er ihn, sein Jägergewerbe aufzugeben, und ließ ihn inmitten seiner eigenen Familie wohnen. Er wurde sein unzertrennlicher Freund und blieb zeitlebens mit ihm in Eintracht beisammen.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der Jäger Sāriputta; der Großkaufmannssohn aber, der das ganze Fleisch erhielt, war ich.“

Ende der Erzählung von dem Fleisch

Anmerkungen:

1.
Im Orden Buddhas gab es bestimmte Mönche, welche die Kranken zu pflegen hatten; vgl. „Leben des Buddha“, S. 161.
2.
Gemeint sind pikante Speisen im Gegensatz zu der ziemlich reizlosen Reisnahrung.
3.
Das entsprechende Pali-Wort „are“ wird angewendet, wenn ein Höherstehender einen andern schelten will.
4.
Nach dem Kommentator ist die Lunge der niedrigste Teil des Körpers, weil sie voll Blut ist. Es könnte aber auch das Zwerchfell gemeint sein.
5.
D.h. Wer keinen Freund hat, gleicht dem, der abseits von allen Menschen lebt.
[vorige Seite][nächste Seite]