Die traditionelle Legende von Buddhas Suche nach Erleuchtung erzählt uns, dass der Bodhisatta während seiner Jugend und in seinen frühen Jahren als Prinz Siddhattha in der völligen Ignoranz der elementaren Aspekte des menschlichen Lebens lebte. Sein Vater, bangend darum seinen sensitiven Sohn von der Belastung des Leidens zu beschützen, hielt ihn als einen uninformiert Gefangen der Nichtwissenheit. Eingekerkert in der Pracht seines Palastes, reichlich mit sinnlichen Freuden versorgt und umgeben von fidelen Freunden, erlangte der Prinz nicht den blassesten Verdacht, dass das Leben etwas anderes bringen könnte als die endlosen Abfolge von Unterhaltung und Festlichkeiten. Es war nur dieser schicksalsreiche Tag als er neunundzwarzig Jahre alt war, als ihn Wissbegierde raus hinter die Mauern des Palastes führte und er den vier „Himmlischen Boten“ begegnete, welche seine Fügung veränderten. Die ersten drei waren der alte Mann, der kranke Mann und die Leiche, welche ihm die schockierende Wahrheit von Altern, Krankheit und Tod lehrten; der vierte war ein wandernder Asket, welcher ihm die Möglichkeit der Existenz eines Pfades, mittels dessen alles Leiden völlig überwunden werden könnte, offenbarte.
Diese reizvolle Geschichte, welche das Vertrauen von Buddhisten über Jahrhunderte genährt hat, bewahrt in seinem Herzen eine profunde psychologische Wahrheit. In einer Sprache von Mythos spricht sie zu uns, nicht bloß als ein Geschehnis das vor Jahrhunderten stattgefunden hat, sondern als ein Ablauf des Erwachens durch den jeder von uns hindurch muß, wenn Dhamma dabei ist in uns selbst aufzukommen. Hinter der symbolischen Fassade dieser antiken Legende können wir sehen, dass Prinz Siddhatthas jugendlicher Aufenthalt im Palast nicht viel anders war, als die Art des Lebens welches die meisten von uns führen – oft, trauriger Weise, bis zu einem Punkt wo es nicht mehr möglich ist, einen Weg in eine andere Richtung einzuschlagen.
Unsere Heime mögen keine königlichen Paläste sein und unser Reichtum der uns zur Verfügung steht, möge nicht annähernd den eines nordindischen rajah erreichen, dennoch teilen wir (und dies oft sehr gewollt) mit dem jungen Prinz Siddhattha die segensreiche Vergessenheit an starre Wirklichkeiten, die unaufhörlich in unserem Bewusstsein auf sich selbst aufbauen. Wenn das Dhamma mehr als ein langweiliger, stumpfsinniger Hintergrund in einem komfortablen Leben sein soll, sollte es zur Inspiration werden, ja zeitweise einem Netz von Stimmen die uns hin zu dem großen Pfad des Erwachens lenken, in dem wir manchmal den Weg des Bodhisattas zu seiner Reife nachahmen müssen. Wir müssen ihm auf seiner Reise außerhalb der Wände des Palastes folgen – den Mauern unserer beteuerten vorgefassten Meinungen – und für uns selbst die himmlischen Boten, die wir so oft übersehen, da unsere Augen an „wichtigeren Dingen“ (unsere banalen vorgefassten Meinungen und Ziele) anhaften, sehen.
Buddha sagte das da nur wenige sind, die von Dingen die wirklich berühren, berührt sind, jedoch im Gegensatz die Zahl jener die nicht so berührt sind viel größer ist. Die Sporen des Erwachens pressen von allen Seiten an uns, doch zu oft, anstatt diese anzuerkennen, reagieren wir einfach damit, uns eine andere Schicht von Kleidern anzuziehen, um uns vor deren Stichen zu schützen. Diese Äußerung ist selbst durch eine neue Sintflut von Diskussionen und Literatur über Altern, lebensbedrohlicher Krankheiten und alternative Entgegnungen zu Tod und Sterben nicht zu widerlegen. Auch offene und ehrliche Aufmerksamkeit ist meist noch immer nicht ausreichend um die Botschaft gleich wie die der himmlischen Boten zu transportieren. In ihrer Absicht ihre Botschaft zu verstehen, dass uns diese Botschaften auch auf dem Weg der Befreiung anspornen, ist oft mehr notwendig. Wir müssen Alter, Krankheit und Tod gegenübertreten und sie nicht einfach als unvermeidliche Realitäten sehen, die wir in gewisser Weise auf einer praktikablen Ebene bewältigen, sondern als Gesandte aus dem Jenseits, von fernen Ufer, die neue Dimensionen des Sinngehaltes aufdecken.
Diese Offenbarung findet auf zwei Ebenen statt. Zuerst, das es himmlischer Boten werdend, muß uns die Tatsache des Alterns, Krankheit und Tod in unserem Bewusstsein über unsere zerbrechliche und verletzbare Natur unseres tagein tagaus Lebens aufrütteln. Diese müssen sich in unserem Geist als ein radikaler Mangel, der durch alle unsere weltlichen Angelegenheiten strömt, sich in der bedingten Existenz in ihrer Gesamtheit ausdehnt, einprägen. Dadurch werden sie zu Fenster die sich zur ersten edlen Wahrheit offen, der edlen Wahrheit von Leiden, welche, wie Buddha meinte, nicht nur Geburt, Altern, Krankheit und Tod, nicht nur Kummer, Trauer, Schmerz und Elend sind, sondern die „fünf Ansammlungen des Anhaftens“, welche unser Weltdasein ausmachen.
Wenn wir diese himmlischen Boten auf dieser Ebene treffen, werden diese zu einem Auslöser der uns zu einer tiefgreifenden inneren Änderung führt. Wir erkennen das wir zerbrechlich, unausweichlich sterblich sind und beginnen mit drastische Änderungen in unseren existenziellen Prioritäten und persönlichen Werten. Anstatt unser Leben mit veränderlichen Belanglosigkeiten zu verschwenden müssen wir Gewichtung jenem geben „was wirklich zählt“, zu Zielen und Taten die von bleibendem Einfuß für eine langfristige Fügung führen – bis hin zur letztlichen Fügung in diesem Leben, bis in unsere ultimative Richtung im Kreislauf von wiederholenden Geburt und Tod.
Bevor so eine Neubewertung passiert, leben wir generell in einem Zustand den Buddha mit der Bezeichnung pamada, unaufmerksam und kopflos, beschrieb. Wir stellen uns selbst unsterblich vor und die Welt als unsere persönliche Spielwiese, wir widmen unsere Energie zum Anhäufen von Reichtum, den Genuß von sinnlichem Vergnügen, das Errichten von Status und dem Streben nach Ruhm und Ansehen. Das Gegenmittel zur Kopflosigkeit das im Bodhisatta aufkam war ganz von der selben Qualität, als er den vier himmlischen Boten in den Straßen von Kapilavatthu begegnete. Diese Qualität, im Pali samvega, genannt, ist eine Art des Ausnahmezustandes, ein innerer Eklat oder Schock, welcher uns nicht mehr bleibend mit unseren gewohnten Ausrichtungen gegenüber der Welt ruhen läßt. Ganz im Gegenteil treibt dieser uns hinaus aus unseren wohligen Palästen und hinein in unbekannte Urwälder, um mit Sorgfalt eine authentische Lösung für unsere existenzielle Misere zu erarbeiten.
An diesem Punkt kommt die zweite Funktion der himmlischen Boten zum Tragen. Altern, Krankheit und Tod sind nicht nur Sinnbilder der unbefriedigenden Natur der weltlichen Existenz sondern auch Fingerzeiger zu einer tieferen Realität die hinter allem liegt. In den traditionellen Legenden sind der alte Mann, der kranke Mann und die Leiche Götter in Verkleidung, die von den höchsten Ebenen hinunter auf die Erde gesandt wurden um den Boddhisatta zu seiner bedeutsamen Mission zu wecken und als ihre Nachricht überbracht wurde setzten sie in ihrer himmlischen Form wieder fort. Das letzte Bedeutung des Dhammas ist nicht Aufgabe, nicht eine Verfügung um uns störrisch Altern, Krankheit und Tod hinzugeben. Dies ist die einleitende Botschaft, die Kundmachung das unser Haus in Flammen steht. Die letztliche Botschaft ist eine andere: Ein überschäumender Schrei, dass da ein Platz der Sicherheit ist, ein freies Gelände hinter den Flammen und ein klares Zeichen zum Ausgang zeigt den Weg um zu entkommen.
Wenn wir im Ablauf des Erwachens Altern, Krankheit und Tot von Angesicht zu Angesicht begegnen müssen, dann deshalb weil der Platz der Sicherheit nur mit ehrlicher Konfrontation mit den reinen Wahrheiten der menschlichen Existenz erreicht werden kann. Wir können Sicherheit nicht erreichen indem wir uns vorspielen, dass die Flamen die unser Haus einhüllen nichts als Blumengestecke sind: Wir müssen diese sehen wir sie sind, als wahre Flammen. Wenn wir, wie auch immer, direkt die himmlischen Boten ansehen, ohne Betretenheit von Angst, werden wir feststellen das deren Gesichter eine unerwartete Metamorphose durchlaufen. Vor unseren Augen, in subtiler Weise, ändern sie sich in andere Gesichter - das Gesicht des Buddhas, mit seinem gelassenen Lächeln des Triumphs über die Arme Maras, über die Dämonen der Begierde und des Todes. Die himmlischen Boten zeigen was hinter allen vergänglichen Erscheinungen liegt, zu einer Dimension von Wirklichkeit in der kein Altern, keine Krankheit und kein Tod mehr ist. Dies ist das Ziel und der letztliche Bestimmungsort des buddhistischen Pfades – Nibbana, das Nichtaltern, das Nichterkranken, die Todlosigkeit. Um uns dort hin zu leiten, erscheinen die himmlischen Boten in unserer Mitte und die gute Neuigkeit von der Befreiung ist ihre Botschaft.