Am Beginn meiner Zeit bei Ajahn Fuang als meinem Lehrer überreichte er mir ein schmales Büchlein mit Meditationsanweisungen und schickte mich zum Meditieren auf den Hügel hinter dem Kloster. Das Büchlein — von seinem eigenen Lehrer, Ajahn Lee, geschrieben — begann mit einer Technik für die Atemsmeditation und endete mit einem Abschnitt, der zeigte, wie man mit Hilfe dieser Technik die ersten vier Jhanastufen herbeiführte.
In den Folgejahren beobachtete ich, dass Ajahn Fuang allen seinen neuen Schülern, ob nun Laienanhänger oder ordiniertem Mönch, das gleiche Büchlein aushändigte. Und dennoch benutzte er, trotz der ausführlichen Beschreibung der Jhanas in dem Büchlein, das Wort Jhana im Gespräch kaum jemals selbst, und er machte auch nie irgendeinem seiner Schüler jemals eine Andeutung, dass er eine bestimmte Jhanastufe in seiner Meditationspraxis erreicht habe. Wenn ein Schüler ihm über eine wiederkehrende Meditationserfahrung berichtete, dann erläuterte er mit Vorliebe nicht, was es war, sondern wie damit umzugehen war: worauf man achten sollte, was man unterlassen sollte, was man anders machen sollte, was man beibehalten sollte. Dann brachte er seinem Schüler bei, damit zu experimentieren — es noch stabiler und ruhevoller werden zu lassen —, und wie die Ergebnisse des Experimentierens zu beurteilen waren. Falls seine Schüler den Wunsch hatten, ihren Fortschritt an den Beschreibungen der Jhanas in dem Büchlein zu messen, dann war das ihre Sache, nicht seine. Er drückte dies zwar niemals so in Worten aus, aber seine Lehrmethode ließ die unausgesprochene Botschaft dahinter deutlich erkennbar werden.
Genauso wie die unausgesprochenen Gründe für seine Haltung. Über seine eigenen Erfahrungen als junger Meditationsschüler hatte er mir einmal folgendes erzählt: "In jenen Tagen damals hatte man keine Bücher, die einem alles erklären, so wie heute. Als ich bei Ajahn Lee als Schüler anfing, wies er mich an, meinen Geist herab zu bringen. Also konzentrierte ich mich darauf, ihn herab, herab, herab zu bringen, aber je weiter ich ihn herab brachte, um so schwerfälliger und stumpfer wurde er. 'Das kann nicht stimmen', dachte ich. Also machte ich es anders herum und konzentrierte mich darauf, ihn hinauf, hinauf, hinauf zu bringen, bis ich ein Gleichgewicht gefunden hatte und in der Lage war, zu verstehen, wovon er sprach." Dieser Vorfall war einer von vielen, aus denen er eine wichtige Lehre zog: dass man alles selber ausprobieren musste, um zu erkennen, wo die Anweisungen wörtlich zu nehmen waren, und wo man sie im übertragenen Sinn anzuwenden hatte; dass man selbst ein Urteil darüber fällen musste, wie gut man vorankam; und dass man erfindungsreich, experimentierfreudig und risikobereit sein musste, um auftretende Probleme erfolgreich meistern zu können.
Also versuchte er als Lehrer seinen Schülern die gleichen Eigenschaften zu vermitteln: Eigenständigkeit, Einfallsreichtum und die Bereitschaft, etwas zu wagen und die Dinge selbst zu überprüfen. Das tat er nicht nur, indem er über diese Eigenschaften sprach, sondern indem er einen in Situationen brachte, wo man sie gezwungenermaßen entwickeln musste. Wäre er immer zur Stelle gewesen, um zu bestätigen: "Ja, du hast das dritte Jhana erreicht," oder "Nein, das ist erst das zweite Jhana," dann hätte er die Eigenschaften, die er vermitteln wollte, konterkariert. Statt jemandes eigener Beobachtungsfähigkeit wäre dann er die Autorität darüber gewesen, was in dessen Geist vor sich ging; und man wäre der Verantwortung ledig gewesen, die eigenen Erfahrungen richtig einzuschätzen. Gleichzeitig hätte er das kindliche Verlangen seines Gegenübers genährt, ihm zu gefallen oder ihn zu beeindrucken, und so dessen Fähigkeit untergraben, mit der jeweiligen Aufgabe erfolgreich umzugehen, nämlich durch Weiterentwicklung der eigenen Sensibilität Leiden und Unbehagen zu beenden. Wie er einmal zu mir sagte: "Wenn ich alles erklären muss, dann gewöhnst du dich daran, dass dir die Dinge auf dem silbernen Tablett gereicht werden. Und was machst du dann, wenn Schwierigkeiten bei deiner Meditation auftreten, und du keine Erfahrung darin hast, wie man selber etwas herausfindet?"
Als sein Schüler musste ich also lernen, inmitten von Ungewissheit Wagnisse einzugehen. Wenn sich beim Üben etwas Interessantes zeigte, musste ich dabei bleiben, es über längere Zeit beobachten, bevor ich zu einer Schlussfolgerung darüber kam. Selbst dann, so lernte ich, waren die Bezeichnungen, die ich meinen Erfahrungen gab, nicht als in Stein gemeißelt anzusehen. Sie hatten eher wie selbstklebende Notizzettel zu sein: praktische Merkzeichen zu meiner eigenen Orientierung, die ich aber unter Umständen wieder ablösen und woanders hinkleben musste, je mehr ich mit dem Gelände meines eigenen Geistes vertraut wurde. Das stellte sich als eine wertvolle Lektion heraus, die auf alle Gebiete meiner Übungspraxis übertragbar war.
Dennoch ließ mich Ajahn Fuang das Dharmarad nicht auf mich allein gestellt neu erfinden. Er wusste aus eigener Erfahrung, welche Herangehensweisen an die meditative Sammlung besser als andere funktionierten, um den Geist in eine Lage zu versetzen, wo er seinen Einfallsreichtum anwenden und die Ergebnisse des Experimentierens zutreffend beurteilen konnte, und er sprach sich bei seinen Empfehlungen deutlich für diese Herangehensweisen aus. Einige Punkte, die er besonders betonte, waren:
Starke meditative Sammlung ist für die befreiende Einsicht unbedingt nötig. "Ohne feste Grundlage in der Sammlung," sagte er immer wieder, "besteht Einsicht nur aus Vorstellungen. Um die Verbindung zwischen dem Leiden und seinen Ursachen klar erkennen zu können, muss der Geist sehr stabil und ruhig sein. Und um ruhig zu bleiben, braucht er das starke Wohlbefinden, das nur die starke meditative Sammlung liefern kann."
Um Einsicht in einen Sammlungszustand gewinnen zu können, muss man lange Zeit dabei bleiben. Wenn man ungeduldig von einer Sammlungsstufe zur nächsten voraneilt, oder wenn man versucht, eine neu erlangte Sammlungsstufe zu bald nach dem ersten Auftreten zu analysieren, dann gibt man ihr keine ausreichende Gelegenheit, ihr volles Potenzial zu zeigen, und sich selbst gibt man keine Gelegenheit, damit vertraut zu werden. Also muss man sie als Fähigkeit behandeln, die man andauernd üben muss, damit sie unter allen möglichen Umständen einsetzbar ist. Dadurch wird man in die Lage versetzt, einen Sammlungszustand aus einer Vielzahl von Perspektiven heraus zu betrachten, und ihn über längere Zeit hinweg darauf zu überprüfen, ob er wirklich so vollkommen glückselig, leer und anstrengungslos ist, wie es zunächst scheinen mag.
Am besten eignet sich ein Sammlungszustand zur Entwicklung umfassender Einsicht, wenn er mit durchgängiger Ganzkörperwahrnehmung einhergeht. Es gab zwei Ausnahmen bei Ajahn Fuangs üblicher Zurückhaltung, was das Identifizieren eines beim Meditieren erreichten Zustandes betraf, und bei beiden ging es um Zustände fehlerhafter Sammlung. Der erste war der Zustand, der dann auftritt, wenn der Atem soviel Wohlbefinden mit sich bringt, dass sich das Augenmerk vom Atem auf das Gefühl des Wohlbefindens selbst verschiebt, wodurch die Aufmerksamkeit verschwimmt und das Gespür für den Körper und die Umgebung sich in einem wohligen Nebel auflöst. Wenn man daraus auftaucht, fällt es einem schwer, genau anzugeben, worauf man eigentlich fokussiert war. Ajahn Fuang nannte das moha-samadhi, Scheinsammlung.
Der zweite Zustand war einer, auf den ich eines Abends stieß, als meine Sammlung äußerst einsgerichtet war und dabei so verfeinert, dass sie sich nicht einmal bei den flüchtigsten Geistobjekten niederlassen oder sie bezeichnen wollte. Ich verfiel in einen Zustand, in dem ich jegliches Gespür für den Körper, irgendwelche inneren/äußeren Geräusche oder irgendwelche Gedanken und Gewahrungen verlor — obwohl es noch einen winzigen Rest Wahrnehmungsfähigkeit gab, der gerade ausreichte, um mich hinterher wissen zu lassen, dass ich nicht geschlafen hatte. Ich entdeckte, dass ich stundenlang darin bleiben konnte, und dass trotzdem die Zeit dabei sehr schnell verstrich. Zwei Stunden kamen einem wie zwei Minuten vor. Ich konnte mich auch darauf "programmieren", zu einer bestimmten Zeit daraus aufzutauchen.
Nachdem ich mehrere Abende hintereinander in diesen Zustand geraten war, erzählte ich Ajahn Fuang davon, und seine erste Frage war: "Magst du es?" Meine Antwort war "Nein", weil ich das erste Mal, als ich daraus aufgetaucht war, mich etwas benommen gefühlt hatte. "Gut," sagte er. "Solange du es nicht magst, bist du sicher. Manche Leute mögen es wirklich und glauben, es sei Nibbana oder das Aufhören. Tatsächlich ist es der Zustand des Nicht-Gewahrens (asaññi-bhava). Es ist noch nicht einmal rechte Sammlung, weil man da drinnen keine Möglichkeit hat, irgend etwas zu untersuchen, um zu irgendeiner Art Einsicht zu gelangen. Aber man kann es für andere Dinge gebrauchen." Dann erzählte er mir, wie er einmal an der Niere operiert worden war und, weil er dem Anästhesisten nicht traute, sich für die Dauer der Operation in diesen Zustand versetzt hatte.
Der Grund dafür, dass es sich bei diesen beiden um fehlerhafte Sammlungszustände handelte, war der eingeschränkte Wahrnehmungsbereich. Wenn ganze Gebiete der eigenen Wahrnehmung blockiert sind, wie soll man dann zu umfassender Einsicht gelangen können? Und wie ich in den Jahren seither feststellen konnte, sind Leute, die es meisterhaft beherrschen, große Bereiche ihrer Wahrnehmung durch kraftvolles Einsgerichtetsein auszublenden, auch sonst psychologisch gesehen Meister im Ausgrenzen und Verleugnen. Deswegen lehrte Ajahn Fuang nach dem Vorbild von Ajahn Lee eine Form der Atemsmeditation, die zunächst ein umfassendes Gewahrsein der Atemenergie durch den ganzen Körper hindurch anstrebte, damit spielte, um zu einem Gefühl des Wohlbefindens zu gelangen, und dieses dann zur Ruhe brachte, so dass es den klaren Blick auf die subtilen Bewegungen im Geist nicht behinderte. Dieses umfassende Gewahrsein half dabei, die blinden Flecken aufzulösen, wo das Nichtwissen gerne lauert.
Ideal für das Entwickeln von Einsicht ist ein Sammlungszustand, den man in Bezug auf leidhafte Spannung und die Abwesenheit von leidhafter Spannung analysieren kann, selbst während man sich darin befindet. War der Geist erst einmal fest in einem Sammlungszustand etabliert, dann empfahl Ajahn Fuang, ihn von seinem Objekt "abzuheben", aber nicht so weit, dass die Sammlung dadurch zerstört wurde. Aus dieser Warte konnte man beurteilen, welche Arten von leidhafter Spannung in der Sammlung noch vorhanden waren und diese loslassen. Anfänglich beinhaltete das gewöhnlich, dass man untersuchte, wie man sich zum Atem verhielt, und daraufhin noch feinere Arten der Atemenergie im Körper entdeckte, die sich als Grundlage für tiefere Beruhigungsstufen eigneten. War der Atem erst einmal völlig ruhig, und begann das Körpergefühl sich in einem formlosen Dunst aufzulösen, dann beinhaltete dieser Vorgang das Entdecken der Vorstellungen von "Raum", "Erkennen", "Einsheit", usw., die anstelle des Körpers auftauchten und wie Zwiebelschalen im Geist nacheinander abgeschält werden konnten. In beiden Fällen handelte es sich um das gleiche Muster: die Art des Gewahrens oder geistigen Gestaltens zu entdecken, welche die unnötige Spannung hervorrief, und sie zugunsten einer tieferen Stufe des Gewahrens oder Gestaltens aufzugeben, bis es nichts mehr aufzugeben gab.
Aus diesem Grund spielte es keine Rolle, ob man sich im ersten oder vierzehnten Jhana befand, wenn nur das eigene Gewahrsein still und rundum aufmerksam war, denn wie man den Sammlungszustand behandelte war immer gleich. Indem er die Aufmerksamkeit auf die Fragen von leidhafter Spannung und ihrer Abwesenheit lenkte, verwies er einen auf Maßstäbe, nach denen man seinen jeweiligen Gemütszustand selbst beurteilen konnte, ohne dass man dazu irgendeine äußere Autorität befragen musste. Und, wie sich herausstellt, sind die Maßstäbe, nach denen man selber ein Urteil fällen kann — leidhafte Spannung, ihre Ursache, ihre Aufhebung und der Weg zu ihrer Aufhebung —, diejenigen Maßstäbe, welche die vier edlen Wahrheiten ausmachen: die rechte Ansicht, von welcher der Buddha sagt, dass sie zur völligen Befreiung führen kann.