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Schritte auf dem Weg
von
Phra Ajaan Thate Desaransi (Phra Rajanirodharansi)
übersetzt aus dem Thailändischen von
Thanissaro Bhikkhu
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
Lothar Schenk
Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden

Vorwort

Das Büchlein, das ihr nun in der Hand haltet, erwuchs aus dem Glauben und der Zuversicht eines Mannes aus dem Westen von jüdischer Abstammung namens Dr. Philip, der im Jahr 1963, als ich mich auf der Insel Phuket aufhielt, nach Thailand kam, um sich mit dem Buddhismus zu befassen. Er übte bei mir sechs Monate lang die Meditation aus und schien nicht nur innere Ruhe, sondern auch eine große Wertschätzung für den Buddhismus zu entwickeln. Bevor er nach Hawaii zurückkehrte, bat er mich darum, einige kurze, prägnante Punkte niederzuschreiben, die er für seine weitere Übung mitnehmen konnte. Also schrieb ich ihm zehn Punkte auf. Später erfuhr ich, dass er sie in Übersee in einer Zeitschrift abdrucken ließ, deren Name mir momentan entfallen ist.

Mir kam der Gedanke, dass dieses Büchlein vielleicht denjenigen, die Interesse daran haben, die Meditation auszuüben, von Nutzen sein mochte, denn es ist klein, leicht mit sich zu tragen und schnell durchgelesen, ohne das Hirn übermäßig zu beanspruchen. Daher habe ich es überarbeitet und zur Vervollständigung des Buches einige zusätzliche Punkte hinzugefügt — insbesondere Punkt 11 und das darauf Folgende (d.h. wie man mit Zeichen und Visionen bei der Meditation umgeht) — damit es sich als Führer zur Ausübung der Meditation eignet: indem es den Wert der Meditation aufzeigt, wie man meditiert, welche Arten zu meditieren richtig sind und welche falsch, und wie man im Einzelnen diejenigen Dinge korrigiert, die man bei seiner Übung richtigstellen soll. Ich hoffe, dass dieses Büchlein denen, die Interesse daran haben, nützlich sein wird.

Sollte irgend etwas von dem, was hier steht, nicht der Wahrheit entsprechen, bitte ich darum, die Verantwortung dafür bei mir zu suchen, denn mir fehlt es noch an Erfahrung, was Bildung, Übung, schriftstellerische Fähigkeiten und das Wissen auf vielen Gebieten betrifft. Sollten Leute, die sich auskennen, auf dieses Buch stoßen, so wäre ich dankbar, wenn sie mich verbessern und belehren würden.

1.

Ein wesentlicher Grundsatz in den Lehren des Buddha ist, dass Geist und Körper zusammenarbeiten, dass aber der Körper unter der Herrschaft des Geistes steht. Der Geist befiehlt dem Körper, diese oder jene Tätigkeit auszuführen, aber wenn der Körper sich abnutzt, bringt das notwendigerweise auch für den Geist eine gewisse Beschwernis mit sich. Er unterliegt nicht der Herrschaft durch das Nervensystem, obwohl das Gehirn als eine Schaltzentrale betrachtet werden kann. Wenn der Körper stirbt, indem er sich gemäß dem Wesen seiner verschiedenen Elemente auflöst, so muss der Geist — sofern die notwendigen Voraussetzungen, Unbewusstheit, Begehren, Anhangen und Kamma, noch vorhanden sind — auf der einen oder anderen Daseinsebene wiedererscheinen und weiterhin Leiden und Unbehagen erleben.

2.

Um Unbewusstheit, Begehren, Anhänglichkeit und Kamma zu entfernen — welche die Hauptunruhestifter sind — müssen wir uns zuallererst darin üben, die elementaren Übel in Wort und Tat aufzugeben, indem wir die sittlichen Grundsätze einhalten, die unserer Stellung im Leben entsprechen. In anderen Worten sollen Laienanhänger die fünf Tugendregeln und, in gewissen Abständen, die acht Tugendregeln einhalten; Novizen die zehn oder zwanzig Tugendregeln; und Mönche alle 227 Tugendregeln des Grundcodex für Mönche, im Verein mit den Grundsätzen der reinen Lebensführung, der Sinnenzügelung, und des richtigen Gebrauchs der Lebensnotwendigkeiten, wie sie der Buddha aufgestellt hat.

Solange man die Tugendregeln nicht durchgehend rein hält, ist der Geist noch nicht bereit zur Schulung. Selbst wenn man ihn der Schulung unterzieht, wird eine solche Schulung nicht zum Fortschritt und zur Weiterentwicklung im Dhamma führen, denn das Fundament für das Voranschreiten auf dem Edlen Weg ist noch nicht gelegt — und wir können sagen, dass er noch nicht die Zuflucht im Dreifachen Juwel (ti-ratana) erreicht hat. Ein wahrer Buddhist muss vor allem anderen zuerst fest auf dem Boden des Dreifachen Juwels und den Grundlagen sittlichen Verhaltens stehen.

Der Edle Achtfache Weg und die drei Lehren im Herzen des Buddhismus — das Vermeiden von allem Üblen, die Vervollkommnung tauglichen Handelns und die Reinigung des Herzens — müssen zuerst einmal auf den Grundlagen des Sittlichen aufgebaut sein. Deswegen steht sittlich einwandfreies Verhalten in den Lehren des Buddha am Beginn des religiösen Lebens.

Der nächste Schritt besteht darin, den Geist zu schulen, um mittels der Ruhemeditation innere Sammlung (samadhi) und Vertiefung (jhana) zu entwickeln. Ist der Geist schließlich gründlich darin geübt, einen festen Fokus aufrecht zu erhalten, dann können wir auf der Grundlage eines Verständnisses der Drei Charakteristiken von Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und Nichtselbstheit klare Einsicht (vipassana) entwickeln. Diese führt uns zum reinen Wissen und zur Sicht der Dinge, wie sie tatsächlich sind, und solchermaßen zur Befreiung von allem Schädlichen und Befleckenden.

3.

Im Buddhismus ist das wahre Ziel beim Entwickeln von meditativer Sammlung und Vertiefung, dass man seine geistigen Kräfte bündelt und sie stetig und fest auf einen einzelnen Punkt richtet. Das bildet dann die Grundlage für das Wissen und das Einsichtsvermögen, das in der Lage ist, wahre Einsicht in alle bedingten Erscheinungen der Natur zu erlangen und alles, was schädlich und befleckend ist, aus dem Herzen zu entfernen. Demzufolge wird geistige Stille nicht einfach nur für andere, äußerliche Zwecke entwickelt, wie etwa bei den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Stattdessen ist sie eigens als Werkzeug dafür gedacht, um das Herz von Befleckungen wie den fünf Hemmnissen (nivarana). zu reinigen. Hat man aber soweit geübt, bis man sie beherrscht, dann kann man die Stille des Geistes nach Belieben auch für andere Zwecke verwenden, sofern man sich und anderen damit nicht schadet.

4.

Beim Schulen des Geistes — einer nichtmateriellen Erscheinung — sind materielle Gegenstände wie Ketten und Stricke nutzlos. Um den Geist zu schulen muss man ihn innerlich anleiten, indem man zunächst auf die Erläuterungen derjenigen hört, die schon geschickt darin sind, und dann fest entschlossen ist, gemäß diesen Erläuterungen auch zu üben, wobei man seine Bemühungen am Anfang auf Vertrauen und Überzeugung stützt, solange die eigene Erforschung von Ursache und Wirkung noch nicht ausreicht.

Im Großen und Ganzen erreichen Leute, die Ursache und Wirkung auf sich allein gestellt zu untersuchen beginnen, nicht das erwünschte Ziel, weil ihnen die richtige Herangehensweise fehlt. Weil sie zu sehr in ihre eigenen Ansichten verliebt sind, neigen sie zu Voreingenommenheit und verfehlen deshalb den wahren Weg. Zunächst gilt es, in denjenigen, der einen schult, und in die Vorgehensweisen, in denen man sich üben soll, Vertrauen zu setzen, bis der Geist fest und unerschütterlich geworden ist, erst dann kann man daran gehen, die Dinge, so wie sie tatsächlich sind, zu erforschen und aufzuklären. Nur so gelangt man zu befriedigenden Ergebnissen.

Das kommt daher, weil die Erforschung von Ursache und Wirkung am Anfang gewöhnlich aus einem Blick von außen auf die Dinge besteht, indem man sich von äußeren Einflüssen leiten lässt — "Der sagt das... Der sagt jenes". Um Schulung des Geistes handelt es sich tatsächlich aber nur, wenn man Ursache und Wirkung ausschließlich im eigenen Inneren untersucht und erforscht, zunächst innerhalb des Körpers — mit Fragen wie: "Woraus besteht dieser Körper?", "Wie kommt es dazu, dass alle seine Teile vollständig sind und ihre Aufgaben gut erfüllen können?", "Wozu ist er zu gebrauchen?", "Was erhält ihn am Leben?", "Ist sein Schicksal der Aufbau oder der Verfall?", "Gehört er wirklich mir?" — und dann, indem man sich geistigen Erscheinungen zuwendet — "Tauchen Gier, Abneigung, Verblendung, Liebe, Hass und so weiter im Körper oder im Geist auf?", "Von was kommen sie?", "Sind sie angenehm oder leidbehaftet, wenn sie auftauchen?".

Wenn die Stille des Geistes bei euch aber noch nicht stark genug ist, dann geht nicht her und übernehmt in Gedanken einfach, was ihr vielleicht in Büchern gelesen oder von Anderen gehört habt, weil euch das Nachdenken über die Dinge allein nicht zur Wahrheit führen wird. Anders gesagt, wird es euch nicht zu einem Gefühl von Ernüchterung und Ablösung führen. Erforscht und untersucht also stattdessen die Vorgänge im Geist, wie sie sich hinsichtlich Ursache und Wirkung in der Gegenwart tatsächlich abspielen.

5.

Indem der Geist solcherart anhand eigener persönlicher Beobachtungen die Dinge untersucht und aufklärt, wird er dazu neigen, sich ausschließlich auf einen einzelnen Punkt bei einem einzigen Gegenstand zu konzentrieren. Das nennt man einsgerichtete Sammlung. Es handelt sich um ein Sammeln der Geisteskräfte, so dass sie große Stärke besitzen und fähig sind, Anhaftungen — fehlerhafte Annahmen — zu entwurzeln und den Geist zu säubern, so dass er, in diesem Augenbick, hell und klar ist. Zum Mindesten wird man inneren Frieden empfinden — ein durchdringendes Wohlgefühl in Körper und Geist — und vielleicht auch Erkenntnis der einen oder anderen Art: Erkenntnis von eigentümlicher, überraschender Qualität, denn sie rührt nicht von geistigen Vorstellungsbildern her, sondern von den Ursachen und Wirkungen der Wahrheit, die sich in der Gegenwart abspielen, und zwar so, wie es bisher noch nie gesehen wurde. Selbst wenn es um etwas geht, was man vielleicht schon die ganze Zeit vermutet hat, wird es erst jetzt zur eigenen Erkenntnis, die den Geist erhellt und jeglichen Zweifel und jegliche Unsicherheit in Bezug auf Dinge beseitigt, mit denen der Geist schon lange beschäftigt gewesen sein mag. Mit großer Zufriedenheit und Erleichterung wird man feststellen: "So ist das also!"

Jemand mit geringer Sensibilität mag jedoch auch dann erst überzeugt sein und sich an seiner Erkenntnis erfreuen, wenn es ihm ein Anderer bestätigt, oder wenn er in Büchern über die Lehren des Buddha Aussagen findet, die mit seiner Erfahrung übereinstimmen. Das hängt damit zusammen, dass es Nachfolger des Buddha von unterschiedlicher Art gibt.

Diese Art von Erkenntnis — glanz gleich wie tief oder weitreichend sie ist — wird das Gemüt nicht belasten. Im Gegenteil, es handelt sich um eine Art von innerer Ruhe und wahrem Wohlbefinden, die das Gemüt stark erhellt und erfrischt. Gleichzeitig macht es den Geist und das eigene Verhalten feinfühliger, auf eine Weise, die auf andere erhebend wirkt. Was man auch macht, tut man stets achtsam und lässt sich dabei kaum jemals nachlässig gehen. Wenn man diese Erfahrung gemacht hat, soll man versuchen, alle diese Eigenschaften beizubehalten und nicht nachlässig oder selbstzufrieden werden.

Diese Angelegenheiten hängen alle von den Umständen des Einzelfalls ab und treten daher nicht in jedem Fall ein. Selbst wenn man die Ergebnisse nicht in vollem Umfang erlangen sollte, wenn man den Geist wie oben erläutert geschult hat, wird man auf jeden Fall dem Ausmaß der eigenen individuellen Übung entsprechend ein beeindruckendes Gefühl inneren Friedens und Wohlergehens erfahren. Diesen Gemütszustand sollte man dann versuchen, aufrecht zu erhalten. Lasst keine Gefühle von Gier oder Begehren, Enttäuschung oder Niedergeschlagenheit auftauchen. Haltet den Geist neutral und übt vertrauensvoll weiter, wie ich es anfangs erläutert habe. Seid achtsam, sorgfältig und beobachtet aufmerksam auf jeder Stufe eurer Übung, dann werdet ihr auch auf die erhofften Ergebnisse stoßen.

6.

Wenn die Geistesschulung gemäß Punkt 4 und Punkt 5 nicht zu Ergebnissen führen sollte, dann sammelt euer Wahrnehmungsvermögen und richtet es fest auf einen einzigen Gegenstand oder geistiges Bild als Ziel. Konzentriert euch, zum Beispiel, auf einen Teil des Körpers — etwa die Knochen oder eines der inneren Organe — damit ihr das Anstößige daran erkennt. Oder ihr könnt den Geist einfach auf das nackte Gewahrsein selbst richten — denn der Geist kann nicht mit den physischen Augen betrachtet werden. Wenn er nicht auf einen einzelnen Punkt fokussiert ist, weiß man nicht, ob er da ist oder nicht. Der Geist ist wie der Wind: wenn der Wind nicht mit irgend etwas in Berührung kommt, weiß man auch nicht, ob er da ist oder nicht.

Beim Geist ist es genauso. Wenn ein Neuling kein Ziel für den Geist hat, wird er nicht wirklich in der Lage sein, den Geist zu fassen zu bekommen. Aber wählt bitte nichts, was außerhalb des Körpers liegt, als euer Ziel aus. Nehmt, wie schon erwähnt, einen Teil des Körpers als Ziel — als Gegenstand, auf den sich der Geist richtet. Wenn ihr auf etwas zielt, konzentriert euch auf einen einzigen Gegenstand, der euch geeignet erscheint. Seid nicht gierig und nehmt erst hiervon etwas und dann ein Stückchen davon.

Untersucht den Gegenstand im Mittelpunkt eurer Betrachtung im Einklang mit den Grundsätzen der Pfeiler der Achtsamkeit (satipatthana). Anders gesagt, mustert die verschiedenen Teile des Körpers, bis ihr erkennen könnt: "Das bin ich nicht. Das macht nicht mich aus."

Es gibt zwei Arten, die fokussierte Untersuchung durchzuführen, welche diese Erkenntnis hervorruft:

a. Wenn ihr ausschließlich auf das Ziel fokussiert seid, fragt nicht in Gedanken danach, was das Ziel ist , oder wer es betrachtet. Lasst da einfach nur das Wahrnehmen und das fokussierte Betrachten sein. Gebt dem, was da ist, keine Namen oder Bezeichnungen. Es wird einfach das Empfinden da sein, mit dem man spürt, dass man beim Ziel bleibt, aber denkt nicht darüber nach, was dieses Ziel ist.

b. Wenn ihr ausschließlich auf das Ziel fokussiert seid, seid euch gleichzeitig ständig bewusst: "Das ist das Ziel, auf das der Geist gerichtet ist. Das ist der untersuchende Geist. Das ist die Achtsamkeit, also das Sich-Erinnern, dass man mit dem Geist beim Ziel bleibt. Das ist das Einsichtsvermögen, welches den Gegenstand der Betrachtung wahrheitsgemäß erkennt."

Beide Vorgehensweisen funktionieren, doch Methode (a) eignet sich für Anfänger und solche, deren Beobachtungsfähigkeit noch unentwickelt ist, während Methode (b) sich für diejenigen eignet, die erfahren sind und genau beobachten können. Beide Vorgehensweisen aber, wenn man sie nur fleißig übt, führen zu denselben Ergebnissen, nämlich zu innerer Sammlung und Einsichtsvermögen.

7.

Wenn ihr den Geist, wie oben erläutert, schult, und unabhängig davon, welche Methode ihr anwendet, macht euch bitte keine Gedanken darüber, ob ihr innere Sammlung und Einsichtsvermögen erlangen werdet oder nicht. Und lasst auch jegliche Erwartungen beiseite, die sich auf mancherlei mündlich weitergegebene Gerüchte und Erzählungen stützen. Folgt einfach genau der in Punkt 6 angegebenen Methode, und ihr werdet keine Schwierigkeiten haben.

Beobachtet gleichzeitig, wie ihr an die Sache herangegangen seid, um zu erkennen, wie ihr den Geist auf den Gegenstand der Betrachtung gerichtet habt, wie ihr die Achtsamkeit aufrecht erhalten habt, und was sich daraus für den Geist ergeben hat. Wenn das, was ihr da getan habt, den Geist aufnahmefähig und hell gemacht hat, dann macht so weiter, bis ihr es vollkommen beherrscht und jederzeit tun könnt. Aber wenn die Ergebnisse nicht so waren, d.h. genau entgegengesetzt, dann geht augenblicklich daran und benutzt eure Beobachtungsfähigkeiten, wie bereits erwähnt, um es zu ändern und besser zu machen.

Bei der Betrachtung, wie sich der Geist beim Schulen verhält, können manche ihren Geisteszustand bereits untersuchen, während der Geist sich noch in diesem Zustand befindet; anderen gelingt das erst, wenn sich der Geist aus diesem Zustand wieder zurückgezogen hat und momentan noch still und unbewegt ist. Beides funktioniert. Es hängt einfach vom individuellen Temperament des Einzelnen ab. Aber wenn man seine Beobachtungsfähigkeit überhaupt nicht benutzt, wird man bei der Geistesschulung kaum Fortschritte erzielen können und — sollte es tatsächlich doch Fortschritte geben — wird man sie schwerlich beibehalten können.

8.

Eine Sache — seltsam und überraschend — kann bei der Schulung des Geistes ungewollt auftreten. Das heißt, der Geist wird sich von den äußeren Gegenständen zurückziehen und in ein einziges Ganzes sammeln, indem er alle Benennungen und Bindungen aufgibt, die mit Vergangenheit und Zukunft zu tun haben. Es bleibt lediglich das nackte Gewahrsein übrig, vereint mit dem, womit es sich gegenwärtig beschäftigt. Dabei gibt es kein Gefühl von "innen" und "außen" — ein Zustand, dessen Eigenschaften rein geistiger Art sind. Es ist, als ob alles sich umgekehrt hätte.

Das ist der Geist, der auf seine eigene Ebene — bhavanga — gelangt ist. In diesem Augenblick bezieht sich alles nur auf den Geist. Obwohl das Leben immer noch weitergehen mag, lässt der Geist beim Erreichen dieser Ebene alle Bindungen an den Körper los und geht nach innen, um sich einzig und allein seinem eigenen Gegenstand zu widmen. Das wird bhava-citta, genannt, der Geist auf seiner eigenen Ebene. Der Geist auf seiner eigenen Ebene beinhaltet immer noch einen feineren, aber vollständigen Satz der fünf khandhas, und deswegen kann er immer noch Geburt und Entwicklungszustände durchmachen, und so in der Zukunft weitere Geburten entstehen lassen.

Das Erreichen dieses Zustands ähnelt etwas dem Einschlafen und Träumen. Der Unterschied hängt davon ab, wieviel Aufmerksamkeit da ist. Wer gesammelt und aufnahmefähig ist, wird — wenn dieses Ereignis zum ersten Mal stattfindet — wissen, was gerade geschieht und was er da erlebt, so dass er nicht aufgeregt wird oder außer Fassung gerät. Wer hingegen leichtgläubig und wenig achtsam ist, wird wie jemand sein, der einschläft und träumt. Wenn so jemand wieder zu sich kommt, wird er in der Regel fassungslos sein oder sich von den Visionen, die er gesehen haben mag, in die Irre führen lassen. Aber wenn jemand sich so weit geschult hat, bis er geschickt darin ist, diesen Zustand häufig hervorrufen zu können, dann wird seine Fähigkeit zur Achtsamkeit sich verbessern und seine diversen Visionen werden verschwinden. Nach und nach wird er Einsicht gewinnen, bis er die natürlichen Erscheinungen so sieht, wie sie wirklich sind.

9.

Das in Punkt 8 besprochene Phänomen lässt zwar nicht diejenige Einsichtsfähigkeit entstehen, die in der Lage wäre, in die Muster von Ursache und Wirkung umfassend einzudringen, ist aber dennoch eine vorbereitende Stufe bei der Ausbildung des Geistes. Es kann die fünf Hemmnisse unterdrücken und gleichzeitig ein Gefühl von Frieden und Wohlergehen in der Gegenwart entstehen lassen. Ordentlich weiterentwickelt, so dass es sich nicht wieder verschlechtert, wird es in der Zukunft, je nach dem eigenen karmischen Hintergrund, zu einer guten Wiedergeburt führen.

Übrigens ist es gewöhnlich dieser geistige Augenblick, von dem wir hier sprechen, in dem Visionen und Zeichen unterschiedlicher Art erscheinen. Aber das heißt nicht, dass es in jedem Fall zu Visionen oder Zeichen kommen muss, wenn der Geist dieses Stadium erreicht. Bei manchen Leuten und zu bestimmten Zeiten treten sie auf; bei anderen Leuten und zu anderen Zeiten nicht. Das ist wiederum eine Sache der Veranlagung des Einzelnen — und auch noch von anderen Faktoren.

Um vollkommen bei der Wahrheit zu bleiben: Wenn es um die Frage von Visionen und Zeichen geht, die im Verlauf der Meditation auftauchen, kann man sagen, dass sie nur in dem Fall gut sind, wenn es sich um Meditierende handelt, die geistesgegenwärtig und scharfsinnig genug sind, um sie zu durchschauen, die also — wenn sie Visionen sehen — sich davon nicht blenden lassen oder sich an ihnen festhalten, als wären sie ein Selbst oder als würden sie wirklich ihnen gehören. Sie sehen die Visionen einfach als Visionen; es reicht ihnen, sie als Werkzeug oder einen vorübergehenden Aufenthaltsort für den Geist zu benutzen und sie dann wieder gehen zu lassen.

Was nun Leute angeht, die nicht besonders achtsam oder aufmerksam sind — und eben ganz schön leichtgläubig —, die geraten, wenn eine Vision erscheint, in äußerste Aufregung und können sogar so verblendet werden, dass sie den Kontakt mit der Wirklichkeit verlieren, weil sie glauben, die Vision sei etwas Echtes und Wahres. (Ich werde weiter unten in Punkt 11 besprechen, wie man mit Visionen und Zeichen umgeht.)

Hinzu kommt, dass Leute, die ihren Geist bis zu diesem Stadium entwickelt haben, gewöhnlich stur und engstirnig auf ihren Meinungen beharren, weil ihr Geist so kraftvoll ist. Wenn sie über etwas nachdenken, neigen sie dazu, es nur von einer Seite aus zu betrachten. Sie geben nicht viel auf die Meinung von Anderen, weil sie glauben, dass ihre eigenen Ansichten vollkommen vernünftig und vertrauenswürdig seien — obwohl ihre Meinungen in Wirklichkeit der Selbstbestätigung dienen und es sehr wohl an Vernunft fehlen lassen, und das kann die Art, wie sie die Dinge sehen, leicht vollkommen verdrehen.

Aber ob nun Visionen und Zeichen auftauchen mögen oder nicht, sind sie jedenfalls nicht wirklich das, was man hier haben möchte; abgesehen davon, dass es sich bei ihnen um Befleckungen handelt, die das Beobachtungsvermögen trüben, sind sie auch noch Hindernisse bei der Entwicklung von klarer Einsicht. Das Ziel bei der Geistesschulung ist es, die fünf Hemmnisse loszulassen und dann die khandhas zu untersuchen, so dass sie klar werden und man sie sieht, wie sie wirklich sind, bis Ernüchterung ihnen gegenüber eintritt, bis Leidenschaft und Faszination ihnen gegenüber sich lösen, und man sie loslässt, um sie nie wieder aufzugreifen und festzuhalten.

10.

Wenn man den Geist soweit ausgebildet hat, dass er fest genug in Vertiefung und Sammlung verankert ist, um die fünf Hemmnisse zu unterbinden, dann sollte man daran arbeiten, klare Einsicht zu entwickeln. Tatsächlich kann es geschehen, dass klare Einsicht schon entsteht, während man noch an der Entfaltung innerer Ruhe arbeitet. In anderen Worten, hellt sich das Einsichtsvermögen so weit auf, dass es die Wahrheit, dass alle verursachten Dinge (sankhara) nach ihrem Entstehen wieder zerfallen und untergehen müssen, deutlich erkennt und sieht. Sie können nicht bestehen bleiben. Sie sind nicht "ich" oder "mein", sondern einfach nur natürliche Erscheinungen, die ihren eigenen Gesetzen folgen.

Wenn diese Art von Wissen auftaucht, ruft sie im Geist gegenüber allem bedingt Entstandenen Ernüchterung und Leidenschaftslosigkeit hervor. Der Geist verweilt ganz in einem Zustand gereifter und gezügelter Leidenschaftslosigkeit, ganz gleich, was er sieht oder hört, und wo. Das nennt man klare Einsicht, die zusammen mit innerer Ruhe entsteht.

Wenn Einsicht sich jedoch nicht auf diese Weise erhebt, dann kann man, wenn man Ruhemeditation ausgeübt hat, bis der Geist fest verankert ist, entweder einen Teil des Körpers — etwa die Knochen oder die Eingeweide — oder ein Thema, mit dem sich die Gedanken gerade beschäftigen, auswählen und so eingehend untersuchen, bis man erkennt, dass all die Dinge, an denen sich der Geist festhält, weil er glaubt, sie seien stabil, vertrauenswürdig und zu wahrem Glück führend, dass alle diese Dinge in Wirklichkeit den drei Charakteristiken unterworfen sind. Was wir von den Dingen annehmen, indem wir sagen "Das hier ist das und das dort ist jenes", so wie es unseren Vorstellungen entspricht, das stimmt überhaupt nicht. Alle verursachten Dinge entstehen einfach aufgrund ihrer jeweiligen Bedingungen: Unbewusstheit, Begehren, Anhangen und Kamma. Wenn ihre jeweiligen Ursachen aufgebraucht sind, lösen sie sich von selbst auf. Niemand zwingt sie dazu, sich aufzulösen. Selbst der Körper, in dem wir leben, kann nur in Abhängigkeit von bestimmten Ursachen wie Atemluft und Nahrung überleben. Wenn diese Dinge aufgebraucht sind, hat der Körper überhaupt keine Bedeutung mehr.

Wenn man auf diese Weise, mit der Kraft eines voll gesammelten Geistes, die Dinge untersucht, wird man das Ziel der Geistesschulung erreichen. Das Licht der Weisheit wird sich zeigen, vervollkommnet durch die Einsicht in Ursache und Wirkung, die man vollkommen selbständig entdeckt hat. Diese Sache ergibt sich nicht dadurch, dass man sich Begriffe oder theoretische Gedankengänge, die man von anderen gehört hat, zu eigen macht, sondern daraus, dass man die Ursachen und Wirkungen direkt im eigenen Herzen erkennt. Der Geist wird sich niemals wieder derart blenden lassen, dass er gegenüber irgend etwas bedingt Entstandenem, was es auch sei, noch anhänglich, leidenschaftlich, erfreut oder missmutig gestimmt werden könnte.

Übrigens können wir sagen, dass der Geist, wenn er noch nicht wahrheitsgemäß und klar Einblick in sein Meditationsobjekt genommen hat, noch garnicht wirklich gesammelt und fest verankert ist. Aber der Grund dafür, dass man die Geistesschulung vor diesem Punkt nicht Einsichtsmeditation nennt, liegt darin, dass das weise Unterscheidungsvermögen, was Ursache und Wirkung betrifft, noch schwach und bruchstückhaft ist.

Zusammengefasst: Die Reinigung unserer Worte und Taten muss mit einer Schulung in sittlicher Tugend beginnen. Die Reinigung des Geistes muss mit einer Schulung in Geistesruhe — meditative Sammlung und Vertiefung — beginnen, bis der Geist genügend Kraft hat, um die fünf Hemmnisse zu unterdrücken. Wenn der Geist Sammlung und Vertiefung vollkommen beherrscht, indem er darin nach Belieben eintreten, austreten und bleiben kann, dann wird sich Weisheit — das Licht des Wissens, welches Einblick in die Wahrheit aller natürlichen Bedingungen (sabhava dhamma) nimmt und gleichzeitig die Ursachen für ihr Entstehen und Vergehen erkennt — auf beeindruckende Weise erheben.

Diese Art von Wissen erhebt sich möglicherweise nur bei bestimmten Menschen unter bestimmten Umständen. Aber in jedem Fall sollten sich Leute, die ihren Geist bis zu dieser Stufe geschult haben, darüber im Klaren sein, dass ein Geist, der bis zu diesem Punkt gelangt ist, alle Voraussetzungen hat, um bis zum Entstehen von klarer Einsicht weiterentwickelt zu werden. Daher sollten sie irgendeine Eigenschaft des Körpers oder irgendeine geistige Erscheinung, mit der sich ihre Gedanken beschäftigen, hernehmen und, so wie oben erläutert, aus dem Blickwinkel der Drei Charakteristiken untersuchen. Dann werden auch sie das Licht der Einsicht entwickeln, klaren Einblick in alle bedingt entstandenen Dinge erlangen und in der Lage sein, ihr Festhalten an körperlichen oder geistigen Erscheinungen aller Art an der Wurzel zu entfernen.

Obgleich der Geist nicht greifbar ist, hat er Einfluss auf den Körper und alle Dinge in der Welt. Er ist in der Lage, alles in der Welt unter seine Gewalt zu bringen. Trotzdem ist er nicht so bösartig oder wild, dass ihm jedes Gefühl für Gut und Böse abgehen würde. Wenn jemand mit guten Absichten den Geist so schult, dass er auf richtige Weise den Weg der Lehren des Buddha wie oben erläutert betritt, dann wird er fügsam werden, schnell lernen und Weisheit entwickeln, um den Körper, der sich möglicherweise prinzipienlos verhalten hat, wieder auf den rechten Weg zu bringen. Darüber hinaus kann er sich selbst reinigen, bis er hell und rein ist, frei von Befleckungen, und fähig, aus sich heraus tiefgründige, schwer zu findende Wahrheiten zu erkennen und strahlendes Licht in diese von Blindheit verdunkelte Welt zu bringen.

Das kommt daher, weil das wahre Wesen des Geistes schon von Anfang an etwas Helles und Klares gewesen ist. Aber wegen der Ablenkungen, die in ihn eingesickert sind und ihn getrübt haben, wurde die Helligkeit des Geistes zeitweise verdunkelt, wodurch auch die Welt in Dunkel gehüllt wird. Wäre der Geist ursprünglich dunkel, wäre wohl niemand dazu fähig, ihn soweit zu reinigen, dass er überhaupt das Licht der Weisheit aufscheinen lassen könnte.

Ob die Welt dunkel oder hell sein wird, ob sie Wohl oder Wehe erleidet, hängt also vom Geist eines jeden Einzelnen ab. Wir als Einzelne sollten demnach zunächst unseren eigenen Geist gut schulen, und danach den Geist anderer ausbilden. Dann wird die Welt frei von Aufruhr sein.

11.

Die Visionen und Zeichen, die durch das Ausüben der Meditation hervorgerufen werden, sind eine seltsame und unheimliche Angelegenheit. Sie können eine leichtgläubige Person mit schwachem Urteilsvermögen derart täuschen, dass sie so überzeugt von ihrer Echtheit ist, dass sie den Kontakt mit der Wirklichkeit verliert. Deswegen sollte jemand, der die Meditation ausübt, vorsichtig sein, sie genau untersuchen und sorgfältige Betrachtungen darüber anstellen, wie ich es jetzt erläutern werde.

Die Zeichen, die bei der Meditation auftauchen, sind von zweierlei Art: Visionen und Zeichen.

a. Visionen: Wenn der Geist sich auf seiner eigenen Ebene sammelt, während wir unseren eigenen Körper betrachten, um seine Unschönheit zu erkennen, geschieht es manchmal, dass wir den Körper als vollkommen faulig und in Auflösung begriffen sehen, oder als nichts weiter als ein Skelett oder einen Haufen Asche, usw. Es gibt Fälle von Leuten, bei denen dadurch so viel Ekel ausgelöst wurde, dass sie Selbstmord begingen.

In anderen Fällen erscheinen vielleicht Visionen von göttlichen Wesen oder von Höllenbewohnern und hungrigen Schatten.

b. Was Zeichen betrifft: Wenn der Geist, wie schon erwähnt, sich sammelt, taucht vielleicht eine flüsternde Stimme auf. Vielleicht ist es die Stimme von jemandem, den wir respektieren, die uns empfiehlt, eine bestimmte Wahrheit zu untersuchen oder uns vor einem bevorstehenden Ereignis zu hüten; oder vielleicht ist es auch die Stimme eines Feindes, der uns schaden möchte, die uns erscheint, kurz bevor er oder sie sich anschickt, uns Schaden zuzufügen — was zeigt, wie die geistigen Strömungen von verschiedenen Individuen aufeinander einwirken. Umgekehrt kann das Gleiche auch mit einer Person geschehen, die uns wohlgesonnen ist. Manchmal kommt vielleicht eine Stimme, die wir nicht kennen, um uns eine Wahrheit mitzuteilen, die tiefsinnig und bedenkenswert ist, was Meditierende im Allgemeinen die Lehren und Warnungen des Dhamma oder abhiñña nennen.

Es ist nicht der Fall, dass Visionen und Zeichen allen Meditierenden erscheinen. Bei manchen Leuten treten keine Visionen und Zeichen auf, ganz gleich, welche Reinheitsstufe ihr Geist erreicht haben mag. Bei anderen sammelt sich der Geist blitzartig für einen kurzen Augenblick, und alle Arten von Visionen und Zeichen tauchen auf. (Seid aber vorsichtig und braut nicht zuviele davon zusammen.) Das hängt vom Temperament des Einzelnen ab. Bei Leichtgläubigen, die sich wenig Gedanken darüber machen, wie vernünftig etwas ist, neigen Visionen und Zeichen dazu, sehr rasch aufzutreten und überhand zu nehmen, bis zu dem Punkt, wo sie die Orientierung verlieren können. Also behandelt diese Dinge mit Vorsicht.

Frage:
Sind Visionen und Zeichen echt?
Antwort:
Manchmal ja und manchmal nein, weil sie sich ausschließlich aufgrund von jhana, entwickeln und jhana ein weltliches Phänomen — und demnach nicht verlässlich — ist. Das heißt, sie erscheinen jemandem, der die Meditation ausübt, wenn sich der Geist in bhavanga sammelt, ohne zu wissen, welche Stufe er erreicht hat, oder wie er sich auf sein Objekt konzentriert, es untersucht und fallengelassen hat. Visionen und Zeichen, ob sie nun absichtlich hervorgerufen sind oder nicht, setzen sich aus einer Menge geistigen Zusammenbrauens und Anhangens zusammen und sind demnach unzuverlässig — weil die Visionen und Zeichen, die auftauchen, wenn der Geist in bhavanga ist, wie die Träume von jemandem sind, der sich zum Schlafen hingelegt hat oder einfach so eingenickt ist. Im Großen und Ganzen steckt etwas Wahrheit darin, wenn sie erstmalig auftreten, aber nicht viel.
Frage:
Ist jhana oder transzendent?
Antwort:
Jhana hat nur zwölf oder dreizehn Faktoren, aus denen es sich zusammensetzt, und sie sind alle weltlich. Aber wenn derjenige, der in jhana eintritt, ein Edler ist, der es als Werkzeug oder Aufenthaltsort für den Geist benutzt, dann ist derjenige fähig, dieses weltliche jhana zu benutzen, wie er es will, und damit auch auf verlässliche Weise — wie ein geübter Scharfschütze im Vergleich mit jemandem, der gerade erst begonnen hat, schießen zu lernen; oder wie ein König, dessen Schwert ein Teil seiner Königsinsignien ist, im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Soldaten, dessen Schwert einfach nur ein Schwert ist.
Frage:
Sind Visonen und Zeichen etwas Gutes?
Antwort:
Nur für jemanden, der weiß, wie man richtig damit umgeht, ohne von ihnen getäuscht zu werden oder sich an ihnen festzuhalten. Sie sind nicht gut für jemanden, der nicht weiß, wie man richtig damit umgeht, der sich von ihnen täuschen lässt, weil er glaubt, sie seien wahr. Sobald Anhangen sich dort einnistet, kann die Tätigkeit des geistigen Zusammenbrauens diese Visionen und Zeichen so weit ausufern lassen, dass ein Meditierender die Herrschaft über seinen oder ihren Realitätssinn verliert. Sie sollten also mit Vorsicht und Sorgfalt behandelt werden, wie ich es jetzt erläutern werde.

Visionen und Zeichen tauchen durch die Kraft des weltlichen jhana auf und werden von Anhangen und geistigem Zusammenbrauen aufrecht erhalten. Demnach fallen sie unter die Drei Daseinsmerkmale: sie sind unbeständig — sie können nicht bestehen bleiben; sie sind leidvoll; und sie sind nicht-selbst — d.h. sie gehören weder einem selbst noch sonst jemandem. Es sind Gegebenheiten, die nichts weiter tun, als ständig auf ihre eigene Weise aufzutauchen und dauernd wieder wegzugehen. Untersucht sie genau, um auf diese Weise ihr wahres Wesen zu erkennen, und dann lasst sie los. Lasst euch nicht derart täuschen, dass ihr euch an Visionen und Zeichen, an Ergebnissen, festhaltet. Arbeitet stattdessen an der Ursache, jhana, bis ihr sie immer mehr beherrscht und schließlich nach Belieben erreichen könnt. Die Visionen und Zeichen erledigen sich dann von selbst.

Lernt auch, die Nachteile von Visionen und Zeichen zu erkennen. Tauchen sie auf und wir lassen uns dazu verleiten, sie aufzugreifen und festzuhalten, dann führt das dazu, dass unser jhana sich verschlechtert, genau wie Schallwellen ein Hindernis für jemanden sind, der versucht, den Geist zu beruhigen und Erscheinungen zu untersuchen, die sehr fein und tief verborgen sind, oder wie Wellen in klarem Wasser uns daran hindern, unser Spiegelbild auf der Wasseroberfläche sehen zu können.

Die Visionen und Zeichen, die einem Meditierenden erscheinen, der gerade eben dabei ist,jhana zu erringen, sind meist außergewöhnlich und erstaunlich. Geistiges Aufgreifen und Zusammenbrauen klammert sich in der Regel sehr fest daran, und sie prägen sich dem inneren Auge unauslöschlich ein. Wenn die oben genannten Methoden, um solche Visionen und Zeichen zu kurieren und zu beseitigen, nicht zum Erfolg führen, dann versucht den Geist davon abzuhalten, in jhana einzutreten. Anders gesagt, bemüht euch nicht darum, lasst den Geist nicht ruhig werden, findet keinen Gefallen an Visionen und Zeichen. Schlaft und esst ganz wie es euch beliebt, führt schwere Arbeiten aus, bis der Körper ganz müde ist, denkt an Gegenstände, die geeignet sind, Befleckungen hervorzurufen, wie zum Beispiel schöne Anblicke oder Klänge — und wenn sich der Geist dann aus der Vertiefung zurückzieht, verschwinden auch die Visionen und Zeichen von selbst.

IWenn ein Meditationsschüler das Problem mit diesen Methoden nicht lösen kann, dann sollte der Lehrer versuchen, mit einer ähnlichen Herangehensweise zu helfen. Der schnellste und wirkungsvollste Weg besteht darin, ein Thema zu finden, das denjenigen, der an Visionen und Zeichen hängt, zu hochgradigem Ärger reizt. Die Visionen und Zeichen verschwinden dann augenblicklich.

Die Grundlage, um Einblick in den Dhamma entstehen zu lassen, ist die Angrenzende Sammlung (upacara samadhi), die von zweierlei Art ist:

a. Während ein Meditierender mit einem bestimmten Gegenstand der Meditation arbeitet, zieht sich der Geist nach und nach von äußerlichen Beschäftigungen zurück und richtet sich auf einen einzigen Punkt, direkt auf den Geist selbst, aber ohne vollständig von all seinen Objekten abgeschnitten zu sein. Er nimmt noch wahr, denkt und erwägt bei dem Versuch, sich vollkommen von seinem sehr fein gewordenen Meditationsgegenstand zu lösen, ist aber noch nicht in der Lage, völlig loszulassen. Das ist die Angrenzende Sammlung vor dem Erreichen der Festen Durchdringung (appana samadhi).

b. Der Geist verfeinert sich immer mehr, bis er in der Lage ist, loszulassen und sich von dem betrachteten Gegenstand zurückzuziehen, so dass dieses Objekt verschwindet. Das nennt man Feste Durchdringung. Es besteht volle Achtsamkeit und Aufmerksamkeit in Bezug auf eine Empfindung der Leere, ohne nach etwas zu greifen oder sich an irgend etwas festzuhalten, einfach nur an seinem eigenen ausschließlichen Objekt teilhabend. Wenn der Geist aus diesem Zustand heraustritt und wieder den Dhamma — Ursache und Wirkung — betrachtet, dann ist das die Angrenzende Sammlung nach dem Austreten aus der Festen Durchdringung.

Beide Arten der Angrenzenden Sammlung können eine gute Grundlage für die Einsicht in bestimmte Wahrheiten und verschiedene Vorkommnisse bilden, die sich aber von dem Wissen, das sich aus den oben erwähnten Visionen und Zeichen ergibt, unterscheidet, denn Visionen und Zeichen ergeben sich durch weltliches jhana, wohingegen das Wissen, von dem wir hier sprechen, obwohl es aus weltlicher Sammlung entsteht, verlässlichere Ergebnisse zeitigt. (Wissenschaftler verwenden diese Stufe, wenn sie forschen.) Und wenn die Sammlung transzendent geworden ist, wird sie, Schritt für Schritt, alle geistigen Befleckungen (asava) beseitigen.

Kurz gesagt, stammt das Wissen, das sich aus der Angrenzenden Sammlung ergibt, aus einer anderen Quelle als das Wissen, das sich aus Visionen und Zeichen ergibt, und ist auch von anderer Qualität.

Der Ausdruck Feststehende Durchdringung (appana samadhi). bedarf hier wohl einer etwas näheren Erläuterung. Die Feststehende Durchdringung ist eine höhere menschliche Erungenschaft. Leute, welche die feststehende Durchdringung erreichen, konzentrieren sich überwiegend auf das Ein- und Ausatmen (anapana) als Gegenstand ihrer Meditation. Während sie sich auf den Atem konzentrieren und auf sein Erscheinen und Verschwinden achten, oder auch nur auf sein Verschwinden, wird der Geist allmählich immer feiner, bis er nach und nach alle Beschäftigungen aufgibt und sich soweit sammelt, bis er, wie oben erklärt, feststehend wird. Das Zurruhekommen des Ein- und Ausatmens ist das Anzeichen für die Feststehende Durchdringung. Manchmal wird es auch feststehendes jhana genannt, weil es aus der Vertiefung in den Atem herrührt. Es wird feststehende Sammlung genannt, weil trotz der Abwesenheit von Ein- und Ausatmung an diesem Punkt die Achtsamkeit immer noch vollkommen intakt ist.

In diesem Zustand kann man nichts untersuchen, weil der Geist mit überhaupt nichts in Verbindung steht. Erst wenn der Geist diesen Zustand wieder verlässt und in die Angrenzende Sammlung eintritt, kann man wieder etwas untersuchen. Man wird dann klaren Einblick in all die Wahrheiten erhalten, von denen der Buddha sagte, dass sie zu erkennen sind, und auch noch in andere Dinge. Visionen und Zeichen wird es, wie oben erwähnt, keine geben, sondern die Erkenntnis wird an diesem Punkt auf Ursache und Wirkung gestützt und von Bildern und Gleichnissen ergänzt sein, die jeden Zweifel völlig beseitigen werden.

Manchmal betrachten Meditierende auch andere Meditationsgegenstände als das Ein- und Ausatmen, werden aber trotzdem in der Lage sein, genau wie diejenigen, welche die Achtsamkeit auf das Atmen ausüben, die Feststehende Durchdringung zu erreichen. Wenn der Geist sich soweit sammelt, dass es kein Ein- und Ausatmen mehr gibt, dann handelt es sich um die Feststehende Durchdringung.

Das ist jedenfalls meine Meinung zu diesen Dingen. Meditierende sollten meine Meinung nicht einfach als ihre Richtschnur übernehmen, weil die Gedanken und Ansichten der Menschen in dieser Welt — selbst wenn wir das Gleiche am gleichen Ort unter den gleichen Bedingungen sehen — eben diese Dinge mit unterschiedlichen Bezeichnungen belegen und so zu einem jeweils unterschiedlichen Verständnis davon gelangen, was dann zu endlosen Diskussionen und Streitereien Anlass gibt. Lasst uns einfach alle mit unseren jeweiligen Meditationsgegenständen arbeiten, bis wir, wie oben besprochen, die Feststehende Durchdringung erreicht haben, und dann — mit hellem, unvoreingenommenem Geist — das, was wir erleben, mit dem vergleichen, was in den verschiedenen Texten steht. Unser Wissen wird dann paccattam — ausschließlich aus uns selbst kommend — sein. Das ist es, was ich in der Hinsicht sehen möchte.

Abschließende Gedanken

Alle transzendenten Erscheinungen haben ihre Wurzeln in weltlichen Erscheinungen. Die 37 Schwingen des Erwachens (bodhi-pakkhiya-dhamma), die alle als transzendent klassifiziert werden, nehmen notwendigerweise ihren Anfang bei geistigen und körperlichen Erscheinungen, d.h. eben diesem weltlichen Körper und Geist.

Visionen, Zeichen, und aus jhana herrührendes Wissen stellen für Einäugige — also für diejenigen, die bloß jhana entwickeln — ein Hindernis dar, können aber für Menschen mit zwei Augen, d.h. für diejenigen, die zusammen mit der inneren Sammlung weises Unterscheidungsvermögen entwickeln, zur Einsicht führen.

Schwerter und Äxte macht man mit einer scharfen und einer stumpfen Seite, mit jeweils unterschiedlicher Verwendung, aber jemand, der diese Verwendungszwecke durcheinanderbringt, wird nicht nur mit Schwert und Axt nichts erreichen, sondern kann sich und seinem Vorhaben damit ernsthaften Schaden zufügen. Einsicht und die Verunreinigungen der Einsicht rühren von ein und derselben Grundlage her. Wenn Menschen ohne weises Unterscheidungsvermögen die Dinge falsch betrachten, rufen sie die Verunreinigungen der Einsicht hervor; aber wenn sie die Dinge richtig betrachten, indem sie der richtigen Vorgehensweise folgen, werden die gleichen Dinge zu echter Einsicht.

Weltliche Erscheinungen — wenn wir sie klar sehen und sie und ihre Ursachen als das erkennen, was sie sind, und wenn wir unsere Faszination mit ihnen verlieren, weil wir ihre Nachteile erkennen, wenn wir uns nicht mehr verblendet an ihnen festhalten — verwandeln sich dann in den Dhamma. Aber wenn wir uns von ihnen täuschen lassen und sie nicht hergeben wollen... Es ist nicht so, dass die Welt immer so bleiben wird, wie sie ist. Die Welt der Brahmas kann zur Welt der Devas verkommen; die Welt der Devas zur Welt der Menschen; und die Welt der Menschen zu untermenschlichen Bereichen. So wie Wasser gewöhnlich nach unten fließt, neigen auch die Herzen der Lebewesen zum Niedrigen — also zum Bösen.

Obwohl das Ausüben der Meditation eine völlige Umkehrung von einem selbst bedeutet, muss man bereit sein, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Das Mindeste sollte, für den Fall des Misserfolgs, die Drohung mit dem Selbstexil sein. Wer dazu nicht bereit ist, kann nur mit einem rechnen: die ganze Zeit hindurch der Sklave Anderer — der Befleckungen — zu sein.

Wortliste

Abhiñña:
Intuitive Geisteskräfte, die sich aus der Übung in meditativer Sammlung ergeben.
Asava:
Geistige Triebkräfte; Gären; Befleckungen in ihrer Rolle als Auslöser des anbrandenden Kreislaufs der Wiedergeburt. Es gibt vier Arten: Sinnlichkeit, Werden, Ansichten und Unbewusstheit.
Bhavanga:
Die Grundebene bzw. der Ruhezustand des Geistes, die seine Gemütsverfassung bestimmt, und zu der er zwischen seinen Reaktionen auf Reize zurückkehrt.
Bodhi-pakkhiya-dhamma:
"Schwingen des Erwachens"; Grundlagen für das Erreichen der Erleuchtung. Es gibt insgesamt 37, die eine vom Buddha selbst gegebene Zusammenfassung der wesentlichen Punkte seiner Lehren darstellen: die vier Pfeiler der Achtsamkeit, die vier rechten Anstrengungen, die vier Machtentfaltungen, die fünf Kräfte, die fünf Fähigkeiten, die sieben Erwachensglieder und der Edle Achtfache Weg.
Brahma:
Ein Bewohner der formhaften und formlosen Himmel.
Deva:
Ein Bewohner der Himmel sinnlicher Freuden.
Dhamma:
Erscheinung; Ereignis; die Dinge, wie sie an und für sich sind; die rechte, natürliche Ordnung der Dinge. Verallgemeinernd gebraucht man Dhamma auch als Bezeichnung für die formalen Lehraussagen, die solche Dinge betreffen.
Jhana:
Meditative Vertiefung in eine einzige Empfindung oder geistige Vorstellung.
Kamma:
Absichtliche Handlungen, die zu Werdenszuständen und zu Geburt führen.
Khandha:
Haufen, Ansammlung, Gruppe: die Komponenten, aus denen sich die Person bzw. die Sinneserfahrung im allgemeinen zusammensetzt — physische Erscheinungen, Empfindungen, geistige Benennungen, Gedankenbildungen (siehe sankhara), und Bewusstseinsakte.
Nivarana:
Hemmnisse für die innere Sammlung — sinnliches Begehren, Übelwollen, Benommenheit & Lethargie, Unrast & Beunruhigung, sowie Unsicherheit.
Sabhava dhamma:
Natürliche Gegebenheit; Erscheinung; Eigenschaften und Ereignisse, wie sie als solche direkt erlebt werden.
Samadhi:
Innere Sammlung; das Ausrichten des Geistes auf einen einzigen Gegenstand oder Thema als Mittelpunkt.
Sankhara:
Bedingte Erscheinung; Gestaltung; Gestaltenstätigkeit. Dieser Begriff bezieht sich auf alles, ob körperlich oder geistig, das von Ursachen und Bedingungen erzeugt wird, wie auch auf die Kräfte, die es erzeugen, und die Vorgänge, durch die es erzeugt wird.
Satipatthana:
Grundlage der Achtsamkeit; Bezugspunkt. Die Betrachtung von Körper, Empfindungen, Geist und Ereignissen im Geist, wie sie an und für sich sind.
Ti-ratana:
Das dreifache Juwel; der Buddha, der Dhamma (seine Lehren, ihre Ausübung und die Verwirklichung der Befreiung, auf die sie zielen) und der Sangha (diejenigen seiner Nachfolger, die wenigstens einen kurzen Blick auf diese Befreiung erlangt haben). Zuflucht zu den drei Juwelen zu nehmen bedeutet, sich bei seinem Streben nach Glück von ihnen führen zu lassen und ihre Eigenschaften im eigenen Leben und Herzen entstehen zu lassen.
Vipassana:
Klare Einsicht, wie die Dinge tatsächlich sind, indem man sie gemäß den Charakteristiken Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und Nichtselbstheit sieht.