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J 322
{Sutta: J iii 078|J 322|J 322} {Vaṇṇanā: atta. J 322|atta. J 322}
Die Erzählung von dem Getöse
322
Daddabha-Jataka (Duddubhajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Hier war Getöse, Heil sei dir

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Andersgläubigen. Die Andersgläubigen nämlich bereiteten sich in der Nähe des Jetavana da und dort in einem Dornengebüsch ihr Lager; sie übten fünffache Askese aus [1] und betätigten die verschiedenen Arten der falschen Askese. Als nun sehr viele Mönche, die in Savatthi Almosen gesammelt hatten und nach dem Jetavana zurückkehrten, sie sahen, wie sie unterwegs ihre falsche Askese betrieben, gingen sie zu dem Meister hin und fragten: „Entsteht, Herr, aus der asketischen Betätigung dieser andersgläubigen Bettelmönche eine Förderung?“ Der Meister antwortete: „Ihr Mönche, in ihrer Betätigung der Askese liegt weder eine Förderung noch ein Verdienst. Wenn man sie untersucht und nachprüft, so gleicht sie einem Misthaufenpfade oder dem Getöse, das der Hase hörte.“ Darauf sagten die Mönche: „Dass etwas diesem Getöse gleicht, verstehen wir nicht. Erzählt uns, Herr!“ Und auf ihre Bitte erzählte er ihnen folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva seine Wiedergeburt als ein Löwe; als er herangewachsen war, wohnte er im Walde. Damals befand sich in der Nähe des westlichen Ozeans ein mit Beluva-Bäumen [2] gemischter Wald von Fächerpalmen. Dort wohnte ein Hase am Fuße eines Beluva-Baumes unter einem Fächerpalmendickicht. Als er eines Tages mit seiner Nahrung zurückgekehrt war und unter dem Fächerpalmengebüsch lag, dachte er: „Wenn diese Erde untergehen würde, wohin würde ich da gehen?“

In diesem Augenblick fiel eine Beluva-Frucht auf ein Fächerpalmenblatt. Bei diesem Laut dachte der Hase: „Sicher geht die Erde unter“; er sprang empor und lief davon, ohne sich umzusehen. Als er so in Todesfurcht rasch davonlief, sah ihn ein anderer Hase und fragte: „Warum läufst du gar so furchtsam davon?“ „He, frage nicht“, antwortete der erste. Der andere aber fragte: „Was he, was he?“, und lief hinter ihm her. Da drehte sich der erstere um und sagte, ohne sich umzublicken: „Hier geht die Erde unter.“ Darauf lief auch der andere hinter ihm drein.

So sah ihn noch ein dritter, ein vierter und so fort, bis hunderttausend Hasen zusammen davonliefen. Sie sah eine Gazelle, ein Eber, ein Elentier, ein Büffel, ein Gayal-Ochse [3], ein Rhinozeros, ein Tiger, ein Löwe, ein Elefant. Sie alle fragten: „Was gibt es?“, und liefen, als sie hörten, die Erde gehe jetzt unter, auch davon. So wurde es nach und nach ein Heer von Tieren, das sich ein Yojana weit ausdehnte. —

Als nun der Bodhisattva diese Schar davonlaufen sah, fragte auch er: „Was gibt es?“ Da hörte er: „Jetzt geht die Erde unter.“ Er dachte nun bei sich: „Ein Untergehen der Erde gibt es nicht zu irgendeiner Zeit. Sicherlich haben sie irgendeinen schlimmen Ton gehört. Wenn ich aber keine Hilfe bringe, werden sie alle zugrunde gehen; ich werde ihnen das Leben retten.“ Und indem er mit Löwenschnelle vorwärts nach dem Berge lief, stieß er dreimal sein Löwengebrüll aus. Von Furcht vor dem Löwen ergriffen drehten sich die anderen um und blieben dicht zusammengeschart stehen. Der Löwe ging unter sie hinein und fragte: „Warum lauft ihr davon?“ „Die Erde geht unter.“ „Wer hat gesehen, dass sie untergeht?“ „Die Elefanten wissen es.“ Er fragte die Elefanten. Diese sagten: „Wir wissen es nicht; die Löwen wissen es.“ Auch die Löwen sagten: „Wir wissen es nicht; die Tiger wissen es.“ Auch die Tiger sagten: „Die Rhinozerosse wissen es.“ Die Rhinozerosse sagten: „Die Gayal-Ochsen wissen es.“ Die Gayal-Ochsen sagten: „Die Büffel wissen es.“ Die Büffel nannten die Elentiere, die Elentiere nannten die Eber, die Eber nannten die Gazellen. Die Gazellen sagten ebenfalls: „Wir wissen es nicht, die Hasen wissen es.“

Als nun die Hasen gefragt wurden, zeigten sie auf jenen Hasen und sagten: „Dieser hat es gesagt.“ Darauf fragte ihn der Löwe: „Mein Lieber, geht also wirklich die Erde unter?“ „Ja, Herr, ich habe es gesehen“, war die Antwort. „Wo weiltest du, als du dies sahest?“, fragte der Löwe weiter: „In der Nähe des Meeres in einem mit Beluva-Bäumen gemischten Fächerpalmenwald, o Herr. Während ich nämlich dort am Fuße eines Beluva-Baumes in einem Fächerpalmendickicht unter einem Fächerpalmenblatt lag, dachte ich bei mir: ‘Wenn die Erde untergehen wird, wohin werde ich dann gehen?’ In diesem Augenblick hörte ich den Schall vom Erduntergang und lief davon.“

Jetzt dachte der Löwe bei sich: „Sicherlich ist eine Beluva-Frucht auf dieses Fächerpalmenblatt gefallen und hat dadurch ein Getöse verursacht. Als nun dieser den Laut hörte, bildete er sich ein, die Erde gehe unter, und lief davon. Ich will es der Wahrheit gemäß untersuchen.“ Er nahm den Hasen mit sich und tröstete die große Schar mit den Worten: „Ich will an der Stelle, wo dieser es sah, der Wahrheit gemäß untersuchen, ob die Erde untergeht oder nicht, und werde dann zurückkehren. Bleibet ihr hier, bis ich wiederkomme.“ Dann ließ er den Hasen auf seinen Rücken steigen und sprang mit Löwenschnelle davon. In dem Fächerpalmenwalde ließ er den Hasen herabsteigen und sagte: „Gehe, zeige mir die Stelle, wo du dies sahest.“ „Ich getraue mich nicht, Herr“, entgegnete der Hase. „Komm, fürchte dich nicht“, ermunterte ihn der Löwe. Da der Hase nicht wagte, an den Beluva-Baum heranzugehen, blieb er unweit davon stehen und sagte: „Dies ist der Ort, wo das Getöse war“. Dann sprach er folgende erste Strophe:

[§1] „Hier war Getöse, Heil sei dir [4], auf diesem Flecke, wo ich weile. Auch ich verstehe dieses nicht; was war es wohl für ein Getöse?“

Als der Hase dies gesagt hatte, ging der Löwe nach dem Fuße des Beluva-Baumes hin; er sah die Stelle unter dem Palmenblatt, wo der Hase gelegen hatte, und bemerkte, dass oben auf das Fächerpalmenblatt eine Beluva-Frucht gefallen war. Nachdem er sich so der Wahrheit gemäß überzeugt hatte, dass die Erde nicht untergehe, ließ er den Hasen wieder auf seinen Rücken steigen, eilte mit Löwenschnelle in kurzer Zeit zu der Tierversammlung und erzählte ihnen die ganze Begebenheit. Nachdem er der Tiere Schar noch mit den Worten: „Fürchtet euch nicht“, getröstet hatte, entließ er sie. Wenn aber damals der Bodhisattva nicht gewesen wäre, wären sie alle in das Meer gestürzt und zugrunde gegangen; durch den Bodhisattva blieben sie am Leben.

[§A2]
[§2] „Als er gehört, wie mit Getöse die Frucht herabfiel, floh der Hase; der Tiere Heer geriet in Schrecken, als es des Hasen Wort vernommen. [§3] Wer nicht der Weisheit ist teilhaftig, wer sich nach fremden Lauten richtet, wer töricht lässt die Kräfte sinken, der kommt zu einem falschen Ziel. [§4] Wer aber ist erfüllt mit Tugend, an Einsicht sich erfreut und Tugend, die Lust bekämpft, der Weisheit Freund, der kommt nicht an ein falsches Ziel.“

Diese drei Strophen sprach der völlig Erleuchtete.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war ich der Löwe.“

Ende der Erzählung von dem Getöse

Anmerkungen:

1.
Vgl. das 94. Jātaka und „Leben des Buddha“, S. 45 ff.
2.
Dies ist der Vilva-Baum, Aegle marmelos.
3.
Bos gavaeus.
4.
Dies ist als die übliche Ergebenheitsformel eingeschoben.
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