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J 377
{Sutta: J iii 237|J 377|J 377} {Vaṇṇanā: atta. J 377|atta. J 377}
Die Erzählung von Setaketu
377
Setaketu-Jataka (Setaketujātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Nicht zürne, Lieber, denn nicht gut ist Zorn

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen betrügerischen Mönch.

[§D]

Die Erzählung aus der Gegenwart wird im Uddala-Jātaka berichtet werden [1].

[§B]

Als aber ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva ein weitberühmter Lehrer zu Benares und unterrichtete fünfhundert junge Brahmanen in den Zaubersprüchen. Der älteste von ihnen namens Setaketu war ein Jüngling, der aus einer Brahmanenfamilie des Nordens stammte. Auf seine Geburt aber war er sehr stolz.

Als er nun eines Tages mit anderen jungen Brahmanen zusammen aus der Stadt hinausging und wieder in die Stadt zurückkehrte, sah er einen Candala [2], den er fragte, wer er sei. Als dieser antwortete: „Ich bin ein Candala“, sagte er aus Furcht, der über dessen Körper streichende Wind möchte seinen Körper berühren: „Geh zugrunde, du Candala, du Unglücksrabe; gehe unter den Wind [2a]“, und rasch begab er sich selbst über dessen Windrichtung [2b]. Der Candala aber lief noch rascher und stellte sich über die Windrichtung des Brahmanen. Darauf schalt ihn dieser noch mehr: „Geh zugrunde, du Unglücksrabe“, und schlug ihn.

Nun fragte der Candala: „Wer bist du?“ „Ich bin ein Brahmanenjüngling“, war die Antwort. „Magst du ein Brahmane sein; wirst du aber im Stande sein, mir eine an dich gerichtete Frage zu beantworten?“ „Sicherlich werde ich es können.“ „Wenn du es nicht kannst, setze ich meinen Fuß auf dich“. Da jener auf sich vertraute, erwiderte er: „Tue dies nur!“ Darauf ließ der junge Candala die Umstehenden sich seine Worte merken und fragte dann: „Du junger Brahmane, was sind die Weltgegenden [3]?“ „Die Weltgegenden sind der Osten und die anderen drei Weltgegenden.“ Doch der Candala erwiderte: „Ich frage nicht nach diesen Weltgegenden. Du weißt nicht einmal so viel und ekelst dich vor dem Winde, der über meinen Körper streicht!“ Er packte ihn an den Schulterblättern, beugte ihn nach unten und setzte seinen Fuß auf ihn.

Die jungen Brahmanen erzählten dem Lehrer diese Begebenheit. Der Lehrer fragte: „Ist es wahr, lieber Setaketu, dass der Candala seinen Fuß auf dich gesetzt hat?“ „Ja, Meister“, erwiderte dieser; „jener Sohn einer Candala-Sklavin sagte: ‘Er kennt nicht einmal die Weltgegenden’, und hat mich unter seinen Fuß gebracht. Da ich dies jetzt weiß, werde ich schon sehen, was ich ihm tun muss.“ Und voll Zorn schalt er auf den Candala-Sohn. Darauf sagte der Meister: „Lieber Setaketu, zürne ihm nicht; weise ist der Candala-Sohn. Er fragte dich nicht nach diesen gewöhnlichen Weltgegenden, sondern nach einer anderen. Bei dir gibt es aber mehr, was du noch nicht gesehen, gehört oder erkannt hast, als das, was du schon gesehen, gehört und erkannt hast.“ Und ihn ermahnend sprach erfolgende zwei Strophen:

[§1] „Nicht zürne, Lieber, denn nicht gut ist Zorn; viel hast noch nicht gesehn du, noch gehört. Weltrichtung sind die Eltern, Setaketu, und auch den Lehrer nennen so die Weisen. [§2] Wer Speise, Trank und Kleidung gibt im Hause, auch diese nennen Weltrichtung die Rufer; dies, Setaketu, ist die beste Weltrichtung, die, wenn erreicht, die Armen glücklich macht [4].“

So erklärte das große Wesen dem jungen Brahmanen die Weltrichtungen.

Dieser aber dachte: „Von einem Candala bin ich unter seine Füße gebracht worden“, und blieb nicht an diesem Orte, sondern begab sich nach Takkasilā und erlernte dort bei einem weitberühmten Lehrer alle Künste. Dann verabschiedete er sich von seinem Lehrer, verließ Takkasilā und wandelte umher, indem er alle Vorschriften und Künste lehrte.

Dabei kam er auch an ein Grenzdorf. Hier sah er fünfhundert Asketen, die in der Nähe wohnten, und betätigte bei ihnen die Weltflucht. Nachdem er von ihnen alle Künste, Sprüche und Lebensregeln erlernt hatte, die sie kannten, begab er sich von ihnen umgeben nach Benares. Am folgenden Tage ging er, um Almosen zu sammeln, in den Hof des königlichen Palastes hinein. Befriedigt von ihrem edlen Wandel setzte ihnen der König im Innern seines Palastes ein Mahl vor und wies ihnen in seinem Parke Wohnung an.

Als er eines Tages die Asketen bewirtet hatte, sagte er: „Heute Abend werde ich in den Park kommen und die Edlen begrüßen.“ Darauf ging Setaketu in den Park, versammelte um sich die Asketen und sprach: „Ihr Männer, heute wird der König kommen.“ Dann fuhr er fort: „Wenn man einmal den König für sich gewonnen hat, kann man zeitlebens ein behagliches Leben führen. Heute mögen einige von euch die Askese des sich Auspeitschens üben, einige auf Dornen ihr Lager bereiten, einige sich mit fünffachem Feuer quälen [5], einige die Askese im Knien üben, einige fortwährend im Wasser untertauchen und einige sollen Zaubersprüche hersagen.“ Nachdem er ihnen diese Anweisung gegeben, ließ er sich selbst an der Türe seiner Laubhütte auf einer Bank des Hauses nieder, legte ein Buch mit einem in fünf Farben schimmernden Einband vor sich auf ein buntfarbiges Gestell und erklärte vier oder fünf wohl geschulten jungen Brahmanen alles, wonach sie ihn fragten.

In diesem Augenblick kam der König herbei. Als er sah, wie jene die falsche Askese übten, ging er hochbefriedigt zu Setaketu hin, begrüßte ihn und setzte sich ihm zur Seite. Dann sprach er, zu seinem Hauspriester redend, folgende dritte Strophe:

[§3] „In raues Fell gehüllt, mit schmutz'gen Zähnen, das Antlitz ungepflegt sie sagen Verse; sind etwa sie, die streben wie sonst keiner, die Wissenden nicht von der Höll' erlöst?“

Da dies der Hauspriester hörte, sprach er folgende vierte Strophe:

[§4] „Wenn ein Gelehrter bösen Wandel führt, o König, und sich nicht ergibt der Wahrheit, so kommt der Tausendwisser doch nicht frei vom Leid, wenn er nicht führt den rechten Wandel.“

Als der König diese Worte vernahm, entzog er den Asketen seine Gunst. Da dachte Setaketu bei sich: „Dieser König hatte Gefallen gefunden an den Asketen; dieses aber hat jener Hauspriester zerstört, als hätte er es mit einer Axt abgehauen. Ich muss mit ihm reden.“ Und ihn anredend sprach er folgende fünfte Strophe:

[§5] „Der Tausendwisser selbst kommt doch nicht frei vom Leid, wenn er nicht führt den rechten Wandel. Ich glaube wirklich, fruchtlos ist das Wissen, in Selbstverleugnung wandeln ist das Wahre.“

Da dies der Hauspriester hörte, sprach er folgende sechste Strophe:

[§6] „Nicht fruchtlos ist das Wissen, noch ist Wandel in Selbstverleugnung ganz allein die Wahrheit. Durch Wissen nämlich kommt man zu Ansehen; das Heil jedoch erlangt, wer sich bezähmt.“

Nachdem so der Hauspriester die Worte des Setaketu widerlegt hatte, machte er jene alle zu Laien, ließ sie Schilde und Waffen nehmen und machte sie zu höher stehenden Dienern des Königs; dies aber ist die Herkunft der Höherstehenden.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war Setaketu der betrügerische Mönch, der Candala war Sāriputta, der Hauspriester aber war ich.“

Ende der Erzählung von Setaketu

Anmerkungen:

1.
Jātaka 487.
2.
Candala sind die Angehörigen der untersten Kaste.
2a.
D.h. nach Lee, auf die windabgewandte Seite.
2b.
D.h. nach Luv, auf die Seite, aus der der Wind kommt.
3.
Das Wortspiel ist im Deutschen nicht wiederzugeben, „disa“ heißt die Weltgegenden, zugleich aber auch die Zeiger, die Weiser. Auf diese Bedeutung bezieht sich die Erklärung des Bodhisattva.
4.
Der gelehrte Kommentator gibt eine ausführliche Erklärung dieser Strophe, die aber durchaus nicht beweiskräftig ist. Er bringt dabei folgende Strophen:
„Vater und Mutter sind der Osten, die Lehrer stellen vor den Süden, die Frau und Kinder sind der Westen, vertraute Freunde sind der Norden. Diener und Sklaven sind der Zenith, Nadir Asketen und Brahmanen. Diese Weltgegenden verehre ein auf sein Wohl bedachter Laie.“
Er fügt hinzu, das Wort „diese Weltgegenden“ beziehe sich auf das Nirvana und fügt zum Beweise noch die Strophe aus dem 96. Jātaka an, wo dasselbe Wort vorkommt.
5.
Es könnte auch heißen: „die fünffache Askese üben“; vgl. „Leben des Buddha“, S. 45.
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