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J 360
{Sutta: J iii 190|J 360|J 360} {Vaṇṇanā: atta. J 360|atta. J 360}
Die Erzählung von Sussondi
360
Sussondi-Jataka (Suyonandījātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Es weht ein Hauch von Timiras

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen unzufriedenen Mönch. Diesen fragte nämlich der Meister: „Ist es wahr, Mönch, dass du unzufrieden bist?“ und erhielt zur Antwort: „Ja, es ist wahr.“ Auf die weitere Frage, was er gesehen habe, erwiderte der Mönch: „Ein geschmücktes Weib.“ Jetzt sprach der Meister: „Dies Weibergeschlecht, o Mönch, kann man nicht behüten. Die Weisen der Vorzeit brachten ein Weib in die Supanna-Behausung [1] und bewachten es, konnten es aber nicht behüten.“ Nach diesen Worten erzählte er auf die Bitte von jenem folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem herrschte zu Benares der König Tamba. Seine erste Gemahlin hieß Sussondi und war mit höchster Schönheit geschmückt. Damals hatte der Bodhisattva im Geschlechte der Supannas seine Wiedergeburt genommen. Zu dieser Zeit war das Nāgadípa [2] eine Insel namens Seruma. Der Bodhisattva wohnte auf dieser Insel in der Supanna-Behausung. Er begab sich nach Benares und spielte dort mit dem Könige Würfel, gekleidet wie ein junger Brahmane.

Als man seine wunderbare Schönheit bemerkte, meldete man der Königin Sussondi: „Mit unserm König spielt ein derartiger junger Brahmane Würfel.“ Da sie Lust bekam, ihn zu sehen, begab sie sich eines Tages geschmückt nach dem Spielzimmer und betrachtete ihn, unter ihren Dienerinnen stehend. Auch er schaute die Königin an. Die beiden verliebten sich ineinander. Darauf ließ der Supanna-König durch seine übernatürliche Macht in der Stadt einen Sturm entstehen. Aus Furcht, das Haus möchte einstürzen, verließen die Leute den Palast des Königs. Jetzt machte jener durch seine übernatürliche Kraft alles finster, ergriff die Königin und begab sich mit ihr durch die Luft nach der Naga-Insel in seine Behausung. Es gab aber niemand, der gewusst hätte, wohin Sussondi gekommen oder gegangen sei. Wenn er sich mit ihr erfreut hatte, ging er weg und spielte mit dem Könige Würfel.

Der König hatte aber einen Musiker namens Sagga. Da auch der König nicht wusste, wohin seine Gemahlin gegangen sei, sprach er zu dem Musiker: „Gehe jetzt, untersuche alle Wege auf der Erde und im Meere und siehe, wohin die Königin gegangen ist.“ Mit diesen Worten schickte er ihn fort. Nachdem dieser Geld mitgenommen hatte, durchsuchte er alles von dem Dorfe am Stadttore angefangen und kam dabei nach Bhārukaccha. Damals aber fuhren die Kaufleute von Bhārukaccha nach dem Goldlande. Jener ging zu ihnen hin und sagte: „Ich bin ein Musiker. Wenn ihr mir den Fahrpreis für das Schiff erlasst, werde ich euch Musik machen. Nehmt mich mit.“ Jene erwiderten: „Gut“, ließen ihn das Schiff besteigen und segelten fort.

Als nun das Schiff glücklich vorwärts fuhr, riefen sie ihn herbei und sagten ihm, er solle ihnen Musik machen. Er erwiderte: „Ich würde euch Musik machen; wenn ich aber musiziere, so werden die Fische sich erregen und euer Schiff wird infolge davon zerstört werden.“ Doch sie versetzten: „Wenn nur ein Mensch Musik macht, so gibt es doch bei den Fischen keine Aufregung! Spiele!“ „Seid mir also nicht böse“, erwiderte er und begann seine Laute zu schlagen. Mit dem Tone seiner Stimme übertraf er noch den Klang der Seiten [3]; so musizierte er. Von diesen Klängen wurden die Fische wie berauscht und gerieten in Erregung. Ein Riesenfisch sprang empor, fiel auf das Schiff und zerschmetterte es. Sagga legte sich nun auf ein Brett und wurde von der Strömung fortgetrieben. Dabei kam er auf die Naga-Insel in die Nähe eines Nigrodha-Baumes bei der Supanna-Behausung.

Die Königin Sussondi aber stieg immer, wenn der Supanna-König zum Würfelspiel weggegangen war, von dem Palast herab und wandelte am Strande des Meeres. Da sah sie den Musiker Sagga. Sie erkannte ihn und fragte: „Wie bist du hierher gekommen?“ Darauf erzählte er alles. Sie tröstete ihn mit den Worten: „Fürchte dich darum nicht!“ Dann umfasste sie ihn mit den Armen, führte ihn in den Palast hinauf und ließ ihn auf ihrem Lager sich niederlegen. Als er sich wieder erholt hatte, gab sie ihm Götterspeise, ließ ihn in Wasser mit göttlichem Wohlgeruche baden, bekleidete ihn mit göttlichen Gewändern, schmückte ihn mit Blumen von göttlichem Wohlgeruche und ließ ihn dann wieder ihr göttliches Lager besteigen. Indem sie ihn so pflegte, verbarg sie ihn, als der Supanna-König zurückkehrte; als dieser aber wieder gegangen war, erfreute sie sich mit ihm in Lust.

Anderthalb Monate später kamen Kaufleute, die zu Benares wohnten, um Holz und Wasser zu holen, auf diese Insel an den Fuß jenes Nigrodha-Baumes. Der Musiker bestieg mit ihnen ihr Schiff und kehrte nach Benares zurück. Als er den König sah zur Zeit, da dieser Würfel spielte, nahm er seine Laute und sprach, indem er musizierte, folgende erste Strophe:

[§1] „Es weht ein Hauch von Timiras [4], es rauscht dabei das seichte Meer; doch weit ist Sussondi von hier. O Tamba, mich verzehrt die Lust [5].“

Als dies der Supanna hörte, sprach er folgende zweite Strophe:

[§2] „Wie überschrittest du das Meer, wie kamest du nach Seruma? Wie konnte zwischen ihr und dir Vereinigung stattfinden, Sagga?“

Darauf sprach Sagga folgende drei Strophen:

[§3] „Von reichen Kaufleuten, die von Bhārukaccha absegelten, zerbrach das Schiff ein großer Fisch; ich schwamm auf einem Brett dahin. [§4] Mit Güt' und Milde nahm die Fürstin, die immer duftete nach Sandel, die Liebe mich in ihren Arm, so wie ihr eignes Kind die Mutter. [§5] Sie tat durch Speise und durch Trank, durch Kleidung und durch weiches Lager und durch sich selbst viel Gutes mir; dies sollst du wissen, König Tamba.“ —

Während aber der Musiker dies erzählte, machte sich der Supanna Vorwürfe und dachte: „Obwohl ich in der Supanna-Behausung wohnte, konnte ich sie nicht behüten. Was soll ich mit dieser Lasterhaften?“ Er holte sie herbei und gab sie dem Könige zurück; dann entfernte er sich. Von da an kam er nie mehr wieder.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener unzufriedene Mönch zur Frucht der Bekehrung): „Damals war der König Ananda, der Supanna-König aber war ich.“

Ende der Erzählung von Sussondi

Anmerkungen:

1.
Vgl. dazu das Jātaka 327.
2.
Es ist die Insel gemeint, die den niederen göttlichen Wesen, wie den Schlangengöttern (Nagas) und den Vogelgöttern (Supannas) als Wohnung dient.
3.
Wörtlich: „indem der Ton der Saiten den Ton des Liedes nicht übertraf“. Francis übersetzt: „keeping perfect harmony between the words of his song and the accompaniment of the lute-string.“
4.
Nach dem Kommentator sind damit die Blumen gemeint, die rings um jenen Nigrodha-Baum wuchsen.
5.
Der Kommentator liest „Tamba“ und „kama“ in einem Wort und deutet daher die dritte Zeile „mich peinigt die Lust des Tamba“, d. h. das Verlangen nach der Frau, die auch König Tamba schon genossen.
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