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Meditation als Mittel für den Umgang mit Schmerzen, Krankheit und Tod
von
Thanissaro Bhikkhu
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
Lothar Schenk
Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden

Mein Thema heute ist die Rolle, welche die Meditation spielen kann, wenn es um die Auseinandersetzung mit Schmerzen, Krankheit und Tod geht – kein angenehmes Thema, aber ein wichtiges. Traurigerweise befassen sich die Menschen erst mit diesen Fragen, wenn sie sich mit einer lebensbedrohenden Krankheit konfrontiert sehen, und oft ist es dann zu spät, um sich noch ausreichend vorzubereiten. Obwohl es sich bei der heutigen Konferenz speziell darum dreht, was die Medizin für AIDS-Kranke tun kann, sollten wir nicht glauben, uns beruhigt zurücklehnen zu können. Selbst wenn wir nicht an AIDS und seinen Begleitinfektionen erkranken sollten, wird uns etwas Anderes treffen, und darum ist es am besten, wenn wir darauf vorbereitet sind, wenn wir die Fähigkeiten entwickeln, die wir brauchen werden, wenn die Medizin – ob nun die chinesische, die westliche oder eine andere – uns nicht mehr helfen kann und wir auf uns allein gestellt sind. Soweit ich es feststellen konnte, kann man diese Fähigkeiten nur durch Schulung des Geistes erlangen. Gleichzeitig bietet die Meditation uns, wenn wir einen Todkranken betreuen, eine der besten Möglichkeiten, unsere eigenen spirituellen und emotionalen Kraftreserven wieder aufzuladen, so dass wir selbst unter schwierigsten Bedingungen weitermachen können.

Vieles ist in den Medien – in Büchern, Zeitungen, Magazinen und im Fernsehen – über die Rolle der Meditation bei der Behandlung von Krankheiten und psychischem Burnout erschienen. Wie das so ist, wenn sich die Medien eines Themas bemächtigen, neigen sie dazu, sowohl zu über- als auch zu untertreiben, was Meditation ist, und wie sie einem helfen kann. Das ist typisch für die Medien. Ihnen zuzuhören ist, als ob man einem Autoverkäufer zuhört. Er braucht nicht zu wissen, wie man das Auto fährt oder pflegt. Er braucht sich nur darum zu kümmern, die Verkaufsargumente für den Wagen vorzutragen, das, wovon er annimmt, dass Sie es glauben und ihr Geld dafür auf den Tresen legen werden. Aber wenn Sie den Wagen tatsächlich fahren wollen, müssen Sie das Bedienungshandbuch lesen. Genau das möchte ich Ihnen heute präsentieren: ein Bedienungshandbuch für die Meditation, das Ihnen helfen soll, wenn es ums Ganze geht.

Ich habe ein gerüttelt Maß an eigener Erfahrung auf diesem Gebiet. Ein Jahr, bevor ich Thailand verließ, wurde ich von Malaria befallen — einer ganz anderen Art von Krankheit als AIDS, die aber dennoch weltweit die Todesursache Nr. 1 darstellt. Gegenwärtig sterben jedes Jahr mehr Menschen an Malaria als an jeder anderen Krankheit, und das trotz der gewaltigen Anstrengungen, welche die WHO in den Sechziger Jahren unternommen hat, um sie auszurotten. Unmengen von Chloroquin wurden an Dorfbewohner in der Dritten Welt verteilt. Sümpfe und Wohnhäuser wurden mit DDT in letalen Dosen besprüht, um die Moskitos abzutöten. Aber mittlerweile haben sich neue Stämme von Malariaparasiten entwickelt, welche die westliche Medizin nicht kurieren kann, die Moskitos sind gegen DDT resistent geworden, und die Zahl der Malaria-Todesfälle steigt wieder. Vergessen Sie das nicht, wenn Sie Ihre Hoffnung auf das National Institute of Health (NIH) setzen, oder darauf, dass das Salk-Institut einen Impfstoff für AIDS herausbringen wird.

Ich hatte Glück. Wie sie sehen, habe ich überlebt, aber erst, nachdem ich mich traditionellen Heilmethoden zuwandte, als die besten Behandlungsverfahren, die Spezialisten für tropische Krankheiten mir bieten konnten, gescheitert waren. Zur gleichen Zeit war es mir während meiner Krankheit möglich, mich der Meditation, welche ich in den vorangegangenen Jahren ausgeübt hatte, zu bedienen, um die schlimmsten Anfälle von Schmerzen und Orientierungslosigkeit zu überstehen. Genau daher rührt meine Überzeugung von dem Wert, den die Meditation in solchen Fällen hat.

Über meine eigenen Erfahrungen hinaus stand ich sowohl hier als auch in Thailand in Kontakt mit einer Reihe von Meditierenden, die mit Krebs und anderen ernsthaften Krankheiten zu leben hatten, und von ihnen habe ich erfahren, wie die Meditation ihnen geholfen hat, sowohl mit der Krankheit als auch mit den Behandlungsverfahren zurechtzukommen – die oft noch fürchterlicher sind als der eigentliche Krebs. Auch auf ihre Erfahrungen werde ich im Verlaufe dieses Vortrags zurückgreifen.

Aber zuerst möchte ich, dass wir alle für einige Minuten in Meditation sitzen, damit Sie aus erster Hand einen Eindruck davon erhalten, worüber ich rede, und damit Sie ein wenig praktische Erfahrung mit nach Hause nehmen, auf der Sie dann weiter aufbauen können.

Die Technik, die ich ihnen beibringen werde, ist die Atemsmeditation. Sie ist, unabhängig von Ihrem religiösen Hintergrund, ein gutes Thema. Wie mein Lehrer einmal sagte, gehört der Atem weder dem Buddhismus noch dem Christentum noch sonst jemandem. Er ist allen Menschen gemeinsam, und daher kann jedermann ihn zum Meditieren benutzen. Gleichzeitig ist er von allen Meditationsthemen wahrscheinlich dasjenige, das dem Körper am meisten zugute kommt, denn wenn wir uns mit dem Atem beschäftigen, dann beschäftigen wir uns nicht nur mit der Luft, die durch unsere Lungen ein- und ausströmt, sondern auch mit all den Empfindungen des Energieflusses, die mit jedem Atemzug durch unseren Körper ziehen. Lernt man, mit diesen Empfindungen feinfühliger umzugehen und sie geschmeidiger und ungehindert fließen zu lassen, so hilft man damit dem Körper, besser zu funktionieren, und gibt dem Geist eine Handhabe für den Umgang mit Schmerzen.

Lassen Sie uns also alle einige Minuten lang meditieren. Setzen Sie sich aufrecht und bequem hin, mit einer Körperhaltung, die im Gleichgewicht ist. Sie müssen nicht stocksteif und gerade wie ein Soldat dasitzen. Versuchen Sie einfach nur, sich nicht nach vorne oder nach hinten, nach links oder nach rechts zu neigen. Schließen Sie ihre Augen und sagen Sie zu sich selbst: ‘Möge ich wahrhaft glücklich und frei von Leiden sein’. Das mag sich wie eine sonderbare, ja selbstsüchtige Weise anhören, um die Meditation zu beginnen, aber es gibt gute Gründe dafür. Zum einen: wenn man nicht den Wunsch nach seinem eigenen Glücklichsein hegen kann, dann kann man auch unmöglich ehrlichen Herzens wünschen, dass Andere glücklich sein sollen. Manche Leute müssen sich immer wieder selbst daran erinnern, dass sie es verdient haben, glücklich zu sein – wir alle verdienen es, aber wenn wir nicht daran glauben, werden wir ständig Mittel und Wege finden, um uns selbst zu bestrafen, und das wird dazu führen, dass wir auch Andere auf verborgene oder offensichtliche Weise bestrafen.

Zweitens: es ist wichtig, darüber nachzudenken, was wahres Glücklichsein ist und wo es zu finden ist. Ein kurzer Augenblick des Überlegens wird Ihnen zeigen, dass es weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft zu finden sein kann. Die Vergangenheit ist vorbei, und auf die Erinnerung daran ist kein Verlass. Die Zukunft ist gestaltlose Ungewissheit. Also ist der einzige Ort, an dem wir wirklich Glück finden könnern, hier in der Gegenwart. Aber selbst da muss man wissen, wo es nachzuschauen gilt. Macht man das eigene Glück von Dingen abhängig, die sich ändern – Sichtbares, Hörbares, Empfindungen aller Art, Menschen und Dinge außerhalb von einem selbst – dann schafft man dadurch die Voraussetzungen für kommende Enttäuschungen, als würde man sein Haus am Rande einer Klippe bauen, wo es in der Vergangenheit schon wiederholt zu Erdrutschen gekommen ist. Wahres Glück ist also nur im eigenen Inneren zu finden. Die Meditation ist demnach wie eine Schatzsuche: herauszufinden, was im Geist festen und unveränderlichen Wert besitzt, etwas, das nicht einmal der Tod berühren kann.

Um diesen Schatz zu heben, brauchen wir Werkzeuge. Das erste Werkzeug ist, das zu tun, was wir gerade eben getan haben: uns selbst gegenüber eine wohlwollende Haltung zu entwickeln. Das zweite ist, dieses Wohlwollen auf andere Lebewesen auszudehnen. Sagen Sie zu sich selbst: ‘Mögen alle Lebewesen – ganz gleich, wer sie sind, ganz gleich, was sie mir in der Vergangenheit angetan haben – mögen auch sie alle wahres Glück finden.’ Pflegt man diese Denkweise nicht, sondern bringt stattdessen seinen Groll mit in die Meditation, dann wird man auch nichts Anderes zu sehen bekommen, wenn man nach innen blickt.

Erst nachdem Sie so Ihren Geist freigemacht und äußere Anliegen beiseite getan haben, sind Sie bereit, sich auf den Atem zu konzentrieren. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Empfindung des Atmens. Atmen Sie einige Male lang ein und lang aus, und richten Sie dabei Ihr Augenmerk auf die Körperstelle, an der das Atmen leicht zu bemerken ist, und auf die der Geist sich bequem konzentrieren kann. Das kann die Nase sein, der Brustkorb, der Unterleib oder irgend eine andere Stelle. Bleiben Sie bei dieser Stelle und beobachten Sie, wie es sich dort anfühlt, während Sie ein- und ausatmen. Üben Sie dabei keinen Zwang auf den Atem aus, und versuchen Sie auch nicht zu angestrengt, Ihren Fokus aufrecht zu erhalten. Lassen Sie den Atem ganz natürlich fließen; verfolgen Sie einfach nur, wie es sich anfühlt. Kosten Sie es aus, als wäre es eine exquisite Empfindung, die Sie gerne verlängern möchten. Sollte der Geist abschweifen, bringen Sie ihn einfach zurück. Lassen Sie sich nicht entmutigen. Wenn er hundert Mal abschweift, bringen Sie ihn eben hundert Mal wieder zurück. Zeigen Sie ihm, dass Sie es ernst meinen, und am Ende wird er auf Sie hören.

Wenn Sie möchten, können Sie mit unterschiedlichen Arten zu atmen experimentieren. Wenn sich lange Atemzüge angenehm anfühlen, bleiben Sie dabei. Wenn nicht, ändern sie den Rhythmus so, dass er sich besänftigend auf den Körper auswirkt. Sie können kurz atmen, langsam atmen, schnell atmen, tief atmen, flach atmen – was immer sich gerade jetzt für Sie am angenehmsten anfühlt...

Fühlt sich der Atem an der ausgewählten Stelle angenehm an, dann richten Sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Körperstellen, um zu sehen, wie er sich dort anfühlt. Fangen Sie mit der Gegend um Ihren Nabel an. Atmen Sie ein und aus, und achten Sie darauf, wie sich diese Gegend anfühlt. Spüren Sie dort keine Bewegung, dann registrieren Sie einfach die Tatsache, dass dort keine Bewegung ist. Verspüren Sie aber Bewegung, dann achten Sie auf die Qualität dieser Bewegung, ob sich das Atmen dort unregelmäßig anfühlt, oder ob es dort Anzeichen von Anspannung oder Enge gibt. Bemerken Sie Anspannung, lockern Sie diese nach Möglichkeit. Fühlt sich das Atmen rau oder unregelmäßig an, versuchen Sie, es gleichmäßiger zu machen... Jetzt verschieben Sie die Aufmerksamkeit auf den Bereich, der rechts neben dieser Stelle liegt – die untere rechte Flanke des Unterleibs – und wiederholen Sie den gleichen Vorgang wie eben... Dann zur unteren linken Flanke des Unterleibs... Dann hinauf zum Nabel... nach rechts... nach links... zum Solarplexus... nach rechts... nach links... zur Mitte des Brustkorbs... nach rechts... nach links... zum Halsansatz... nach rechts... nach links... zur Kopfmitte... [beschäftigen Sie sich mit jeder Stelle einige Minuten]

Würden Sie gerade zuhause meditieren, könnten Sie diesen Vorgang über den ganzen Körper hinweg fortsetzen – über die Schädeldecke nach hinten, den Rücken hinunter, die Arme und Beine entlang bis zu den Fingern und Zehen hinab – aber da unsere Zeit begrenzt ist, möchte ich Sie bitten, ihr Augenmerk auf eine der Stellen zu richten, von denen wir gerade eben gesprochen haben. Lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit sich dort bequem ansiedeln, und füllen Sie dann den gesamten Körper mit Ihrem bewussten Wahrnehmen aus, bis Sie wie eine Spinne im Netz sind: Sie sitzt an einer Stelle, aber sie spürt das ganze Netz. Bleiben Sie bei dieser breitgefächerten Wahrnehmung – Sie müssen daran arbeiten, weil die Aufmerksamkeit dazu neigt, sich an einer einzelnen Stelle zusammenzuziehen – und spüren Sie, wie der Atem im ganzen Körper ein- und ausströmt, durch jede einzelne Pore hindurch. Bleiben Sie eine Weile bei dieser Art des Wahrnehmens – Sie müssen nirgendwo anders hin, müssen an nichts anderes denken... Und dann kommen Sie sanft aus der Meditation.

Sie können nach meinem Vortrag dazu gerne noch Fragen stellen, aber ich möchte jetzt auf einen Punkt zurückkommen, den ich bereits vorhin erwähnt habe: dass die Meditation und ihre Rolle beim Umgang mit Krankheit und Tod auf gewisse Weise sowohl unter- als auch überschätzt wird, denn nur wenn man seine Werkzeuge richtig einzuschätzen versteht, kann man sie zielgerichtet und vorteilhaft einsetzen. Ich werde meine Bemerkungen auf zwei Gebiete aufteilen: Was Meditation ist, und welchen Nutzen man aus ihr ziehen kann.

Zunächst, was Meditation ist: Das ist ein Gebiet, auf dem sie in den gängigen Vorstellungen eher unterschätzt wird. Bücher, die auf das Thema Meditation im Zusammenhang mit der Behandlung von Krankheiten eingehen, stellen gewöhnlich nur zwei Aspekte der Meditation in den Mittelpunkt, als wäre das alles, was sie zu bieten hat. Diese zwei Aspekte sind Entspannung und Visualisierung. Es stimmt, dass diese beiden Vorgänge die Anfangsstadien der Meditation bilden – wahrscheinlich war die Sitzung, die wir eben hatten, für Sie sehr entspannend, und vielleicht haben Sie auch etwas Visualisierung benutzt, als Sie sich vorstellten, wie der Atem durch den Körper strömt – aber es ist mehr an der Meditation als nur das. Das Geschick der großen Meditationsmeister der Menschheitsgeschichte besteht in wesentlich mehr als nur in der Meisterung der Entspannungsreaktion.

Insgesamt umfasst der Meditationsvorgang drei Stufen. Die erste ist die achtsame Entspannung, es dem Geist in der Gegenwart angenehm zu machen – denn nur wenn er sich in der Gegenwart wohl fühlt, kann er zur Ruhe kommen und dort bleiben. Worauf es bei dieser Beschreibung jedoch ankommt ist das Wort achtsam. Es bedeutet, das, was man tut, mit voller Aufmerksamkeit wahrzunehmen: ob der Geist bei seinem Meditationsgegenstand bleibt oder nicht, und ob er in die Schläfrigkeit abgleitet oder nicht. Wenn man sich einfach nur entspannt und wegdämmert, dann ist das keine Meditation, und man kann darauf auch nichts aufbauen. Kann man jedoch völlig bewusst und aufmerksam bleiben, während sich der Geist bequem in der Gegenwart niederlässt, dann entwickelt sich daraus die nächste Stufe.

Indem sich der Geist immer fester in der Gegenwart verankert, gewinnt er an Stärke. Es kommt einem so vor, als ob die ganzen verstreuten Splitter der eigenen Aufmerksamkeit – sich Sorgen um Dieses oder Jenes zu machen, sich an irgend etwas zu erinnern, eine bestimmte Erwartung zu hegen, was es auch sei – sich zusammenfügen, so dass der Geist ein Gefühl des Ganz-Seins und Eins-Seins annimmt. Das verleiht dem Geist ein Gefühl der Stärke. Indem man nach und nach dieses Gefühl des Ganz-Seins sich weiterentwickeln lässt, entdeckt man, dass es bei allem, was man tut, immer stärker wird, unabhängig davon, ob man gerade formal meditiert oder nicht, und das führt dann zur dritten Stufe.

Indem das Bestreben, dieses Gefühl des Ganz-Seins zu bewahren, im Geist immer mehr in den Vordergrund rückt, wird man auch immer feinfühliger und gewinnt immer tiefere Einsicht in Bezug auf Dinge, die es aus dem Gleichgewicht bringen können. Auf der ersten Stufe entdeckt man, dass es zerstört wird, wenn man etwas tut, womit man sich selbst oder Anderen Schaden zufügt. Dann fällt einem nach und nach auf, dass es allein schon dadurch aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann, dass im Geist Dinge auftauchen wie Gier, Lust, Zorn, Illusion oder Angst. Man findet zunehmend immer mehr Mittel und Wege, um die Macht, die solche Dinge über den Geist haben, zu verringern, bis es einem gelingt, eine Stufe des Wahrnehmens zu erreichen, die nicht von solchen Dingen – oder überhaupt etwas – berührt wird, und man frei von ihnen sein kann.

Wie ich gleich zeigen werde, können gerade diese höheren Stadien in der Meditation den größten Nutzen bringen. Wenn Sie Meditation nur als eine Art von Entspannungsübung betreiben, dann ist das insoweit in Ordnung, als es sich auf diejenigen Aspekte Ihrer Krankheit auswirkt, die von Stress herrühren, aber bei AIDS geht körperlich und geistig wesentlich mehr vor sich als nur Stress, und wenn Sie sich auf Entspannung oder Visualisierung beschränken, dann schöpfen Sie bei weitem nicht alles aus, was die Meditation Hilfreiches zu bieten hat.

Wir kommen jetzt zu der Frage, was Meditation für Sie tun kann, wenn Sie mit einer ernsthaften Erkrankung und dem Tod konfrontiert sind. Das ist ein Gebiet, das die Medien häufig über-, oft aber auch unterschätzen. Auf der einen Seite gibt es da Bücher, die einem erzählen, alle Krankheiten rührten vom Geist her, und man müsse nur seinen Geist in Ordnung bringen, um wieder gesund zu werden. Einmal kam eine junge Frau, etwa 24 Jahre alt, die an Lungenkrebs litt, zu Besuch in unser Kloster, und sie fragte mich, was ich von solchen Büchern hielte. Ich erklärte ihr, dass es tatsächlich Fälle gibt, bei denen eine Krankheit rein geistige Ursachen hat, und in solchen Fällen kann sie mittels Meditation auch geheilt werden. Aber es gibt auch Fälle, die auf körperlichen Ursachen beruhen, und dann kann man meditieren, so oft und so viel man will, die Krankheit wird davon nicht weggehen. Wenn man an Karma glaubt, dann gibt es Krankheiten, die aus gegenwärtigem Karma - dem derzeitigen Geisteszustand - herrühren, und wieder andere, die aus vergangenem Karma herrühren. Wenn es eine auf gegenwärtigem Karma beruhende Krankheit ist, dann kann sie durch Meditation möglicherweise zum Verschwinden gebracht werden. Ist es eine auf vergangenem Karma beruhende Krankheit, so ist das Äußerste, was man sich von der Meditation erhoffen darf, dass sie einem hilft, mit der Krankheit und den damit verbundenen Schmerzen zu leben, ohne dass man darunter leidet.

Gleichzeitig ist es ja so: wenn man Kranken erzählt, ihr Leiden rühre davon her, dass ihr Geist nicht in Ordnung sei, und dass es allein ihre Sache sei, den Geist wieder in Ordnung zu bringen, wenn sie wieder gesund werden wollen, dann bürdet man ihnen damit, gerade zu einer Zeit, wo sie sich ohnehin schwach, elend, hilflos und verlassen fühlen, eine furchtbar schwere Last auf. Als ich an diesem Punkt angelangt war, lächelte die Frau und sagte, sie sehe es genauso. Ihre Freunde hatten ihr gleich im Anschluss an ihre Krebsdiagnose körbeweise Bücher darüber angeschleppt, wie man seine Krankheit wegwünscht. Würde sie etwas von Bücherverbrennungen halten, so meinte sie, dann hätte sie sie mittlerweile alle verbrannt. Ich selbst kenne eine Menge Leute, die glauben, ihr Gesundheitszustand sei ein Ausdruck ihrer geistigen Verfassung, und solange es ihnen gut geht, ist das auch schön und gut. Werden sie jedoch krank, dann interpretieren sie das als Zeichen, Versager bei der Meditation zu sein, und das wirft sie völlig aus der Bahn.

Seien Sie sich über Eines völlig im Klaren: Zweck der Meditation ist es, im eigenen Geist Glück und Wohlergehen zu finden, und zwar unabhängig davon, was mit dem Körper oder sonstigen Dingen außerhalb von einem selbst vor sich geht. Das Ziel ist es, im Inneren eine feste Grundlage zu entdecken, auf die man sich verlassen kann, egal, was mit dem Körper geschieht. Sollte es tatsächlich so sein, dass es einem mittels der Meditation gelingt, eine körperliche Heilung zu bewirken, dann ist das durchaus in Ordnung, und es sind viele Fälle bekannt, bei denen die Meditation eine außergewöhnliche Wirkung auf den Körper hatte. Mein Lehrer hatte eine Schülerin – eine Frau in den Fünfzigern –, bei der vor über fünfzehn Jahren Krebs diagnostiziert worden war. Die Ärzte gaben ihr damals höchstens noch ein paar Monate, und dennoch ist sie durch ihre Meditationspraxis heute immer noch am Leben. Sie stellte ihre Übungspraxis unter das Motto: ‘Obwohl der Körper krank sein mag, muss der Geist es nicht sein.’ Vor einigen Jahren besuchte ich sie im Krankenhaus, nachdem man ihr eine Niere entfernt hatte. Sie saß aufrecht im Bett, heiter und klar, als wäre überhaupt nichts gewesen. Ich fragte sie, ob sie Schmerzen habe, und sie sagte: ja, vierundzwanzig Stunden am Tag, aber sie lasse diesen Umstand ihren Geist nicht in Mitleidenschaft ziehen. In der Tat nahm sie ihre Krankheit viel besser als ihr nicht meditierender Ehemann, der sich solche Sorgen machte, sie zu verlieren, dass er selbst krank wurde, und sie ihn auch noch pflegen musste.

Dafür, dass ein Fall so verläuft, gibt es jedoch keinerlei Garantien, und Sie sollten sich nicht schon mit dem körperlichen Überleben zufrieden geben –, denn wie ich bereits sagte: selbst wenn Sie diese Krankheit überstehen sollten, so wird Sie am Ende irgendetwas Anderes dahinraffen, und Sie sind nicht wirklich sicher, bevor Sie nicht den Schatz im Geist gefunden haben, der selbst vom Tod nicht beeinträchtigt werden kann. Denken Sie daran, dass ihr wertvollster Besitz der Geist ist. Wenn Sie es erreichen können, dass er in guter Verfassung ist, ganz gleich was um Sie herum geschieht, dann haben Sie nichts verloren, denn Ihr Körper geht nur bis zum Tod, aber Ihr Geist geht darüber hinaus.

Bei Ihrer Untersuchung dessen, was die Meditation für Sie tun kann, sollten Sie ihr Augenmerk also mehr darauf richten, wie sie Ihnen helfen kann, angesichts von Schmerzen, Altern, Krankheit und Tod Ihren inneren Frieden zu bewahren, denn diesen Dingen werden Sie sich auf jeden Fall irgendwann einmal stellen müssen. Tatsächlich sind sie ja ein normaler Bestandteil des Lebens, obwohl wir sie mittlerweile gerne als Abnormalitäten betrachten. Man hat uns beigebracht, ewige Jugend, Gesundheit und Schönheit seien quasi unser Geburtsrecht. Lassen uns dann diese Dinge im Stich, dann kommt es uns vor, als sei da etwas fürchterlich schief gelaufen, und irgend jemand müsse wohl schuld daran sein – entweder wir selbst oder die Anderen. Doch tatsächlich ist niemand daran schuld. Sind wir erst einmal geboren, ist es unmöglich, Altern, Krankheit und Tod zu entgehen. Nur wenn wir akzeptieren, dass sie unvermeidlich sind, können wir uns daranmachen, so klug und geschickt mit ihnen umzugehen, dass wir nicht an ihnen leiden. Sehen Sie sich um. Die Leute, die am hartnäckigsten versuchen, ihr Altern zu negieren – sei es mittels Sport, Diäten, Chirurgie, Makeup oder etwas Anderem – sind diejenigen, die am meisten am Altern leiden. Mit Krankheit und Tod ist es genauso.

Deswegen möchte ich jetzt das Augenmerk darauf richten, wie man die Meditation verwendet, um sich diesen Dingen zu stellen und über sie hinauszugehen. Zunächst einmal: Schmerzen. Wenn sie auftreten, muss man erst einmal akzeptieren, dass sie da sind. Das ist für sich alleine schon ein Riesenschritt, denn die meisten Leute versuchen, wenn sie auf Schmerzen stoßen, ihnen die Daseinsberechtigung streitig zu machen. Sie glauben, sie könnten dem Schmerz entkommen, indem sie ihn wegschieben, aber das ist, als würde man seinen Steuerbescheid wegwerfen, weil man keine Steuern zahlen will. Vielleicht kommt man eine Weile damit durch, aber irgendwann merkt es das Finanzamt, and dann ist man schlimmer dran als vorher. Der Weg, um über die Schmerzen hinauszugehen, besteht daher zunächst einmal darin, sie zu verstehen, sich mit ihnen vertraut zu machen, und das bedeutet: sie auszuhalten. Die Meditation bietet jedoch eine Handhabe, sich von den Schmerzen unabhängig zu machen, während man mit ihnen lebt, so dass man, obwohl es sie gibt, nicht unter ihnen leiden muss.

Zuerst einmal: Wenn man die Technik, sich auf den Atem zu konzentrieren und ihn so anzupassen, dass er sich angenehm anfühlt, beherrscht, dann entdeckt man, dass man wählen kann, worauf man im Körper seine Aufmerksamkeit richtet. Wenn man möchte, kann man die Aufmerksamkeit auf den Schmerz richten, aber anfänglich ist es am besten, wenn man sie auf jenen Teil des Körpers richtet, wo es angenehm ist. Überlassen Sie den anderen Teil ruhig dem Schmerz. Sie werden ihn so nicht vertreiben, aber Sie müssen sich ja nicht mit ihm einlassen. Betrachten Sie ihn einfach als eine natürliche Tatsache, ein Ereignis, das geschieht, aber nicht unbedingt etwas, das sich gegen Sie persönlich richtet.

Eine andere Vorgehensweise besteht darin, durch den Schmerz hindurchzuatmen. Indem Sie lernen, ein besseres Gespür für die Empfindungen zu entwickeln, die bei jedem Atemzug durch den Körper ziehen, werden Sie eine Neigung feststellen, um den Schmerz herum eine Kapsel aus Anspannung zu bilden, wo die Energie im Körper nicht ungehindert fließen kann. Obwohl dieses Verfahren der Vermeidung dienen soll, verstärkt es tatsächlich den Schmerz. Also stellen Sie sich vor, wie der Atem beim Ein- und Ausatmen geradewegs durch den Schmerz hindurchfließt, um diese Kapsel der Anspannung aufzulösen. In den meisten Fällen werden Sie feststellen, dass sich der Schmerz dadurch erheblich vermindern lässt. Als ich Malaria hatte, fand ich das zum Beispiel sehr nützlich, um die geballte Anspannung, die sich in Kopf und Schultern bei mir ausbreitete, zu lindern. Manchmal nahm diese Spannung so überhand, dass ich kaum noch atmen konnte, also stellte ich mir vor, wie der Atem durch die ganzen Nervenzentren in meinem Körper – die Mitte des Brustkorbs, die Kehle, die Stirnmitte und so weiter – hereinfloß, und die Anspannung löste sich auf. Es gibt allerdings auch Leute, bei denen die Schmerzen zunehmen, wenn sie durch sie hindurchatmen, was ein Anzeichen dafür ist, dass sie sich falsch fokussieren. Die Lösung liegt in solchen Fällen darin, den Schwerpunkt der Aufmerksamkeit auf die andere Körperseite zu verlagern. Das heißt, sitzt der Schmerz auf der rechten Seite, dann richten Sie ihr Augenmerk auf die linke Seite. Sitzt er vorne, dann auf den Rücken. Ist der Schmerz – wortwörtlich – im Kopf, dann richten Sie ihr Augenmerk auf Arme und Beine. (Dieses Verfahren funktioniert übrigens besonders gut bei Migräne: sitzt die Migräne zum Beispiel auf der rechten Seite, dann konzentrieren Sie sich auf die Atemempfindungen auf der linken Körperseite, vom Hals an abwärts.)

Wird Ihre Fähigkeit zur Konzentration mit der Zeit stärker und weniger anfällig für Störungen, können Sie beginnen, den Schmerz zu analysieren. Der erste Schritt besteht darin, ihn in einen körperlichen und einen geistigen Anteil aufzuspalten. Unterscheiden Sie zwischen dem eigentlichen körperlichen Schmerz und den geistigen Qualen, die ihn begleiten: das Gefühl – zu Recht oder zu Unrecht – verfolgt zu werden, die Angst, dass der Schmerz stärker werden und das Ende einläuten könnte, und dergleichen mehr. Rufen Sie sich dann in Erinnerung, dass Sie nicht für diese Gedanken Partei ergreifen müssen. Der Geist mag zwar solche Gedanken hegen, aber Sie müssen es ihm ja nicht glauben. Haben Sie dann aufgehört, solchen Gedanken neue Nahrung zu geben, werden Sie nach einer Weile feststellen, dass sie allmählich verschwinden, ähnlich wie bei einem Verrückten, wenn er Sie anspricht. Wenn Sie sich mit dem Verrückten unterhalten, werden Sie nach einer Weile selbst verrückt. Lassen Sie jedoch den Verrückten einfach weiterschwätzen, ohne sich auf ein Gespräch einzulassen, dann lässt der Verrückte Sie nach einer Weile in Ruhe. Mit dem ganzen Gedankenmüll in Ihrem Kopf ist es genauso.

Indem Sie die ganzen den Schmerz umgebenden Begleitumstände – darin eingeschlossen die Vorstellung, dass der Schmerz Ihnen gehört oder Ihnen geschieht – abstreifen, stellen Sie fest, dass Sie schließlich auf ein benennendes Element stoßen, das einfach nur sagt: 'Das ist Schmerz, und genau da sitzt er'. Wenn Sie das hinter sich lassen können, kommt es bei Ihrer Meditation zu einem Durchbruch. Ein Mittel dazu ist einfach zu beobachten, dass dieses benennende Element auftaucht und dann wieder verschwindet. Erscheint es, verstärkt es den Schmerz; geht es weg, legt sich der Schmerz. Versuchen Sie nun zu sehen, dass der Körper, der Schmerz und Ihre Wahrnehmung drei voneinander verschiedene Dinge sind – wie drei Fäden, die zu einem Knoten verschlungen sind, den Sie jetzt aber aufschnüren und auseinandernehmen. Wenn Sie dazu in der Lage sind, werden Sie feststellen, dass es keinen Schmerz gibt, den Sie nicht ertragen können.

Ein anderes Gebiet, wobei Ihnen die Meditation helfen kann, besteht darin, mit der einfachen Tatsache leben zu lernen, dass Ihr Körper krank ist. Diese Tatsache anzuerkennen, ist für manche Leute mit das Schwierigste an der Krankheit. Hat man aber erst einmal eine feste Mitte im eigenen Geist aufgebaut, dann kann man sein Glücklichsein darauf stützen und die Krankheit nach und nach mit viel mehr Gelassenheit betrachten. Wir müssen uns daran erinnern, dass die Krankheit uns nicht um irgend etwas betrügt. Sie ist einfach ein Teil des Lebens. Wie ich vorhin schon sagte: Krankheit ist normal; Gesundheit ist das Wunder. Dass die ganzen komplexen Systeme des Körpers reibungslos zusammenarbeiten sollen, ist so unwahrscheinlich, dass es uns nicht überraschen sollte, wenn sie schließlich zusammenbrechen.

Viele beklagen sich darüber, das Schlimmste daran, mit einer Krankheit wie AIDS oder Krebs zu leben, sei das Gefühl, die Kontrolle über den Körper verloren zu haben, aber hat man erst einmal eine größere Kontrolle über den Geist gewonnen, dann wird man allmählich erkennen, dass die Kontrolle, die man über den Körper zu haben glaubten, von Anfang an illusorisch war. Der Körper hat niemals einen Vertrag mit Ihnen geschlossen, dass er immer das tun würde, was Sie von ihm verlangen. Sie sind einfach eingezogen, haben ihn zum Essen, Gehen, Sprechen usw. gezwungen und dann geglaubt, Sie hätten das Kommando. Aber selbst da hat er eigentlich auch schon das getan, was ihm passte – hungrig werden, urinieren, Kot ausscheiden, Darmwinde freilassen, hinfallen, sich verletzen, krank werden, alt werden. Wenn man sich Leute betrachtet, die glauben, sie hätten ihren Körper voll im Griff, Bodybuilder zum Beispiel, und etwas darüber nachdenkt, dann sind eigentlich sie diejenigen, die am schlimmsten versklavt sind, denn sie müssen jeden Tag genug essen, um zehn Somalier am Leben zu erhalten, sie müssen stundenlang Metallstäbe hin- und herschieben, sie müssen ihre ganze Energie für Körperübungen aufwenden, die eigentlich nirgendwo hinführen. Tun sie es nicht, fallen ihre aufgepumpten Körper in kürzester Zeit in sich zusammen.

Eine wichtige Funktion der Meditation – indem sie Ihnen eine feste Mitte verschafft, einen Aussichtspunkt, von dem aus Sie das Leben unverfälscht betrachten können, wie es tatsächlich ist – besteht darin, zu vermeiden, dass Sie sich bedroht fühlen oder überrascht sind, wenn der Körper wieder auf seiner Unabhängigkeit besteht. Selbst wenn das Gehirn nicht mehr richtig funktioniert, kann jemand, der in der Meditation seine Achtsamkeit geschult hat, sich dieser Tatsache bewusst sein, und auch diesen Teil seines Körpers loslassen. Ein Schüler meines Lehrers musste sich am Herzen operieren lassen, und wie es scheint, unterbrachen die Ärzte dabei eine der zum Hirn führenden Hauptschlagadern. Als er wieder aufwachte, fiel ihm auf, dass sein Gehirn nicht richtig arbeitete, und es dauerte nicht lange, bis ihm klar wurde, dass seine Wahrnehmung der Dinge davon betroffen war. Zum Beispiel glaubte er, etwas zu seiner Frau gesagt zu haben, und wurde ärgerlich, als diese nicht antwortete. Tatsächlich hatte er aber nur daran gedacht, etwas zu sagen, aber in Wirklichkeit garnichts gesagt. Als ihm klar wurde, was da vor sich ging, gelang es ihm, genügend Achtsamkeit auf den Plan zu rufen, um ruhig zu bleiben und einfach nur zu beobachten, was mit seinem Gehirn geschah, indem er sich daran erinnerte, dass es nur ein Werkzeug war, das nicht ganz richtig funktionierte, und indem er es vermied, sich über die Diskrepanzen zu ärgern. Nach und nach war er in der Lage den normalen Gebrauch seiner Sinne wiederzuerlangen, und wie er mir erzählte, war es eine faszinierende Erfahrung für ihn, das normale und das fehlerhafte Funktionieren seines Gehirns beobachten zu können, und zu erkennen, dass Gehirn und Geist zwei voneinander verschiedene Dinge waren.

Und schließlich kommen wir nun zum Thema Tod. Wie ich bereits erwähnte, besteht eines der wichtigen Stadien bei der Meditation darin, wenn man im Geist einen Wissenskern entdeckt, der mit dem Tod des Körpers nicht stirbt. Wenn man in seiner Meditation diesen Punkt erreichen kann, dann stellt der Tod überhaupt kein Problem dar. Aber selbst wenn man noch nicht bis dorthin gelangt sein sollte, kann man sich auf den Tod dermaßen vorbereiten, dass man gekonnt sterben kann, nicht auf die chaotische Weise, in der die meisten Leute sterben.

Wenn der Tod naht, werden Ihnen alle möglichen Gedanken durch den Kopf schießen – Bedauern über Sachen, die sie nicht tun konnten, Bedauern über Dinge, die Sie getan haben, Erinnerungen an Menschen, die Sie geliebt haben und nun zurücklassen müssen. Ich selbst erlag einmal fast einem Stromschlag, und obwohl die Leute, die Zeugen des Vorfalls waren, sagten, es habe nur ein paar Sekunden gedauert, bis der Strom abgeschaltet war, kam es mir wie fünf lange Minuten vor. In jener Zeit ging mir vieles durch den Kopf, angefangen mit dem Gedanken, dass ich jetzt durch meine eigene Dummheit sterben müsse. Dann aber beschloss ich, wenn schon die Zeit, zu gehen, tatsächlich gekommen war, dass ich es dann wenigstens richtig machen würde; also ließ ich es nicht zu, dass sich mein Geist an den Gefühlen des Bedauerns usw., die ihn überfluteten, festhielt. Es schien mir auch soweit gut zu gelingen, und dann hörte der Strom auf zu fließen.

Ohne vorherige Meditationspraxis kann ein solches Erlebnis jemanden völlig überwältigen; und der Geist klammert sich dann an dem fest, was sich ihm anbietet, und wird davon mitgerissen. Haben Sie jedoch längere Zeit die Meditation ausgeübt und verstehen sich darauf, Ihre Gedanken loszulassen, oder Sie wissen, welche Gedanken man aufgreifen kann, und welche man besser vorbeiziehen lässt, dann wird es Ihnen gelingen, mit der Situation fertig zu werden, und Sie werden es vermeiden können, sich mit Geisteszuständen einzulassen, die nicht von höchster Qualität sind. Sind Sie zu fester innerer Sammlung in der Lage, dann können Sie dies als endgültigen Prüfstein für das Können nehmen, das Sie da entwickelt haben. Wenn Schmerzen da sind, dann können Sie herausfinden, was früher verschwinden wird: der Schmerz oder der Kern Ihres Wahrnehmens. Sie können sicher sein, dass der Schmerz auf jeden Fall zuerst verschwinden wird, denn jener Wahrnehmenskern kann nicht sterben.

Dies alles läuft auf Folgendes hinaus: solange Sie zu überleben in der Lage sind, wird die Meditation Ihre Lebensqualität verbessern, so dass Sie Schmerzen und Krankheit mit Gleichmut betrachten und von ihnen lernen können. Kommt dann die Zeit, zu gehen, der Punkt, wo die Ärzte hilflos die Hände zum Himmel strecken müssen, dann ist das Können, das Sie in der Meditation entwickelt haben, das Einzige, was Sie nicht im Stich lassen wird. Es wird Ihnen erlauben, auf geschickte Weise mit Ihrem Tod umzugehen. Auch wenn wir nicht gerne daran denken mögen, wird uns der Tod trotzdem ereilen, also sollten wir lernen, ihm unerschrocken ins Auge zu blicken. Denken Sie daran, dass der rechte Umgang mit dem Tod eines der sichersten Zeichen für ein recht gelebtes Leben ist.

Bis hierhin habe ich meine Bemerkungen auf diejenigen Probleme beschränkt, mit denen sich Menschen, die AIDS oder andere lebensbedrohende Krankenheiten haben, konfrontiert sehen; die Probleme der Menschen, die sie pflegen und für sie sorgen, wurden nicht direkt angesprochen. Dennoch sollten Sie auch für den Umgang mit solchen Problemen einige nützliche Hinweise gefunden haben. Die Meditation bietet Ihnen einen Ort, wo sie zur Ruhe kommen und neue Energien sammeln können. Sie kann auch mithelfen, von den Dingen zurückzutreten und Ihre Rolle im richtigen Licht zu sehen. Wenn eine kranke Person einen Rückfall erleidet oder stirbt, dann ist das kein Zeichen dafür, dass die Menschen, die sich um diese Person kümmern, versagt hätten. Solange der Kranke überleben kann, besteht Ihre Aufgabe darin, zu tun, was Sie können, um seine Lebensqualität zu verbessern. Kommt die Zeit, wo der Kranke gehen muss, besteht Ihre Aufgabe darin, die Qualität seines Sterbens zu verbessern.

Ein alter Mann, der bereits seit vielen Jahren meditierte, kam eines Tages zu meinem Lehrer, um sich von ihm zu verabschieden, denn vor kurzem hatte er erfahren, dass er Krebs im fortgeschrittenen Stadium hatte. Er plante, nach Hause zu gehen, um dort zu sterben, aber mein Lehrer riet ihm, dazubleiben und im Kloster zu sterben. Zuhause würde er nur dauernd mitanhören müssen, wie sich seine Nichten und Neffen um sein Erbe stritten, und das würde ihn in eine schlechte Gemütsverfassung versetzen. Also richteten wir für ihn einen Platz her, wo er bleiben konnte, und baten seine Tochter, die ebenfalls die Meditation ausübte, zu kommen und sich um ihn zu kümmern. Es dauerte nicht lange, bis seine Körperfunktionen nach und nach versagten, und gelegentlich schien es, als ob der Schmerz die Oberhand über ihn gewinnen würde, und so wies ich seine Tochter an, ihm Meditationsanweisungen ins Ohr zu flüstern und neben ihm am Bett seine Lieblingsstellen aus den buddhistischen Schriften zu rezitieren. Das übte einen beruhigenden Einfluss auf ihn aus, und als er dann – eines Nachts um zwei Uhr morgens – tatsächlich starb, schien er ruhig und bei klarem Bewusstsein zu sein. Seine Tochter erzählte mir am nächsten Morgen, dass sie keinerlei Trauer oder Bedauern verspürt habe, denn sie hatte ihr Bestes getan, um aus seinem Tod einen möglichst reibungslosen Übergang zu machen.

Wenn es sich so trifft, dass sowohl der Kranke als auch die Pflegeperson die Meditation ausüben, dann erleichtert das Vieles auf beiden Seiten, und der Tod des Kranken muss nicht unbedingt bedeuten, dass die Fähigkeit der Pflegeperson, auch für Andere auf diese Weise zu sorgen, ebenfalls den Tod erleidet.

Damit sind die Themen, die ich behandeln wollte, abgedeckt. Ich befürchte, dass einigen von Ihnen meine Bemerkungen nicht sehr tröstlich vorkommen mögen, aber meine Absicht war es, Ihnen dabei zu helfen, einen klaren Blick auf die Situation zu werfen, mit der Sie konfrontiert sind, sei es als Kranker oder als Pflegeperson. Wenn Sie davor zurückscheuen, Dinge wie Schmerzen und Tod lange und intensiv zu betrachten, dann wird dies dazu führen, dass Sie um so mehr darunter zu leiden haben werden, weil Sie es versäumt haben, sich darauf vorzubereiten. Nur wenn Sie diese Dinge klar sehen, wenn Sie ein starkes Gespür dafür entwickeln, was wichtig ist und was nicht, und an Ihren Prioritäten auch festhalten: nur dann können Sie darüber hinausgehen.

Viele stellen fest, dass die Diagnose einer tödlichen Krankheit es ihnen erlaubt, das Leben zum ersten Mal klar zu sehen, ein Gespür dafür zu entwickeln, was die wirklich wichtigen Dinge sind. Das alleine kann schon eine fundamentale Verbesserung ihrer Lebensqualität ausmachen – es ist einfach nur schade, dass sie bis dahin warten mussten, um die Dinge klar zu betrachten. Aber was auch immer Ihre persönliche Lage sein mag, so möchte ich Sie darum bitten, das Beste daraus zu machen, indem Sie sich darum bemühen, ihre geistige Verfassung zu verbessern, denn wenn alles Andere Sie im Stich lässt, das wird bleiben. Hat man keine Zeit in die Entwicklung des Geistes gesteckt, dann wird er einem auch wenig zu bieten haben. Hat man ihn geschult und gut gepflegt, wird er es einem um ein Vielfaches zurückzahlen. Wie ich hoffentlich zeigen konnte, ist die Meditation ein Werkzeug, das Vieles zu bieten hat, wenn es darum geht, die Verfassung des Geistes zu festigen und ihn zu befähigen, alles, was ihm auch begegnen mag, zu übersteigen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Thanissaro Bhikkhu
(Geoffrey DeGraff)
Metta Forest Monastery
Valley Center, CA 92082-1409