Die Brahma-Viharas, die "Erhabenen Geisteshaltungen", sind die Hauptlehren des Buddha für das Herz — diejenigen Lehren, die am unmittelbarsten an unseren Wunsch nach wahrem Glück anknüpfen. Der Ausdruck Brahma-Vihara bedeutet wörtlich "Wohnort von Brahmas." Brahmas sind Götter, die in den oberen Himmelsreichen leben, wo sie in einer Haltung unbegrenzter wohlwollender Güte, unbegrenzten Mitgefühls, unbegrenzter Mitfreude und unbegrenzten Gleichmuts verweilen.
Von diesen vier Emotionen ist wohlwollende Güte (metta) die grundlegendste. Sie stellt den Wunsch nach wahrem Glück dar, einen Wunsch, den man auf sich selbst oder auf andere richten kann. Wohlwollende Güte war der eigentliche Beweggrund, aus dem heraus der Buddha nach Erwachung suchte und anderen den Weg zur Erwachung lehrte, nachdem er ihn gefunden hatte.
Die nächsten beiden Emotionen in der Liste sind im wesentlichen Anwendungsfälle wohlwollender Güte. Mitgefühl (karuna) ist das, was wohlwollende Güte empfindet, wenn sie auf Leiden trifft: sie möchte, dass das Leiden aufhört. Mitfreude (mudita) ist das, was wohlwollende Güte empfindet, wenn sie auf Glück trifft: sie möchte, dass das Glück fortbesteht. Gleichmut (upekkha) ist insofern eine anders geartete Emotion, indem er als Unterstützung und Gegengewicht für die anderen drei fungiert. Trifft man auf Leiden, das man nicht beenden kann, so sehr man sich auch bemüht, dann bedarf es des Gleichmuts, um nicht noch zusätzliches Leiden zu erzeugen, und um die eigenen Kräfte auf Gebiete zu lenken, wo man tatsächlich hilfreich sein kann. Solcherart ist Gleichmut nicht etwa kaltherzig oder gleichgültig. Er macht die eigene wohlwollende Güte lediglich zielgerichteter und wirksamer.
Diese Haltungen unbegrenzt werden zu lassen erfordert Arbeit. Es ist leicht, wohlwollende Güte, Mitgefühl und Mitfreude für Menschen zu empfinden, die man mag und gerne hat, aber es gibt gewiss auch Leute, die man nicht mag — oft aus gutem Grund. Auf ähnliche Weise gibt es viele Leute, bei denen es leicht fällt, Gleichmut zu empfinden: Leute, die man nicht kennt, oder die einem nicht wirklich etwas bedeuten. Aber es ist schwer, Gleichmut zu empfinden, wenn Menschen, die man gerne hat, leiden. Und doch muss man, wenn man die Brahma-Viharas entwickeln will, alle diese Leute in den eigenen Wahrnehmungsbereich mit einschließen, so dass man die richtige Haltung einnehmen kann, ganz gleich, wann oder wo. Genau an dieser Stelle braucht euer Herz die Hilfe des Kopfs.
Allzu oft glauben Meditierende, ihre Haltungen könnten unbegrenzt werden, wenn es ihnen gelänge, einfach noch ein bisschen mehr Herzblut, ein bisschen mehr emotionale Power in ihre Brahma-Vihara-Übung einfließen zu lassen. Aber wenn irgend etwas in einem ständig Gründe dafür hochsprudeln lässt, dass man den einen hier mag und den anderen dort verabscheut, dann kommt einem die eigene Übungspraxis bald scheinheilig vor. Man fragt sich, wen man eigentlich zum Narren halten will. Oder wenn man nach einem Monat hingebungsvoller Übung immer noch feststellen muss, dass man schwarze Gedanken gegenüber Leuten hegt, die einem die Vorfahrt nehmen — ganz zu schweigen von Leuten, die der Welt wirklich ernsthaften Schaden zugefügt haben.
An dieser Stelle kommt der Kopf ins Spiel. Wenn wir vom Herzen als demjenigen Teil des Geistes denken, der Glück will, dann ist der Kopf derjenige Teil, der versteht, wie Ursache und Wirkung tatsächlich funktionieren. Wenn euer Kopf und euer Herz es lernen können, zusammenzuarbeiten — das heißt, wenn euer Kopf seine Aufgabe vorrangig darin sieht, die Ursachen für wahres Glück herauszufinden, und euer Herz es lernt, diese Ursachen offen aufzunehmen — dann kann die Schulung des Geistes weit vorankommen.
Deswegen lehrte der Buddha die Brahma-Viharas in einem Kontext von Lehren, die sich an den Kopf richten: das Kausalitätsprinzip, wie es sich (1) im Karma und (2) im Vorgang des Gestaltens, das Emotionen in Körper und Geist formt, auswirkt. Je mehr wir unseren Kopf mit diesen Lehren vertraut machen können, umso einfacher wird es werden, unter Einsatz unseres ganzen Herzens wahrhaft erhabene Geisteshaltungen zu entfalten. Ein Verständnis von Karma hilft zu erklären, was wir da eigentlich tun, wenn wir die Brahma-Viharas entfalten, und warum warum dies überhaupt unser Wunsch sein sollte. Ein Verständnis der Gestaltungsvorgänge hilft zu erklären, wie wir unser menschliches Herz hernehmen und in einen Ort verwandeln können, wo Brahmas wohnen könnten.
Die Karmalehre fängt mit dem Grundsatz an, dass Glück und Kummer im Erleben der Menschen auf einem Zusammenspiel ihrer vergangenen und gegenwärtigen Absichten basiert. Wenn wir aus ungeschickten, untauglichen Absichten, ob nun uns selbst oder andere betreffend, heraus handeln, werden wir leiden. Wenn wir aus geschickten, tauglichen Absichten heraus handeln, werden wir Glück erfahren. Wenn wir also glücklich sein wollen, dann müssen wir unsere Absichten so schulen, dass sie jederzeit tauglich sind. Das ist der erste Grund, um die Brahma-Viharas zu entwickeln: um unsere Absichten verlässlicher zu machen.
Manche behaupten, unbegrenzte wohlwollende Güte sei für uns etwas Natürliches, unsere Buddhanatur sei von sich aus mitfühlend. Aber von Buddhanatur hat der Buddha nie etwas gesagt. Was er allerdings sagte, ist, dass der Geist noch weit vielgestaltiger ist als die Tierwelt. Wir sind zu allem fähig. Was also fangen wir mit dieser Befähigung an?
Wir könnten fast alles damit tun — und haben das auch — aber die eine Sache, von welcher der Buddha durch die Bank ausgeht, ist die, dass wir tief da drinnen gerne diese Befähigung nehmen und sie für unser Glücklichsein verwenden möchten. Und die erste Lektion im Zusammenhang mit Karma ist, dass man, wenn man wirklich glücklich sein will, nicht darauf vertrauen darf, dass man tief da drinnen schon wüsste, was zu tun das Richtige wäre, denn das würde einfach nur selbstgefällige Achtlosigkeit nähren. Ungeschickte, untaugliche Absichten würden die Oberhand gewinnen, und man würde es nicht einmal merken. Stattdessen muss man genau acht geben, um untaugliche Absichten als solche zu erkennen, und nur aufgrund von tauglichen handeln. Und um sicherzustellen, dass man achtsam bleibt, nimmt man sein Verlangen nach Glück und verteilt es.
Die zweite Lektion im Zusammenhang mit Karma ist die, dass genau so, wie wir selbst der hauptsächliche Erbauer unseres eigenen Glücklichseins oder Leidens sind, die Anderen die hauptsächlichen Erbauer von ihrem sind. Wenn man wirklich möchte, dass sie glücklich sein sollen, dann belässt man es nicht nur dabei, anständig mit ihnen umzugehen. Man möchte auch, dass sie lernen, wie man die Ursachen für das Glücklichsein erschaffen kann. Wenn möglich, will man ihnen zeigen, wie das geht. Deswegen ist die Gabe des Dhamma — der uns lehrt, wie man wahres Glück entstehen lässt — die größte Gabe von allen.
Im berühmtesten Beispiel des Buddha dafür, wie man eine Haltung unbegrenzter wohlwollender Güte zum Ausdruck bringt, belässt er es nicht einfach nur bei dem folgenden Wunsch nach universellem Glücklichsein:
Sofort fügt er auch einen Wunsch hinzu, dass alle Wesen die Ursachen vermeiden mögen, die zu Unglücklichsein führen würden:
— Sn 1.8
Wenn ihr also Visualisierung als Teil eurer Übung in wohlwollender Güte einsetzt, dann stellt euch nicht bloß lächelnde, von Reichtum und Sinnesfreuden umgebene Leute vor. Visualisiert sie so, dass sie auf geschickte, taugliche Weise handeln, reden und denken. Wenn sie derzeit aus ungeschickten, untauglichen Absichten heraus handeln, stellt euch vor, dass sie sich darin ändern. Dann handelt so, dass eure Visualisierungen nach Möglichkeit wahr werden.
Ein ähnlicher Grundsatz gilt für Mitgefühl und Mitfreude. Lernt, nicht nur für Leute Mitgefühl zu empfinden, die gerade leiden, sondern auch für diejenigen, die gegenwärtig ungeschickte, untaugliche Handlungen begehen, die zu zukünftigem Leiden führen werden. Das bedeutet, wenn möglich, zu versuchen, sie von diesen Dingen abzuhalten. Und lernt, Mitfreude nicht nur für diejenigen zu empfinden, die gerade glücklich sind, sondern auch für diejenigen, deren Handlungen zu zukünftigem Glücklichsein führen werden. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, ermutigt sie darin.
Aber man muss sich auch klar machen, dass die Wirkung dieser positiven Emotionen, wie unbegrenzt auch immer ihr beabsichtigter Umfang sein mag, auf Grenzen stoßen wird. Anders gesagt, ganz gleich wie stark die eigene wohlwollende Güte oder das eigene Mitgefühl auch sein mögen, wird man auf Leute treffen, deren vergangene Handlungen untauglich waren, und die ihre Handlungsweise auch in der Gegenwart nicht ändern können oder wollen. Deswegen braucht man Gleichmut, um auf dem Boden der Wirklichkeit zu bleiben. Wenn man auf Gebiete trifft, wo man nicht helfen kann, dann lernt man, darüber nicht außer Fassung zu geraten. Denkt an die Allgemeingültigkeit des Karma-Prinzips: es gilt für jedermann, egal, ob man jemanden mag oder nicht. Dadurch wird man in eine Lage versetzt, wo man deutlicher erkennen kann, was tatsächlich geändert werden kann, wo man tatsächlich hilfreich sein kann. Anders gesagt, ist Gleichmut kein pauschales Akzeptieren des gegenwärtigen Stands der Dinge. Es ist ein Werkzeug, das einem dabei hilft, Unterscheidungsvermögen zu entwickeln, welche Arten von Leiden man akzeptieren muss und welche nicht.
Beispielsweise mag jemand in der eigenen Familie an Alzheimer leiden. Wenn man ständig damit hadert, dass es so ist, schränkt man seine Fähigkeit ein, wirklich hilfreich zu sein. Um wirksamer handeln zu können, muss man Gleichmut als Mittel dazu verwenden, um das, was man ändern möchte, aber nicht kann, loszulassen und sich mehr auf das zu konzentrieren, was sich in der Gegenwart tatsächlich ändern lässt.
Eine dritte Lehre aus dem Karma-Prinzip ist, dass das Entwickeln der Brahma-Viharas auch helfen kann, die Folgen der eigenen schlechten Handlungen der Vergangenheit zu mildern. Der Buddha erläutert diesen Punkt durch ein Gleichnis: Wenn man eine Handvoll Salz in ein Glas mit Wasser gibt, ist das Wasser im Glas nicht trinkbar. Aber wenn man die gleiche Menge Salz in einen Fluss streut, kann man das Flusswasser immer noch trinken, weil der Fluss so viel mehr Wasser als Salz enthält. Bei der Entfaltung der vier Brahma-Viharas ist der eigene Geist dem Fluss vergleichbar. Das taugliche Karma, das vom Entwickeln dieser Haltungen in der Gegenwart herrührt, nimmt solche Ausmaße an, dass die Folgen des eigenen schlechten Handelns aus der Vergangenheit kaum noch wahrgenommen werden.
Das richtige Verständnis von Karma hilft auch dabei, die fehlerhafte Vorstellung zu berichtigen, dass jemand, der leidet, es verdient hätte, zu leiden, und man ihm deshalb nicht zu helfen bräuchte. Wenn man merkt, dass man so denkt, muss man sich vier grundlegende Dinge klar machen.
Erstens darf man nicht vergessen, dass man beim Blick auf Andere nicht alle karmischen Samenkörner aus ihrem vergangenen Handeln zu sehen bekommt. Gegenwärtig mögen sie zwar die Folgen aus vergangenen schlechten Handlungen erfahren, aber man weiß eben nicht, wann diese Samen aufhören werden, zu keimen. Außerdem hat man ja auch keinerlei Ahnung, welche anderen Samen, welches wunderbare, im Verborgenen liegende Potenzial, an ihrer Stelle keimen werden.
In manchen buddhistischen Kreisen gibt es einen Spruch, der besagt: wenn du die vergangenen Handlungen eines Menschen sehen willst, schaue auf seine gegenwärtigen Lebensumstände; wenn du seine zukünftigen Lebensumstände sehen möchtest, schaue auf seine gegenwärtigen Handlungen. Dem liegt eine grundsätzliche Fehlauffassung zugrunde: dass jeder nur ein einziges karmisches Konto besäße, und dass das, was wir in der Gegenwart sehen, bei jedem jeweils der laufende Kontosaldo sei. Tatsächlich stellt aber bei niemandem die karmische Vorgeschichte nur ein einziges Konto dar. Sie setzt sich aus all den vielen unterschiedlichen Samenkörnern zusammen, die wir im Laufe der Zeit an vielen verschiedenen Orten durch viele unterschiedliche Handlungen gepflanzt haben, und jedes Samenkorn reift mit seiner eigenen Geschwindigkeit heran. Einige Samenkörner sind bereits ausgereift und verschwunden; einige kommen gerade jetzt zur Reife; einige werden erst in der Zukunft reifen. Das bedeutet, dass die gegenwärtigen Lebensumstände einer Person nur einen geringen Anteil seiner oder ihrer vergangenen Handlungen wiedergeben. Die vielen anderen Samenkörner sieht man überhaupt nicht.
Diese Überlegung hilft einem beim Entfalten von Mitgefühl, denn sie erinnert einen daran, dass man niemals wissen kann, wann die Möglichkeit, jemandem zu helfen, ihre Wirkung entfaltet. Die Samenkörner der schlechten Handlungen jenes Anderen mögen zwar jetzt in Blüte stehen, aber sie könnten jederzeit absterben. Vielleicht ist gerade man selbst diejenige Person, die da ist, um zu helfen, wenn jener Andere bereit ist, Hilfe zu empfangen.
Das gleiche Muster gilt auch für die Mitfreude. Angenommen, euer Nachbar sei wohlhabender als ihr. Vielleicht habt ihr Schwierigkeiten, ihm gegenüber Mitfreude zu empfinden, weil ihr denkt: "Dem geht's doch gut, während ich mich abstrampeln muss. Wieso sollte ich ihm wünschen, dass es ihm noch besser geht?" Wenn ihr merkt, dass ihr so denkt, erinnert euch daran, dass ihr nicht wisst, was eure karmischen Samen sind, was seine karmischen Samen sind. Vielleicht sterben ja seine guten karmischen Samenkörner gerade jetzt ab. Möchtet ihr, dass sie noch schneller absterben? Mindert sein Glücklichsein etwa das eure? Was ist denn das für eine Einstellung? Es ist nützlich, sich derartige Gedanken zu machen.
Zweitens darf man den Grundsatz nicht vergessen, dass es in der Lehre des Buddha nicht um die Frage geht, ob jemand Glücklichsein "verdient" habe oder Schmerzliches "verdient" habe. Der Buddha sagt einfach nur, dass es Handlungen gibt, die zu freudvollen Erfahrungen führen, und Handlungen, die zu schmerzlichen Erfahrungen führen. Karma kümmert sich nicht um Personen; es ist einfach nur eine Sache von Handlungen und deren Folgen. Bei guten Menschen sind vielleicht auch einige schlechte Handlungen in ihrer Vergangenheit vergraben. Menschen, die einem fürchterlich erscheinen, haben vielleicht ganz wunderbare Dinge getan. Man weiß es einfach nicht. Also geht es nicht um die Frage, ob jemand Freud oder Leid verdient habe oder nicht verdient habe. Es gibt einfach den Grundsatz, dass Handlungen Folgen haben und dass das, was man im Augenblick an Freud oder Leid erfährt, das kombinierte Ergebnis aus vergangenen und gegenwärtigen Handlungen ist. Vielleicht hat man ja einige grob untaugliche Handlungen in seiner Vergangenheit, aber wenn man lernt, auf geschickte, taugliche Weise damit umzugehen, wenn solche Handlungen in der Gegenwart zum Tragen kommen, dann braucht man nicht zu leiden.
Ein dritter Grundsatz betrifft die Frage, ob die Person, die gerade leidet, unser Mitgefühl überhaupt "verdiene". Manchmal hört man, dass jeder unser Mitgefühl verdiene, weil jeder Buddhanatur habe. Damit verkennt man allerdings den eigentlichen Hauptgrund, warum man überhaupt Mitgefühl als Brahma-Vihara entwickelt: das eigene Mitgefühl muss allumfassend sein, damit man seinen eigenen Absichten trauen kann. Wenn man sein Mitgefühl als so kostbar ansieht, dass nur Buddhas es verdient haben, wird man sich selbst nicht trauen können, wenn man auf Leute trifft, deren Handlungen durchgehend böse sind.
Gleichzeitig muss man sich daran erinnern, dass kein menschliches Wesen eine vollkommen reine karmische Vergangenheit hat, also kann man die Reinheit einer Person nicht zur Vorbedingung für das eigene Mitgefühl machen. Manche widersetzen sich der Vorstellung, dass etwa Kinder, die in ein Kriegsgebiet hinein geboren wurden und unter Brutalität und Hunger zu leiden haben, aus karmischen Gründen dort sind. Es erscheine herzlos, sagen sie, dieses Leiden auf Karma aus vergangenen Leben zurückzuführen. Die einzige Herzlosigkeit dabei ist allerdings, wenn man darauf besteht, dass nur jemand unseres Mitgefühls wert sei, der sich keinerlei Übeltat habe zuschulden kommen lassen. Denkt daran, dass man jemanden nicht mögen oder bewundern muss, um für ihn Mitgefühl zu empfinden. Alles, was man tun muss, ist, dieser Person zu wünschen, dass sie glücklich sein soll. Je mehr man diese Haltung gegenüber Leuten entfalten kann, von denen man weiß, dass sie Böses getan haben, desto mehr wird man seinen eigenen Absichten in jeder Lebenslage vertrauen können.
Der Buddha illustriert diesen Punkt mit einem drastischen Gleichnis: Selbst wenn Räuber uns angreifen und uns mit einer zweihändigen Säge die Glieder absägen würden, sollen wir von ihnen ausgehend wohlwollende Güte empfinden und auf die ganze Welt ausdehnen. Sich an dieses Gleichnis zu erinnern, hilft einem dabei, sich vor ungeschicktem, untauglichem Handeln zu schützen, auch wenn man noch so schlimm provoziert wird.
Der vierte Grundsatz, an den man sich erinnern sollte, betrifft das Karma, das man gerade jetzt als Reaktion auf das Glück und den Kummer anderer erzeugt. Wenn ihr einem Anderen sein Glück missgönnt, dann wird es auch jemanden geben, der euch das eure missgönnen wird, wenn ihr eines Tages glücklich sein werdet. Wollt ihr das? Oder wenn ihr hartherzig zu jemandem seid, der gerade leidet, dann seid ihr vielleicht eines Tages mit der gleichen Art von Leiden konfrontiert. Wollt ihr, dass die Leute dann euch gegenüber hartherzig sind? Denkt immer daran, dass eure Reaktionen eine Art von Karma sind, und seid darauf bedacht, diejenige Art von Karma zu erzeugen, welche die Folgen mit sich bringt, die ihr gerne sehen würdet.
Wenn man auf diese Weise denkt, dann sieht man, dass es wirklich zum eigenen Besten ist, in jeder Lebenslage die Brahma-Viharas zu entfalten. Die Frage ist nun, wie macht man das? An dieser Stelle spielt ein anderer Aspekt der Kausalitätslehren des Buddha eine Rolle: seine Lehre über das Gestalten, die Art und Weise, wie man sein Erleben formt.
Die Gestaltenstätigkeit ist von dreierlei Art: körperlich, sprachlich und geistig. Körperliches Gestalten ist die Art, wie man atmet. Sprachliches Gestalten sind Gedanken und geistige Kommentare zu den Dingen — das innere Selbstgespräch. In Pali heißen diese Gedanken und Kommentare vitakka — gerichtetes Denken, und vicara, Erwägen. Geistige Gestaltungen sind Sichtweisen und Empfindungen: die geistigen Etiketten, die man auf Dinge anwendet, und die angenehmen, unangenehmen und weder angenehmen noch unangenehmen Empfindungen, die man ihnen gegenüber fühlt.
Jegliches Verlangen, jegliche Emotion ist aus diesen drei Arten des Gestaltens aufgebaut. Es beginnt mit Gedanken und Sichtweisen, und das überträgt sich dann durch die Art und Weise, wie man atmet, auf den Körper. Deswegen scheinen Emotionen so real, so unabweisbar, so unzweifelhaft "man selbst" zu sein. Wie der Buddha aber aufzeigt, identifiziert man sich mit diesen Dingen, weil man sie in Unwissen erschafft: man weiß nicht, was man tut, und das führt dazu, dass man leidet. Aber wenn man seine Emotionen als Wissender erschaffen kann, dann können sie einen Weg zum Ende des Leidens bilden. Und der Atem ist dabei ein guter Ausgangspunkt.
Wenn ihr, zum Beispiel, Ärger gegenüber jemandem empfindet, dann fragt euch: "Wie atme ich gerade? Wie kann ich die Art, wie ich atme, ändern, damit sich mein Körper angenehmer anfühlt?" Ärger führt oft ein Gefühl des Unbehagens im Körper herbei, und es drängt einen dazu, es los zu werden. Gewöhnlich wird man es auf eine von zwei Arten los, und beide sind untauglich: entweder unterdrückt man es, oder aber, man versucht, sich davon zu befreien, indem man es in Worten und Taten hinauslässt.
Also bietet der Buddha eine dritte, tauglichere Alternative an: Man atmet durch das Unbehagen hindurch und löst es so auf. Man ruft mittels des Atems körperliche Empfindungen von Wohlsein und Fülle hervor und gestattet diesen Empfindungen, den ganzen Körper zu durchdringen. Dieses körperliche Wohlsein verhilft auch dem Geist zum Wohlsein. Aus einem inneren Gefühl des Wohlseins heraus zu agieren, macht es einfacher, taugliche Sichtweisen hervorzurufen, während man erwägt, wie man auf die Herausforderung, mit der man konfrontiert ist, antworten soll.
Das Gleichnis von der Handvoll Salz ist hierbei eine wichtige Sichtweise, die man bereit haben sollte, da es einen daran erinnert, die Situation aus der Perspektive zu betrachten, dass man die eigene wohlwollende Güte auch dafür benötigt, einen selbst vor schlechtem Karma zu schützen. Ein Bestandteil dieses Schutzes ist der, auf die guten Eigenschaften der Person, auf die man ärgerlich ist, zu achten. Und um bei dieser Sichtweise zu helfen, gibt der Buddha ein noch drastischeres Gleichnis, um einen daran zu erinnern, warum diese Herangehensweise keine bloße Sentimentalität darstellt: Wenn man jemanden sieht, der in Worten und Taten wirklich böse zu einem gewesen ist, aber manchmal Augenblicke von Aufrichtigkeit und gutem Willen zeigt, dann ist das so, als würde man — vor Hitze und Durst zitternd — durch eine Wüste ziehen und auf den Hufabdruck einer Kuh stoßen, in dem sich ein klein wenig Wasser befindet. Was soll man nun tun? Mit der Hand lässt sich das Wasser nicht ausschöpfen, weil es sonst schlammig würde. Stattdessen muss man sich auf Hände und Knie niederlassen und es sehr vorsichtig aufschlürfen.
Man beachte, welche Position man in diesem Bild einnimmt. Den Mund so nah am Boden zu haben, mag entwürdigend erscheinen, aber denkt daran: Ihr zittert vor Durst. Ihr braucht Wasser. Wenn ihr euer Augenmerk nur auf die schlechten Eigenschaften von anderen Leuten richtet, dann werdet ihr euch von der Hitze und dem Durst nur noch mehr bedrückt fühlen. Ihr seht die Menschheit mit Verbitterung und könnt keinen Grund erkennen, sie gut zu behandeln. Aber wenn ihr das Gute in den Anderen sehen könnt, dann werdet ihr es einfacher finden, mit ihnen auf geschickte, taugliche Weise umzugehen. Ihre guten Eigenschaften sind wie Wasser für euer Herz. Darauf müsst ihr euer Augenmerk richten, um jetzt und in der Zukunft eure eigenen guten Eigenschaften zu nähren.
Sollte die Person, über die man sich ärgert, allerdings überhaupt keine guten Eigenschaften haben, dann empfiehlt der Buddha eine andere Sichtweise: Denkt von dieser Person als von einem schwer kranken Fremden, den ihr, fern jeder Hilfe, am Wegesrand gefunden habt. Ihr müsst ihm gegenüber Mitgefühl empfinden und alles tun, was ihr könnt, um ihn an den sicheren Ort tauglicher Gedanken, Worte und Taten zu bringen.
Was hier gemacht wird, ist, geschicktes, taugliches sprachliches Gestalten — Nachdenken und Urteilen über den Atem — dazu einzusetzen, um den Atem in eine taugliche körperliche Gestaltung umzuwandeln. Diese erzeugt ihrerseits eine gesunde geistige Gestaltung — das Wohlgefühl —, welche es leichter macht, Sichtweisen im Geist hervorzurufen, die helfen, die ungeschickte, untaugliche Reaktion auseinanderzunehmen und an ihrer Stelle eine taugliche Emotion entstehen zu lassen.
Genau auf diese Weise benutzen wir unser Wissen von Karma und Gestaltenstätigkeit, um unsere Emotionen in die gewünschte Richtung zu formen — und das ist der Grund, warum Lehren für den Kopf selbst in Angelegenheiten des Herzens gebraucht werden. Gleichzeitig können wir, da wir uns für die Rolle, die der Atem beim Formen von Emotionen spielt, sensibilisiert haben, eine echte Änderung darin herbeiführen, wie wir körperlich in solchen Angelegenheiten empfinden. Wir tun nicht nur so, als ob. Unser Sinneswandel kommt auch körperlich voll zum Ausdruck, wird echt gefühlt.
Das hilft dabei, jenem Gefühl des Heuchlerischen, von dem das Üben der Brahma-Viharas manchmal umgeben sein kann, den Nährboden zu entziehen. Statt unsere ursprünglichen Empfindungen von Ärger oder Bedrängnis in einer bestimmten Lage zu leugnen und sie unter einer dicken Schicht von Zuckerwatte oder Vanillecreme zu ersticken, kommen wir tatsächlich viel näher mit ihnen in Berührung und lernen es, sie auf geschickte, taugliche Weise umzuformen.
Allzu oft glauben wir, dass mit unseren Emotionen in Berührung zu kommen ein Mittel sei, das anzuzapfen, was wir wirklich sind — dass wir getrennt von unserem wahren Wesen seien und dass wir dadurch, dass wir wieder mit unseren Emotionen in Berührung kommen, auch wieder mit unserer wahren Identität Verbindung aufnehmen würden. Aber eure Emotionen sind nicht euer wahres Wesen; sie sind genauso erschaffen wie alles andere auch. Und weil sie erschaffen sind, besteht die wahre Herausforderung darin, zu lernen, wie man sie auf geschickte, taugliche Weise erschafft, damit sie nicht zum Problem werden, sondern stattdessen zu einem vertrauenswürdigen Glück führen.
Vergesst nicht, dass Emotionen euer Handeln verursachen. Es sind Wege zu gutem oder schlechtem Karma. Wenn ihr sie als Wege seht, dann könnt ihr sie in einen Weg verwandeln, dem ihr trauen könnt. Indem man lernt, wie man Emotionen des Übelwollens, der Hartherzigkeit, der Missgunst und der Bedrängnis auseinandernimmt und sie in Form der Brahma-Viharas wieder zusammensetzt, gelangt man nicht bloß zu einem unbegrenzten Herzen. Man erlangt Übung im Meistern des Gestaltensprozesses. Wie der Buddha sagt, führt diese Meisterschaft zunächst zu starken, glückserfüllten Zuständen innerer Sammlung. Von da aus kann sie alle Faktoren des Weges erschaffen, der zum Ziel der Lehren des Buddha, ob nun an den Kopf oder das Herz gerichtet, führt: das vollkommene, bedingungslos wahre Glück des Nirvana.
Was eben zeigt, dass Kopf und Herz, wenn man sie dazu bringt, sich gegenseitig zu respektieren, einander weit bringen können. Euer Herz braucht die Hilfe des Kopfes, um tauglichere Emotionen hervorzurufen, auf denen euer Handeln aufbauen kann. Euer Kopf braucht euer Herz, um euch daran zu erinnern, dass das wirklich Wichtige im Leben ist, das Leiden zu beenden. Wenn die beiden lernen, zusammenzuarbeiten, können sie euren menschlichen Geist in einen unbegrenzten Brahma-Geist verwandeln. Mehr noch: sie können die Ursachen des Glücks bis zu dem Punkt meistern, an dem sie sich selbst transzendieren und in Berührung mit einer nicht verursachten Dimension kommen, die mit dem Kopf nicht zu umfassen ist, und mit einem derart untrüglichen Glück, dass das Herz keines weiteren Verlangens mehr bedarf.