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Denke wie ein Dieb
vom
Ehrw. Thanissaro Bhikkhu
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
Samana Johann
Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden
Alternative Version: alte ATI-Ausgabe
Alternative Formate: [PDF icon]

Im Theravāda ist das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler gleich dem eines Handwerksmeisters zu seinem Lehrling. Das Dhamma ist wie eine Fertigkeit, so wie Zimmern, Bogenschießen oder Kochen. Die Aufgabe des Lehrers ist es, diese Fertigkeit nicht nur mit Worten und Beispielen weiter zu geben. Auch benötigt der Schüler erzeugte Situationen, um den Einfallsreichtum und die Kraft aus Beobachtung zu steigern und um geschickt zu werden. Die Aufgabe des Schülers liegt darin, einen vertrauenswürdigen Meister, jemanden, dessen Fähigkeiten gefestigt sind und dessen Intention vertraut werden kann, zu wählen und so wachsam wie möglich zu sein. Letztlich gibt es keinen Weg ein handfertiger Geselle zu werden, indem man passiv den Meister beobachtet oder lediglich seinen Anweisungen folgt. Sie konnen der Verantwortung für Ihre eigenen Taten nicht entsagen. Sie sollten beidem, Ihren Handlungen und deren Resultaten, zur selben Zeit, indem Sie Einfallsreichtum und Einsicht zum Korrigieren von Fehlern verwenden, und um Hindernisse die aufkommen zu überstehen, Aufmerksamkeit schenken. Das erfordert die Kombination von Respekt gegenüber Ihrem Lehrer, gemeinsam mit dem Respekt für das Prinzip von Ursache und Wirkung, wie sie durch Ihre Gedanken, Sprache und Handlungen aufkommen und erscheinen.

Kurz vor meiner Ordination sagte mein Lehrer, Ajahn Fuang Jotiko, zu mir: “Wenn du lernen willst, mußt du wie ein Dieb denken und herausfinden, wie du dein Wissen erstiehlst.” Und bald lernte ich, was er meinte. Während meiner ersten Jahre, zusammen mit ihm, hatte er niemanden, der sich um seine Bedürfnisse, wie seine Hütte zu reinigen, Wasser für sein Bad zu kochen und nach ihm zu sehen wenn er krank war usw., annahm. Doch trotzdem ich ein Ausländer war, ärmlich in der thailändischen Sprache und wahrscheinlich der pöbelhafteste Barbare, den er je gesehen hatte, übernahm ich bald die Rolle als sein Diener. Anstelle von Erklärungen, wo Dinge platziert werden sollten oder wann diverse Aufgaben zu erledigen seien, überließ er es mir, dies selbst herauszufinden. Wenn ich es durchblickte, würde er nichts sagen. Wenn ich es nicht tat, würde er mir meinen Fehler aufzeigen, aber dennoch nicht vollständig erklären, was falsch war. Ich mußte selbst beobachten: Wo platziert er Dinge, wenn er seine Hütte in Ordnung brachte? Und ich mußte dies aus dem Augenwinkel tun, denn wenn ich ihm zu deutlich zugesehen hätte, hätte er mich verjagt. Wie er auch sagte: “Wenn ich alles erklären muß, gewöhnst du dich daran Dinge auf einem Tablett serviert zu bekommen. Und was willst du dann tun, wenn Probleme während deiner Meditation auftauchen und du keine Erfahrung darin hast, Dinge herauszufinden und selbst zu experimentieren?”

So schluckte ich meinen Stolz hinunter, und lernte meine Fehler als meine Lehrer zu nehmen. Zuvor konnte ich es nie tolerieren im Unrecht zu sein. Doch als ich letztlich akzeptieren konnte unrecht zu haben, begann ich die innere Quelle zu finden, um Dinge richtig einzuordnen.

Doch noch immer war das Thema, den Respekt auszubalancieren, ein Problem. Ajahn Fuang war erstaunlich charakterfest, weise und mitfühlend und ich konnte seinen Absichten, mir gegenüber, immer vertrauen. Als Ergebnis daraus fühlte ich enormen Respekt vor ihm. Nichtsdestotrotz war er ein menschliches Wesen, mit menschlichen Schwächen. Aufgrund dessen, daß meine christliche Erziehung mir gelehrt hatte, lediglich vermeintlich unfehlbaren Wesen ultimativen Respekt zu erweisen, stellte ich mich zu den Begebenheiten, bei denen Ajahn Fuang etwas weniger perfekt war, oft ungeschickt an. Zugleich wußte ich nicht annähernd was ich mit meinem tiefsitzenden Charakterzug des Unabhängigkeitstreben tun sollte. Als mir Ajahn Fuang dann eines Tages, aus dem blauen Himmel heraus, eine Geschichte über die Zeit, als er eine Meinungsverschiedenheit mit seinem eigenen Lehrer, Ajahn Lee Dhammadharo hatte, erzählte.

Dem Ende seines Lebens näher kommend, hatte Ajahn Lee ein Kloster in einem Mangrovensumpf, am Stadtrand von Bangkok, zu errichten. Die unterstützenden Laien wollten eine Ordinationshalle, welche das erste permanente Bauwerk dieses Klosters sein sollte. Als die Fundamente gerichtet wurden, platzierten sie eine Betonkammer unter dem Platz, an dem die Buddhastatue situiert werden sollte, und füllten sie mit heiligen Objekten: Buddharelikten, Buddhastatuen, Amuletten, Stücken von Schriften und weiterem. Traditionell blickt in Thailand die Buddhastatue nach Osten, die Richtung in der Buddha zum Zeitpunkt seines Erwachens blickte, sodaß die Kammer unter der westlichen Hälfte, dort wo die Hauptbuddhastatue versetzt werden sollte, errichtet wurde. Doch auf halben Weg der Bauarbeiten änderte Ajahn Lee seine Meinung und entschied die Buddhastatue an der Ostseite des Bauwerkes, nach Westen blickend, aufzustellen. Auch wenn er niemals eine Erklärung für seinen unüblichen Zug gab, waren sich seine Schüler in der Auslegung dazu, was er damit zeigen möchte, einig: Das Dhamma ging in den Westen.

Noch bevor das Bauwerk fertig war, bemerkte jeder, daß die Kammer nicht länger mit der Vorgabe der Statue zusammen paßte. Das bedeutete, daß die Leute, die das Gebäude dann durch das Westtor betreten würden, über die heiligen Objekte in der Kammer steigen müßten, welches ein strenges thailändisches Tabu überschreiten würde. So sagte Ajahn Lee eines Tages zu Ajahn Fuang: “Rufe die Mönche zusammen und bewegt die Kammer auf die andere Seite des Bauwerkes.” Ajahn Fuang dachte für sich: “Die Kammer ist auf gutem Untergrund errichtet und der Bereich um die Ordinierungshalle dagegen nichts als Schlamm.” Dennoch wußte er, daß, wenn er sagen würde, daß sie nicht versetzt werden könne, Ajahn Lee antworten würde: “Wenn ihr nicht die Überzeugung habt es zu tun, finde ich jemand anderen, der es tut.” So brachte Ajahn Fuang am nächsten Morgen alle gut gebauten Mönche und Novizen im Kloster, unter dem Bauwerk zusammen, um die Kammer, mit Seilen, auf die Ostseite hinüber zu ziehen. Sie arbeiteten den ganzen Tag und konnten sie dennoch keinen Zentimeter vom Fleck bewegen.

Nun war die Zeit eine Meinung auszudrücken und eine alternative Lösung für das Problem zu unterbreiten. Ajahn Fuang ging an diesem Abend zu Ajahn Lee und sagte: “Was ist, wenn wir eine neue Kammer unter der Buddhastatue errichten, die Originalkammer öffnen, die heiligen Objekte aus ihr heraus nehmen und diese in die neue Kammer schließen?” Ajahn Lee gab ihm mit einem Nicken ein Zeichen, und das Problem war gelöst.

“Und das”, schloß Ajahn Fuang ab: “ist wie man Respekt gegenüber seinem Lehrer zeigt.”

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