Der Buddha verlangte niemals von irgend jemandem bedingslosen Glauben. Und für jemanden, der einer Kultur angehört, wo die herrschenden Religionen tatsächlich eine solche Forderung an den Glauben des Einzelnen stellen, ist dies eines der anziehendsten Merkmale des Buddhismus. Wir lesen seine berühmte an die Kalamer gerichtete Belehrung, in welcher er empfiehlt, die Dinge selbst zu prüfen, und sehen darin eine Einladung, zu glauben oder nicht, was uns beliebt. Manche gehen sogar so weit zu sagen, dass im Buddhismus für den Glauben kein Platz sei, dass die richtige buddhistische Haltung eine der Skepsis sei.
Doch obwohl der Buddha Toleranz und eine gesunde Skepsis gegenüber Glaubensdingen empfiehlt, richtet er dennoch eine an eine Bedingung geknüpfte Forderung an unseren Glauben: Falls man ernsthaft und wahrhaftig dem Leiden ein Ende setzen wolle — das ist die Bedingung —, sollte man bestimmte Dinge zunächst einmal als Arbeitsgrundlage auf Glaubensbasis akzeptieren und sie dann überprüfen, indem man seinem Übungsweg folgt.
Selbst in der Rede an die Kalamer findet sich eine Andeutung auf dieses Erfordernis des Glaubens:
"Geht nicht nach Berichten, nach Mythen, nach Überlieferungen, nach heiligen Schriften, nach logischen Vermutungen, nach Rückschlüssen, nach Analogien, nach Übereinstimmung beim Erwägen von Ansichten, nach Wahrscheinlichkeiten oder nach dem Gedanken: "Dieser Asket ist ja unser Lehrer". Wenn ihr selber erkennt: 'Diese Geisteshaltungen sind tauglich, diese Geisteshaltungen sind untadelig; diese Geisteshaltungen werden von den Weisen gepriesen; wenn man sich diese Geisteshaltungen aneignet und ausführt, führen sie zu Wohlergehen und Glück', dann sollt ihr sie annehmen und dabei bleiben."
— A 3.66
Die Aussagen ganz am Anfang dieser Textstelle, in denen die Autorität von Schriften und Überlieferungen zurückgewiesen wird, sind so bemerkenswert empirisch ausgerichtet, dass man leicht die weiter unten verborgene Aussage übersieht, in der es heißt, dass man in Betracht ziehen solle, was von den Weisen gepriesen wird. Diese Aussage ist wichtig, denn sie hilft dabei, den Sinn der Lehren des Buddha insgesamt zu verstehen. Wenn er einfach nur gewollt hätte, dass ein jeder auf sich allein gestellt seinem eigenen Gespür für richtig und falsch vertrauen solle, warum hätte er dann so viele andere Lehren hinterlassen?
Der Rat des Buddha an die Kalamer ist also ausgewogen: Genau so wie man einer äußeren Autorität kein vorbehaltloses Vertrauen schenken soll, soll man auch der eigenen Logik und dem eigenen Empfinden nicht vorbehaltlos vertrauen, wenn sie der authentischen Weisheit anderer widersprechen. Wie andere frühe Reden klar machen, kann man Weise an ihren Worten und ihrem Verhalten erkennen, aber die Maßstäbe für Weisheit orientieren sich klar am Buddha und seinen edlen Schülern, also Menschen, die bereits mit dem Erwachen in Berührung gekommen sind. Und die richtige Haltung gegenüber jenen, die diesen Maßstäben genügen, ist gläubiges Vertrauen.
— M 70
Wiederholt stellte der Buddha fest, dass nur Vertrauen in einen Lehrer einen dazu bringt, von ihm zu lernen. Der Glaube an das Erwachen des Buddha selbst ist eine unerlässliche Kraftquelle für jeden anderen, der das Erwachen erreichen will. Da dieser Glaube Beharrlichkeit, Achtsamkeit, meditative Sammlung und Einsichtsvermögen heranwachsen lässt, kann er einen den ganzen Weg bis zum Todlosen bringen.
Es gibt also eine Spannung in den Empfehlungen des Buddha über Glauben und Empirie. Ich habe über diesen Punkt mit vielen asiatischen Buddhisten diskutiert, und nur wenige von ihnen empfinden diese Spannung als unbequem. Westliche Buddhisten hingegen, die in einer Kultur aufgewachsen sind, in der Religion und Glaube schon lange mit Wissenschaft und Empirie auf dem Kriegsfuß stehen, finden diese Spannung sehr beunruhigend. Bei meinen Gesprächen mit ihnen, die ich über die letzten Jahre geführt habe, ist mir aufgefallen, dass sie oft versuchen, diese genauso aufzulösen, wie in der Geschichte unserer eigenen Kultur die Spannung zwischen dem christlichen Glauben und der wissenschaftlichen Empirie aufgelöst wurde. Drei Grundpositionen stehen dabei im Vordergrund, nicht nur weil sie die am meisten verbreiteten sind, sondern weil sie so offensichtlich dem westlichen Denken entspringen. Ob nun bewusst oder nicht, versuchen sie die Haltung des Buddha in der Frage von Glauben und Empirie so zu deuten, dass sie leicht auf die modernen westlichen Kampflinien zwischen Religion und Wissenschaft abzubilden ist.
Die erste Interpretation hat ihre Wurzeln in jenem Lager der westlichen Kultur, welche dem Glauben überhaupt jegliche Berechtigung abspricht. Aus dieser Sicht war der Buddha eine Verkörperung des viktorianischen Ideals des heldenhaften Agnostikers, jemand, der die kindlichen Tröstungen des Glaubens verschmähte und stattdessen eine rein wissenschaftliche Methode zur Ausbildung und Stärkung des eigenen Geistes vertrat. Weil diese Methode einzig und allein den gegenwärtigen Augenblick in den Mittelpunkt stellte, waren Vergangenheit und Zukunft bei seiner Botschaft völlig bedeutungslos. Folglich sind Glaubensbezüge in Themen wie vergangenem Karma, zukünftiger Wiedergeburt oder einem nicht bedingten, vom unmittelbaren Zeugnis der Sinne losgelösten Glück spätere Interpolationen in den Texten, die ein buddhistischer Agnostiker, dem Beispiel des Buddha folgend, am allerbesten zurückweist.
Die zweite Interpretation hat Wurzeln in demjenigen Lager der westlichen Kultur, das entweder die christlichen Glaubenslehren im Besonderen oder insgesamt die Autorität von organisierter Religion verworfen hat, aber die Emotion des Glaubens selbst als wesentliches Erfordernis für geistige Gesundheit einschätzt. Diese Sicht stellt den Buddha als einen romantischen Helden dar, der den subjektiven Wert des Glaubens erfasst hatte, um ein Gefühl der Ganzheit im Inneren und des Miteinanderverbundenseins im Äußeren zu begründen. Tolerant und jeglichem Dogmatismus abhold, erkannte er die psychologische Tatsache, dass ein lebendiger Glaube wichtiger ist als sein Gegenstand. Anders ausgedrückt, ist es nicht wichtig, worauf sich der Glaube richtet, solange er tief gefühlt wird und dem persönlichen Wachstum dienlich ist. Der Glaube an das Erwachen des Buddha bedeutet einfach nur zu glauben, dass er das gefunden hatte, was für ihn selbst das Richtige war. Daraus folgt jedoch keineswegs, was für einen selbst das Richtige ist. Wenn man Trost in den Lehren von Karma und Wiedergeburt findet: prima, dann soll man halt daran glauben. Wenn nicht, dann eben nicht. Wenn jemand einen allmächtigen Gott oder eine allmächtige Göttin in seine Weltsicht einbeziehen möchte, auch dagegen hätte der Buddha nichts einzuwenden. Wichtig ist nur, dass die eigene Beziehung zum Glauben emotional heilsam ist, inneres Wachstum nährt und Stärke verleiht.
Weil diese zweite Interpretation dazu neigt, allumfassend zu sein, führt sie manchmal zu einer dritten, welche die ersten beiden umschließt. Diese Interpretation stellt den Buddha als in seiner historischen Situation gefangen dar. Mehr oder weniger wie wir auch, sah er sich vor das Problem gestellt, im Lichte der Weltansicht seiner Zeit einen Sinn im Leben zu finden. Seine Ansichten über Karma und Wiedergeburt waren einfach nur aus der rudimentären Wissenschaft des alten Indiens abgeleitete Annahmen, während sein Übungsweg einen Versuch darstellte, innerhalb dieser Annahmen ein zufriedenstellendes Leben herauszuarbeiten. Würde er heutzutage leben, würde er versuchen, seine Wertvorstellungen mit den Entdeckungen der modernen Wissenschaft in Einklang zu bringen, genau so wie einige Leute im Westen es mit ihrem monotheistischen Glauben getan haben.
Dieser Position liegt die Annahme zugrunde, dass Wissenschaft sich mit Fakten befasst und Religion mit Werten. Die Wissenschaft sorgt für die harten Fakten, denen die Religion einen Sinn verleihen soll. Demnach führe jeder Buddhist die Aufgabe eines Buddha aus, indem er die harten Fakten, die für unsere Generation als wissenschaftlich bewiesen gelten, akzeptiere und davon ausgehend in der buddhistischen Tradition — sowie, falls angebracht, auch in anderen Traditionen — nach Mythen und Werten suche, um diesen Fakten einen Sinn zu geben und dadurch gleichzeitig einen neuen Buddhismus für unsere Zeit zu schmieden.
Jede dieser drei Interpretationen mag aus westlicher Sicht hervorragenden Sinn ergeben, aber keine davon wird dem gerecht, was wir über den Buddha wissen oder über seine Lehren bezüglich der Rolle von Glauben und Empirie auf dem Übungsweg. Alle drei haben recht, wenn sie betonen, dass der Buddha nicht gewillt war, seine Lehren anderen aufzuzwingen, aber sie deuten falsch, was diese Zurückhaltung bedeutet — indem sie seinen Lehren und Handlungen unsere eigenen Annahmen aufzwingen. Er war kein Agnostiker; er hatte gewichtige Gründe dafür, wenn er einige Vorstellungen als glaubenswert darstellte und andere nicht; und was er über Karma, Wiedergeburt und Nirvana lehrte stellte einen radikalen Bruch mit der herrschenden Weltsicht seiner Zeit dar. Er war weder ein viktorianischer noch ein romantischer Held, und genausowenig war er ein Opfer seiner Zeit. Er war ein Held, der, unter anderem, die Frage von Glauben und Empirie auf seine eigene Weise meisterte. Aber um diese Weise würdigen zu können, müssen wir erst einmal vom kulturellen Schlachtfeld des Westens zurücktreten und uns Glauben und Empirie in einem grundlegenderen Kontext, nämlich einfach als Vorgänge im Geist eines Einzelnen, anschauen.
Dort spielen sie in der Psychologie die Hauptrollen dabei, wie wir uns entscheiden, zu handeln. Obwohl wir uns gerne einreden, dass unsere Entscheidungen ausschließlich auf harten Fakten basieren, sind bei jeder Entscheidung, die wir treffen, sowohl Glaube als auch Empirie beteiligt. Selbst bei unseren am meisten empirisch begründeten Entscheidungen ist unsere Sicht durch unsere Stellung in der Zeit beeinträchtigt. Wie Kierkegaard bemerkte, leben wir vorwärts, aber verstehen rückwärts. Selbst der pragmatischste Wirtschaftslenker wird einem sagen, dass die Zukunft eine Glaubenssache darstellt, auch wenn man noch so viel über die Vergangenheit weiß. Darüber hinaus sind wir oft gezwungen, Entscheidungen zu fällen, ohne dass ausreichend Zeit oder Gelegenheit bleibt, um genügend Fakten aus der Vergangenheit zu sammeln, auf denen man eine sachlich fundierte Entscheidung aufbauen könnte. Manchmal wiederum haben wir zuviele Fakten — wie etwa, wenn ein Arzt mit verschiedenen Testergebnissen bei einem Patienten konfrontiert ist, die sich widersprechen — so dass wir auf unseren Glauben angewiesen sind, um zu entscheiden, auf welche Fakten wir uns konzentrieren und welche wir ignorieren.
Jedoch spielt der Glaube bei vielen unserer Entscheidungen noch eine tiefere Rolle. Wie William James einmal bemerkte, gibt es zwei Arten von Wahrheiten im Leben: solche, deren Gültigkeit nichts mit unseren Handlungen zu tun hat, und solche, deren Wirklichkeit davon abhängt, was wir tun. Wahrheiten der ersten Art — Wahrheiten des Beobachters — beinhalten Tatsachenfeststellungen über das Verhalten der physikalischen Welt: wie Atome Moleküle bilden, wie Sterne explodieren. Wahrheiten der zweiten Art — Wahrheiten des Willens — beinhalten Fähigkeiten, Beziehungen, unternehmerische Vorhaben, alles, was der eigenen Anstrengung bedarf, um es zu verwirklichen. Bei Wahrheiten des Beobachters bleibt man am besten skeptisch, bis vernünftige Beweise vorliegen. Bei Wahrheiten des Willens wird sich die Wahrheit jedoch nicht ergeben, ohne dass man daran glaubt, oft angesichts wenig vielversprechender Chancenverhältnisse. Wenn man nicht daran glaubt, dass die Demokratie im eigenen Staatswesen funktionieren kann, dann wird sie das auch nicht. Wenn man nicht daran glaubt, dass es sich lohnt, ein guter Pianist zu werden, oder nicht daran glaubt, dass man das Zeug dafür hat, dann wird man auch keiner werden. Wahrheiten des Willens sind solche, die am bedeutsamsten für unsere Suche nach wahrem Glück sind. Viele der erhebendsten Geschichten im Leben sind solche von Leuten, die Wahrheiten dieser Art erschaffen, obwohl ein Berg von empirischen Tatsachen gegen sie spricht. In solchen Fällen erfordert die Wahrheitsfindung, dass der Glaube sich aktiv über die vorliegenden Fakten hinwegsetzt.
Beschäftigen wir uns noch eingehender mit der Psychologie der Entscheidungsfindung, so geraten wir auf ein Gebiet, auf dem mittels wissenschaftlicher Belege keine Beweisführung möglich ist: Handeln wir tatsächlich, oder sind unsere Handlungen eine Illusion? Sind unsere Handlungen durch physikalische Gesetze oder durch ein intelligentes Wesen außerhalb von uns bereits vorherbestimmt, oder haben wir einen freien Willen? Sind die Ergebnisse unserer Handlungen illusorisch? Sind Kausalbeziehungen real oder nur eine Fiktion? Kein wissenschaftliches Experiment, wie sorgfältig es auch geplant sein mag, wird jemals eine dieser Fragen endgültig beantworten können, und dennoch müssen wir, wenn wir uns ihrer bewusst geworden sind, Stellung beziehen, wenn wir weiterhin Kraft für unsere Gedanken, Worte und Taten aufbringen wollen.
Genau diese Gebiete stellte der Buddha in den Mittelpunkt seiner Lehren über Empirie und Glauben. Obwohl seine erste edle Wahrheit fordert, dass wir das Leiden untersuchen sollen, bis wir es begreifen, müssen wir seine Behauptung, dass die Tatsachen, die wir durch das Untersuchen des Leidens zu Tage fördern werden, lebenslang, Augenblick für Augenblick, die wichtigste Richtschnur für unsere Entscheidungsfindung darstellen, auf Glaubensbasis akzeptieren. Weil seine dritte Wahrheit, die Aufhebung des Leidens, eine Wahrheit des Willens ist, müssen wir es auf Glaubensbasis akzeptieren, dass es ein Ziel im Rahmen des Möglichen, ein anstrebenswertes Ziel ist, und dass wir fähig sind, es zu erreichen. Und weil die vierte edle Wahrheit — der Weg zur Aufhebung des Leidens — ein Weg des Handelns und des Geschicks beim Handeln ist, müssen wir es auf Glaubensbasis akzeptieren, dass unsere Handlungen real sind, dass wir einen freien Willen haben, und dass es dennoch ein kausales Muster bei den Abläufen in unserem Geist gibt, aus dem wir lernen können, die Fähigkeit zu geschicktem, tauglichem Handeln zu meistern. Der Buddha sagte, dass der Weg zur direkten Erfahrung dieser Wahrheiten führt, aber nur wenn wir genügend Glauben in die Übung setzen, werden wir auch tatsächlich zur eigenen Erfahrung dieser Dinge gelangen. Anders ausgedrückt, bedeutet "Glauben" im buddhistischen Sinne den Glauben daran, dass einen die eigenen Handlungen zur direkten Erfahrung von der Aufhebung des Leidens führen können.
Der Buddha bot diese Lehren denjenigen an, die um Rat baten, wie sich wahres Glück finden lässt. Deswegen war er in der Lage, jegliche Bevormundung anderer zu vermeiden: seine Lehren gingen davon aus, dass seine Zuhörer sich bereits auf einer Suche befanden. Wenn wir seine Ansichten darüber verstehen, was dieses Suchen bedeutet — warum Menschen auf der Suche sind und wonach sie suchen —, können wir auch seinen Rat verstehen, wie man Glauben und Empirie bei einer erfolgreichen Suche anwendet. Am besten untersucht man dazu fünf seiner Gleichnisse, die bildlich darstellen, wie man bei einer Suche vorgeht.
Das erste Gleichnis stellt die Suche in ihrer elementarsten und am wenigsten zielgerichteten Form dar:
Zwei starke Männer haben einen anderen bei den Armen gepackt und zerren ihn zu einer Grube voller glühender Kohlen. Der Buddha bemerkt dazu: "Würde dieser Mann da nicht seinen Körper hin und her werfen?"
Das Hin- und Herwerfen des Körpers steht für die Art, wie wir auf Leiden reagieren. Wir fragen nicht lange, ob unser Leiden vorherbestimmt ist und ob unser Handeln überhaupt Aussicht auf Erfolg hat. Wir kämpfen einfach dagegen an und tun alles, was wir können, um zu entkommen. Es ist unsere natürliche Reaktion.
Der Buddha lehrte, dass diese Reaktion zweifach ist: Wir sind verwirrt — "Wieso passiert mir das?" — und wir suchen nach einem Weg, um das Leiden zu beenden. Mit seiner Feststellung, dass er nichts weiter lehre als Leiden und das Ende des Leidens, ging er auf diese beiden Reaktionen ein. Er lieferte eine Erklärung für das Leiden und sein Ende, um unsere Verwirrung zu beseitigen, und zeigte gleichzeitig den Weg zum Ende des Leidens, um damit unsere Suche zu befriedigen. Er hatte keine Verwendung für den — von späteren Autoren in der buddhistischen Tradition oft vorgebrachten — Gedanken, dass unser Leiden von unserem Ankämpfen gegen das Leiden herrühre; dass die Suche nach einem Ende des Leidens genau der Umstand sei, der verhindere, dass wir den bereits vorhandenen Frieden sehen. Würde man, im Licht des obigen Gleichnisses betrachtet, aus einer völligen Akzeptanz des Augenblicks heraus untätig bleiben, würde das bedeuten, angesichts der Erwartung, bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden, untätig zu bleiben. Die Gegenwart geht ununterbrochen in die Zukunft über, und man kann nicht die Augen vor dem verschließen, wo sie einen hinführt.
Dieses Gleichnis erklärt auch, warum die Vorstellung von einem Buddhismus ohne Glauben für Leute, die an einer schweren Krankheit, an Unterdrückung, Armut oder Rassismus zu leiden haben, wenig Anziehungskraft besitzt: ihre Erfahrung hat gezeigt, dass man solche Hindernisse nur überwinden kann, indem man Wahrheiten des Willens verfolgt, die den Glauben als ihr felsenfestes Fundament erfordern.
Das zweite Gleichnis:
Ein Mann auf der Suche nach Obst klettert auf einen Baum, um seinen Hunger zu stillen und um sein Gewand mit Früchten für zuhause vollzustopfen. Während er dort ist, kommt ein anderer Mann vorbei, der auch auf der Suche nach Obst ist. Der zweite Mann kann nicht klettern, aber er hat eine Axt, und so geht er daran, den Baum zu fällen. Würde der erste Mann nicht sofort vom Baum klettern, würde er sich vielleicht einen Arm oder ein Bein brechen, oder könnte sogar sterben.
Dieses Gleichnis zeigt die Gefahren auf, wenn man am falschen Ort noch wahrem Glück sucht: bei den Sinnesfreuden. Wenn das eigene Glücklichsein von irgend etwas abhängt, das Andere einem wegnehmen können, begibt man sich in Gefahr. Wie der Buddha bemerkt, erhoffen wir uns Glück bei den Sinnesfreuden nicht etwa, weil sie uns schon jemals tatsächlich befriedigt hätten, sondern weil wir uns keinen anderen Ausweg aus Schmerz und Leiden vorstellen können. Wenn wir uns gestatten würden, zu glauben, dass es eine Alternative gibt, wären wir eher bereit, unseren starken Glauben an unsere Begierden und Bindungen zu hinterfragen, wären wir eher gewillt, nach jener Alternative Ausschau zu halten und ihr eine Chance zu geben. Würden wir nur richtig nachschauen, so behauptet das dritte Gleichnis, würden wir diese Alternative auch finden:
Eine Person auf der Suche nach Milch versucht eine Kuh zu melken, indem sie die Hörner der Kuh hin und her bewegt. Eine andere Person auf der Suche nach Milch versucht eine Kuh zu melken, indem sie am Euter zieht.
Der Buddha antwortete mit diesem Gleichnis auf jemandes Behauptung, dass es nichts gäbe, was ein Mensch tun könne, um Befreiung vom Leiden zu erlangen. Wir können sie erlangen, sagte er, wenn wir nur der richtigen Vorgehensweise folgen, so wie die Person, die am Euter der Kuh zieht.
Die richtige Vorgehensweise beginnt mit rechtem Verständnis, und genau an diesem Punkt kommt der Glaube an das Erwachen des Buddha ins Spiel. Wie der Buddha einmal feststellte, teilte er uns nicht alles mit, zu dem er erwacht war. Was er mitteilte war wie eine Handvoll Blätter; was er erfahren hatte war wie die Blätter eines ganzen Waldes. Dennoch enthielt das, was in jener Handvoll Blätter enthalten war, alle notwendigen Lektionen, um Anderen zum Erwachen zu verhelfen. Rechtes Verständnis fängt damit an, zu lernen, was genau diese Lektionen sind.
Die wichtigste Lektion, und damit auch die wichtigste Sache, an die es zu glauben gilt, ist einfach die Tatsache des Erwachens selbst. Der Buddha erlangte es aus eigener Kraft, und zwar nicht etwa, weil er übermenschlich gewesen wäre, sondern weil er geistige Fähigkeiten entwickelte, die zu entwickeln auch jedem von uns möglich ist. An sein Erwachen zu glauben bedeutet demnach, zu glauben, dass man selbst auch das Potenzial zum Erwachen hat.
Dennoch sind auch die genauen Einzelheiten dessen, was er bei seinem Erwachen lernte, wichtig. Es ist nicht einfach so, dass er herausgefunden hat, was bei ihm funktionierte, während das für einen selbst Richtige etwas völlig anderes sein mag. Ganz gleich, wie heftig man auch an den Hörnern der Kuh zerrt, es wird nie Milch herauskommen. Die Einsichten des Buddha durchdrangen das grundlegende kausale Muster, das die Abläufe bei den Dingen bestimmt. Seine Einsichten gelten für Jeden zu jeder Zeit.
Wenn der Buddha sein Erwachen in dichtester Form zusammenfasste, dann stellte er ein Kausalprinzip in den Mittelpunkt, nach dem wir in einer Welt leben, in der kausale Muster Ereignisse formen, wobei aber diese Ereignisse nicht völlig durch die Vergangenheit vorherbestimmt sind.
Es handelt sich eigentlich um ein doppeltes Prinzip, denn es gibt zwei Arten von Kausalzusammenhängen, die sich in unserem Leben miteinander verweben. Bei der ersten geht es um eine Ursache, deren Wirkung unmittelbar in der Gegenwart eintritt: Wenn dieses ist, dann ist jenes; wenn dieses nicht ist, dann ist jenes nicht. Wenn man zum Beispiel eine Stereoanlage anschaltet, dann gibt sie Geräusche von sich; stellt man sie ab, hören die Geräusche auf. Die zweite Art des Kausalzusammenhangs betrifft den Fall einer Ursache, die sich über einen Zeitraum hinweg auswirkt: Durch das Entstehen von diesem kommt es zum Entstehen von jenem; durch das Aufhören von diesem kommt es zum Aufhören von jenem. Wenn man sich jetzt durch Studium Wissen erwirbt, wird einem dieses Wissen in der Zukunft lange zur Verfügung stehen. Wenn man seinem Gehirn Schaden zufügt, werden auch davon die negativen Folgen lange andauern.
Auf Karma, Absicht, angewendet, bedeutet das doppelte Prinzip folgendes: jeder Augenblick des Erlebens besteht aus drei Dingen: (1) Freuden und Schmerzen, die das Ergebnis vergangener Absichten sind, (2) gegenwärtigen Absichten, und (3) Freuden und Schmerzen, die das Ergebnis gegenwärtiger Absichten sind. Demnach wird die Gegenwart nicht völlig von der Vergangenheit geformt. Tatsächlich ist das wichtigste Element beim Formen des gegenwärtigen Erlebens von Freude oder Schmerz die Art, wie man mit seinen gegenwärtigen Absichten das von vergangenen Absichten gelieferte Rohmaterial ausgestaltet. Und die gegenwärtigen Absichten können völlig frei sein.
Auf diese Weise kommt es dazu, dass es inmitten von Kausalität einen freien Willen gibt. Gleichzeitig erlaubt uns das Muster in dem Ablauf, wie Absichten zu Ergebnissen führen, aus vergangenen Fehlern zu lernen. Diese Freiheit innerhalb eines Musters eröffnet die Möglichkeit eines Wegs der geistigen Schulung, der zum Ende des Leidens führen kann. Wir üben Großzügigkeit, Tugend und Meditation aus, um die Macht unserer Absichten kennenzulernen und um insbesondere zu sehen, was geschieht, wenn unsere Absichten geschickter, tauglicher werden, so geschickt, dass gegenwärtige Absichten tatsächlich aufhören. Erst durch ihr Aufhören kann man für sich den Nachweis erbringen, wie mächtig sie waren. Und der Punkt, an dem sie aufhören, ist der Punkt, wo das Nichtverursachte — das Ende des Leidens — zu finden ist. Von dort kann man wieder zu Absichten zurückkehren, aber man ist nicht mehr ihr Gefangener oder Sklave.
Wenn er seinen Zuhörern seine Lehren über Karma und Leiden darstellte, dann pflegte der Buddha sie mit empirischen Fakten zu untermauern — indem er zum Beispiel feststellte, dass die Reaktion auf das Elend eines Anderen davon abhängt, wie viel einem an jener Person gelegen ist — aber er versuchte nie, einen vollständigen empirischen Beweis für diese Lehren zu erbringen. Tatsächlich machte er sich über seine Zeitgenossen, die Jainisten, lustig, die ihre deterministischere Karma-Lehre zu beweisen versuchten, indem sie behaupteten, dass alle jene, die töten, stehlen, lügen oder unerlaubten Sex haben, bereits hier und jetzt für ihre Handlungen zu leiden hätten. "Habt ihr nicht gesehen", fragte der Buddha, "dass es vorkommt, dass jemand vom König belohnt wird, weil er einen Feind des Königs getötet, einen Feind des Königs bestohlen, den König mit einer raffinierten Lüge belustigt oder die Ehefrau von einem Feind des Königs verführt hat?" Obwohl das Grundprinzip von Karma einfach genug ist — geschickte, taugliche Absichten führen zu Wohlergehen, untaugliche Absichten zu schmerzlichem Erleben — ist das Doppelprinzip der Kausalität, durch das Karma sich auswirkt, so komplex, wie eine Mandelbrotmenge, dass man den Verstand verlieren würde, wollte man versuchen, das Ganze empirisch festzunageln.
Anstatt eines empirischen Beweises für seine Karmalehre bot der Buddha deshalb einen pragmatischen Beweis an: wenn man an seine Lehren über Kausalität, Karma, Wiedergeburt und die vier edlen Wahrheiten glaubte, wie würde man da handeln? Welche Art von Leben würde man führen? Würde man sich nicht verantwortungsbewusster und mitfühlender verhalten? Wenn man andererseits an eine der Alternativen glaubte — wie zum Beispiel an die Doktrin eines unpersönlichen Schicksals oder einer Gottheit, die über das eigene Wohl und Wehe bestimmte, oder an die Doktrin, dass Alles zufällig und ohne Ursache sei — wohin würde man durch einen Glauben an solche Doktrinen geführt? Würde ein solcher Glaube es einem erlauben, durch eigene Anstrengung das Leiden zu beenden? Würde er der Erkenntnis überhaupt einen Sinn einräumen? Wenn man es andererseits unterließ, sich zu einer schlüssigen Vorstellung von dem zu bekennen, was menschliches Handeln zu bewirken vermag, wäre da zu erwarten, dass man einen anspruchsvollen Übungsweg bis ganz zum Ende durchhalten würde?
Es waren Argumente von solcher Art, die der Buddha benutzte, um den Glauben an sein Erwachen und dessen Bedeutung für unsere eigene Suche nach wahrem Glück zu erwecken.
Das vierte Gleichnis betont, wie wichtig es ist, sich nicht mit weniger als der echten Sache zufrieden zu geben:
Ein Mann, der nach Kernholz sucht, begibt sich in einen Wald und gelangt zu einem Baum, der Kernholz enthält; aber an Stelle von Kernholz nimmt er Splintholz, Zweige oder Rinde mit nach Hause.
Es ist der Glaube an die Möglichkeit von Nirvana — das Kernholz des Übungsweges —, der einen davon abhält, sich in den Freuden von Splintholz und Rinde zu verlieren: dem inneren Wohl, das sich ergibt, wenn man großzügig und sittenrein ist, dem Gefühl von Frieden, Verbundenheit und Einssein, das aus starker innerer Sammlung herrührt. Doch überraschenderweise wird dieser Punkt in zeitgenössischen Darstellungen über die Rolle des Glaubens in den Lehren des Buddha kaum jemals erwähnt, sondern stattdessen der Glaube an Karma und Wiedergeburt in den Mittelpunkt gestellt. Überraschend ist das deswegen, weil Nirvana viel weniger in Verbindung mit der alltäglichen Erfahrung steht als etwa Karma oder Wiedergeburt. Die Früchte unserer Handlungen sehen wir überall um uns herum; wir sehen, dass Menschen mit individuell ausgeprägten Persönlichkeiten und unterschiedlichen Anlagen und Stärken geboren werden, und es ist nur ein kurzer Schritt zu dem Gedanken, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte. Nirvana hat jedoch überhaupt keinen Bezug zu irgend etwas, was wir je erlebt haben. Es ist zwar bereits da, aber verdeckt von all unserem Verlangen nach körperlicher und geistiger Aktivität. Um es zu berühren, müssen wir unsere gewohnheitsmäßige Bindung an Aktivität aufgeben. Zu glauben, dass so etwas möglich ist, und dass das auch noch das höchste Glück ist, stellt einen gewaltigen Sprung dar, den man machen muss.
Viele Zeitgenossen des Buddha waren gewillt, diesen Sprung zu machen, während viele andere es nicht waren, sondern es vorzogen, sich mit den Zweigen und dem Splintholz zufrieden zu geben, indem sie einfach nur erfahren wollten, wie sie und ihre Familienangehörigen in diesem Leben glücklich sein und im nächsten Leben zum Himmel gelangen konnten. Nirvana, sagten sie, konnte warten. Angesichts solchen aufrichtigen, sanften Widerstrebens gegenüber seinen Lehren über Nirvana, tat ihnen der Buddha gerne den Gefallen.
Weniger tolerant war er aber gegenüber dem stärkeren Widerstand, der ihm von Brahmas entgegengebracht wurde, himmlischen Gottheiten, die sich selbstgefällig einbildeten, dass ihre Erfahrung grenzenlosen Einsseins und Mitgefühls inmitten von Samsara — ihr Splintholz — dem Kernholz des Nirvana überlegen sei. In solchen Fällen bediente er sich der ganzen übermenschlichen und intellektuellen Kräfte, die ihm zur Verfügung standen, um ihren Stolz zu beschämen, denn ihm war klar, dass ihre Ansichten die Tür zum Erwachen vollkommen verschlossen hielten. Wenn man glaubt, dass das Splintholz, das man hat, tatsächlich Kernholz sei, wird man nicht nach etwas Besserem Ausschau halten. Wenn dann das Splintholz zerbricht, wird man folgern, Kernholz sei eine Lüge. Wenn man sich aber bewusst ist, dass man mit Rinde und Splintholz umgeht, lässt man sich die Möglichkeit offen, eines Tages umzukehren und es mit Kernholz zu versuchen.
Selbstverständlich ist es noch besser, wenn man die Lehren des Buddha über Nirvana schon in diesem Leben als unmittelbare Herausforderung begreifen kann — so als würde er sagen: "Hier ist deine Gelegenheit. Kannst du beweisen, dass ich mich irre?"
Das fünfte Gleichnis:
Ein erfahrener Elefantenjäger auf der Suche nach einem großen Elefantenbullen trifft im Wald auf eine große Elefantenspur. Dennoch folgert er daraus nicht sofort, dass es sich um die Spur eines großen Elefantenbullen handelt. Wieso? Weil es Zwergelefantenkühe mit großen Füßen gibt. Es könnte eine davon sein. Er verfolgt die Spur weiter und entdeckt hoch oben an den Bäumen Wetzspuren von Stoßzähnen, aber er zieht immer noch nicht den Schluss, dass er auf der Spur eines großen Elefantenbullen ist. Wieso? Weil es große Elefantenkühe mit Stoßzähnen gibt. Die Wetzspuren könnten von ihnen stammen. Er folgt der Spur weiter und sieht schließlich einen großen Elefantenbullen unter einem Baum oder in einer Lichtung stehen. Erst da zieht er den Schluss, dass er seinen Elefantenbullen gefunden hat.
Als er dieses Gleichnis erklärte, sagte der Buddha, dass all die vorbereitenden Schritte der Übungspraxis — als Mönch in die Wildnis zu gehen; die Tugendregeln einzuhalten; Zurückhaltung, Zufriedenheit und starke innere Sammlung zu entwickeln; vergangene Leben zu sehen und die Sicht darauf zu erlangen, wie die Wesen in der Welt sterben und je nach ihrem Karma wiedergeboren werden — einfach nur die Fußabdrücke und Wetzspuren vom Erwachen des Buddha sind. Erst wenn man am Ende des Wegs selber die erste Kostprobe des Erwachens bekommen hat, weiß man wirklich, dass der eigene Glaube an das Erwachen gerechtfertigt war. Indem man die Dimension berührt, wo das Leiden endet, erkennt man, dass die Lehren des Buddha darüber nicht nur wahr, sondern auch nützlich waren: er wusste, worüber er sprach, und er war in der Lage gewesen, einem selbst auch den Weg dahin zu weisen.
Interessant an diesem Gleichnis ist, wie es gesunden Glauben mit aufrichtiger Skepsis verbindet. Aufgrund dieses Glaubens zu handeln bedeutet, ihn auf die Probe zu stellen, so wie man eine Arbeitshypothese überprüft. Glaube ist nötig, um den Fußspuren weiterhin zu folgen, aber man braucht auch die Aufrichtigkeit, zu erkennen, wo der Glaube endet und das Wissen beginnt. Deswegen sind Glaube und Empirie im Buddhismus untrennbar. Im Unterschied zu monotheistischen Religionen — wo der Glaube die Macht eines Anderen zum Mittelpunkt hat — verweist einen der Glaube an das Erwachen des Buddha stets zurück auf die Macht des eigenen Handelns: Hat man genügend Macht über die eigenen Absichten, um sie harmlos werden zu lassen? Geben einem harmlose Absichten dann die Freiheit, das Beabsichtigen vollkommen fallen zu lassen? Die einzige Möglichkeit, um diese Fragen zu beantworten, besteht darin, bei seinen Absichten bis zur letzten Einzelheit aufrichtig zu sein, um selbst die geringste Spur von Schadenwollen, die geringste Bewegung des Beabsichtigens zu entdecken. Erst dann wird man das Todlose, das von keinerlei Beabsichtigen als Ursache abhängt, mit Sicherheit kennenlernen. Aber wenn man behauptet, Dinge zu wissen, die man garnicht weiß, wie kann man sich da selbst zutrauen, irgend eines dieser Dinge zu entdecken? Die eigene Aufrichtigkeit muss sich des eigenen Glaubens würdig erweisen, indem sie die Annahmen, auf denen er basiert, auf die Probe stellt, bis sie bei dieser Überprüfung auf wahre Erkenntnis stößt.
Deswegen wird es der Wissenschaft niemals möglich sein, ein gültiges Urteil über die Wahrheiten des Erwachens zu fällen, denn der Weg beschäftigt sich mit Angelegenheiten, die dem Experiment von außen nicht zugänglich sind. Obwohl Anderen euer Leiden nahegehen mag, ist das Leiden selbst eine Erfahrung, die man mit keinem Anderen teilen kann. Die Aufrichtigkeit und Tauglichkeit der eigenen Absichten ist eine Sache des inneren Dialogs, etwas, das nur einem selbst zugänglich ist. Wissenschaftler können die neurologischen Signale messen, die Schmerzen oder Absichtstätigkeit anzeigen, aber es gibt kein äußeres Maß dafür, wie die Schmerzen sich anfühlen oder wie aufrichtig der innere Dialog sein mag. Und was das Todlose betrifft, so hat es überhaupt keine physikalischen Entsprechungen. Näher als bis zu Fußstapfen im Boden und Wetzspuren in den Bäumen kommen empirische Messungen von außen nicht heran.
Um zum Elefantenbullen zu gelangen, muss man es machen wie Sariputta, ein Schüler des Buddha. Er folgte dem Weg, ohne sich zu vorschnellen, unaufrichtigen Schlüssen hinreißen zu lassen, bis er den Elefanten im Inneren erblickte. Als ihn dann der Buddha fragte: "Glaubst du daran, dass diese fünf Kräfte — Vertrauen, Ausdauer, Achtsamkeit, Sammlung und weises Einsichtsvermögen — zum Todlosen führen?", konnte er aufrichtig antworten: "Nein, ich glaube das nicht. Ich weiß es."
Wie Sariputta in einer anderen Lehrrede feststellte, gründete sein Beweis auf Erfahrung, aber so weit im Inneren, dass er eine Dimension berührte, wohin nicht nur die äußeren Sinne nicht reichen, sondern noch nicht einmal das Gefühl für das Funktionieren das Geistes. Wenn man seine Erkenntnis bestätigen will, muss man jene Dimension am einzigen Ort berühren, wo man Zugang dazu hat, im eigenen Inneren. Das ist die eine von zwei Arten, wie sich die Methode des Buddha von derjenigen der modernen Empirie unterscheidet.
Die andere hat mit der Integrität derjenigen Person zu tun, die versucht, den Beweis zu führen.
Wie bei der Wissenschaft verhält sich der Glaube an das Erwachen des Buddha wie eine Arbeitshypothese, aber die Überprüfung dieser Hypothese erfordert eine tiefere und radikalere Aufrichtigkeit als irgend etwas, was die Wissenschaft fordert. Man muss sich selbst — jegliche Variante dessen, was man zu sein glaubt — in Gänze dieser Prüfung unterwerfen. Nur wenn man alles Festhalten an den inneren und äußeren Sinnen auseinandernimmt, kann man nachweisen, ob die Tätigkeit des Festhaltens tatsächlich dasjenige ist, was das Todlose verbirgt. Der Buddha zwang niemals jemanden dazu, sich dieser Prüfung zu unterziehen, zum einen, weil man niemanden dazu zwingen kann, ehrlich zu sich selbst zu sein, und zum anderen, weil er sah, dass die Grube voller glühender Kohlen Ansporn genug war.