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Das Wahrnehmen selbst
von
Ajaan Fuang Jotiko
zusammengestellt und übersetzt von
Thanissaro Bhikkhu (Geoffrey DeGraff)
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
Lothar Schenk
Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden
Alternative Formate: [PDF icon] [ePub icon]

Einführung   

Ajahn Fuang Jotiko, mein Lehrer, wurde im Jahr 1915 als Sohn einer kleinen Bauernfamilie in der Provinz Chanthaburi, nahe der kambodschanischen Grenze von Südost-Thailand, geboren. Nachdem er im Alter von 11 Jahren seine Eltern verloren hatte, wurde er als Waise in einer Reihe von Klöstern aufgezogen und erhielt seine Ordination zum Mönch mit zwanzig. Als er jedoch begann, sich mit dem mönchischen Verhaltenskodex zu beschäftigen, wurde ihm klar, dass die Mönche seines Klosters sich nicht wirklich ernsthaft bemühten, die Lehren des Buddha umzusetzen. Er hegte den starken Wunsch nach einem Lehrer, der ihn mehr im Einklang mit dem, was er gelesen hatte, zu schulen vermochte. Diese Gelegenheit ergab sich für ihn in seinem zweiten Jahr als Mönch, als nämlich Ajahn Lie Dhammadaro, ein Angehöriger der von Ajahn Man Bhuridatto gegründeten asketischen Waldtradition, daran ging, in einem alten Friedhof unweit von Chanthaburi ein Meditationskloster aufzubauen. Von Ajahn Lies Lehrvorträgen tief beeindruckt, ließ er sich bei der Sekte, der Ajahn Lie angehörte, erneut ordinieren und gesellte sich in dessen neuem Meditationskloster zu ihm.

Von da an verbrachte er, mit wenigen Ausnahmen, seine Regenzeiten unter Ajahn Lies Führung bis zu dessen Tod im Jahre 1961. Eine dieser Ausnahmen war eine Fünf-Jahres-Periode während des Zweiten Weltkrieges, die er meditierend allein in den Regenwäldern Nordthailands verbrachte. Außerdem gab es einen Sechs-Jahres-Abschnitt in den frühen Fünfziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts, als Ajahn Lie ihm aufgetragen hatte, sich um das Kloster in Chanthaburi zu kümmern, während er selbst verschiedene Landstriche Thailands durchstreifte, um eine Stelle in der Nähe Bangkoks zu finden, wo man sich niederlassen konnte. Als Ajahn Lie im Jahr 1957 in der Nähe von Bangkok sein neues Kloster Wat Asokaram gründete, stieß Ajahn Fuang wieder zu ihm, um ihm bei diesem Unterfangen zu helfen, welches das letzte größere Projekt seines Lebens werden sollte.

Nach Ajahn Lies Tod wurde allgemein erwartet, dass Ajahn Fuang der neue Abt von Wat Asokaram werden würde. In der Zwischenzeit war das Kloster aber zu einer so großen, schwerfälligen Gemeinschaft angewachsen, dass er die Stelle nicht haben wollte. Als daher der Oberste Patriarch von Thailand, der im Wat Makut Kasatriyaram (Tempel der Königskrone) ansässig war, ihn im Jahr 1965 darum bat, die Regenzeit in seinem Tempel zu verbringen, um ihn und alle anderen daran interessierte Mönche des Tempels in der Meditation zu unterweisen, ergriff Ajahn Fuang flugs die Gelegenheit.

Er verbrachte insgesamt drei Regenzeiten im Wat Makut und streifte in den trockenen Jahreszeiten auf der Suche nach Abgeschiedenheit durch die Lande. Obwohl er den Obersten Patriarchen als Menschen ungemein schätzte, wurde er des ständigen politischen Manövrierens, das er auf den höheren klerikalen Ebenen zu sehen bekam, bald müde und suchte nach einem Ausweg. Dies ergab sich im Jahr 1968, als eine Frau namens Khun Nai Sombuun Ryangrit dem Patriarchen ein Stück Land für ein kleines Kloster überließ; dieses lag in einer gebirgigen Gegend an der Küste der Provinz Rayong, unweit von Chanthaburi. Ajahn Fuang fand sich dazu bereit, in dem neuen Kloster, Wat Dhammasatit, zu bleiben, bis sich ein ständiger Abt dafür finden würde. Nun lag das Kloster aber in einer sehr armen Gegend, wo die Einheimischen von der Idee eines reinen Meditationsklosters in ihrer Mitte überhaupt nicht angetan waren, so dass sich niemand fand, der die Stelle des Abtes antreten wollte. So kam es, dass Ajahn Fuang, kurz nachdem der Oberste Patriarch bei einem Autounfall im Jahr 1971 ums Leben gekommen war, die Stelle des Abtes von Wat Dhammasathit selbst annahm.

Wenig später, im April 1974, lernte ich ihn kennen. Wat Dhammasathit sah aus wie ein Ferienlager, das einmal glücklichere Zeiten gesehen hat: drei Mönche in drei kleinen Hütten, ein Unterstand, wo sie ihre Mahlzeiten einnahmen, eine Küche mit Platz für ein, zwei Nonnen und ein kleiner Holzbau auf der Hügelkuppe mit Seeblick nach Süden – wo ich mich aufhielt. Kurz bevor das Landstück gespendet worden war, hatte ein Feuer es von seiner ganzen Vegetation entblößt, und die Hügellandschaft war hauptsächlich von Silberhaargras bedeckt. Jahr für Jahr fegten neue Feuer über das Gebiet und verhinderten, dass sich Bäume ansiedeln konnten, obwohl die Gebirgsgegend über dem Kloster von dichtem, malariaverseuchtem Urwald bedeckt war.

Trotz der ärmlichen Verhältnisse schien Ajahn Fuang eine klarsichtige, erdverbundene Weisheit zu besitzen, die es ihm erlaubte, über dem zu stehen, was ihn umgab – friedvoll, glücklich und fest im Inneren, worum ich ihn beneidete und wofür ich ihn bewunderte. Nachdem ich einige Monate unter seiner Anleitung die Meditation ausgeübt hatte, kehrte ich nach Amerika zurück, fand dann aber im Jahr 1976 wieder nach Thailand zurück, um mich als Mönch ordinieren zu lassen und ernsthaft unter ihm zu üben.

Während meiner Abwesenheit hatte er damit begonnen, eine kleine, aber treue Schar von Laienanhängern mit Interesse an der Meditation aufzubauen. Anfang des Jahres 1976 hatte ihn der neue Abt von Wat Makut dazu eingeladen, dort regelmäßig zu lehren, und von da an – bis zu seinem Tod im Jahr 1986 – teilte er seine Zeit gleichmäßig zwischen Bangkok und Rayong auf. Die meisten seiner Schüler waren Berufstätige aus Bangkok, die sich angesichts vielfältiger Zwänge, die mit dem schnellen Wandel der thailändischen Stadtgesellschaft einhergingen, der Meditation zuwandten, um spirituelle Kraft und Trost zu finden.

In meinen ersten Jahren in Rayong war das Kloster ein unglaublich ruhiger und abgeschiedener Ort, wo es nur eine Handvoll Mönche und kaum Besucher gab. Feuerschneisen hielten nach und nach die Feuer in Schach, und ein neuer Wald wuchs heran. Die ruhige Atmosphäre änderte sich jedoch im Herbst des Jahres 1979, als mit dem Bau eines Chedi auf der Hügelkuppe begonnen wurde. Weil dieses Bauwerk fast ausschließlich mit Hilfe von Freiwilligen gebaut wurde, waren alle daran beteiligt – Mönche, Laienanhänger aus Bangkok und ortsansässige Dorfbewohner.

Anfangs ging mir die Störung der gewohnten klösterlichen Ruhe sehr gegen den Strich, aber mir fiel etwas Interessantes auf: Menschen, die im Leben nie an Meditation gedacht hätten, halfen an den Wochenenden mit Feuereifer bei den Bautrupps aus; und in den Arbeitspausen, als die Altgedienten sich zu Ajahn Fuang begaben, um mit ihm zu meditieren, setzten sich die Neuen mit dazu, und bald übten auch sie die Meditation regelmäßig aus. In der Zwischenzeit lernte auch ich etwas Wichtiges dazu: nämlich wie man unter Bedingungen meditiert, die alles andere als ideal sind. Ajahn Fuang selbst erklärte mir, dass er persönlich Bauarbeiten garnicht mochte, dass es aber Leute gab, denen er helfen musste, und dass dies die einzige Möglichkeit war, um an sie heranzukommen. Bald nach der Fertigstellung des Chedi im Jahr 1982 begannen die Arbeiten an einer großen Buddhastatue, zu deren Füßen eine Ordinationshalle stehen sollte, und je weiter die Arbeiten an der Statue voranschritten, fanden auch hier immer mehr Helfer den Weg zur Meditation.

Mit zunehmendem Alter verschlechterte sich Ajahn Fuangs Gesundheitszustand ständig. Eine leichte Hautirritation, die sich während eines Aufenthalts im Wat Makut bei ihm entwickelt hatte, steigerte sich zu einem ausgewachsenen Fall von Psoriasis, und weder westliche noch thailändische noch chinesische Medizin hatte eine Kur dafür parat. Trotz allem nahm er keine Abstriche an seiner aufreibenden Lehrtätigkeit vor, obwohl er selten Ansprachen vor großen Personengruppen hielt. Stattdessen zog er es vor, auf individueller Grundlage zu lehren. Am liebsten führte er Menschen in die Meditation ein, indem er zusammen mit ihnen meditierte, ihnen über die ersten Hürden hinweghalf und sie dann mehr und mehr selbständig meditieren ließ, so dass es wieder Platz für weitere Anfänger gab. Selbst während der schlimmsten Psoriasis-Schübe fand er Zeit für persönliche Unterweisungen. Aufgrunddessen war ihm seine Anhängerschaft – wenn auch zahlenmäßig relativ klein verglichen mit der von Ajahn Lie und anderen berühmten Meditationslehrern – außerordentlich treu ergeben.

Einige Tage nach der Fertigstellung der Buddhastatue, im Mai des Jahres 1986, aber noch bevor die Ordinationshalle zu ihren Füßen fertig war, flog Ajahn Fuang nach Hong Kong, um einen seiner Schüler zu besuchen, der dort ein Meditationszentrum aufgebaut hatte. Am Morgen des 14. Mai, während er in Meditation saß, ereilte ihn plötzlich ein Herzanfall. Sobald der Schüler erkannt hatte, was geschehen war, rief er einen Rettungswagen, aber bei der Ankunft im Krankenhaus wurde Ajahn Fuang für tot erklärt.

Weil er einige Jahre zuvor verfügt hatte, seine Leiche nicht zu verbrennen, begann man sofort mit der Planung für den Bau eines Mausoleums. Ich erhielt die Aufgabe, Fakten für seine Biographie und auf Tonbändern aufgenommene Vorträge zu sammeln, die man eventuell niederschreiben und als Erinnerungsband herausgeben konnte. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, dass ich mehr über sein Leben wusste als jeder andere. Die Menschen, mit denen er in jüngeren Jahren zusammengelebt hatte, waren entweder bereits gestorben oder schon so alt, dass ihr Erinnerungsvermögen versagte. Auf einmal bildeten die Anekdoten, die er mir während unserer ersten gemeinsamen Jahre damals über sein Leben und seine Zeit mit Ajahn Lie erzählt hatte, das Grundgerüst seiner Biographie. Daran zu denken, wieviel mir wahrscheinlich durch den Umstand entgangen war, dass meine Kenntnis der thailändischen Sprache und Kultur seinerzeit noch in Entwicklung begriffen war, machte mich betroffen.

Noch bestürzender war die Entdeckung, wie wenig von seinen Belehrungen für die Nachwelt erhalten geblieben war. Gewöhnlich hatte er sich geweigert, seine Anweisungen auf Tonband aufnehmen zu lassen; er hielt stets daran fest, dass seine Belehrungen dafür gedacht waren, dass seine Zuhörer sie unmittelbar und sofort in die Praxis umsetzen sollten, und dass sie für jemanden mit einem anderen Entwicklungsstand falsch sein konnten. Die wenigen Aufnahmen, die gemacht worden waren, enthielten einfache Einführungsvorträge für Besuchergruppen, die zum ersten Mal da waren, um eine gemeinsame Spende an das Kloster zu überbringen, oder für Leute, die gerade erst mit der Meditation angefangen hatten. Fortgeschrittenere Themen waren auf den Bändern nicht zu finden.

Nachdem der Erinnerungsband gedruckt war, machte ich mich also daran und schrieb nieder, was mir von seinen Belehrungen im Gedächtnis geblieben war. Zusätzlich befragte ich andere Schüler nach ähnlichem Material. Meine Befragungsaktion dauerte mehr als zwei Jahre und erforderte viel Bearbeitungsaufwand, damit die resultierenden Lehren auch in Schriftform wirkten und für ein allgemeines Publikum hilfreich waren. Das Ergebnis war ein Büchlein mit dem Titel “The Language of the Heart” (Die Sprache des Herzens. Kurz bevor ich in die Staaten zurückkehrte, um beim Aufbau eines Klosters in Kalifornien mitzuhelfen, wurde dann doch noch ein Tonband von Ajahn Fuang gefunden, auf dem er einer Schülerin fortgeschrittenere Anweisungen gab. Ich schrieb es ab und ließ es in Heftform unter dem Titel “Transcendent Discernment” (Überweltliche Einsicht) drucken.

Das Buch, das Sie nun in der Hand halten, ist aus diesen drei Büchern entstanden. Das Meiste stammt aus “The Language of the Heart”, obwohl Teile daraus weggelassen werden mussten, weil sie entweder auf Besonderheiten der thailändischen Kultur Bezug nahmen oder in schlichtweg unübersetzbaren Wortspielen bestanden. Ajahn Fuang liebte es, mit der Sprache zu spielen – gerade sein Humor zog mich anfänglich besonders an – und viele seiner denkwürdigen Aussprüche sind dies gerade wegen der Art, wie er die Sprache gebrauchte. Leider verlieren die meisten solcher Stellen in der Übersetzung ihre Wirkung, und da längere Erläuterungen für den in der Kürze liegenden Witz des Originals nicht weniger schädlich wären, habe ich fast alle weggelassen und nur einige wenige – zum Beispiel die Geschichte mit dem „Müll“ – behalten, um wenigsten einen kleinen Eindruck davon zu vermitteln, wie er mit Worten umging.

Außer den Textstellen aus “The Language of the Heart” habe ich fast alles aus “Transcendent Discernment” aufgenommen, und dazu die schönsten Stellen aus dem Erinnerungsband. Nicht alles ist eins zu eins aus diesen Büchern übersetzt, denn in einigen Fällen musste ich die Anekdoten nacherzählen, um sie für den westlichen Leser verständlich zu machen. Ich habe allerdings durchwegs sorgfältig darauf geachtet, den Gehalt von Ajahn Fuangs eigenen Worten so genau wie möglich wiederzugeben.

Beim Zusammenstellen dieses Buches hatte ich Gelegenheit, über das Verhältnis von Schüler und Lehrer in Thailand nachzusinnen, wie es sich auch in Ajahn Fuangs Umgang mit seinen Anhängern, Laien wie Ordinierten, zeigt. Er schuf eine Atmosphäre der Warmherzigkeit und der gegenseitigen Achtung, in welcher seine Schüler die persönlichen Probleme in ihrem Leben und ihrem geistigen Ergehen mit ihm durchsprechen konnten, nicht wie ein Patient oder Kunde, sondern einfach als Mitmensch, dem er einen festen Bezugspunkt in seinem Leben bot. Nachdem ich wieder im Westen bin, ist mir das Fehlen einer derartigen Beziehungsform bei uns mit Bedauern aufgefallen, und ich hoffe, dass diese Art der Beziehung mit dem Fußfassen des Buddhismus im Westen sich im Interesse der geistigen und spirituellen Gesundheit unserer Gesellschaft insgesamt ebenfalls etablieren wird.

Eine Gruppe von Thailändern wollte einmal von mir wissen, was das Erstaunlichste sei, was mir jemals bei Ajahn Fuang aufgefallen sei. Sie spekulierten wohl darauf, dass ich seine Fähigkeiten des Gedankenlesens oder andere übernatürliche Kräfte erwähnen würde. Obwohl es diese gab – seine Kenntnis der Vorgänge in meinem Geist erschien nachgerade unheimlich –, antwortete ich ihnen, dass für mich das Erstaunlichste an ihm seine Güte und Menschlichkeit war. In all den Jahren, die wir zusammen verbracht hatten, hatte er mir niemals den Eindruck vermittelt, dass ich jemand aus dem Westen sei und er ein Thailänder. Wenn wir uns unterhielten, geschah dies immer auf einer direkten Ebene, von Mensch zu Mensch, welche kulturelle Unterschiede außer Acht ließ. Ich weiß, dass viele seiner anderen Schüler, wenn sie es auch nicht unbedingt genau so ausgedrückt hätten, bei ihm das Gleiche verspürten.

Mit diesem Buch möchte ich Einiges von dem, was ich von Ajahn Fuang gelernt habe, mit Anderen teilen und widme es in tiefstem Respekt seinem Andenken. Hätte es, sagte er einmal zu mir, Ajahn Lie nicht gegeben, dann hätte er niemals die Helligkeit des Lebens kenngelernt. Ich stehe bei ihm in der gleichen Schuld.

Thanissaro Bhikkhu
(Geoffrey DeGraff)

Anmerkung: In dieser Neuauflage habe ich den Abschnitt "Verdienst" wieder eingebracht, ein wesentlicher Punkt, der in der Version 1993 ausgelassen worden war.

Metta Forest Monastery
Valley Center, CA 92082-1409
January, 1999

Gib acht, was du sagst   

§ Gewöhnlich sprach Ajahn Fuang wenig. Er richtete sich nach den Umständen. Wenn die Umstände es zuließen, gab er zuweilen auch lange, detaillierte Erläuterungen. Andernfalls machte er nur ein, zwei kurze Bemerkungen – manchmal sagte er auch garnichts. Er hielt es mit Ajahn Lies Ausspruch: „Wenn man den Dhamma lehrt, aber die Leute nicht zuhören wollen oder nicht bereit sind für das, was man zu sagen hat, dann kann der Dhamma, den man lehren möchte, noch so wunderbar sein, es gilt trotzdem als leeres Geschwätz, weil es keinen Zweck erfüllt.“

§ Seine Bereitschaft – ja, manchmal sogar regelrechte Begeisterung – die Meditation zu lehren, selbst wenn er krank war, versetzte mich immer wieder in Erstaunen. Einmal erklärte er mir: „Wenn die Leute mit Eifer zuhören, dann stelle ich fest, dass ich auch mit Eifer lehre, und egal, wieviel es zu sagen gibt, werde ich dabei nicht müde. Tatsächlich bin ich hinterher gewöhnlich frischer als am Anfang. Aber wenn die Leute keine Lust haben zuzuhören, dann bin ich schon nach dem zweiten oder dritten Wort erschöpft.“

§ „Bevor du etwas sagst, überlege dir, ob es notwendig ist oder nicht. Ist es das nicht, dann sage es nicht. Das ist der erste Schritt bei der Schulung des Geistes. Wenn du deinen Mund nicht beherrschen kannst, wie kannst du dann erwarten, deinen Geist zu beherrschen?“

§ Manchmal drückte er sein Wohlwollen darin aus, dass er ungnädig war - aber eben auf seine Weise. Er wurde niemals laut oder beleidigend, und trotzdem brannten sich seine Worte ihren Weg zum Herzen. Einmal fragte ich ihn in Bezug darauf: „Wie kommt es, dass deine Worte, wenn sie weh tun, genau das Herz treffen?“

„Damit sie im Gedächtnis haften bleiben“, war seine Antwort. „Wenn Worte den Hörer kalt lassen, lassen sie auch den Sprecher kalt.“

§ Wenn er ungnädig war, dann ließ er sich davon leiten, wie ernsthaft der betroffene Schüler war. Je ernsthafter jemand war, desto kritischer war er mit ihm, weil er sich dachte, dass ein solcher Schüler den größten Nutzen aus seinen Worten ziehen würde.

Als er einmal in Bangkok krank geworden war, betreute ihn eine Laienanhängerin – die sich dieses Umstands nicht bewusst war. Obwohl sie ihr Bestes tat, um seinen Bedürfnissen gerecht zu werden, kritisierte er sie ständig, bis sie sogar daran dachte, ihn zu verlassen. Als ihn jedoch zu jener Zeit eine andere Laienanhängerin besuchte, machte Ajahn Fuang nebenbei folgende Bemerkung zu ihr: „Wenn ein Lehrer seine Schüler tadelt, dann aus einem von zwei Gründen: entweder, um sie zum Bleiben zu bewegen oder um sie zum Gehen zu bewegen.“

Als die erste Schülerin das hörte, verstand sie plötzlich, was los war, und entschloss sich zum Bleiben.

§ Ajahn Fuang erzählte gerne – mit seiner eigenen Pointe – die Jataka-Geschichte von der Schildkröte und den Schwänen.

Einmal waren da zwei Schwäne, die machten gerne jeden Tag an einem bestimmten Teich Rast, um einen Schluck Wasser zu trinken. Im Laufe der Zeit freundeten sie sich mit einer Schildkröte an, die dort im Teich lebte, und erzählten ihr von all den Dingen, die sie bei ihren Flügen in der Luft zu sehen bekamen. Die Schildkröte lauschte gebannt ihren Erzählungen, wurde mit der Zeit aber immer trauriger, weil sie wußte, dass es ihr niemals vergönnt sein würde, so wie die Schwäne die große weite Welt zu Gesicht zu bekommen. Als sie ihnen davon erzählte, sagten die Schwäne: „Aber das ist doch überhaupt kein Problem. Wir lassen uns schon etwas einfallen, um dich mit uns zu nehmen.“ Also brachten sie einen Stock mit. Der männliche Schwan nahm das eine Ende des Stocks in den Schnabel, das Weibchen das andere Ende, und die Schildkröte sollte sich mit dem Mund in der Mitte festhalten. Als alles bereit war, erhoben sie sich in die Luft.

Während sie so am Himmel dahinzogen, bekam die Schildkröte so viele, viele Dinge zu sehen, von denen sie sich unten auf der Erde niemals etwas hätte träumen lassen. Es war die wunderbarste Zeit ihres Lebens. Doch als sie gerade über ein Dorf flogen, wurden sie von einigen Kindern, die unten spielten, erblickt. Diese fingen an zu rufen: „Seht mal! Schwäne, die eine Schildkröte tragen! Schwäne, die eine Schildkröte tragen!“ Das verdarb der Schildkröte ganz die Stimmung, bis ihr eine witzige Erwiderung einfiel: „Nein! Die Schildkröte trägt die Schwäne!“ Aber kaum hatte sie den Mund aufgemacht, um es zu sagen, fiel sie auch schon geradewegs hinab in den Tod.

Die Moral der Geschichte: „Wenn du dich in hohe Gefilde begibst, achte auf deinen Mund.“

§ Im Thailändischen bezeichnet man Geschwätz umgangssprachlich als „Müll“. Das nutzte Ajahn Fuang einmal für etwas Dramatik aus.

Die Geschichte trug sich zu, als er eines Abends in Bangkok lehrte. Drei junge Frauen, langjährige Freundinnen, trafen sich zufällig in dem Gebäude, wo er lehrte, schlossen sich aber nicht der Gruppe an, die bereits meditierte, sondern zogen sich in eine abgelegene Ecke zurück, um sich über den neuesten Klatsch auszutauschen. Während sie angeregt tuschelten, bemerkten sie garnicht, dass Ajahn Fuang aufgestanden war, um sich die Beine zu vertreten, und ganz in ihre Nähe kam, im Mund eine unangezündete Zigarette und in der Hand eine Schachtel Streichhölzer. Er blieb einen Augenblick stehen, entfachte ein Streichholz, steckte aber nicht die Zigarette an, sondern warf das brennende Streichholz mitten in die Gruppe hinein. Erschrocken sprangen sie auseinander, und eine von ihnen beklagte sich: „Than Po! Warum hast du das gemacht? Du hättest mich beinahe getroffen!“

„Ich habe da einen Haufen Müll gesehen“, antwortete er. „Da dachte ich: den sollte man mal in Brand setzen.“

§ Einmal hörte Ajahn Fuang, wie sich zwei Schüler unterhielten. Der eine von ihnen stellte eine Frage und der andere begann seine Antwort mit: „Na ja, ich glaube...“ Sofort fiel ihm Ajahn Fuang ins Wort: „Wenn du es nicht wirklich weißt, dann sage, daß du es nicht weißt, und lasse es dabei. Wozu willst du dein Unwissen weiter verbreiten?“

§ „Jeder von uns hat zwei Ohren und einen Mund – also sollten wir mehr Zeit mit Zuhören verbringen und weniger mit Reden.“

§ „Was auch während deiner Meditation geschieht, sage es niemandem außer deinem Lehrer. Wenn man Anderen davon erzählt, ist es Angeberei – und das ist ja eine Befleckung, oder?“

§ „Wenn Leute überall herumposaunen, wie gut sie sind, dann posaunen sie in Wirklichkeit aus, wie dumm sie sind.“

§ „Wenn etwas wirklich gut ist, dann muss man keine Reklame dafür machen.“

§ In Thailand gibt es eine Anzahl von Mönch-Magazinen, so etwas Ähnliches wie Filmschauspieler-Magazine, nur mit Mönchen statt Filmschauspielern. In ihnen werden Lebensgeschichten und Lehren von berühmten und nicht ganz so berühmten Mönchen, Nonnen und nicht-ordinierten Meditationslehrern abgedruckt. Doch gewöhnlich sind die Lebensgeschichten so stark mit übernatürlichen und wundersamen Ereignissen ausgeschmückt, dass man sie kaum ernst nehmen kann. Gelegentlich hatte Ajahn Fuang schon einmal mit Reportern und Redakteuren zu tun gehabt, die für solche Zeitschriften verantwortlich waren, und im Großen und Ganzen, so meinte er, ginge es ihnen wohl nur ums Geld. Wie er es ausdrückte: „Die großen Meditationslehrer gingen in die Wildnis und setzten ihr Leben aufs Spiel, um den Dhamma zu finden. Nachdem sie ihn gefunden hatten und zurückgekehrt waren, boten sie ihn jedermann an, ohne Geld dafür zu verlangen. Aber diese Leute sitzen in ihren klimatisierten Büros, schreiben, was ihnen gerade so durch den Kopf schießt, und bieten das für Geld feil.“ Folglich arbeitete er auch nie mit ihnen zusammen, wenn sie eine Geschichte über ihn in einem ihrer Magazine bringen wollten.

Eines Tages besuchte ihn, mit Kameras und Tonbandgeräten bewaffnet, eine Gruppe von Reportern, deren Magazin den Namen “Menschen jenseits der Welt” trug. Nach der üblichen höflichen Begrüßung, fragten sie ihn nach seinem prawat, d.h. seinem Lebenslauf. Nun kann das Wort prawat im Thailändischen aber auch Vorstrafenregister bedeuten, also entgegnete Ajahn Fuang ihnen, er hätte keines, da er sich nichts habe zuschulden kommen lassen. Aber so leicht ließen sich die Reporter nicht entmutigen. Wenn er seine Lebensgeschichte nicht preisgeben wolle, so sagten sie, könnte er sie dann wenigstens etwas Dhamma lehren? Ein solches Verlangen darf ein Mönch natürlich nicht abschlagen, also forderte Ajahn Fuang sie auf, die Augen zu schließen und über das Wort buddho – wach – zu meditieren. Sie schalteten ihre Tonbandgeräte ein und setzten sich zum Meditieren hin, in der Erwartung eines Dhammavortrags. Folgendes bekamen sie zu hören:

„Das ist der Dhamma für heute: zwei Wörter – bud- und dho. Könnt ihr aber diese zwei Wörter nicht im Geist behalten, dann wäre es Zeitverschwendung, euch noch etwas Anderes zu lehren.“

Ende des Vortrags. Als ihnen klar wurde, dass das alles war, sammelten die Reporter – äußerst grimmig dreinblickend – ihre Kameras und Bandgeräte wieder ein und gingen fort, um ihn nie wieder zu belästigen.

Gib acht, was du isst   

§ „Wisst ihr, wir Menschen haben lange Zungen. Wir sitzen da, und auf einmal schießt die Zunge hinaus zum Meer: wir möchten Meeresfrüchte essen. Dann schießt sie hinaus und landet irgendwo auf der Welt: wir möchten ausländische Speisen essen. Man muss seine Zunge in Zaum nehmen und kurz halten.“

§ „Richtet euren Geist beim Essen auf den Atem und denkt daran, warum ihr esst. Wenn ihr einfach nur esst, weil es gut schmeckt, dann kann euch das Essen schaden.“

§ Nach seiner Amerikareise fragte ihn einer seiner Schüler, ob er während seines Aufenthaltes dort auch die Gelegenheit gehabt habe, Pizza zu essen. Das sei so gewesen, bestätigte er, und dass es sehr gut gewesen sei. Das verblüffte einen anderen Schüler, der dabei gewesen war. „Aber du hast doch nur zwei Bissen davon gegessen“, sagte er. „Wir dachten, du magst keine Pizza.“

„Zwei Bissen reichten aus, um mich satt zu machen“, antwortete er. „Wieso sollte ich da noch mehr davon essen?“

§ Einmal wollte eine Schülerin, die erst seit kurzem bei ihm war, eine Mahlzeit als Spende für ihn zubereiten. Um sicherzugehen, dass es ihm auch schmeckte, fragte sie ihn rundheraus: „Welche Art von Essen magst du am liebsten, Than Po?“

„Essen, das da ist“, war seine Antwort.

§ Eines Freitag Abends reiste eine Gruppe von Ajahn Fuangs Schülern auf der offenen Ladefläche eines Kleinlasters von Bangkok nach Wat Dhammasatit. Ein anderer Schüler hatte ihnen eine Kiste Orangen mitgegeben, die den Mönchen des Wat gestiftet werden sollten. Nachdem sie eine Weile so dahingefahren waren, entschied einer der Schüler für sich, dass diese Orangen doch recht lecker aussahen. Also meldete er sich mit folgender Überlegung zu Wort: „Wir sind doch Than Pos Kinder, nicht wahr? Und er würde doch sicher nicht wollen, dass seine Kinder hungern müssen, oder? Also ist jeder, der keine Orange hat, kein Kind von Than Po.“

Einige Mitglieder der Gruppe hielten die acht Tugendregeln ein, die es verbieten, nach zwölf Uhr mittags noch zu essen, also konnten sie durch das Netz schlüpfen. Doch alle anderen bedienten sich bei den Orangen, wenn auch der eine oder andere mit Gewissensbissen, weil es ja für Mönche vorgesehene Speise war.

Nach ihrer Ankunft beim Wat erzählten sie Ajahn Fuang von dem Vorfall. Sogleich rügte er sie und sagte, wer für Mönche bestimmte Speise aufesse, bevor sie gestiftet werden könne, der würde im nächsten Leben als Hungriger Geist wiedergeboren.

Eine Frau aus der Gruppe bekam es mit der Angst zu tun und rief sofort: „Aber ich habe doch nur einen einzigen Schnitz gegessen!“

„Na ja“, erwiderte Ajahn Fuang, „wenn du schon als Hungriger Geist enden wirst, dann hättest du dir bei der Gelegenheit wenigstens ordentlich den Bauch vollschlagen können.“

§ Während der Regenzeit im Jahr 1977 kam fast jeden Abend ein Paar aus Rayong zum Wat, um zu meditieren. Das Seltsame bei ihnen war, dass alles, was sich während ihrer Meditation zutrug, bei ihnen beiden gleichzeitig auftrat.

Bei einer Gelegenheit stellten sie beide gleichzeitig fest, dass sie nichts mehr essen konnten, weil das Gefühl der Unreinheit der Nahrung sie überwältigte. Das dauerte drei oder vier Tage an, ohne dass sie schwach oder hungrig wurden, also begannen sie sich zu fragen, welche Stufe bei ihrer Meditation sie denn wohl erreicht hätten.

Bei ihrem nächsten Besuch im Wat erzählten sie Ajahn Fuang davon. Der ließ sie in Meditation sitzen und sagte dann zu ihnen: „Also gut. Jetzt betrachtet, woraus Nahrung besteht. Aus Elementen, stimmt’s? Und woraus besteht euer Körper? Aus eben denselben Elementen. Die Elemente in eurem Körper brauchen die Elemente in der Nahrung, um weiterzubestehen. Warum also so ein Aufhebens wegen der Unreinheit der Nahrung machen? Euer Körper ist noch viel unreiner. Wenn der Buddha lehrt, dass wir die Unreinheit der Nahrung betrachten sollen, dann zu dem Zweck, dass wir unsere Illusionen darüber verlieren – nicht dazu, dass wir nichts mehr essen können.“

Und ihre Unfähigkeit zur Nahrungsaufnahme war beendet.

Menschen auf dem Dhamma-Weg   

§ Eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen – eine Schneiderin – wurde von einer Kundin kritisiert: „Du praktizierst doch den Dhamma, oder? Wieso bist du dann so gierig und verlangst so hohe Preise? Leute, die den Dhamma praktizieren, sollten gerade genug Gewinn machen, dass es eben ausreicht.“

Obwohl sie wusste, dass ihre Preise angemessen waren, fiel ihr keine gute Erwiderung darauf ein, also erzählte sie Ajahn Fuang bei ihrem nächsten Besuch von dem Vorkommnis. „Das nächste Mal“, entgegnete Ajahn Fuang, „wenn wieder jemand so etwas sagt, dann antworte: ‘Schau her, ich praktiziere den Dhamma nicht, um dumm zu sein.’“

§ Bei meinem ersten Aufenthalt im Wat Dhammasatit konnte man manchmal in den frühen Morgenstunden hoch am Himmel die B-52-Flieger von Utapao Air Force Base auf ihrem Weg nach Kambodscha hören, um dort ihre Bomben abzuladen. Bei diesem Geräusch fragte ich mich jedesmal, wieso ich hier beim Meditieren saß, wo es doch so viele Ungerechtigkeiten in der Welt gab, die es zu bekämpfen galt. Als ich Ajahn Fuang davon erzählte, meinte er: „Wenn du versuchst, die Welt in Ordnung zu bringen, bevor du dich selbst in Ordnung gebracht hast, wird das Gute in dir irgendwann zerbrechen, und was hättest du dann erreicht? Du könntest niemandem – weder dir selbst noch sonst jemandem – in irgend einer Weise helfen.“

§ „Sobald wir geboren sind, sind wir auch schon zum Tode verurteilt – nur wissen wir eben nicht, wann wir dran sind. Also werdet nicht nachlässig. Fangt gleich damit an und bringt alle eure guten inneren Eigenschaften zur vollen Entfaltung, solange ihr noch die Gelegenheit dazu habt.“

§ „Wenn ihr gute Menschen sein wollt, dann macht euch klar, wo wahres Gutsein wirklich beheimatet ist. Seid nicht nur nach außen hin gut.“

§ „Alle wollen wir glücklich sein, aber zumeist kümmern wir uns nicht darum, die Ursachen für das Glücklichsein zu schaffen. Wir wollen einfach nur die Ergebnisse haben. Aber wenn wir uns nicht um die Ursachen kümmern, wo sollen da die Ergebnisse herkommen?“

§ Das erste Mal, als ich zum Meditieren zu Ajahn Fuang gekommen war, fragte ich ihn, ob die Menschen wirklich nach dem Tod wiedergeboren werden. „Am Anfang des Übungsweges“, war seine Antwort, „verlangt der Buddha von uns nur, an Eines zu glauben: karma. Ob man noch an etwas Anderes außer dieser einen Sache glaubt oder nicht glaubt, ist nicht wirklich wichtig.“

§ Kurz vor Beginn der Regenzeit – während der es üblich ist, sich verstärkt der Dhammapraxis zu widmen und entsprechende Vorsätze zu fassen – kam einmal eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen zu ihm und sagte, dass sie daran dächte, während der Regenzeit die acht Tugendregeln einzuhalten, aber Bedenken hätte, weil sie ohne die abendliche Mahlzeit wohl Hunger haben würde.

Er entgegnete: „Der Buddha fastete so streng, bis er überhaupt kein Fleisch mehr auf den Rippen hatte – nur noch Haut und Knochen –, damit er den Dhamma entdecken und uns lehren konnte. Und hier sind wir und bringen es noch nicht einmal fertig, auch nur eine Mahlzeit auszulassen. Genau deswegen schwimmen wir immer noch im Kreislauf von Geburt und Tod herum.“

Daraufhin fasste sie den Entschluss, während der drei Monate der Regenzeit jeweils an den buddhistischen Feiertagen – Vollmond, Neumond und den beiden Halbmondtagen – die acht Tugendregeln einzuhalten. Und das tat sie auch. Am Ende der Regenzeit war sie sehr stolz auf sich, dass es ihr gelungen war, ihren Vorsatz einzuhalten. Aber bei ihrem nächsten Besuch bei Ajahn Fuang, noch bevor sie das Thema anschneiden konnte, bemerkte er dazu: „Weißt du, du hast es gut. Deine Regenzeit ist nur zwölf Tage lang. Bei allen Anderen dauert sie drei Monate.“

Diese Worte trafen sie so, dass sie seither bei allen nachfolgenden Regenzeiten die acht Tugendregeln durchgehend an jedem Tag befolgte.

§ Eine andere Schülerin meditierte gerade in Ajahn Fuangs Gegenwart, als sie – in plötzlicher Unachtsamkeit – eine Stechmücke erschlug, die an ihrem Arm saugte. Ajahn Fuang bemerkte zu ihr: „Du verlangst aber einen hohen Preis für dein Blut. Die Stechmücke verlangt nur einen Tropfen, und du nimmst ihr Leben dafür.“

§ Ein junger Mann unterhielt sich mit Ajahn Fuang über die Tugendregeln und kam zu Nummer 5, gegen das Einnehmen berauschender Mittel: „Der Buddha hat Alkohol verboten, weil die meisten Leute beim Trinken von Alkohol ihre Achtsamkeit verlieren, stimmts? Aber wenn man beim Trinken achtsam bleibt, dann ist das doch in Ordnung, nicht wahr, Than Po?“

„Wenn du wirklich achtsam wärst“, antwortete er, „würdest du nicht einmal daran denken, Alkohol zu trinken.“

§ Es scheint mehr Ausreden zu geben, um die fünfte Tugendregel zu brechen, als für alle anderen. Eines Abends unterhielt sich ein anderer Schüler mit Ajahn Fuang, während zur gleichen Zeit um sie herum eine Gruppe von Leuten in Meditation saß. „Ich kann die fünfte Tugendregel nicht einhalten“, sagte er, „weil ich einer Menge Gruppendruck ausgesetzt bin. Bei meiner Arbeit muss ich regelmäßig an gesellschaftlichen Ereignissen teilnehmen; und wenn alle Anderen trinken, dann muss ich mittrinken.“

Ajahn Fuang zeigte auf die Leute, die um sie herum saßen, und sagte: „Diese Gruppe verlangt nicht von dir, dass du trinken sollst. Warum gibst du eigentlich ihrem Gruppendruck nicht nach?“

§ Die Schneiderin sah ihre Freundinnen im Wat Dhammasatit die acht Tugendregeln einhalten und beschloss, es selbst auch einmal zu versuchen. Mitten am Nachmittag aber, beim Gang durch das Kloster, kam sie an einer Guave vorbei. Die Früchte sahen einladend aus, also pflückte sie eine und biss hinein.

Zufällig stand Ajahn Fuang nicht weit davon entfernt und sprach sie an: „He, ich dachte, du wolltest die acht Tugendregeln einhalten. Was hast du denn da im Mund?“

Wie ein Blitz überkam es die Schneiderin, dass sie ihre Tugendregeln gebrochen hatte, aber Ajahn Fuang tröstete sie: „Es ist nicht unbedingt so wichtig, die acht Tugendregeln einzuhalten. Aber die eine Tugendregel solltest du immer einhalten, ja? Weißt du, was diese Tugendregel ist?“

„Nein, Than Po. Welche ist das?“

„Tue nichts Böses. Daran sollst du dich dein ganzes Leben lang halten.“

§ Eine Frau suchte Wat Dhammasatit auf, um eine Woche lang die Tugendregeln zu beachten und zu meditieren. Aber am Abend des zweiten Tages teilte sie Ajahn Fuang mit, dass sie wieder nach Hause müsse. Sie befürchte, dass ihre Familie nicht ohne sie auskäme. Er zeigte ihr, wie man sich solcher Sorgen entledigt. „Wenn du hierher kommst“, sagte er zu ihr, „dann lass das so sein, als wärst du gestorben. So oder so wird deine Familie irgendwann lernen müssen, für sich selbst zu sorgen.“

§ Ein Mann mittleren Alters, der das Wat Dhammasatit zum ersten Mal besuchte, war erstaunt, als er einen Mönch aus Amerika zu sehen bekam. Er fragte Ajahn Fuang: „Ja, können denn Leute aus dem Westen auch Mönche werden?“

Ajaan Fuangs Antwort: „Haben Leute aus dem Westen etwa kein Herz?“

§ In Bangkok brachte ein Magazin einmal eine Serie mit der Autobiographie eines Meditierenden im Laienstand, der vermittels der Kräfte seiner meditativen Sammlung Krankheiten behandelte. In einer Folge wurde erwähnt, dass er Ajahn Fuang besucht habe, welcher bestätigt hätte, dass er (der Laienanhänger) Jhana erreicht habe. Das klang ganz und garnicht nach Ajahn Fuang, aber bald nach dem Erscheinen dieser Ausgabe des Magazins tauchten ungewöhnlich viele Besucher im Wat auf, offensichtlich unter dem Eindruck, dass Ajahn Fuang, wie der Schreiber der Autobiographie, mittels Meditation Krankheiten heile. Eine Frau fragte ihn, ob er auch Nierenkrankheiten behandle, und er antwortete: „Ich behandle nur eine Sorte von Krankheiten: solche des Gemüts.“

§ Ein Schüler bat um Erlaubnis, Ajahn Fuangs Lehren in seinem Notizbuch aufschreiben zu dürfen, aber er lehnte ab und sagte: „Bist du etwa so einer, der immer etwas zum Essen in seiner Hosentasche mit sich herumträgt, weil er Angst hat, nichts zum Essen abzubekommen?“ Dann erklärte er: „Wenn du alles niederschreibst, dann glaubst du, es sei in Ordnung, das Geschriebene zu vergessen, weil es ja alles da in deinem Notizbuch steht. Am Ende ist der ganze Dhamma in deinem Notizbuch, und nichts davon in deinem Herzen.“

§ „Wer gut zuhört, so heißt es in den Schriften, wird Weisheit erlangen. Um gut zuzuhören, muss das Herz ruhig und still sein. Man hört nämlich mit dem Herzen, nicht nur mit den Ohren. Hat man zugehört, muss man das Gehörte noch an Ort und Stelle und ohne Umschweife in die Tat umsetzen. Dann hat man auch einen Nutzen davon. Was ihr nicht in die Tat umsetzt, wird in eurem Herzen nie Wirklichkeit werden.“

§ Beim Bau des Chedi im Wat Dhammasatit kam es einmal zwischen einigen Schülern, die am Chedi mitarbeiteten, zu einem ernsthaften Streit. Eine Frau geriet so außer sich, dass sie zu Ajahn Fuang nach Bangkok fuhr, wo er sich gerade aufhielt, und ihm davon erzählte. Als sie ihren Bericht beendet hatte, fragte er sie: „Weißt du, was Schottersteine sind?“

„Ja“, antwortete sie verdutzt.

„Weißt du auch, was Diamanten sind?“

„Ja.“

„Warum sammelst du dann keine Diamanten? Was willst du denn mit Schottersteinen anfangen?“

§ Selbst in einem buddhistischen Land wie Thailand müssen einige junge Leute, die den Dhammaweg gehen wollen, feststellen, dass ihre Eltern dagegen sind, weil sie meinen, dass ihre Kinder ihre Zeit nutzbringender verbringen sollten. Die Eltern der Schneiderin versuchten einmal, ihre Tochter von ihren Besuchen im Wat Makut abzuhalten, was sie sehr wütend machte. Doch als sie Ajahn Fuang von ihren Gefühlen erzählte, warnte er sie: „Du trägst deinen Eltern gegenüber eine riesige Schuldenlast, weißt du. Wenn du dich über sie ärgerst oder sie anschreist, schürst du die Feuer der Hölle über deinem Kopf zusammen, also nimm dich in Acht. Und denk daran: Wenn du gerne Eltern gehabt hättest, die deine Übungspraxis unterstützen, warum hast du dir dann für deine Geburt keine anderen ausgesucht? Die Tatsache, dass sie deine Eltern sind, zeigt, dass du in der Vergangenheit gemeinsames Karma mit ihnen gewirkt hast. Bezahle einfach deine alten Karmaschulden, wenn sie auftauchen. Es gibt keine Notwendigkeit, durch Streitereien neues Karma zu schaffen.“

§ Geisterbeschwörungen sind in Thailand seit langem beliebt. Selbst manche Leute, die den Dhamma ausüben, nehmen auch gerne an Seancen teil. Aber Ajahn Fuang sagte einmal: „Wenn ihr wollt, dass eure Übung zu Ergebnissen führt, dann müsst ihr euch dafür entscheiden, dass der Buddha eure einzige Zuflucht ist und bleibt. Nehmt eure Zuflucht zu nichts anderem.“

§ „Wenn ihr den Dhamma ausübt, braucht ihr keine Bewunderung für die psychischen Kräfte oder Fähigkeiten von irgendwelchen Leuten zu hegen. Was ihr auch sagt, tut oder denkt, lasst nur Vernunftgründe euer Herz dabei leiten.“

§ „Die Wahrheit liegt in euch. Wenn ihr bei dem, was ihr tut, wahrhaftig seid, werdet ihr auf die Wahrheit stoßen. Seid ihr es nicht, werdet ihr nur auf Falsches und Vorgetäuschtes treffen.“

Verdienst   

§ Bei ihrem ersten Zusammentreffen, so berichtet eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen, habe er sie gefragt: „Wo gehst du üblicherweise hin, um Verdienst zu erwerben?“ Bei dem einen Tempel habe sie für eine Buddhastatue mitgespendet, bei einem anderen Tempel einen Beitrag zu einem Krematorium geleistet, war ihre Antwort. Da fragte er weiter: „Hast du denn kein Verdienst bei deinem Herzen erworben?“

§ Einmal ließ Ajahn Fuang eine Schülerin Gras und Unkraut wegmähen, die das Kloster zu überwuchern drohten. Die Arbeit schmeckte ihr nicht sonderlich, und während sie so mähte, fragte sie sich die ganze Zeit über: „Was habe ich bloß für ein Karma gewirkt, dass ich jetzt so hart arbeiten muss?“ Als sie fertig war, sagte er zu ihr: „Etwas Verdienst hast du ja erworben, aber nicht viel.“

„Was? Soviel Arbeit und nur wenig Verdienst?“

„Wenn du dein volles Maß an Verdienst haben willst, dann muss der Verdienst bis mitten ins Herz gehen.“

§ Gras spielt auch bei einer anderen Geschichte eine Rolle. Eines Tages zeigte Ajahn Fuang auf das wuchernde Gras neben seiner Hütte und fragte die gleiche Frau: „Willst du denn nicht das Gras am Weidentor?“

„Was soll das heißen, Gras am Weidentor?“

„Die Gelegenheit, genau da, wo man ist, Verdienst zu erwerben, die alle Anderen übersehen. Das nennt man ‘Gras am Weidentor’.“

§ Ein anderes Mal führte Ajahn Fuang einige Schüler aus Bangkok zur Hügelkuppe hinauf, um das Gebiet um den Chedi zu säubern. Sie fanden einen großen Haufen Müll, den jemand dort oben weggeworfen hatte, und eine Frau aus der Gruppe beklagte sich: „Wie kann jemand so respektlos sein und so etwas tun?“ Aber Ajahn Fuang sagte ihr: „Schimpf nicht auf die Leute, die das getan haben. Hätten sie den Müll nicht hier hingeworfen, hätten wir jetzt nicht die Gelegenheit, durch seine Beseitigung Verdienst zu erwerben.“

§ Nachdem Ajahn Fuangs Name in einem Magazinartikel erwähnt worden war, kam eines Tages eine Gruppe von drei Leuten aus Bangkok, die sich den Tag freigenommen hatten, um nach Rayong zu fahren und ihm die Ehre zu erweisen. Nach den Verbeugungen und einigen belanglosen Worten, sagte einer von ihnen: „In unserem Land gibt es immer noch Mönche, die gut und richtig praktizieren, so dass wir sie um einen Anteil an ihren Paramis bitten können, nicht wahr, Than Po?“

„Das stimmt“, sagte er, „aber wenn wir sie immer wieder um einen Anteil an ihren Paramis bitten, ohne selbst welche zu entwickeln, dann merken sie, dass wir nur Schmarotzer sind, und wollen uns nichts mehr abgeben.“

§ Eine Frau aus der direkt neben Bangkok gelegenen Stadt Samut Prakan ließ durch eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen ausrichten, dass sie gewillt sei, einen großen Geldbetrag für den Bau der Buddhastatue beim Wat Dhammasatit zu spenden, aber er solle dafür zu ihr ins Haus kommen und bei der Übergabe des Schecks einen Segen sprechen. Er lehnte ab und sagte: „Wenn die Leute Verdienst erwerben wollen, dann müssen sie sich um ihn bemühen, nicht umgekehrt. Sie können nicht erwarten, dass der Verdienst frei Haus zu ihnen kommt.“

§ Eine andere Frau rief einmal im Hauptbüro von Wat Makut an und erklärte, dass sie eine Mahlzeit für Mönche spenden wolle und dass sie Ajahn Fuang dazu einlade, weil sie gehört habe, dass er ein Edler Schüler sei. Als ihm die Einladung übermittelt wurde, lehnte er ab und sagte: „Ist ihr Reis etwas so Besonderes, dass nur Edle Schüler einen Bissen davon abbekommen können?“

§ An ihrem Geburtstag wolle sie etwas Besonderes tun, um Verdienst zu erwerben, ließ eine Schülerin Ajahn Fuang wissen. „Wieso muss es an deinem Geburtstag sein?“ erwiderte er. „Ist es an anderen Tagen weniger verdienstvoll? Wenn du etwas Verdienstvolles tun willst, dann geh hin und tue es noch an dem Tag, an dem es dir in den Sinn kommt. Warte nicht bis zu deinem Geburtstag, weil dein Todestag vielleicht vorher zu dir kommt.“

§ Mit Blick auf jene Leute, die nicht meditieren mochten, aber eifrig bei den Bauarbeiten im Wat mithalfen, sagte Ajahn Fuang einmal: „Leichter Verdienst hinterlässt bei ihnen keinen Eindruck; man muss sie ganz schweren Verdienst erwerben lassen, sonst sind sie nicht zufrieden.“

§ Kurz nach der Fertigstellung des Chedi saß eine Gruppe von Ajahn Fuangs Schülern voller Bewunderung davor und äußerte sich erfreut über den reichen Verdienst, der für ihre Beteiligung an seinem Bau auf sie wartete. Ajahn Fuang kam gerade vorbei und hörte, was sie sagten. Wie ins Blaue hinein machte Ajahn Fuang folgende Bemerkung: „Haltet euch nicht an materiellen Dingen fest. Beim Erwerben von Verdienst, haltet euch nicht am Verdienst fest. Wenn ihr euch hinreißen lasst und denkt: ‘Diesen Chedi habe ich mit meinen eigenen Händen gebaut’, dann passt bloß auf. Wenn ihr genau jetzt sterben würdet, dann könntet ihr bloß noch denken: ‘Dieser Chedi gehört mir, mein Chedi ist das.’ Und statt wie alle Anderen im Himmel wiedergeboren zu werden, würdet ihr als Hungriger Geist wiedergeboren, um eine Woche oder noch länger den Chedi zu bewachen, weil euer Herz auf materielle Dinge fixiert war.“

§ „Wenn man Gutes tut und dabei am Gutsein hängen bleibt, wird man niemals frei werden. Woran man auch hängen bleibt, da kommt es zu Werden und Geburt.“

§ Im Buddhismus gibt es eine alte – von den Apadana-Geschichten herrührende – Tradition, jedesmal, wenn man für religiöse Zwecke spendet oder eine andere verdienstvolle Tat ausübt, den aus dieser Tat entstehenden Verdienst einer bestimmten Sache zu widmen. Es gab Zeiten, zu denen Ajahn Fuang seinen Schülern empfahl, jedesmal, wenn sie meditierten, eine ähnliche Widmung auszusprechen, wobei es aber von dem Betroffenen abhing, welches Ziel er ihm dazu vorschlug. Manchmal empfahl er auch, König Asokas Widmung, die er an seinem Lebensende aussprach, zu übernehmen: „Möge ich in meinem künftigen Leben Herrschaft über den Geist erlangen.“

Zu anderen Zeiten sagte er: „Es gibt keine Notwendigkeit, ellenlange Widmungen auszusprechen. Sagt euch einfach: ‘Möge ich, wenn ich wiedergeboren werde, immer auf die Lehren des Buddha treffen.’“

Aber er bestand nicht immer auf solchen Widmungen. Einmal sagte ihm eine Frau, dass ihr bei solchen Gelegenheiten nie etwas einfiele, dem sie es widmen könnte. Er sagte zu ihr: „Wenn das Herz voll ist, dann braucht man keine Widmung zu machen, wenn man nicht will. Es ist wie beim Essen. Ob man nun den Wunsch äußert, satt zu werden, oder ob man das nicht tut, wenn man weiterisst, kann man garnicht anders als satt zu werden.“

Schüler / Lehrer   

§ „Was du auch tust, denke stets an deinen Lehrer. Wenn du deinen Lehrer vergisst, schneidest du dir die Wurzel ab.“

§ „Jemand, der von Lehrer zu Lehrer läuft, hat eigentlich gar keinen Lehrer.“

§ Gelegentlich wurden Ajahn Fuang auch Amulette gespendet. Er verteilte sie dann an seine Schüler – aber nur selten an solche, die ihm nahestanden. Eines Tages konnte sich ein Mönch, der schon einige Jahre bei ihm war, nicht zurückhalten und beklagte sich: „Wieso gibst du mir nie welche, wenn du gute Amulette bekommst, sondern immer nur den Anderen?“

Ajahn Fuang antwortete: „Ich habe dir schon so viele Sachen gegeben, die viel wertvoller sind. Warum nimmst du denn die nicht an?“

§ „Meditierende, die mit ihrem Lehrer zusammenleben, aber ihn nicht verstehen, sind wie ein Löffel im Curry-Topf: er wird niemals wissen, wie süß, sauer, salzig, sämig oder scharf das Curry ist.“

§ Ajahn Fuangs Vergleich für Schüler, die wegen geringfügiger Alltagsprobleme ihre Lehrer um Rat fragen müssen: „Sie sind wie Hundewelpen. Beim kleinsten Haufen, den sie gemacht haben, rennen sie zu ihrer Mutter und lassen sich ablecken. Von allein werden sie nie erwachsen.“

§ „Schüler, die ihren Lehrer nicht loslassen können, sind wie Fliegen. Egal, wie oft man sie verscheucht, sie kommen immer wieder und lassen einem keine Ruhe.“

§ „Lobt ein Lehrer einen Schüler ins Gesicht, dann zeigt das an, dass der Schüler so weit gekommen sein dürfte, wie es geht – in diesem Leben wird er in seiner Praxis vermutlich keine größeren Höhen mehr erreichen. Der Lehrer lobt ihn deswegen, dass er stolz sein kann, es wenigstens so weit geschafft zu haben. Sein Herz wird etwas Gutes haben, um sich daran festzuhalten, wenn er es bei seinem Tod braucht.“

§ Viele von Ajahn Fuangs Schülern waren überzeugt davon, dass er ihre Gedanken lesen konnte, denn es geschah wieder und wieder, dass er Themen anschnitt, die ihnen gerade in diesem Augenblick durch den Kopf gingen oder ihnen das Herz schwer machten. Ich selbst hatte viele solcher Erlebnisse, und beim Zusammenstellen dieses Buches wurden mir noch viele weitere berichtet. In den meisten Fällen dieser Art hatte das, was er zu sagen hatte, allerdings nur für die Betroffenen eine besondere Bedeutung, weswegen ich nicht näher auf sie eingehen möchte. Zwei Fälle scheinen mir jedoch von allgemeinem Nutzen für Ausübende des Dhamma zu sein, so dass ich sie hier erwähnen möchte.

Einmal nahm einer seiner Schüler – ein junger Mann – den Bus von Bangkok nach Rayong, um beim Bau des Chedi mitzuhelfen. Er stieg an der Stelle aus, wo die zum Wat führende Straße in die Hauptstraße einmündete, hatte aber keine Lust, die sechs Kilometer bis dorthin zu Fuß zu laufen. Also setzte er sich neben die Imbissbude, die es dort gab, und sagte zu sich, quasi als Herausforderung an Ajahn Fuang: „Wenn Than Po wirklich etwas Besonderes ist, dann soll doch ein Wagen vorbeikommen und mich zum Wat mitnehmen.“ Eine Stunde verging, zwei, drei, und nicht ein einziges Fahrzeug bog in die Straße ein. Also musste er die Strecke schließlich doch zu Fuß laufen.

Im Wat angekommen, ging er zu Ajahn Fuangs Hütte, um ihm seine Ehrerbietung zu bezeigen, aber kaum hatte Ajahn Fuang ihn erblickt, stand er auf, ging in die Hütte und schloss die Tür hinter sich. Der Schüler war zwar etwas betroffen, verbeugte sich aber trotzdem vor der geschlossenen Tür. Als er sich wieder aufrichtete, öffnete Ajahn Fuang die Tür einen Spalt und sagte: „Schau her, ich habe dich nicht herbestellt. Du bist aus freien Stücken gekommen.“

Ein anderes Mal, nach der Fertigstellung des Chedi, saß der gleiche junge Mann meditierend neben dem Chedi, in der Hoffnung, dass ihm eine Stimme die Gewinnzahl bei der nächsten Lotterieziehung ins Ohr flüstern möge. Was er allerdings hörte, waren die Schritte von Ajahn Fuang, der vorbeiging, und seine Stimme, die sagte, als spräche er ins Blaue: „Wozu genau nimmst du eigentlich deine Zuflucht?“

Leben in der Welt   

§ „Ajahn Man hat einmal gesagt: ‘Die Menschen sind alle gleich, aber nicht alle gleich, letzten Endes aber doch alle gleich.’ Man muss eine ganze Weile darüber nachdenken, bis man versteht, was er damit sagen wollte.“

§ „Wenn du Andere beurteilen möchtest, beurteile sie nach ihren Absichten.“

§ „Wenn man Andere lehren will, gut zu sein, dann muss man erst einmal schauen, wie weit ihr Gutsein gehen kann. Wenn man versucht, sie besser zu machen, als sie sein können, dann ist man selbst der Dumme.“

§ „Sich mit den Fehlern von Anderen zu beschäftigen bringt nichts. Nur wenn man seine eigenen Fehler betrachtet, kommt man weiter.“

§ „Wie gut oder wie schlecht Andere sind, ist ihre Angelegenheit. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.“

§ Eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen beklagte sich über die vielen Probleme, mit denen sie sich bei ihrer Arbeit konfrontiert sah. Sie hätte zu gerne gekündigt und ein zurückgezogenes Leben geführt, aber die Umstände ließen es nicht zu, weil sie für ihre Mutter sorgen musste. Ajahn Fuang riet ihr: „Wenn du mit diesen Dingen leben musst, dann finde einen Weg, so zu leben, dass du über ihnen stehst. Nur so kannst du überleben.“

§ Ratschlag für eine Schülerin, die sehr unter dem Druck an ihrem Arbeitsplatz litt: „Du sollst den Job haben, nicht der Job dich.“

§ Eine andere Schülerin von Ajahn Fuang hatte zuhause und am Arbeitsplatz erhebliche Probleme. Da appellierte er an ihren Kampfgeist: „Wenn man wahr und echt ist, muss man sich im Leben auch wahren, echten Problemen stellen.“

§ „Triffst du auf Schwierigkeiten, dann kämpfe. Wenn du gleich aufgibst, wirst du dein ganzes Leben lang immer nur aufgeben.“

§ „Sag dir, dass du aus Hartholz und nicht aus Weichholz gemacht bist.“

§ Eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen – eine junge Krankenschwester – hatte am Arbeitsplatz unter einer Menge Klatschgeschichten zu leiden, die über sie erzählt wurden. Am Anfang versuchte sie, das Ganze zu ignorieren, aber als es immer öfter vorkam, verlor sie allmählich die Geduld.

Eines Tages, als sie besonders davon genervt war, kam sie ins Wat Makut, um mit Ajahn Fuang zu meditieren. In ihrer Meditation tauchte ein Bild von ihr selbst auf, das sich immer wieder und wieder bis ins Unendliche wiederholte, als wäre sie zwischen zwei parallelen Spiegeln eingefangen. Es kam ihr der Gedanke, dass sie in ihren vielen früheren Leben wohl eine unsägliche Menge des gleichen Geschwätzes hatte ertragen müssen, was ihren Überdruss an der Situation noch steigerte. Also erzählte sie Ajahn Fuang, nachdem sie ihre Meditation beendet hatte, wie leid sie es war, dass man ständig über sie redete. Er versuchte, sie zu trösten, indem er sagte: „Das gehört nun einmal zum Leben in der Welt. Wo es Lob gibt, gibt es auch Kritik und Klatschgeschichten. Wenn man das eingesehen hat, warum soll man sich dann darauf einlassen?“

Aber sie war so aufgebracht, dass sie ihm widersprach: „Ich lasse mich nicht mit ihnen ein, Than Po. Sie gehen her und lassen sich mit mir ein!“

Da drehte er die Sache um: „Und wieso fragst du dich nicht, wer eigentlich von dir verlangt hat, deine Nase in diese Welt zu stecken und hier geboren zu werden?“

§ „Wenn die Leute dich beleidigen, dann mach dir klar, dass ihre Worte nur bis zu ihren Lippen gehen. Sie können nicht von selbst nach dir greifen und dich berühren.“

§ „Andere kritisieren uns und vergessen es dann wieder, aber wir greifen es auf und denken die ganze Zeit daran. Das ist so, als hätten sie etwas Essbares ausgespuckt, und wir würden es aufheben und aufessen. Wer ist denn dabei der Dumme?“

§ „Tue so, als wären deine Ohren mit Steinen beschwert, damit du von den ganzen Sachen, die du hörst, nicht davongeblasen wirst.“

§ Eines Tages fragte Ajahn Fuang unvermittelt: „Wenn deine Kleidung in eine Jauchegrube gefallen wäre, würdest du sie dann wieder herausholen?“

Die Frau, an welche die Frage gerichtet war, hatte keine Ahnung, worauf er hinaus wollte, wusste aber, dass sie ganz schön dumm dastehen würde, wenn sie nicht Acht gab, was sie antwortete. Also versuchte sie es mit einer Hinhaltetaktik: „Das hängt davon ab. Wenn es meine einzigen Kleider wären, müsste ich sie wohl herausholen. Aber wenn ich noch andere Kleider hätte, würde ich sie wahrscheinlich gehen lassen. Worauf willst du hinaus, Than Po?“

„Wenn man gerne Schlechtes über Andere erzählen hört, dann hat man zwar keinen Anteil an dem schlechten Karma ihrer Taten, aber von dem Gestank bleibt immer etwas an einem selbst hängen.“

§ Wenn einer seiner Schüler einen Groll mit sich herumtrug, sagte er zu ihm: „Kannst du nicht einmal etwas so Geringfügiges aufgeben? Betrachte es so, als würdest du ein Geschenk machen. Denke doch einmal daran, wieviele wertvolle Dinge der Buddha während seines Lebens als Prinz Vessantara aufgegeben hat, und dann frage dich: ‘Der Ärger, den ich hege, hat überhaupt keinen Wert. Wieso kann ich ihn nicht auch aufgeben?’“

§ „Denke, bevor du handelst. Sei nicht so einer, der erst handelt und dann immer daran denken muss.“

§ „Pass auf, dass du aus Gutherzigkeit nicht in den Brunnen fällst: wenn du nämlich Anderen helfen willst, aber sie dich hinunterziehen, statt du sie herauf.“

§ „Wenn die Leute sagen, etwas sei gut, dann ist das ihre Vorstellung von gut. Aber ist das immer auch das, was wirklich gut für dich ist?“

§ „Wenn die Leute dich nicht leiden können, dann bist du fein heraus. Du kannst kommen und gehen, wie es dir gefällt, ohne dass du dir Sorgen machen musst, dass sie dich vermissen könnten oder sich aufregen werden, wenn du weggehst. Und du musst ihnen keine Geschenke mitbringen, wenn du wiederkommst. Du kannst tun und lassen, was du willst.“

§ „Andere besiegen zu wollen, bringt nur böses Blut und schlechtes Karma mit sich. Es ist besser, sich selbst zu besiegen.“

§ „Wenn du etwas verlierst, dann soll es halt verloren sein. Aber verliere nie den Mut.“

§ „Wenn sie dir etwas wegnehmen, dann sage dir, dass du es ihnen schenkst. Sonst nimmt die Zwietracht nie ein Ende.“

§ „Besser, wenn sie nehmen, was dir gehört, als wenn du nimmst, was ihnen gehört.“

§ „Etwas, das wirklich dir gehört, kannst du unter keinen Umständen verlieren. Wenn es aber nicht wirklich dir gehört, was soll dann die ganze Aufregung?“

§ „An äußerlicher Armut ist nichts Verwerfliches, aber sorgt dafür, dass ihr nicht innerlich arm seid. Erwerbt euch Reichtum an Großzügigkeit, Tugend und Meditation – den Schätzen des Geistes.“

§ Ein Schüler von Ajahn Fuang beklagte sich: „Wenn ich andere Leute sehe, dann haben die anscheinend so ein leichtes Leben. Warum ist das Leben bloß so hart zu mir?“ Seine Antwort: „Es gibt Leute, für die dein ‘hartes Leben’ zehn- oder zwanzigmal so gut ist wie das Leben, das sie führen. Warum schaust du nicht auf die Leute, die es schwerer haben als du?“

§ Manchmal gab Ajahn Fuang Schülern, die mit Schwierigkeiten im Leben zu kämpfen hatten, den Rat, Folgendes zu bedenken: „Wen sonst außer mir kann ich wohl dafür verantwortlich machen? Niemand hat mich geheißen, geboren zu werden. Ich bin aus eigenem freiem Entschluss gekommen.“

§ „Alles, was geschieht, hat seine ihm eigene Lebensdauer. Es bleibt nicht ewig bestehen. Wenn seine Zeit um ist, verschwindet es von selbst.“

§ „Einen Gefährten im Leben zu haben, bedeutet, zu leiden. Einen guten Gefährten zu haben, bedeutet, richtig zu leiden, wegen des ganzen Anhangens.“

§ „Sinnenlust ist wie Rauschgift: einmal kosten reicht, um süchtig zu machen. Man sagt, von Heroin sei schwer loszukommen, aber mit der Sinnenlust ist es noch schlimmer. Sie geht ganz tief, bis ins Mark. Sie ist der Grund, warum wir überhaupt geboren wurden, und hat uns Weltzeitalter um Weltzeitalter durch Geburt und Tod kreisen lassen. Außer den Lehren des Buddha gibt es keine Medizin, die man nehmen könnte, um die Abhängigkeit zu brechen und zu beseitigen.“

§ „Wenn wir sehen, wie Hindus den Shiva Lingam anbeten, mutet uns das merkwürdig an, aber tatsächlich betet jeder in der Welt den Shiva Lingam an – d.h. sie beten Sex an. Die Hindus sind nur die Einzigen, die es offen zeigen. Sex ist der Schöpfer der Welt. Der Grund, warum wir alle geboren wurden, ist der, dass wir in unserem Herzen den Shiva Lingam verehren.“

§ Als eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen von ihren Eltern gedrängt wurde, sich einen Mann zum Heiraten zu suchen, um mit ihm einen Hausstand zu gründen und Kinder zu haben, fragte sie ihn: „Stimmt es, was man sagt: dass eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt, viel Verdienst erwirbt, weil sie einem anderen Wesen die Gelegenheit verschafft, geboren zu werden?“

„Wenn das so wäre, dann würden Hunde haufenweise Verdienst erwerben, weil sie einem ganzen Wurf auf einmal das Leben schenken.“

§ Er sagte auch zu ihr: „Heiraten stellt keinen Ausweg aus dem Leiden dar. Tatsächlich bürdet man sich nur noch mehr Leiden auf. Der Buddha lehrte, dass die fünf Khandhas eine schwere Last sind, aber wenn man heiratet, hat man es auf einmal mit zehn zu tun, dann mit fünfzehn, mit zwanzig...“

§ „Ihr müsst eure eigene Zuflucht sein. Wenn ihr von der Sorte seid, die bei Anderen Zuflucht nehmen muss, dann müsst ihr die Dinge auf die gleiche Weise sehen wie sie, und das bedeutet, dass ihr auf die gleiche Weise dumm sein müsst wie sie. Also macht Schluss damit und untersucht euch selbst so gründlich, bis in eurem Inneren Klarheit herrscht.“

§ „Mein Kind, mein Kind“, denkst du vielleicht, aber gehört es wirklich dir? Noch nicht einmal dein eigener Körper gehört wirklich dir.“

§ Als eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen schwer an der Leber erkrankt war, träumte sie, sie sei gestorben und in den Himmel gekommen. Sie fasste das als böses Omen auf und suchte das Wat Makut auf, um Ajahn Fuang von ihrem Traum zu erzählen. Er versuchte, sie zu trösten, und sagte, es sei wohl ein gutes Omen im schlechten Gewand. Sollte sie die Krankheit überstehen, würde sie wahrscheinlich an ihrem Arbeitsplatz eine Beförderung erhalten. Falls nicht, würde sie in guten Umständen wiedergeboren werden. Doch kaum hatte er das gesagt, rief sie voller Erregung: „Aber ich bin noch nicht bereit zum Sterben!“

„Schau her“, sagte er zu ihr. „Wenn die Zeit gekommen ist, um zu gehen, dann muss man bereit sein, zu gehen. Das Leben ist kein Gummiband, das man dehnen oder schrumpfen lassen kann, wie man es möchte.“

§ „Wenn es sinnliche Freuden gibt, nach denen man richtig hungert, dann ist das ein Zeichen, dass man sie in einem früheren Leben bereits genossen hat. Deswegen vermisst man sie dieses Mal so sehr. Darüber lange genug nachzudenken sollte genügen, um nüchtern und betroffen zu werden.“

Leben als Mönch   

§ „Manche sagen, dass Mönche nicht arbeiten, aber das Aufgeben der eigenen Befleckungen ist in der Tat die schwierigste Arbeit, die es in der Welt gibt. Bei der Arbeit in der Alltagswelt gibt es freie Tage, aber bei unserer Arbeit gibt es überhaupt keine Freizeit. Man muss sie 24 Stunden am Tag machen. Vielleicht fühlt ihr euch dem manchmal nicht gewachsen, aber ihr müsst sie trotzdem machen. Wer soll sie denn sonst für euch machen? Es ist eure Pflicht, und von sonst niemandem. Wenn ihr eure Arbeit nicht macht, wozu lebt ihr dann von anderer Leute Spenden? “

§ „Woran ihr auch arbeitet, behaltet euren Geist im Auge. Wenn ihr seht, dass er vom Weg abkommt, lasst das, was ihr gerade tut, ruhen und richtet eure ganze Aufmerksamkeit auf ihn. Sich um den Geist zu kümmern ist eine Arbeit, die immer Vorrang haben sollte.“

§ „Der Buddha-Dhamma ist akaliko – zeitlos. Der Grund, warum wir ihn noch nicht erreicht haben, ist der, dass wir so viele Zeiten haben: eine Zeit für Dieses, eine Zeit für Jenes, eine Zeit zum Arbeiten, eine Zeit zum Ausruhen, eine Zeit zum Essen, eine Zeit zum Schlafen... Unser ganzes Leben verwandelt sich in solche Zeiten, und infolgedessen gelingt es uns nicht, die Wahrheit in unserem Inneren klar zu erkennen. Also müssen wir unsere Übungspraxis zeitlos machen. Dann wird die Wahrheit in unserem Herzen erscheinen.“

§ Ajahn Fuang war peinlich genau darin, seine Sachen sauber und an ihrem Platz zu halten, und er lehrte seine Schüler, ebenso sorgfältig zu sein, denn so hatten es ihm seine Lehrer beigebracht, und er wusste, dass es ihm gut getan hatte. In seinen Worten: „Wenn ihr nicht einmal solche offensichtlichen Dinge meistern könnt, wie wollt ihr dann tiefgründige Sachen, wie den Geist, meistern?“

§ Der Mönch, der sich um seine Bedürfnisse kümmerte – die Hütte fegen, Wasser für sein Bad warm machen, ihn bei Krankheit pflegen, usw. – musste in der Lage sein, sehr genau zu beobachten, denn Ajahn Fuang benutzte das Lehrer-Schüler-Verhältnis als Gelegenheit, um durch Beispiel zu lehren. Statt zu erläutern, wohin bestimmte Dinge zu stellen waren, oder wann bestimmte Arbeiten auszuführen waren, überließ er es dem Schüler, es selbst zu beobachten. Hatte er alles mitgekriegt, sagte er nichts. Andernfalls hielt er ihm eine Standpauke – erklärte aber immer noch nicht, was falsch war. Es war Sache des Schülers, das selbst herauszufinden. „Wenn es so weit kommt,“ sagte Ajahn Fuang, „dass ich es dir sagen muss, dann zeigt das, dass wir immer noch Fremde sind.“

§ Eines Abends entdeckte einer der Mönche im Wat Dhammasatit Ajahn Fuang alleine bei der Arbeit, wie er auf der Chedi-Baustelle übriggebliebene Holzstücke einsammelte und ordentlich aufstapelte. Der Mönch eilte hinab, um ihm zu helfen, und nach einer Weile fragte er ihn: „Than Po, du solltest so eine Arbeit nicht alleine machen. Es sind doch so viele andere Leute da. Warum holst du sie nicht, um zu helfen?“

„Ich hole doch andere Leute zu Hilfe,“ sagte Ajahn Fuang und griff nach dem nächsten Holzstück.

„Wen denn?“ fragte der Mönch, der sich umschaute, aber sonst niemanden erblickte.

„Dich.“

§ Als ich im Jahr 1976 nach Thailand zurückkehrte, um mich ordinieren zu lassen, gab mir Ajahn Fuang zwei Ratschläge:

1) „Meditieren bedeutet nicht einfach nur, mit geschlossenen Augen dazusitzen. Du musst bei allem, was du tust, auf Draht sein.“

2) „Wenn du lernen willst, musst du denken wie ein Dieb und herausfinden, wie du dir dein Wissen stehlen kannst. Das bedeutet, dass du nicht einfach warten kannst, bis der Lehrer dir alles erklärt. Du musst selber merken, was er tut, und warum – denn alles, was er tut, hat seinen Grund.“

§ Das Verhältnis zwischen einem Mönch und seinen Unterstützern ist in gewisser Weise ein Drahtseilakt. Eine von Ajahn Fuangs Lieblingsermahnungen war diese: „Denk’ daran: niemand hat dich dafür bezahlt, dass du Mönch geworden bist. Du bist nicht in den Orden eingetreten, um irgend jemandes Diener zu sein.“ Beschwerte sich aber ein Mönch darüber, dass die Leute, die sich um das Kloster kümmerten, nicht taten, was man ihnen auftrug, dann sagte er: „Bist du Mönch geworden, um dich von Anderen bedienen zu lassen?“

§ „Unser Leben hängt von der Unterstützung durch Andere ab, also tut nichts, was sie belasten würde.“

§ „Mönche, die sich von den Speisen ernähren, die Andere spenden, dann aber nicht üben, können damit rechnen, dass sie das nächste Mal als Wasserbüffel wiedergeboren werden, um die Felder zu pflügen und so ihre Schulden abzutragen.“

§ „Glaubt ja nicht, dass die minderen Verhaltensregeln nicht wichtig seien. Wie Ajahn Man einmal gesagt hat, hat noch nie jemand einen Baumstamm ins Auge bekommen, aber feines Sägemehl schon – und das kann einen blind machen.“

§ Frauen aus dem Westen sind oft empört, wenn sie hören, dass Mönche sie nicht berühren dürfen, und fassen das gewöhnlich als Anzeichen auf, dass der Buddhismus gegen Frauen diskriminiere. Aber Ajahn Fuang erklärte das so: „Der Buddha hat den Mönchen nicht verboten, Frauen zu berühren, weil irgend etwas mit Frauen nicht in Ordnung wäre. Er hat es getan, weil mit den Mönchen etwas nicht in Ordnung ist: Sie tragen noch Befleckungen in sich, und deswegen muss man sie zügeln.“

§ Für jemanden, der sich dem Keuschheitsleben verschrieben hat, stellt das andere Geschlecht die größte Versuchung dar, den Weg wieder aufzugeben. Wenn Ajahn Fuang Mönche unterwies, sagte er: „Frauen sind wie Schlingpflanzen. Zuerst scheinen sie ganz schwach und nachgiebig zu sein, aber wenn du sie an dir wachsen lässt, umschlingen sie dich, bis sie dich völlig eingeschnürt haben, und am Ende bringen sie dich zu Fall.“

Unterwies er Nonnen, warnte er sie vor Männern. Einmal dachte eine Nonne daran, die Robe abzulegen und nach Hause zurückzukehren, in dem Wissen, dass ihr Vater eine Heirat für sie ausrichten würde. Sie fragte Ajahn Fuang um Rat, und er sagte zu ihr: „Frage dich: willst du lieber in der Schlinge leben oder außerhalb?“ Daraufhin entschloss sie sich, außerhalb zu bleiben.

§ „Wenn du merkst, dass du an Sex denkst, fahr’ dir mit der Hand über den Kopf, damit du wieder weißt, wer du bist.“

§ Ajahn Fuang hatte viele Geschichten über die Zeiten zu erzählen, die er gemeinsam mit Ajahn Lie verbracht hatte. Eine meiner Lieblingsgeschichten handelt davon, wie eine große Gruppe von aus Bangkok stammenden Schülern Ajahn Lies eine gemeinsame Meditationsreise mit ihm in den Wald vereinbart hatte. Man wollte sich in Hua Lampong, dem Hauptbahnhof von Bangkok, treffen und von dort aus mit dem Zug nach Lopburi im Norden fahren. Als die Gruppe nach und nach beim Bahnhof eintraf, stellte sich heraus, dass viele von ihnen zwei dicke Koffer und einige sogar noch mehr mit „Reisenotwendigkeiten“ mitgebracht hatten, und selbst viele Mönche aus Bangkoks Klostern hatten voluminöse Bündel dabei. Ajahn Lie schaute sich das an. Dann begann er, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, an der Bahntrasse entlang nach Norden zu gehen. Da er zu Fuß ging, mussten es alle Anderen auch tun, doch es dauerte nicht lange, bis sich einige der am meisten Beladenen aus der Gruppe beschwerten: „Than Po, wieso müssen wir laufen? Unsere Koffer sind doch so schwer!“

Zunächst sagte Ajahn Lie nichts, aber schließlich meinte er, ohne seinen Schritt zu unterbrechen: „Wenn es schwer ist, wieso belastet ihr euch dann damit?“ Es dauerte einige Augenblicke, bis die Botschaft ihre Wirkung entfaltete, aber bald blieben immer wieder welche aus der Reisegesellschaft stehen, öffneten ihre Taschen und warfen alles Überflüssige in die Lotusteiche zu beiden Seiten der Bahntrasse. Als sie beim nächsten Bahnhof angelangt waren, sah Ajahn Lie, dass ihre Besitztümer so weit geschrumpft waren, dass er sie den nächsten Zug nach Norden nehmen lassen konnte.

§ „Wenn du in einem Kloster lebst, tue so, als würdest du alleine leben. Das soll heißen, wenn die Gruppenaktivitäten vorbei sind – die Mahlzeit, das Rezitieren, das Saubermachen usw. – dann brauchst du dich mit niemandem mehr einzulassen. Geh’ in deine Hütte und meditiere.

Wenn du alleine lebst, tue so, als wärst du in einem Kloster: mache dir einen festen Tagesplan und halte dich daran.“

§ Als ich nach Wat Asokaram – einem sehr großen Kloster – ging, um dort meine erste Regenzeit zu verbringen, riet mir Ajahn Fuang Folgendes: „Wenn sie dich etwas auf Thailändisch fragen, antworte auf Englisch. Wenn sie dich auf Englisch fragen, antworte auf Thailändisch. Nach einer Weile werden sie es müde werden, sich mit dir zu unterhalten, und werden dich in Ruhe meditieren lassen.“

§ „Es ist gut, in einem Kloster zu leben, wo nicht jeder die Übungspraxis ernst nimmt, weil man lernt, sich auf sich selbst zu verlassen. Würde man nur mit ernsthaft Meditierenden zusammenleben, könnte man bald nirgendwo anders mehr überleben.“

§ „Die unangenehmen Zeitgenossen, die wir hier im Kloster haben, sind dazu da, um zu überprüfen, ob unsere Befleckungen wirklich alle weg sind.“

§ „Der Zweck der Askeseübungen ist es, eure Befleckungen abzubauen. Wenn ihr sie nur einhaltet, um Andere damit zu beeindrucken, solltet ihr sie besser gleich ganz sein lassen.“

§ Über das Fasten als Mittel, um die Meditation zu unterstützen: „Bei einigen Leuten funktioniert es ganz gut, bei anderen bewirkt es genau das Gegenteil – je mehr sie fasten, desto stärker werden ihre Befleckungen. Es ist nicht der Fall, dass man die Befleckungen verhungern lassen kann, indem man den Körper hungern lässt, weil Befleckungen nicht vom Körper herrühren. Sie entspringen dem Geist.“

§ „An einer Stelle fragt der Buddha: ‚Tage und Nächte fliegen vorbei, fliegen vorbei. Was machst du gerade jetzt?‘ Und, welche Antwort habt ihr für ihn?“

§ „Wenn ihr Andere belehrt, bevor eure eigene Übungspraxis weit genug vorangekommen ist, bewirkt ihr mehr Schaden als Gutes.“

§ „Jemanden in der Meditation auszubilden ist, als ob man einen Boxer trainiert: Man dosiert seine Schläge und trifft ihn nicht härter, als er es aushalten kann. Aber wenn er zurückfightet, legt er alles hinein, was er hat.“

§ Vor meinem ersten Dhammavortrag sagte Ajahn Fuang zu mir: „Stell’ dir vor, du hast ein Schwert in der Hand. Wenn irgendwelche Zuhörer kritische Gedanken über dich hegen, schlage ihnen den Kopf ab.“

§ In meiner ersten Zeit im Wat Dhammasathit nahm die Anreise von Bangkok aus einen ganzen Tag in Anspruch, weil die Straßen weitläufiger und in einem viel schlechteren Zustand waren als heutzutage. Eines Abends nahm sich eine Frau ein Taxi und fuhr den ganzen Weg von Bangkok aus zu uns, um Ajahn Fuangs Rat zu ihren Familienproblemen einzuholen. Nach einer mehrstündigen Unterredung fuhr sie den ganzen Weg im Taxi wieder zurück.

Nachdem sie wieder weggefahren war, sagte er zu mir: „Ein Gutes hat das Leben hier draußen: Würden wir in der Nähe von Bangkok leben, kämen dauernd irgendwelche Leute, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, und würden uns den ganzen Tag lang mit ihrem Geplauder die Zeit stehlen. Aber wenn die Leute sich die Mühe machen, uns hier draußen zu besuchen, dann zeigt das, dass sie unsere Hilfe wirklich wollen. Und ganz gleich, wieviele Stunden es dauert, die Dinge mit ihnen durchzusprechen, ist es trotzdem überhaupt keinerlei Zeitverschwendung.“

§ „Wenn Leute mich aufsuchen, lasse ich sie erst einmal in Meditation sitzen, damit sie wissen, wie man den Geist beruhigt. Erst dann dürfen sie andere Probleme zur Sprache bringen, über die sie vielleicht reden möchten. Würde man diese Dinge mit ihnen durchsprechen, wenn ihr Geist noch nicht zur Ruhe gekommen ist, wären sie überhaupt nicht in der Lage, irgend etwas zu verstehen.“

§ „Wenn Leute sich in den Kopf gesetzt haben, sie seien erleuchtet, obwohl sie es nicht sind, dann wäre es verlorene Liebesmühe, sie von ihrer Meinung abbringen zu wollen. Wenn sie dir nicht zu 100 Prozent vertrauen, dann versteifen sie sich um so mehr auf ihre Meinung, je mehr man versucht, sie mit Vernunftgründen vom Gegenteil zu überzeugen. Vertrauen sie dir hingegen, dann genügt ein Satz oder zwei, und sie kommen wieder zur Vernunft.“

§ Einmal schrieb der Vater eines Mönchs seinem Sohn einen Brief, er solle doch die Robe ablegen, nach Hause kommen, sein Studium wieder aufnehmen, sich eine Arbeit suchen, eine Familie gründen und ein ganz normales, glückliches Leben wie jedermann sonst auf der Welt führen. Der Mönch erwähnte das gegenüber Ajahn Fuang, und der meinte: „Er sagt, seine Art von Glück sei etwas Besonderes, aber schau es dir nur an – was ist denn das tatsächlich für ein Glück? Nur das gleiche übelriechende Zeug, das du hinter dir gelassen hast, als du Mönch geworden bist. Gibt es denn kein besseres Glück als so etwas?“

Meditation   

§ Oft genug kam es vor, dass jemand Ajahn Fuang erklärte, er habe – mit all der Arbeit und all den Verpflichtungen in seinem Leben – keine Zeit zum Meditieren. Und oft genug gab dieser dann zur Antwort: „Glaubst du denn, du wirst Zeit dafür haben, wenn du tot bist?“

§ „Alles, was du studieren musst, ist das Meditationswort ‘Buddho’. Welche anderen Wissensgebiete du sonst noch studierst, sie kommen nie zu einem Ende und können dich nicht über das Leiden hinaus führen. Aber wenn du ans Ende von ‘Buddho’ gelangt bist, dann hast du wahres Glücklichsein erreicht.“

§ „Wenn der Geist unruhig ist – dann ist er armselig und mit Schwierigkeiten beladen. Den kleinsten Maulwurfshügel macht er zu einem Gebirge. Aber wenn der Geist ruhig ist, da gibt es kein Leiden, denn da ist überhaupt nichts. Kein Gebirge, garnichts. Was auch alles am Geist hängt, es ist nur ein Haufen Befleckungen, die ihm Leiden zufügen.“

§ „Wenn du an alles, was du vorhast, mit ungeteiltem Gemüt herangehst, wirst du sicherlich Erfolg haben.“

§ „Wenn du ‘Buddho’ denkst, dann frage nicht, ob deine Meditation erfolgreich sein wird. Wenn du mit ganzem Herzen dabei bist, kann es nur gut werden. Die Ablenkungen, die auftauchen, sind nur die Mächte der Versuchung, die ein Schauspiel aufführen wollen. Egal wie das Stück heißt, das sie spielen, du brauchst nur zuzuschauen – du musst nicht zu ihnen auf die Bühne steigen.“

§ „Wichtiger als alles Andere ist es, deine Ansichten in Einklang mit der Wahrheit zu bringen. Sind deine Ansichten richtig, kommt der Geist augenblicklich zur Ruhe. Sind deine Ansichten falsch, ist sofort auch alles Andere falsch. Alles, was du für deine Übung brauchst – der Atem, der Geist – ist ja schon da. Also bemühe dich darum, den Geist in Einklang mit dem Atem zu bringen, dann brauchst du dich garnicht mehr besonders viel anzustrengen. Der Geist lässt sich nieder und kommt auf der Stelle zur Ruhe.“

§ „Der Geist ist wie ein König; seine Launen sind wie seine Minister. Sei kein König, der sich von seinem Hofstaat an der Nase herumführen lässt.“

§ Eine Gruppe von Laienanhängern, die gemeinsam Abhidhamma-Studien betrieben hatten, suchten Ajahn Fuang auf, um seine Methode der Geistesschulung auszuprobieren, aber als er sie aufforderte, sich hinzusetzen, die Augen zu schließen und sich auf den Atem zu konzentrieren, gingen sie sofort auf Distanz. Sammlungsübungen, so sagten sie, wollten sie nicht machen, weil sie Angst hatten, in Jhana stecken zu bleiben und am Ende in den Brahmawelten wiedergeboren zu werden. „Wieso sollte man sich davor fürchten?“ gab er zur Antwort. „Auch Nichtwiederkehrer werden in den Brahmawelten wiedergeboren. Auf jeden Fall ist es besser, in den Brahmawelten wiedergeboren zu werden, als wenn man als Hund wiedergeboren wird.“

§ Wenn Ajahn Fuang jemand in der Meditation unterwies, gab er ungern Hinweise auf den weiteren Verlauf. Hatte er die anfänglichen Schritte erläutert, ließ er den Schüler noch in seinem Beisein in Meditation sitzen und es ausprobieren; dann sollte er zuhause weiter daran arbeiten. Ergab sich im Verlauf der Übung etwas Besonderes, erklärte er, wie man damit umging, und ging dann zum nächsten Schritt über.

Einmal suchte ihn ein Laienanhänger auf, der mehr als das übliche Maß an Meditationslehrern kannte, um mit ihm über den Dhamma zu sprechen. Er schnitt dabei viele Fragen von fortgeschrittener Art an, um sich ein Bild von Ajahn Fuangs spirituellem Entwicklungsstand zu machen. Ajahn Fuang fragte zurück: „Hast du solche Dinge bei deiner eigenen Meditation schon erlebt?“

„Nein, noch nicht.“

„Dann will ich lieber nicht darüber reden; wenn wir solche Dinge besprechen, wenn du noch garnicht bereit dafür bist, dann sind das nur Theorien, nicht der echte Dhamma.“

§ Ein Meditationsschüler bemerkte, dass seine Übungspraxis bei Ajahn Fuang rasche Fortschritte machte, und fragte daher, was der nächste Schritt sein würde. „Das werde ich dir nicht sagen“, antwortete Ajahn Fuang. „Sonst wirst du auch so ein erstaunlicher Wundermensch, der alles schon kennt, bevor er darauf trifft, und alles schon gemeistert hat, bevor er sich richtig Mühe gegeben hat. Übe einfach weiter, und du wirst es selbst herausfinden.“

§ „Du kannst nicht im Voraus planen, wie sich deine Übungspraxis entwickeln wird. Der Geist hat seine eigenen Schritte und Entwicklungsstufen, und man muss sich dem in seiner Übungspraxis anpassen. Nur so erzielst du echte Ergebnisse. Sonst wird aus dir bloß ein halbgarer Arahant.“

§ „Führe über das, was du in der Meditation erlebst, nicht Buch. Sonst fängst du an zu meditieren, damit Dieses oder Jenes passiert, und du es dann aufschreiben kannst. Und am Ende hast du nur lauter Dinge, die du selbst erschaffen hast.“

§ Manche Leute haben Angst, ernsthaft zu meditieren, weil sie befürchten, dass sie verrückt werden könnten. Aber Ajahn Fuang meinte einmal: „Wenn man gut meditieren will, muss man verrückt sein, was Meditation betrifft. Für jedes Problem, das auftaucht, lässt sich eine Lösung finden. Was einem wirklich Angst machen sollte, ist, nicht genügend zu meditieren, damit die Probleme überhaupt erst ans Tageslicht kommen.“

§ „Andere Leute können dir nur die äußere Schale beibringen, aber was weiter innen liegt, musst du selbst in die Hand nehmen. Du musst selbst die Grenzen ziehen, achtsam sein, jederzeit voll dabei sein bei allem, was du tust. Es ist, als hättest du einen Lehrer, der dir überall hin folgt, in der Öffentlichkeit und im Privatleben, der über dich wacht und dir sagt, was du tun sollst und was nicht, der sicherstellt, dass du innerhalb der Grenzen bleibst. Hast du einen solchen Lehrer im Inneren nicht, dann kommt der Geist vom rechten Weg ab und handelt sich Schwierigkeiten ein, weil er überall in der Stadt lange Finger macht.“

§ „Ausdauer ergibt sich, wenn man Überzeugung hat, weises Einsichtsvermögen, wenn man achtsam ist.“

§ „Ausdauer bei der Übungspraxis ist eine Angelegenheit des Geistes, nicht der Körperhaltung. Anders gesagt, gehe an alles, was du tust, mit gleichbleibender Achtsamkeit heran, und lasse darin nicht nach. Welcher Tätigkeit du auch nachgehst, sorge dafür, dass der Geist die Meditationsarbeit nicht vernachlässigt.“

§ „Wenn man sich zur Meditation hinsetzt, dauert es erst eine ganze Weile, bis der Geist sich beruhigt, aber kaum ist die Zeit um, steht ihr auf und werft das alles wieder weg. Das ist so, als würde man langsam, Schritt für Schritt, eine Leiter zum zweiten Stock hinaufklettern und dann zum Fenster hinausspringen.“

§ Ein weiblicher Armeeoffizier meditierte im Wat Makut gemeinsam mit Ajahn Fuang, und am Ende schien es, als sei ihr Geist besonders glücklich und hell geworden. Anstatt aber nach ihrer Rückkehr zuhause zu versuchen, diesen Gemütszustand beizubehalten, saß sie mit einer Freundin zusammen und hörte sich deren Klagen an, bis sie sich schließlich selbst deprimiert fühlte. Einige Tage darauf kam sie wieder ins Wat Makut und erzählte Ajahn Fuang davon. Seine Antwort war: „Du hast Gold mitgenommen und in Kot umgetauscht.“

§ Eine andere Schülerin verschwand für mehrere Monate und erklärte Ajahn Fuang nach ihrer Rückkehr: „Mein Chef hat mich ein Semester lang in die Abendschule geschickt, und deswegen hatte ich überhaupt keine Zeit zum Meditieren. Aber jetzt ist der Kurs zu Ende, und ich will nur noch meditieren – keine Arbeit, nichts zu lernen, nur noch den Geist ruhig sein lassen.“

Sie dachte, er wäre erfreut darüber, wieviel sie sich immer noch aus dem Meditieren machte, aber er enttäuschte sie. „Du willst also nicht arbeiten – das ist eine Befleckung, oder? Wer sagt denn, dass man nicht gleichzeitig arbeiten und meditieren kann?“

§ „Beim Meditieren dreht es sich nicht darum, den Geist leer zu machen, müsst ihr wissen. Der Geist muss etwas haben, woran er arbeiten kann. Wenn man ihn leer macht, dann kann einfach alles – Gutes wie Böses – eindringen. Das ist, als würde man seine Haustür offenstehen lassen. Alles, egal was, kann ’reinkommen und sich breitmachen.“

§ Eine junge Krankenschwester meditierte mehrere Tage hintereinander mit Ajahn Fuang und fragte ihn schließlich eines Tages: „Warum war die Sitzung heute nicht so gut wie die von gestern?“

Er antwortete: „Meditieren ist so, als würde man unterschiedliche Kleidung tragen. Heute trägt man weiß, morgen rot, gelb, blau oder sonstwas. Man kann nicht immer nur dieselbe Kleidung tragen. Egal, welche Farbe du heute trägst, sei dir dessen einfach nur bewusst. Werd’ nicht traurig oder gerate aus dem Häuschen deswegen.“

§ Einige Monate später, als die gleiche Krankenschwester in Meditation saß, erlebte sie ein Gefühl von Frieden und Klarheit im Geist, das so stark wurde, dass sie glaubte, niemals wieder könne eine schlechte Stimmung sich in ihrem Geist ausbreiten. Aber selbstverständlich traten schließlich doch wieder schlechte Stimmungen auf, wie vorher. Als sie das gegenüber Ajahn Fuang erwähnte, sagte er: „Den Geist zu schulen ist, wie wenn man ein Kind erzieht. Neben den guten Tagen muss es auch schlechte Tage geben. Wenn man nur die guten haben will, dann steuert man auf Schwierigkeiten zu. Also muss man sich neutral verhalten: Ergreife weder für die guten noch die schlechten Tage Partei.“

§ „Verläuft die Meditation gut, dann gerate darüber nicht aus dem Häuschen. Verläuft sie nicht gut, sei nicht enttäuscht. Achte einfach nur darauf, warum sie gut verläuft, warum sie schlecht verläuft. Bleibt man so immer aufmerksam bei der Sache, dauert es nicht lange, bis man mit der Meditation richtig umzugehen lernt.“

§ „Alles hängt von deiner Beobachtungsfähigkeit ab. Beobachtest du nur grob und schlampig, bekommst du auch nur grobe und schlampige Ergebnisse. So kann man in der Meditation nicht auf Fortschritte hoffen.“

§ Eines Tages saß eine junge Frau mit Ajahn Fuang in Meditation, und alles schien gut zu verlaufen. Ihr Geist war klar und entspannt, und sie konnte auch nach seiner Anweisung Schritt für Schritt die Elemente in ihrem Körper betrachten, ohne irgendwelche Probleme. Aber am nächsten Tag lief überhaupt nichts richtig. Nach der Sitzung fragte er sie: „Wie lief es denn heute?“

Sie antwortete: „Gestern kam ich mir klug vor, aber heute fühle ich mich dumm.“

Da fragte er weiter: „Sind die kluge Person und die dumme Person ein und dieselbe Person oder nicht?“

§ Eine Schülerin beklagte sich bei Ajahn Fuang, dass sie schon jahrelang meditiere, ohne dass dabei etwas für sie herausgekommen sei. Prompt erwiderte er: „Man meditiert nicht, um etwas zu ‘bekommen’. Man meditiert, um loszulassen.“

§ Nachdem sie mehrere Monate lang mit Ajahn Fuang die Meditation ausgeübt hatte, sagte die bereits erwähnte Schneiderin zu ihm, ihr käme es so vor, als ob ihr Geist in größerer Unordnung sei als vorher, bevor sie mit dem Meditieren begonnen hatte. „Selbstverständlich,“ gab er zur Antwort. „Das ist wie mit dem eigenen Haus. Wenn man jeden Tag den Boden sauber macht, bis er glänzt, stört einen das kleinste Staubkörnchen darauf. Je sauberer alles ist, desto besser kann man den Schmutz darauf erkennen. Wenn man seinen Geist nicht ständig säubert, kann er nach draußen gehen und im Schlamm schlafen, und es stört einen überhaupt nicht. Aber sobald er sich auf einem glänzenden Boden niederlassen soll, merkt man jedes Staubkorn, und man muss es wegwischen. Man erträgt die Unordnung einfach nicht.“

§ „Wenn du über das, was andere Leute in der Meditation erleben, aus dem Häusschen gerätst, dann ist das so, als würdest du über den Reichtum anderer Leute aus dem Häuschen geraten. Und was hast du davon? Kümmere dich lieber darum, deinen eigenen Reichtum zu vermehren.“

§ „Wohlwollende Güte und Mitgefühl, die nicht von Gleichmut unterstützt werden, können für dich zu Leiden führen. Deswegen braucht man den Gleichmut von Jhana, um sie zu vervollkommnen.“

§ „Deine Sammlung muss Rechte Sammlung sein: genau richtig, stets gleichbleibend. Was du auch tust – im Sitzen, Stehen, Gehen oder Liegen – sorge dafür, dass es keine Höhen und Tiefen hat.“

§ „Innere Sammlung: man muss lernen, wie man sie erreicht, wie man sie aufrecht erhält, und wie man sie anwendet.“

§ „Hat man den Geist zu fassen bekommen, bleibt er in der Gegenwart, ohne in die Vergangenheit oder in die Zukunft abzugleiten. Dann ist man in der Lage, ihn nach Wunsch zu lenken.“

§ „Wenn man schließlich Begeisterung für die Meditation entwickelt, dann ist das wie bei einem Papierdrachen, der endlich richtig im Wind liegt. Er will garnicht mehr herunterkommen.“

§ Eines Abends führte Ajahn Fuang eine Gruppe seiner Laienanhänger, die beim Arbeiten mitgeholfen hatten, zum Chedi hinauf, um zu meditieren. Eine Frau aus dieser Gruppe fühlte sich nach all der Arbeit völlig erschöpft, machte aber aus Respekt vor ihm trotzdem bei der Meditation mit. Als sie so dasaß, wurde ihr Wahrnehmungsvermögen allmählich immer schwächer, immer geringer, bis sie schließlich glaubte, am Sterben zu sein. Ajahn Fuang kam gerade vorbei und sagte: „Vor dem Tod muss man sich nicht fürchten. Man stirbt bei jedem Ein- und Ausatmen.“

Das gab ihr die Kraft, ihre Erschöpfung zu überwinden und weiterzumeditieren.

§ „Meditieren heißt, sterben zu üben, damit man am Ende weiß, wie man es richtig macht.“

Atmen   

§ Als mein Vater Wat Dhammasathit besuchte, bat ich ihn, sich mit Ajahn Fuang hinzusetzen und mit ihm zu meditieren, während ich als Übersetzer diente. Bevor sie begannen, fragte mein Vater, ob der Umstand, dass er ein Christ war, ein Hindernis für die Meditation sei. Ajahn Fuang versicherte ihm, dass das nicht der Fall war: „Wir werden uns auf den Atem konzentrieren. Der Atem gehört weder dem Buddhismus noch dem Christentum noch sonst irgend jemandem. Überall auf der Welt ist er Allgemeinbesitz, und jeder hat das Recht, ihn zu betrachten. Also versuche, den Atem zu betrachten, bis du deinen eigenen Geist sehen und ihn erkennen kannst. Dann wird die Frage deiner Religionszugehörigkeit keinerlei Problem darstellen, weil wir vom Geist reden können, statt über Religion zu diskutieren. So können wir einander verstehen.“

§ „Verbinde alles, was du bei der Meditation tust, mit dem Atem, denn er ist die Grundlage der gesamten Kunstfertigkeit, die wir entwickeln.“

§ „Den Geist einzufangen ist wie Aale zu fangen. Wenn man einfach in den Schlamm hineinspringt und versucht, sie zu ergreifen, schlüpfen sie nach allen Seiten davon. Man muss sie mit etwas ködern, das sie mögen – wie zum Beispiel, wenn die Leute einen toten Hund in einen großen Tontopf stecken und dann im Schlamm vergraben. Sofort kommen die ganzen Aale freiwillig in den Topf gekrochen, um von dem Hund zu fressen, und dann braucht man bloß noch die Hand über die Öffnung zu legen – und schon hat man seine Aale.

Mit dem Geist ist es genauso. Man muss etwas finden, das er mag. Daher macht den Atem so angenehm wie ihr könnt, bis er sich überall im ganzen Körper gut anfühlt. Weil der Geist es gerne angenehm mag, kommt er aus freien Stücken herbei, und dann kann man ihn ganz leicht zu fassen kriegen.“

§ „Ihr müsst jederzeit über den Atem Bescheid wissen, dann wird das Glück euer sein. Menschsein, Gottsein, Nibbana, alles ist hier im Atem. Wenn ihr euch von anderen Dingen gefangennehmen lasst, wird euch das Glück durch die Finger rinnen, also müsst ihr lernen, jederzeit den ein- und ausströmenden Atem zu beobachten. Gebt acht, wie der Atem zurecht kommt – lasst ihn nicht alleine. Wenn ihr wisst, wie er sich verhält – im Sitzen, Stehen, Gehen, bei allem – dann könnt ihr alles von ihm bekommen, was ihr wollt. Der Körper wird leicht, der Geist unbeschwert und zu jeder Zeit glücklich sein.“

§ „Der Atem kann euch den ganzen Weg bis zum Nibbana bringen, müsst ihr wissen.“

§ „Der erste Schritt ist es, den Atem einfach nur so zu betrachten, wie er ist. Denkt einfach bud- beim Einatmen, und -dho beim Ausatmen. Bud- ein, -dho aus. Übt keinen Zwang auf den Atem aus, und versucht auch nicht, den Geist in Trance zu versetzen. Bleibt mit dem Geist einfach dabei, Atemzug für Atemzug.“

§ „Wie benutzt man sein Beobachtungsvermögen, um sich mit dem Atem vertraut zu machen? Fragt euch: könnt ihr den Atem spüren? Ist der Atem da? Wenn ihr nicht erkennen könnt, ob der Atem echt ist, dann schaut genauer hin, bis er klar sichtbar ist. Es steckt gar kein großes Geheimnis dahinter. Der Atem ist immer echt, genau da. Wichtig ist nur, ob ihr echt seid. Wenn ihr es seid, dann macht einfach weiter. Das ist alles. Bleibt einfach echt, seid wahrhaftig bei dem, was ihr tut, dann wird eure Meditation Fortschritte machen. Allmählich wird sie immer stärker werden, und der Geist wird zur Ruhe kommen. Seid euch einfach klar darüber, was ihr gerade tut. Lasst keine Zweifel aufkommen. Wenn ihr sogar an eurem Atem zweifeln könnt, dann könnt ihr machen, was ihr wollt: ihr werdet alles anzweifeln. Egal, was geschieht, für euch wird es keine Gewissheit geben. Also seid geradlinig und wahrhaftig bei allem, was ihr tut, denn letzten Endes hängt alles davon ab, ob ihr wahrhaftig seid oder nicht.“

§ „Sobald der Geist beim Atem bleibt, könnt ihr aufhören, ständig buddho zu wiederholen. Das ist wie wenn man seinen Wasserbüffel ruft. Sobald er da ist, muss man ihn da noch rufen?“

§ „Lasst den Geist und den Atem verschmelzen und zu einem werden. Lasst sie nicht zwei sein.“

§ „Seid nicht wie ein Pfosten im Schlamm. Habt ihr schon einmal einen Pfosten gesehen, den man in Schlamm getrieben hat? Er schwankt hin und her; er bietet einfach keinen Halt. Wenn ihr etwas tut, egal was, dann bleibt bei der Sache und lasst euch nicht ablenken. So, wie man sich auf den Atem konzentriert: Lasst den Geist eins werden mit ihm, so wie ein Pfosten, den man in festen Fels getrieben hat.“

§ „Haltet den Atem so fest, wie eine rote Ameise zubeißt. Selbst wenn man so heftig an ihr zerrt, dass sich der Körper vom Kopf trennt, hört der Kopf nicht auf, zuzubeißen.“

§ Als ich das erste Mal hörte, wie Ajahn Fuang davon sprach, den Atem „festzuhalten“, verstand ich nicht, was er meinte. Ich saß da und versuchte, mit angespanntem Körper den Atem in den Griff zu bekommen, was mich aber einfach nur ermüdete und frustrierte. Dann saß ich eines Tages, auf einer Busfahrt zum Wat Makut, in Meditation und entdeckte, dass der Atem sich viel angenehmer anfühlte, wenn ich ihm seinen natürlichen Lauf ließ, und dass der Geist dann auch nicht davonrannte. Als typischer Westler beschwerte ich mich nach meiner Ankunft im Wat Makut bei ihm: „Wieso sagst du, man soll den Atem festhalten? Je mehr man ihn festhält, desto unangenehmer wird er. Man muss ihn ganz natürlich fließen lassen.“

Da lachte er und sagte: „Das habe ich ja auch nicht gemeint. ‘Den Atem festhalten’ bedeutet, bei ihm zu bleiben, ihm zu folgen und sicherzustellen, dass man nicht von ihm abschweift. Du brauchst ihn nicht zu lenken, zu etwas zu zwingen oder ihn zu beherrschen. Beobachte ihn einfach nur, so wie er gerade ist.“

§ „Sorge dafür, dass du den Atem wirklich kennenlernst, nicht bloß so, dass du nur weißt, dass er da ist.“

§ „Den Atem zu beobachten ist die Ursache, das Wohlgefühl, das sich erhebt, die Wirkung. Konzentriere dich, so gut es nur geht, auf die Ursache. Wenn du dich der Wirkung hingibst und dadurch die Ursache vernachlässigst, wird sie versiegen und du wirst am Ende garnichts mehr haben.“

§ „Orientiere dich beim Beobachten des Atems daran, wie gut du dich fühlst. Fühlen sich Atem und Geist beide angenehm an, ist es in Ordnung. Fühlt sich eines davon, Atem oder Geist, unbehaglich an, dann musst du etwas ändern.“

§ „Die Hauptsache beim Meditieren ist aufmerksames Beobachten. Wenn du dich nicht wohl fühlst, ändere die Art, wie du atmest, bis du dich besser fühlst. Fühlt sich der Körper schwer an, überlege dir, den Atem überall hin zu verteilen, so dass der Körper sich leicht anfühlt. Sage dir, dass der Atem durch jede einzelne Pore des Körpers ein- und austreten kann.“

§ „Wenn im Buch steht, man soll sich auf die Atemempfindungen in den verschiedenen Körperteilen konzentrieren, dann sind damit die Empfindungen im Körper gemeint, die schon da sind.“

§ „Der Atem kann eine Ruhestätte für den Geist sein, er kann aber auch etwas sein, das der Geist aktiv betrachtet. Wenn der Geist nicht ruhig und still werden will, ist das ein Anzeichen dafür, dass er nach Beschäftigung sucht. Also geben wir ihm etwas zu tun. Wir lassen ihn Stück für Stück den Körper untersuchen und die Atemempfindungen in den verschiedenen Körperteilen betrachten, um zu erkennen, wie sie mit dem Ein- und Ausatmen zusammenhängen, um zu erkennen, wo die Energie ungehindert fließt, und wo sie blockiert ist. Aber gebt Acht, dass der Geist den Körper nicht verlässt und draußen herumwandert. Lasst ihn im Inneren herumkreisen, und lasst ihn damit nicht aufhören, bis er müde wird. Sobald er müde geworden ist, könnt ihr einen Ruheplatz für ihn finden, und dort wird er dann bleiben, ohne dass man ihn zu etwas zwingen muss.“

§ „Verdichtet den Atem, und dann stellt euch vor, wie er explodiert, um den ganzen Körper anzufüllen.“

§ Einem Schüler, der gerne jeden Tag Yoga- und Aerobic-Übungen machte, um in Form zu bleiben, sagte Ajahn Fuang: „Bleibe lieber mit dem Atem in Form. Setze dich zum Meditieren hin und verteile den Atem im ganzen Körper, in jeden einzelnen Körperteil. Das schult den Geist und der Körper wird gestärkt, ohne dass man ihn verknoten oder ihn herumspringen lassen muss.“

§ Eine Nonne, die mit Ajahn Fuang die Meditation ausübte, litt schon seit ihrer Kindheit an einer schwachen Gesundheit und brütete ständig irgendeine Krankheit aus. Ajahn Fuang riet ihr: „Jeden Morgen, nach dem Aufwachen, setze dich hin und meditiere, um deinen Körper zu untersuchen: wo es weh tut, wo Schmerzen sind, und dann behandle sie mit dem Atem. Schwere Schmerzen werden leichter werden; leichte Schmerzen werden verschwinden. Aber mache keine große Sache daraus, ob sie weggehen oder nicht. Egal was geschieht, untersuche einfach weiter den Körper und kümmere dich um den Atem, denn wichtig daran ist nur, dass du deine Achtsamkeit darin ausbildest, beim Körper zu bleiben, bis sie so stark geworden ist, dass sie über den Schmerz hinausgeht und ihn hinter sich lässt.“

§ „Passe den Atem an, bis er vollkommen gleichmäßig ist. Siehst du ein weißes Licht, hole es in den Körper und lasse es sich blitzartig bis in jede Pore ausbreiten. Der Geist wird still sein, der Körper schwerelos. Überall rundherum wirst du dich weiß und hell anfühlen, und dein Herz wird unbeschwert sein.“

§ „Wenn der Atem den Körper anfüllt, ist er wie Wasser, das einen Krug bis zum Rand anfüllt. Selbst wenn man versucht, noch mehr hineinzugießen, so kann er nicht mehr aufnehmen. So wie es ist, ist es genau richtig.“

§ „Meditation benötigt Entzücken – ein Gefühl der Fülle in Körper und Geist – als Schmiermittel. Sonst wird sie zu trocken.“

§ „Beim Meditieren muss man stufenweise loslassen. Wie bei einem Weltraumflug: Die Raumkapsel muss die Trägerrakete loslassen, sonst kann sie nicht zum Mond gelangen.“

§ „Wenn der Geist wirklich seinen Platz gefunden hat, dann kann man den Atem loslassen, ohne dass er woanders hingeht. Wie beim Zementgießen: Solange der Zement noch feucht ist, darf man die Holzverschalung nicht wegnehmen, aber sobald er abgebunden hat, bleibt er, wo er ist, auch ohne Verschalung.“

§ „Verteile den Atem, bis Körper und Geist so leicht sind, dass kein Körpergefühl mehr da ist – nur das Wahrnehmen selbst. Der Geist ist dann wie sauberes, kristallklares Wasser. Blickt man auf die Wasseroberfläche hinab, kann man sein eigenes Gesicht sehen. Dann bist du in der Lage, zu sehen, was im eigenen Geist vor sich geht.“

§ „Ist der Atem voll und still, lasse ihn los. Dann denke an jedes einzelne der anderen Elemente im Körper – Feuer, Wasser und Erde – eines nach dem anderen. Sind sie alle klar erkannt, setze sie zusammen, d.h. bringe sie ins Gleichgewicht, so dass der Körper weder zu heiß noch zu kalt, weder zu schwer noch zu leicht ist: einfach in jeder Beziehung genau richtig. Dann lasse das los und bleibe beim Raumelement – einem Gefühl der Leere. Beherrschst du es, beim Raumelement zu bleiben, dann schaue dir an, was da “Raum” sagt. Das ist der Punkt, an dem du dich dem Wahrnehmen selbst zuwendest, dem Bewusstseinselement, um es zu untersuchen. Ist der Geist auf diese Weise geeint worden, dann kannst du dieses Eins-Sein fallenlassen und sehen, was danach noch übrig ist.

Wenn du das kannst, dann übe das Eintreten in die verschiedenen Stufen und das Wiederaustreten, bis du es beherrschst und die verschiedenen damit einhergehenden Geisteszustände erkennen kannst. Das ist die Stelle, an der sich allmählich weises Einsichtsvermögen erhebt.“

§ „Bei der Selbstbetrachtung müssen die sechs Elemente an erster Stelle stehen. Du nimmst sie auseinander und setzt sie wieder zusammen, so wie man das ABC lernt und Buchstaben zu Wörtern zusammenfügt. Nach einiger Zeit kann man jedes Wort bilden, das man will.“

§ „Nimm dir Zeit und stelle erst einmal sicher, dass dieses Fundament solide ist. Ist es das, kannst du soviele Stockwerke darüber bauen, wie du willst – schnell und ohne dass die Gefahr besteht, dass sie einstürzen.“

§ „Wenn man sagen wollte, es ist leicht, na ja – es ist leicht. Wollte man sagen, es ist schwer – ja, es ist schwer. Es hängt ganz von dir ab.“

§ „Die Grundschritte der Atemsmeditation, die Ajahn Lie in seiner Methode 2 beschreibt, sind nur eine grobe Überblicksskizze der Übungspraxis. Was die Einzelheiten betrifft, so musst du deine eigene Erfindungsgabe benutzen, um seine Skizze so abzuwandeln, dass es auf deine Erfahrungen passt. Dann stellen sich Ergebnisse ein.“

§ „Wenn du irgendein Problem dabei hast, dich zu sammeln, dann vergleiche das, was du tust, mit den sieben Schritten der Methode 2. Ich habe festgestellt, dass ich nichts weiter tun muss, wenn jemand mit einem Problem bei der inneren Sammlung zu mir kommt, als einen der sieben Schritte darauf anzuwenden. Sie sind grundlegend für die Meditation insgesamt.“

§ „In den Büchern heißt es, dass sich die Atemsmeditation für jeden eignet, aber das stimmt nicht ganz. Nur, wenn man bis ins Letzte sorgfältig ist, kommt man auch zu Ergebnissen, wenn man sich auf den Atem konzentriert.“

§ „Ein berühmter Meditationslehrer übte einmal Kritik an Ajahn Lie: ‘Wieso bringst du den Leuten bei, dass sie ihren Atem beobachten sollen? Da gibt es doch nur ein und aus. Wie sollen sie Einsicht erlangen, wenn sie nur das betrachten?’ Er antwortete: ‘Wenn das alles ist, was sie sehen, dann ist das auch alles, was dabei für sie herauskommt.’ So ist das nun mal, wenn man nicht weiß, wie man hinzuschauen hat.“

§ „Leute mit weisem Einsichtsvermögen können Alles und Jedes nehmen und etwas damit anfangen.“

Visionen und Zeichen   

§ In einem bestimmten Jahr hielt sich Ajahn Fuang ständig im Wat Asokaram auf, weil er wegen seiner Hautkrankheit regelmäßig einen chinesischen Arzt in Bangkok aufsuchte. Damals kam jeden Abend eine Gruppe Nonnen und Laienanhänger zu ihm, um mit ihm zu meditieren. Manche Teilnehmer aus dieser Gruppe berichteten häufig über diese oder jene Vision, die sie im Verlauf ihrer Meditation gehabt hatten, und schließlich beklagte sich eine der Nonnen: „Ich weiß, dass mein Geist nicht abschweift; er bleibt die ganze Zeit nur beim Atem. Wieso habe ich eigentlich keine Visionen wie alle Anderen hier?“

Ajahn Fuang antwortete ihr: „Weißt du eigentlich, was du für ein Glück hast? Bei Leuten mit Visionen kommt ständig Dies und Das und Jenes dazwischen und stört sie beim Üben. Aber du hast kein altes Karma, das dich beim Meditieren stört, und kannst dich direkt auf den Geist konzentrieren, ohne dich mit irgendwelchen äußeren Dingen einlassen zu müssen.“

§ „Lasst euch von Leuten mit Visionen nicht beeindrucken. Visionen sind nichts anderes als Träume. Es gibt welche, die wahr sind, und welche, die falsch sind. Man kann sich einfach nicht auf sie verlassen.“

§ Eine Hausfrau aus Bangkok, die mit Ajahn Fuang die Meditation ausübte, hörte von einigen seiner anderen Schüler, dass Meditation ohne Visionen der gerade Weg sei. Nun war es so, dass sie in ihrer Meditation häufig Visionen hatte, und nachdem sie das gehört hatte, fragte sie sich, wieso ihr Weg so gewunden und verwickelt war. Als sie Ajahn Fuang darüber befragte, gab er ihr zur Antwort: „Visionen bei der Meditation sind wie wilde Büsche oder Bäume am Wegesrand. Man kann nebenbei die Früchte einsammeln, und dann hat man auf seinem Weg etwas zu essen; am Ende kommt man genauso ans Ziel wie alle Anderen auch. Andere Leute sehen die Büsche und Bäume vielleicht auch, aber pflücken sie nicht ab, oder sie sehen sie vielleicht überhaupt nicht – weil ihr Weg durch unfruchtbares Land führt.“

§ „Bei der Sammlungspraxis gibt es zwei Gruppen von Leuten: solche, bei denen sich Zeichen über die Augen bemerkbar machen, wenn ihr Geist sich beruhigt, und solche, bei denen sich Zeichen über den Körper äußern. Menschen in der ersten Gruppe sehen Visionen von Menschen, Tieren und dergleichen mehr. Jene in der zweiten Gruppe haben keine Visionen, aber wenn ihr Geist zur Ruhe kommt, fühlt sich ihr Körper ungewöhnlich schwer oder leicht, groß oder klein usw. an. Wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf die Elemente im Körper richten, nehmen sie sie als Empfindungen wahr: Wärme, Kühle, Schwere, räumliche Weite und dergleichen.

Wenn ich solchen Leuten das Meditieren beibringe, brauche ich mir keine großen Sorgen um sie zu machen, weil es auf ihrem Weg nicht viele Gefahren gibt – außer der Gefahr, dass sie sich entmutigen lassen, weil in ihrer Meditation nichts passiert. Um die Leute in der ersten Gruppe mache ich mir wirklich Sorgen, weil es für sie viele Gefahren gibt. Ihre Visionen können sie dazu bringen, voreilig alle möglichen falschen Schlüsse zu ziehen. Wenn sie nicht lernen, wie man richtig mit Visionen umgeht, bleiben sie darin stecken und können sich nicht zu einer höheren Stufe weiterentwickeln.“

§ „Visionen – oder was sonst im Verlauf der Meditation auftaucht: es ist nicht so, dass man sie nicht beachten sollte, denn in manchen Visionen stecken wichtige Botschaften. Wenn also etwas Derartiges auftaucht, muss man untersuchen, wie es erscheint, warum es erscheint, und was es bezweckt.“

§ „Menschen mit Visionen haben ein zweischneidiges Schwert in der Hand, darum müssen sie aufpassen. Die Dinge, die erscheinen, haben ihren Nutzen und ihre Gefahren. Also lernt, wie man das Nützliche herausholt und die Gefahren links liegen lässt.“

§ Wenn ein Schüler bei der Meditation eine Vision des eigenen Körpers sah, wies er ihn gewöhnlich an, den Körper in seiner Vision in die vier Elemente – Erde, Wasser, Wind und Feuer – oder die 32 Grundbestandteile zu zerlegen, und ihn anschließend in Brand zu setzen, bis er zu Asche zerfiel. Kehrte die gleiche Vision wieder, ließ er ihn genauso verfahren, bis er es ganz schnell konnte.

Eine seiner Schülerinnen, eine Nonne, praktizierte tagtäglich diese Art der Meditation, aber sobald sie den Körper in seine 32 Bestandteile zerlegt hatte und gerade daran gehen wollte, ihn in Brand zu setzen, erschien ein zweites Bild ihres Körpers direkt neben dem ersten. Wollte sie dann den zweiten Körper verbrennen, erschien noch einer daneben, und noch einer, und noch einer, wie zum Grillen bestimmte Fische auf einem Tablett. Bei diesem Anblick verging ihr ganz die Lust, weiterzumachen, aber als sie das gegenüber Ajahn Fuang äußerte, sagte er zu ihr: „Der ganze Sinn dieser Übung besteht darin, die Lust zu verlieren, aber nicht die Lust am Weiterüben.“

§ Ein anderes Verfahren, das Ajahn Fuang lehrte, um mit einem Bild des eigenen Körpers umzugehen, war es, sein Augenmerk darauf zu richten, wie er in der ersten Woche im Schoß der Mutter aussah, in der zweiten Woche, der dritten, und so weiter bis zum Tag der Geburt; dann im ersten Monat danach, im zweiten Monat, im ersten Jahr, im zweiten Jahr, und so weiter bis ins hohe Alter und zum Tod.

Eine Frau probierte es mit diesem Verfahren, aber es ging ihr zu langsam, also ging sie stattdessen in Intervallen von fünf oder zehn Jahren vor. Als Ajahn Fuang das herausfand, sagte er zu ihr: „Du lässt ja die ganzen interessanten Sachen aus“, und gab ihr einen neuen Satz Regeln auf. „Denke an deinen Kopf und dann stelle dir vor, wie du ein Haar nach dem anderen herausreißt und in deine Handfläche legst. Schau, wieviele du ausreißen kannst, und dann pflanze sie einzeln wieder ein. Wenn du noch nicht fertig geworden bist, dann verlasse die Meditation erst, wenn du es geschafft hast. Wenn du sie in Büscheln ausreißen willst, na gut, aber du musst sie einzeln wieder einpflanzen. Wenn du etwas davon haben willst, dann musst du so in die Einzelheiten gehen.“

§ Eine seiner Schülerinnen fragte Ajahn Fuang: „Wie kommt es, dass sich in meiner Sammlung Intuitionen immer nur in so kurzen Blitzen zeigen, ohne dass ich das ganze Bild erfassen kann?“ Er antwortete: „Wenn man eine Schallplatte zum Abspielen auf den Plattenspieler legt, dann muss die Nadel die ganze Zeit auf die Platte gedrückt bleiben, damit man alles zu hören bekommt. Wenn du nicht die ganze Zeit draufhältst, wie kannst du da irgendwelche Erkenntnisse erwarten?“.

§ Eine andere Schülerin saß mit Ajahn Fuang in Meditation, als ihr in der Sammlung das Bild eines Toten erschien, der sie um einen Anteil an dem aus ihrer Übung entspringenden Verdienst bat. Alarmiert sagte sie zu Ajahn Fuang: „Vor mir steht ein Geist, Than Po.“

„Das ist kein Geist“, antwortete er. „Das ist eine Person.“

„Nein, es ist wirklich ein Geist“, beharrte sie.

„Wenn das ein Geist ist“, sagte er. „dann bist du auch ein Geist. Wenn du ihn als Person siehst, dann kannst du auch eine Person sein.“

§ Im Anschluss daran riet er ihr, wenn sie so etwas wieder sehen sollte, Gedanken wohlwollender Güte auszusenden, dann würde das Bild weggehen. Also machte sie von da an eben das, und zwar ohne Umschweife, sobald sie ein Bild von einer toten Person in ihrer Meditation sah. Als Ajahn Fuang das herausfand, sagte er: „Moment mal. Beeile dich nicht so damit, sie loszuwerden. Schau dir erst einmal an, in welchem Zustand sie sind, und dann frage sie, welches Karma sie gewirkt haben, um so zu werden. Wenn du das tust, wirst du allmählich etwas Einsicht in den Dhamma gewinnen.“

§ Einige Wochen später hatte sie die Vision einer ausgemergelten Frau, die ein winziges Kind bei sich trug. Die Frau trug nichts als schmutzige Fetzen, und das Kind weinte ohne Unterlass. Die Schülerin befragte die Frau in ihrer Vision, was sie getan hatte, dass es ihr so erbärmlich erging, und bekam zur Antwort, dass sie versucht hatte, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, aber infolge dessen sowohl das Kind als auch sie selbst gestorben waren. Als sie das hörte, überkam die Schülerin ein überwältigendes Gefühl des Mitleids für die beiden, aber so sehr sie sich auch bemühte, ihnen Gedanken wohlwollender Güte zu schicken, schien ihnen das auf keinerlei Weise zu helfen, weil ihr Karma so schwerwiegend war.

Das bedrückte sie, und sie erzählte Ajahn Fuang davon. Dieser antwortete: „Ob sie deine Hilfe empfangen können oder nicht, ist ihre Sache, nicht deine. Unterschiedliche Leute haben unterschiedliches Karma, und manche sind momentan außer Reichweite von jedwelcher Hilfe. Du gibst, was du kannst, aber es besteht keine Veranlassung, zurückzukehren und eine offizielle Untersuchung über das, was sich daraus ergeben hat, anzustellen. Sie bitten um Hilfe, und du gibst, was du kannst. Sie erscheinen dir, damit du an ihrem Beispiel mehr darüber lernen kannst, wie sich Karma auswirkt. Das ist genug. Wenn du fertig bist, wende dich wieder dem Atem zu.“

§ Sie befolgte Ajahn Fuangs Anweisungen weiter, bis sie eines Tages den Gedanken hatte: „Wenn ich so die ganze Zeit immer nur gebe und gebe und gebe, bleibt denn dann für mich auch noch etwas übrig?“. Als sie Ajahn Fuang von ihren Zweifeln erzählte, schaute er sie einen Moment lang völlig verständnislos an und sagte dann: „Junge, Junge, du kannst aber wirklich engherzig sein, wenn du es darauf anlegst, was?“ Dann erklärte er: „Wohlwollende Güte ist keine Sache wie Geld, von der man um so weniger hat, je mehr man davon weggibt. Es ist eher wie eine brennende Kerze, die man in der Hand hält. Es kommt einer und bittet darum, seine Kerze an deiner anstecken zu dürfen, und dann kommt der nächste mit seiner Kerze und möchte sie auch anstecken. Je mehr Kerzen du anzündest, um so heller wird es für alle – auch für dich.“

§ Die Zeit verging und eines Tages hatte sie eine Vision von einem Mann, der sie darum bat, seinen Kindern und Enkeln auszurichten, dass sie auf eine bestimmte Weise Verdienst erwerben und ihm widmen sollten. Nachdem sie ihre Meditation beendet hatte, bat sie Ajahn Fuang um Erlaubnis, die Kinder des Toten aufsuchen und von ihrer Vision unterrichten zu dürfen, aber er sagte: „Wozu? Du bist doch keine Postbotin. Und selbst wenn du es wärst, hätte er kein Geld, um dir deinen Sold zu bezahlen. Wie willst du den Leuten beweisen, dass das, was du ihnen sagst, wahr ist? Sollten sie dir glauben, wirst du dich davon hinreißen lassen und glauben, du seist so eine besondere Art von Wahrsagerin. Wo du gehst und stehst würdest du dir selbst mit so einem kleinen Lächeln zulächeln. Und sollten sie dir nicht glauben, weißt du doch wohl, was sie sagen würden, oder?“

„Was denn, Than Po?“

„Dass du verrückt bist.“

§ „Es gibt wahre Visionen und falsche Visionen. Wenn dir also eine erscheint, dann bleibe einfach ruhig sitzen und schau sie dir an. Lass dich nicht dazu hinreißen, ihr zu folgen.“

§ „Man sollte Visionen behandeln, als würde man vor dem Fernseher sitzen: Schau einfach zu, ohne dich in die Röhre ziehen zu lassen.“

§ Einige von Ajahn Fuangs Schülern hatten manchmal Visionen von sich oder ihren Freunden in früheren Leben, und sie waren gewöhnlich ganz aus dem Häuschen über das, was sie gesehen hatten. Wenn sie ihm von ihren Visionen berichteten, pflegte Ajahn Fuang sie zu warnen: „Du klebst doch nicht etwa immer noch an der Vergangenheit, oder? Sonst wärst du ein Narr. Du bist ungezählte Weltzeitalter lang immer wieder geboren worden und gestorben. Würdest du die Knochen all deiner vergangenen Körper zu einem Haufen aufschichten, wären sie höher als der Berg Sumeru. Das Wasser in sämtlichen Weltmeeren ist weniger als das Wasser der Tränen, die du wegen all der Leiden, großen wie kleinen, vergossen hast, durch die du gegangen bist. Wenn du darüber mit wahrer Einsicht nachdenkst, wird deine Faszination mit jeglichen Daseinszuständen vergehen, und du wirst keinen Gefallen mehr am Geborenwerden finden. Dein Herz wird geradewegs auf Nibbana zusteuern.“

§ Im Jahr 1976 schloss sich eine große Zahl neuer Schüler und Schülerinnen Ajahn Fuang an. Eine von ihnen fragte sich, was wohl der Grund dafür sein möge, und stellte sich diese Frage daher in ihrer Meditation. Die Antwort, die ihr kam, war, dass Ajahn Fuang in einem früheren Leben viele Kinder gehabt hatte, und dass diese jetzt als seine Schüler wiedergeboren worden waren.

Hinterher fragte sie ihn, warum dies so gewesen sei, weil sie dachte, er würde ihr sagen, dass er früher ein König mit einem großen Harem gewesen sei, aber stattdessen meinte er: „Wahrscheinlich war ich ein Fisch im Meer, der wer weiß wieviele Eier auf einmal gelegt hat.“

§ Eines Abends meditierte eine Schullehrerin bei sich zuhause und erinnerte sich nach und nach ihrer früheren Leben bis weit zurück in die Zeit von König Asoka. In ihrer Vision sah sie, wie König Asoka ihren Vater wegen einer geringfügigen Übertretung der Palastetikette erbarmungslos prügelte. Am nächsten Morgen suchte sie Ajahn Fuang auf, um ihm von ihrer Vision zu erzählen, und es war offensichtlich, dass sie wegen dem, was sie ihn hatte tun sehen, immer noch fuchsteufelswild auf König Asoka war.

Weder bestätigte noch bestritt Ajahn Fuang die Echtheit ihrer Vision. Stattdessen sprach er ihren Ärger in der Gegenwart an: „Jetzt hast du schon über 2000 Jahre diesen Groll mit dir herumgetragen, und was bringt dir das? Geh hin, bitte ihn im Geist um Verzeihung, und lass es gut sein.“

§ „Es ist gut, dass die meisten Leute sich nicht an ihre früheren Leben erinnern können, sonst wäre alles noch viel komplizierter als es ohnehin schon ist.“

§ Eine Frau, die zu jener Zeit noch nicht Ajahn Fuangs Schülerin war, meditierte für sich zuhause, als ihr die Vision von einem Satz erschien, der ein wenig an Pali erinnerte, aber doch nicht ganz. Also schrieb sie ihn nieder, ging von Wat zu Wat und bat verschiedene Mönche, ihr den Satz zu übersetzen. Aber niemand konnte ihr behilflich sein, bis sie einen Mönch traf, der ihr sagte, er sei in Arahantsprache und nur ein Arahant könne seinen Sinn verstehen. Dann besaß er noch die Unverschämtheit, ihn ihr zu übersetzen, worauf er ihr sagte, sie solle ihm alle weiteren Sätze, die in ihren Visionen auftauchten, auch bringen, und er würde sie für sie ebenfalls übersetzen.

Sie war allerdings doch nicht völlig davon überzeugt, dass das, was er ihr gesagt hatte, stimmte, und so erwähnte sie den Vorfall bei ihrer ersten Begegnung mit Ajahn Fuang. Seine Antwort: „Was? Arahantsprache? Der Geist eines Arahants steht über und jenseits aller Konventionen. Was für eine Sprache sollte so ein Geist haben?“

§ „Die meisten Leute mögen die Wahrheit nicht. Sie glauben lieber an Fantasiegebilde.“

§ Es kam vor, dass einige von Ajahn Fuangs Schülern in ihren Visionen die eine oder andere Art von Wissen erlangten und sich davon völlig fesseln ließen, er sie aber trotzdem nicht zurechtwies. Eines Tages fragte ihn die Schneiderin, wieso er solche Leute nicht davor warnte, dass ihre Übungspraxis auf Abwege geriet, und er sagte zu ihr: „Man muss sich anschauen, wie reif sie sind. Wenn es tatsächlich Erwachsene sind, kann man es ihnen geradeheraus sagen. Wenn ihr Geist noch unmündig ist, muss man sie erst eine Weile spielen lassen, wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug. Fasst man sie zu hart an, lassen sie sich vielleicht entmutigen und geben ganz auf. Wenn sie dann allmählich erwachsen werden, sehen sie sicher bald von selbst, was etwas taugt und was nicht.“

§ „Lasst euch weder mit der Vergangenheit noch mit der Zukunft ein. Bleibt einfach in der Gegenwart – das reicht. Aber auch wenn das der Ort ist, wo ihr bleiben sollt, sollt ihr euch trotzdem nicht daran festhalten. Wieso glaubt ihr dann, ihr solltet Dinge aufgreifen, bei denen ihr nicht einmal bleiben sollt?“

§ „Ihr wisst, dass ihr nicht einmal an eure eigenen Visionen glauben sollt, wieso solltet ihr dann an die Visionen anderer Leute glauben?“

§ „Wenn du deine Visionen nicht loslassen kannst, wirst du niemals die Befreiung erlangen.“

§ Einer von Ajahn Fuangs Schülern fragte ihn: „Wie kann man herausfinden, ob das, was man in einer Vision sieht, wahr oder falsch ist?“

Seine Antwort: „Selbst wenn es wahr sein sollte, ist es nur in konventioneller Hinsicht wahr. Man muss seinen Geist jenseits von wahr und falsch bringen.“

§ „Der Zweck der Übungspraxis ist es, das Herz rein zu machen. Alles Andere ist nur Spielerei und Zeitvertreib.“

Unmittelbar beim Wahrnehmen   

§ „Was immer ihr erlebt, nehmt es einfach nur bewusst wahr. Das ursprüngliche Herz hat keine charakteristischen Eigenschaften. Es nimmt alles wahr. Aber sobald Dinge von innen oder von außen es berühren, verursachen sie ein Erlahmen der Achtsamkeit, so dass wir das bewusste Wahrnehmen aufgeben, das bewusste Wahrnehmen als solches vergessen und die ganzen charakteristischen Eigenschaften der Dinge annehmen, die danach kommen. Dann verhalten wir uns so, wie sie es vorgeben – wir werden fröhlich, traurig oder was auch sonst. Dass wir so sind, kommt daher, weil wir konventionelle Wahrheiten nehmen und uns daran festklammern. Wenn wir nicht unter ihrem Einfluss stehen wollen, müssen wir die ganze Zeit beim ursprünglichen Wahrnehmen bleiben. Das erfordert eine große Menge an Achtsamkeit.“

§ Eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen fühlte sich von der Welt schlecht behandelt und suchte bei ihm Trost. Er meinte zu ihr: „Welchen Grund sollte es geben, sich schlecht behandelt zu fühlen? Du bist ja diejenige, die unter den Ereignissen, die sie treffen, hin und her schwankt, das ist alles. Betrachte das, was geschieht, und du wirst sehen, dass der Geist etwas davon Getrenntes ist. Ereignisse kommen herein und ziehen wieder vorbei. Warum sollte man sich also davon beeinflussen lassen? Bleibe mit dem Geist einfach nur unmittelbar bei dem simplen Gewahrsein, dass diese Dinge kommen und bald wieder verschwunden sein werden. Warum sollte man ihnen nachlaufen?“

§ "„Was gehört dir denn wirklich? Wenn du stirbst, wirst du keines dieser Dinge mitnehmen können, warum sollte man also Zeit damit verschwenden, sich irgend etwas zu wünschen? Es gibt überhaupt nichts, was du dir wünschen musst. Bringe den Geist zur Ruhe. Mache ihn eins. Du musst dich nicht darum bekümmern, was du erreicht hast oder was sonst jemand erreicht hat. Nimm einfach nur wahr. Das genügt.“

§ „Wenn dich irgend etwas trifft, lass es nur bis ‘wahrnehmen’ gehen. Lass es nicht bis mitten ins Herz dringen.“

§ „Du musst nur dafür sorgen, dass dieses einfache Wahrnehmen fest und stark bleibt, dann wird dich nichts überwältigen können.“

§ „Bleibe die ganze Zeit beim Wahrnehmen selbst – außer wenn du schläfst. Bleibe sofort nach dem Aufwachen wieder unmittelbar beim Wahrnehmen, und es wird nicht lange dauern, bis Einsicht sich erhebt.“

§ Eine Frau, die zusammen mit Ajahn Fuang die Meditation ausübte, fühlte sich mit der Zeit, als sei sie in zwei Personen aufgespalten: eine Person, die handelte, und eine Person, die zusah. Sie hatte dieses Gefühl nicht nur, wenn sie in Meditation saß, sondern auch, wenn dies nicht der Fall war. Dies ging so weit, dass sie keinen Sinn mehr darin sah, in Meditation zu sitzen, weil sie das Gefühl hatte, dass Sitzen und Nicht-Sitzen sich auf keine Weise unterschieden. Sie fragte ihn danach, und er sagte zu ihr: „Wenn du nicht magst, brauchst du nicht zu sitzen. Sieh nur zu, dass dieses Gefühl des ‘Beobachters’ stets vorhanden bleibt. Mit geschlossenen Augen zu sitzen ist nur eine äußerliche Konvention. Beobachte einfach nur weiter. Wenn Geist und Körper sich auf diese Weise voneinander trennen, dann kann der Körper sich dem Geist nicht aufdrängen. Wenn der Körper sich dem Geist aufdrängt, dann kann sich der Geist dem Einfluss dessen, was im Körper vor sich geht, nicht entziehen.“

§ „Rechtes Wahrnehmen muss in Verbindung mit dem Atem stehen.“

§ „Bewusst wahrzunehmen bedeutet wahrzunehmen, sobald sich Befleckung erhebt, Befleckung zu erkennen und nicht unter ihrem Einfluss zu handeln.“

§ „Hier gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft, nur Gegenwart. Nicht Mann, nicht Frau, überhaupt kein irgendwie geartetes Zeichen. Es gibt nichts, nicht einmal ein Selbst. Was es da an Selbst gibt, ist es nur in einem konventionellen Sinne.“

§ Sobald das Wahrnehmen unverrückbar fest ist, muss man sich darüber hinaus begeben.“

§ Im Jahr 1978 musste einer von Ajahn Fuangs Schülern nach Hongkong ziehen, wo er dann ein kleines Meditationszentrum einrichtete. In einem seiner Briefe bat er Ajahn Fuang darum, ihm einen kurzen Abriss über die Hauptpunkte der Übungspraxis niederzuschreiben und erhielt die folgende Antwort:

„Richte dein Augenmerk auf die sechs Elemente: Erde, Wasser, Wind, Feuer, Raum und Bewusstsein. Wenn du dich mit jedem im Einzelnen vertraut gemacht hast, verschmelze sie zu einer Einheit und behalte sie im Auge, bis sie fest und stark geworden sind. Deine Energie wird zusammenfließen, bis Körper und Geist beide gesättigt sind. Sind die physischen Elemente in einem harmonischen Gleichgewicht, dann führt das bei ihnen zur Sättigung, und der Geist wird sie von selbst loslassen und sich dem Eins-Sein zuwenden. Die Elemente werden eins sein, der Geist wird eins sein. Daraufhin richtest du die Aufmerksamkeit auf den Geist. Wende dich ihm zu, bis du seiner voll bewusst bist. Dann lasse auch dieses bewusste Wahrnehmen, zusammen mit jeglichem Wissen, das du erlangt hast, los, und es wird nichts mehr übrig sein. Lasse selbst die Ereignisse in der Gegenwart, die du wahrnimmst, los. Das ist der Punkt, an dem sich intuitive Einsicht erhebt und die Meditation ihr Ende findet.“

§ Eines Abends nahm Ajahn Fuang eine Gruppe seiner Schüler mit auf den Hügel im Wat Dhammasatit hinauf, auf dem sich das Chedi befindet, um mit ihnen dort in Meditation zu sitzen. Mit Blick nach Süden konnten sie in der tintenschwarzen Dunkelheit weit draußen auf See die hellen Lichter der Fischerboote sehen. „Wenn man sich wie hier ganz weit oben befindet, dann kann man alles sehen“, bemerkte er dazu. Für eine Zuhörerin hatte dies eine besondere Bedeutung, denn sie wusste, dass er nicht nur die Aussicht vom Hügel meinte.

Kontemplative Betrachtung   

§ „Alles, was dir widerfährt, hat seine Gründe. Lernst du, es so gründlich zu betrachten, dass du seine Ursachen erkennen kannst, dann wird es dir gelingen, davon loszukommen.“

§ „Unsere Befleckungen haben uns lange genug leiden lassen. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir sie leiden lassen.“

§ „Es gibt zwei Arten von Menschen: solche, die gerne denken, und solche, die das nicht gerne tun. Wenn Menschen, die nicht gerne denken, anfangen zu meditieren, dann muss man sie förmlich dazu zwingen, die Dinge zu untersuchen. Drängt man sie nämlich nicht dazu, bleiben sie einfach wie ein Klotz in der Vertiefung stecken und kommen nicht weiter. Was diejenigen betrifft, die gerne denken, so müssen sie regelrecht Gewalt anwenden, um ihren Geist zur Ruhe zu bringen. Aber sobald sie die innere Sammlung gemeistert haben, braucht man nichts mehr zu tun, damit sie die Dinge untersuchen. Was immer den Geist auch trifft, sie untersuchen es augenblicklich.“

§ „Dasjenige Einsichtsvermögen, welches die Befleckungen loslassen kann, ist ein besonderes Einsichtsvermögen, kein gewöhnliches. Es muss auf der inneren Sammlung aufbauen, damit es loslassen kann.“

§ „Damit Einsicht sich erheben kann, musst du deine eigenen Strategien entwickeln. Du kannst nicht einfach die Vorgehensweisen anderer Leute übernehmen und erwarten, dass du die gleichen Ergebnisse erzielen wirst wie sie.“

§ „Wenn Einsichten auftauchen, versuche nicht, sie dir zu merken. Wenn es echte Einsichten sind, bleiben sie bei dir. Wenn du versuchst, sie dir ins Gedächtnis einzuprägen, werden sie zu Bezeichnungen und Begriffen, und das wird das Aufkommen neuer Einsichten behindern.“

§ Ein Meditierender aus Singapur schrieb Ajahn Fuang einmal einen Brief, in dem er beschrieb, wie er die Lehren des Buddha auf das Alltagsleben anwandte: Er versuchte alles, worauf sein Geist sich richtete, als unbeständig, leidhaft und nicht-selbst zu sehen. Ajahn Fuang trug mir auf, einen Antwortbrief zu schreiben, in dem stand: „Sagen einem die Dinge jemals, dass sie unbeständig, leidhaft und nicht-selbst seien? Nein, das tun sie nicht, also mache sie auf diese Art nicht zu deinen Schuldenböcken. Richte dein Augenmerk auf das, was ihnen diese Etiketten verleiht, denn dort liegt der Fehler.“

§ „Selbst wenn deine Ansichten richtig sein sollten, wenn du dich an ihnen festhältst, hast du unrecht.“

§ Die Frau eines Marineleutnants meditierte gerade zuhause, als sie plötzlich den Drang verspürte, Ajahn Fuang einmal so richtig eine Standpauke zu halten. So sehr sie sich auch bemühte, den Gedanken aus ihrem Geist zu vertreiben, es gelang ihr nicht. Einige Tage später suchte sie ihn auf, um ihn um Verzeihung zu bitten. Er meinte zu ihr: „Der Geist kann Gutes denken, warum sollte er da nicht auch Schlechtes denken können? Egal, was er denkt, schau ihm nur dabei zu – aber wenn es schlechte Gedanken sind, dann pass auf, dass du nicht nach ihnen handelst.“

§ Ein Student erzählte einmal, dass er bei seiner Meditation so verfuhr: wenn sein Geist gute Gedanken dachte, ließ er sie durchgehen, aber dachte er schlechte Gedanken, dann machte er ihnen augenblicklich ein Ende. Ajahn Fuang sagte ihm: „Beobachte sie einfach nur. Schau dir an, wer es ist, der gute Gedanken und schlechte Gedanken denkt. Die guten Gedanken und die schlechten Gedanken verschwinden von selbst wieder, weil sie unter die drei Merkmale Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und Nichtselbstheit fallen.“

§ „Wenn der Geist denken möchte, dann lasse ihn denken, aber mache dir seine Gedanken nicht zu eigen.“

§ „Die Befleckungen sind wie Wasserpflanzen. Man muss sie ständig beiseite schieben, um das klare Wasser darunter sehen zu können. Wenn man sie nicht wegschiebt, schließen sie sich wieder und decken alles zu – aber wenigstens weiß man dann, dass das Wasser darunter klar ist.“

§ Eine Frau beklagte sich bei Ajahn Fuang, dass sie schon so lange meditierte, es ihr aber bisher immer noch nicht gelungen war, wenigstens einige ihrer Befleckungen abzuschneiden. Da lachte er und sagte: „Man muss sie nicht abschneiden. Glaubst du etwa, dass du das kannst? Die Befleckungen waren schon lange ein untrennbarer Bestandteil dieser Welt, bevor es dich überhaupt gab. Du bist gekommen und hast nach ihnen gesucht. Ob du nun dazukommst oder nicht, sie existieren unabhängig für sich. Und wer sagt denn, dass es Befleckungen sind? Haben sie sich dir vorgestellt? Sie gehen einfach ihren eigenen Weg. Also versuche, dich mit ihnen vertraut zu machen. Sieh ihre guten und ihre schlechten Seiten.“

§ Eines Tages erklärte Ajahn Fuang einer neuen Schülerin, wie man das Auftauchen und Verschwinden der Befleckungen beobachtet. Nun war es so, dass sie eine altgediente Leserin von Dhammabüchern war, also tat sie ihre Meinung dazu kund: „Sollte ich, statt sie nur zu beobachten, nicht versuchen, sie zu entwurzeln?“

Er antwortete: „Wenn dein einziger Gedanke ist, sie zu entwurzeln, dann könnte es sein, dass ihre Früchte einfach auf den Boden fallen und neu zu sprießen beginnen.“

§ Eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen erzählte ihm, sie habe den Punkt in ihrer Meditation erreicht, wo alles, was ihr begegne, ihr nichts mehr ausmache. Er warnte sie: „Klar kann man unbeeindruckt sein, solange man nicht auf etwas trifft, das direkt ins Herz geht.“

§ „Ein jeder lebt mit Leiden, Leiden, Leiden, aber sie begreifen es nicht, und daher können sie sich nicht davon befreien.“

§ „Wer Bescheid weiß, leidet nicht. In jedem Leben gibt es Leiden – solange die fünf Khandhas da sind, muss es Leiden geben – aber wenn du es wirklich begriffen hast, kannst du unbeschwert leben.“

§ „Krank zu sein bietet eine unschätzbare Gelegenheit. Man kann die Schmerzen untersuchen, die mit der Krankheit einher gehen. Bleibe nicht einfach so liegen. Meditiere dabei. Untersuche, wie sich die Schmerzen verhalten, wenn sie aufsteigen. Lass den Geist nicht mit ihnen gemeinsame Sache machen.“

§ Eine von Ajahn Fuangs Schülerinnen hatte Krebs und bekam deswegen Bestrahlungen aus einer Kobaltquelle, bis sie gegenüber dem Anästhesiemittel eine Allergie entwickelte. Die Ärzte wussten nicht, was sie tun sollten, also schlug sie ihnen vor, die Behandlung ohne Schmerzmittel zu versuchen. Zunächst waren die Ärzte zurückhaltend, aber als sie ihnen versicherte, dass sie dank der Kraft ihrer Meditation den Schmerzen widerstehen könne, willigten sie schließlich ein, einen Versuch zu wagen.

Nach der Behandlung besuchte Ajahn Fuang sie im Krankenhaus. Sie erzählte ihm, dass sie in der Lage gewesen war, ihren Geist so stark zu sammeln, dass sie die Schmerzen ausgehalten hatte, aber dass sie davon völlig erschöpft war. Er gab ihr den Rat: „Du kannst wohl die Kraft der geistigen Sammlung benutzen, um die Schmerzen in Schach zu halten, aber damit vergeudest du deine Energie. Du musst dem Schmerz mit Einsicht begegnen, so dass du erkennst, dass er nicht du ist. Er gehört dir nicht. Dein Wahrnehmen ist eine Sache, der Schmerz eine andere. Wenn du es so betrachten kannst, wird es leichter gehen.“

§ Einige Monate später ging die gleiche Frau zu einem Vortrag eines berühmten Mönchs aus Bangkok, der über den Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt als einem Ozean des Leidens sprach. Was er sagte beeindruckte sie tief. Später suchte sie Ajahn Fuang auf und erzählte ihm davon. Während sie darüber sprach, überwältigte sie das Bild des Ozeans so sehr, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Da sagte er: „Jetzt, wo du weißt, dass es ein Ozean ist, warum setzt du denn nicht zur anderen Seite über?“ Das genügte, um ihre Tränen zu trocknen.

§ „Der Buddha lehrte uns nicht, unseren Schmerz zu kurieren. Er lehrte uns, ihn zu begreifen.“

§ „Es stimmt, dass Krankheit ein Hindernis für die Meditation sein kann, aber wenn du klug genug bist, die Krankheit zu deinem Lehrer zu machen, dann wirst du sehen, dass der Körper eine Brutstätte von Krankheiten ist, und dass du dich daher nicht an ihm festhalten solltest, als ob er dir gehört. Dann kannst du die Bindungen entwurzeln, die um den Körper besorgt sind – denn überhaupt nichts darin gehört ja dir. Er ist einfach ein Werkzeug, das man benutzt, um gutes Karma zu schaffen und so gut wie möglich die alten Karmaschulden abzuzahlen.“

§ „Wenn du das Augenmerk darauf richtest, Schmerz und Unbehagen zu betrachten, dann musst du bis zu den feinsten Winkeln vordringen – bis zu dem Punkt, wo du siehst, dass Unbehagen schon in dem Augenblick auftaucht, in dem du die Augen aufmachst und etwas siehst.“

§ Sein Rat für eine Frau, die eine Krankheit nach der anderen durchmachen musste: „Benutze deine Achtsamkeit dazu, den Körper zu betrachten, bis du vor deinem inneren Auge das Bild gegenwärtig hast, wie er als ein Haufen Knochen zusammenfällt, den du in Brand steckst, bis nichts mehr davon übrig ist. Dann frage dich: Ist das dein Selbst? Wieso bereitet er dir dann Leiden und Kummer? Gibt es da drinnen irgendetwas, das ‘du’ bist? Schau weiter hin, bis du den wahren Kern des Dhamma erreichst – bis es da überhaupt nichts mehr von dir gibt. Dann wird sich der Geist so sehen, wie er wirklich ist, und von selbst loslassen.“

§ „Sage dir: Der Grund, warum ich immer noch Leiden verspüre, ist der, dass ich immer noch ein ‘Ich’ habe.“

§ „Der Tag wird kommen, an dem dich der Tod aufsucht und dich zwingt, alles aufzugeben, ohne Ausnahme. Deswegen solltest du schon lange vorher das Loslassen üben, damit du es gut kannst. Andernfalls – glaube es mir – wird es schwierig werden, wenn die Zeit gekommen ist.“

§ „Du brauchst vor dem Tod keine Angst zu haben. Besser, du hast vor dem Geborenwerden Angst.“

§ „Wenn du stirbst, lass dich nicht mit den Symptomen des Sterbens ein.“

§ „Erhebe den Geist über das, was er weiß.“

§ „Was da auch stirbt, lass es sterben. Aber lasse nicht das Herz sterben.“

Erkenntnis   

§ Eine auf Tonband aufgenommene Unterweisung für eine Schülerin, die in ihrer Meditation nicht weiterkam.

Sobald der Geist fest mit dem Atem verbunden ist, versuche, den Geist von seinem Gegenstand zu lösen – also vom Atem selbst. Richte dein Augenmerk auf das Folgende: Der Atem ist ein Element, Teil des Windelements. Das Wahrnehmen des Atems ist etwas anderes. Also hast du hier zwei Dinge, die zusammen gekommen sind. Wenn du sie nun voneinander trennen kannst – dadurch, dass du das wahre Wesen des Atems als Element erkennst – dann kann der Geist als solches hervortreten. Der Atem ist eben nicht du, und du bist nicht der Atem. Wenn du die Dinge auf diese Weise voneinander trennen kannst, nimmt der Geist an Kraft zu. Er ist vom Atem losgelöst und kann jeden Aspekt des Atems erkennen. Ist die Achtsamkeit voll ausgebildet, erkennt sie alle Aspekte des Atems und kann sich von ihnen lösen.

Wenn es nun zutrifft, dass dein Geist stark und deine Achtsamkeit scharf ist, während du das tust, dann tritt Einsicht auf. In diesem Augenblick erhebt sich die Erkenntnis, die dich wissen lässt, dass du tatsächlich losgelassen hast. Ist deine Achtsamkeit jedoch noch schwach, dann wirst du nicht in der Lage sein, loszulassen. Nur wenn deine Achtsamkeit wirklich belastungsfähig ist, werden bei dir Achtsamkeit und Einsicht zusammen auftreten.

Das ist etwas, das du immer wieder betrachten solltest, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet. Wenn du den Geist von seinen Gegenständen trennen kannst, wird er von allen seinen Lasten befreit sein. Also richte deine Aufmerksamkeit genau darauf, auf das Gebiet des Herzens. Behalte es im Auge, und dann beobachte den Atem und dasjenige, das den Atem bewusst wahrnimmt. Beobachte so genau wie möglich, und schließlich wirst du sehen, dass sie sich voneinander trennen. Wenn sie sich getrennt haben, dann gibt dir das die Gelegenheit, weiter nach innen zu dringen und zu untersuchen. Und hast du erst dieses eine Element genau untersucht, wirst du feststellen, dass das, was du dabei lernst, auch für alles Andere gilt.

Wenn du den Atem untersuchst, wirst du entdecken, dass er kein Lebewesen, keine Person ist – also was gibt es da an ihm, an dem man sich festhalten sollte? Man kann sich an ihm nicht als seinem Selbst festhalten, denn er geht einfach seinen eigenen Weg. Wenn du dir den Atem anschaust, wirst du sehen, dass er keinen Körper hat – keinen Kopf, keine Beine, keine Hände, keine Füße, überhaupt nichts. Wenn du das erkennst, dann lässt du ihn los, eben weil er so ist, wie er wirklich ist.

‘Cago patinissaggo mutti analayo’ heißt es in den Schriften: Du ziehst dich vom Atem zurück. Du betrachtest ihn nicht mehr als etwas, um das du dich kümmern musst. Du machst ihn nicht mehr zu deinem Zuhause – weil er dir nicht gehört. Du lässt ihn im Einklang mit seinem ursprünglichen Wesen los. Du gibst ihn zurück. Welche Dinge auch immer ihm angehören, du gibst sie der Natur zurück. Du gibst alle Elemente – Erde, Wasser, Wind, Feuer, Raum – der Natur zurück. Du lässt sie zu dem zurückkehren, was sie ursprünglich waren. Wenn du diese fünf Dinge alle untersuchst, wirst du erkennen, dass sie kein Lebewesen sind, keine Person, nicht ‘wir’, nicht ‘die Anderen’. Du lässt sie alle voll und ganz zu ihrem ursprünglichen Wesen zurückkehren.

Das bringt uns dann zum Geist, das, was diese fünf Elemente wahrnimmt. Wobei wird er nun bleiben? Richte deine Beobachtungsfähigkeit auf dieses wissende Element, das nun für sich alleine steht, nachdem sonst nichts mehr übrig ist. Untersuche es, um zu erkennen, was was ist, und das ist dann der Zeitpunkt, an dem sich eine neue Stufe der Einsicht erhebt.

Wenn du diejenige Einsicht gewinnen willst, die alle Dinge gemäß ihrem ursprünglichen Wesen loslässt, dann muss es eine besondere Erkenntnis dabei geben, die beim Loslassen auftaucht. Wenn da nicht diese besondere Erkenntnis ist, dann stellt dein Loslassen nur einen gewöhnlichen Akt des Benennens oder Erfassens dar. Es ist eine weltliche Einsicht. Aber wenn diese besondere Erkenntnis während des Loslassens auftaucht – dann stellt sich das Ergebnis noch im Augenblick des Loslassens bei dir ein und bestätigt das, was geschehen ist, als das, was es tatsächlich ist: Du weißt. Du hast losgelassen. Dann erfährst du die Reinheit in dir.

Das wird überweltliche Einsicht genannt. Wenn die Erkenntnis in dir auftaucht, die bestätigt, was du gesehen und getan hast, dann wird das überweltliche Einsicht genannt. Solange diese Erkenntnis nicht erschienen ist, ist deine Einsicht immer noch weltlich. Also bleibst du bei deiner Untersuchung der Dinge, bis alle Voraussetzungen ausgereift sind. Wenn sie dann reif sind, brauchst du sonst nichts mehr zu tun, denn die überweltliche Einsicht durchschaut noch im gleichen Augenblick, in dem sie auftaucht, alle Dinge bis auf den Grund. Sie ist ganz und gar nicht wie weltliche Einsicht.

Somit besteht der Weg, dem wir folgen, darin, genau zu beobachten, die Dinge zu untersuchen. Bleibe bei deiner gezielten Untersuchung, bis du den strategischen Punkt erreichst. Sobald der Geist diesen Punkt erreicht hat, lässt er von selbst los. Was geschieht, ist, dass er einen Punkt der Sättigung erreicht – der Dhamma in seinem Inneren ist voll – und er lässt los. Sobald er losgelassen hat, erscheinen die Ergebnisse augenblicklich.

Also: übe weiter. Du brauchst vor nichts Angst zu haben. Du wirst Ergebnisse ernten, daran gibt es keinen Zweifel. Du erntest schon die ganze Zeit Ergebnisse beim Üben. Zum Beispiel gerade jetzt, während du hier in Meditation sitzt. Du weißt, dass der Atem und der Geist gut miteinander auskommen. Das ist ein Ergebnis des Übens. Obwohl du noch nicht das Ende des Weges erreicht hast, erlangst du bei deiner Meditation doch schon ein angenehmes, unbeschwertes Gefühl. Der Geist befindet sich mit dem ein- und ausströmenden Atem in friedlicher Eintracht. Solange sich Geist und Atem nicht voneinander trennen können, müssen sie einander weiterhelfen. Der Geist hilft dem Atem, und der Atem hilft dem Geist, bis sie vollständig miteinander vertraut sind. Ist der Geist am Ende voll damit vertraut, kann er loslassen. Sobald er weiß, lässt er los. Solange er nicht wirklich weiß, lässt er auch nicht wirklich los.

Das bedeutet, dass du dich mit dem Atem abgeben musst, Zeit mit ihm verbringen musst, damit du ihn zunehmend immer mehr kennen lernst. Indem der Geist immer vertrauter damit wird, wird es ihm gelingen, seine Bindungen an Körper, Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedankengebilde und Bewusstsein aufzulösen. Sein vielfältiger Glaube an Identität – diese Dinge als das Selbst anzusehen – wird wegfallen. Das ist der Weg zur Freiheit. In dem Augenblick, in dem sich diese überweltliche Einsicht erhebt, wirst du frei sein. Du wirst dich von all den konventionellen Wahrheiten frei machen können, die da sagen: ‘Person’, ‘Selbst’, ‘Mann’, ‘Frau’, ‘wir’, ‘sie’ und so weiter.

Aber solange du noch nicht loslassen kannst, musst du dich noch auf diese Dinge verlassen. Sie sind Ruhepunkte, aber nicht deine Zuflucht. Eines stützt sich auf das Andere, Eines hilft dem Anderen weiter, damit du auf dem Weg voranschreiten kannst. Du kannst diese Dinge nicht einfach über Bord werfen, denn sie sind ja dein Übungsweg. Solange du weiterübst, wirst du nicht zurückfallen. Aber sobald du die Übung vernachlässigst, kommt es augenblicklich zu Rückschritten. Du fällst Zweifeln zum Opfer und fragst dich, ob der Dhamma wirklich wahr ist oder nicht.

Du musst den Geist weiter genau beobachten: das Wahrnehmen selbst. Es ist nicht so, dass der Geist nicht wahrnimmt, weißt du. Sein grundlegendes Wesen ist es wahrzunehmen. Betrachte ihn genau. Er ist bewusst – er nimmt wahr, aber er kann seine Auffassungen, die Konventionen, die er für wahr hält, noch nicht loslassen. Also musst du deine Untersuchung weiter vorantreiben. Schau noch genauer hin, bis der Geist und seine Gegenstände sich voneinander trennen. Bleibe dran. Wenn du so, ohne nachzulassen, weitermachst, werden deine Zweifel zunehmend verblassen, verblassen, und schließlich wirst du die wahre Zuflucht in deinem Inneren erreichen, das grundlegende Wahrnehmen, das ‘buddha’ genannt wird, das alles klar durchschaut. Das sind Buddha, Dhamma und Sangha, die in deinem Inneren als deine endgültige Zuflucht auftauchen.

Das ist der Punkt, an dem du erkennen wirst, was wirklich innen liegt, was wirklich außerhalb liegt, was wirklich nur ein Ruhepunkt ist, und was wirklich deine Zuflucht ist. Du wirst in der Lage sein, diese Dinge zu unterscheiden.

Äußere Dinge sind einfach nur Ruhepunkte. Der Körper etwa: er ist ein Ruhepunkt. Für die Dauer des kurzen Augenblicks, an dem die Elemente Erde, Wasser, Wind und Feuer im Gleichgewicht zusammenbleiben, kannst du beim Körper ausruhen. Was aber deine wahre Zuflucht betrifft: du hast sie schon gesehen. Es ist dieses grundlegende Wahrnehmen selbst, drinnen im Geist. Dein Wahrnehmen des Atems ist eine Zuflucht auf der einen Ebene. Und deine wahre Zuflucht – buddha – das ist das Wahrnehmen, das noch tiefer im Inneren liegt. Sobald du das begriffen hast, ist das alles, was es gibt. Es besteht uneingeschränkt an und für sich. Es kennt alles um sich herum klar und wahrheitsgemäß. Das ist die wahre Zuflucht in dir.

Die äußerlichen Dinge, das sind nur zeitweilige Stützen, Dinge, auf die man sich für eine kurze Weile verlassen kann, wie auf einen Krückstock. Solange es da den Atem gibt, um sie am Leben zu erhalten, benutzt man sie. Sobald es keinen Atem mehr gibt, ist das Problem beendet. Die physischen Elemente trennen sich und hängen nicht mehr voneinander ab, und somit kehrt der Geist zu seiner eigenen wahren Zuflucht zurück. Und wo ist das? Wo genau ist dieses ‘buddha’-Wahrnehmen? Wenn wir den Geist darin geschult haben, seine eigene Zuflucht zu sein, wird es in diesem Augenblick im meditierenden Herzen kein Bedauern geben.

Des Buddhas eigene Suche galt dieser Zuflucht. Er lehrte alle seine Schüler, bei sich selbst Zuflucht zu nehmen, denn auf Andere können wir uns nur eine kurze Weile verlassen. Andere zeigen uns lediglich den Weg. Aber wenn du das erreichen willst, was wirklich wahr und gut ist im Leben, dann musst du dich auf dich selbst verlassen – dich selbst belehren, dich selbst schulen, dich in Allem auf dich selbst verlassen. Deine Leiden kommen letzten Endes von dir selbst. Dein Glücklichsein letzten Endes von dir selbst. Es ist wie beim Essen: wenn du nicht isst, wie willst du da satt werden? Wenn du das Essen anderen überlässt, wirst du auf keinen Fall satt werden. Wenn du satt werden willst, musst du selber essen. So ist es auch mit dem Üben.

Du kannst dich nicht an Dingen außerhalb von dir festhalten. Äußere Dinge sind unbeständig. Vergänglich. Unzuverlässig. Sie ändern sich mit jedem Atemzug. Das gilt nicht nur für dich, sondern für jedermann. Wenn ihr euch nicht voneinander löst, solange du noch lebst, so trennt ihr euch doch, wenn du stirbst. Du trennst dich mit jedem Einatmen, mit jedem Ausatmen von den Dingen. Du kannst den Sinn deines Lebens nicht auf diese Dinge stützen – und du musst es auch nicht. Du kannst dir einfach sagen, dass dies überall in der Welt so ist. Die Welt hat nichts zu bieten, das beständig ist. Wir möchten nicht, dass die Dinge so sein sollen, aber genau so sind sie. Keiner kann sie beherrschen, niemand. Das gilt nicht nur für äußerliche Dinge, sondern auch für Dinge in deinem Inneren. Du möchtest, dass der Körper weiterleben soll, du möchtest nicht, dass er stirbt, aber er wird sterben. Du möchtest nicht, dass er sich verändert, aber er verändert sich, die ganze Zeit.

Deswegen musst du den Geist in Form bringen, damit er entsprechend den Prinzipien der vom Buddha gelehrten Kunstfertigkeit Zuflucht bei sich selbst nehmen kann. Und du brauchst nicht an der Übungspraxis zu zweifeln, denn alle die Eigenschaften, die man in der Übungspraxis entwickeln muss, sind schon in dir vorhanden. Alle Arten von Gut und Böse sind schon in dir vorhanden. Du weißt bereits, welcher Weg der gute ist und welcher Weg der erbärmliche ist, also musst du nur noch dein Herz darin ausbilden, auf dem guten Weg zu bleiben. Halte inne und betrachte dich selbst genau jetzt: Bist du auf dem richtigen Weg? Was da auch falsch sein mag, halte dich nicht daran fest. Lass es los. Vergangenheit, Zukunft, was auch immer, lass es los, so dass nur die Gegenwart übrig bleibt. Halte den Geist jederzeit offen und entspannt in der Gegenwart, und dann beginne mit dem Untersuchen.

Du weißt ja bereits, dass äußere Dinge nicht du sind oder dir gehören, aber in dir gibt es viele Schichten, die du untersuchen musst. Viele Schichten, die du untersuchen musst. Selbst der Geist gehört nicht wirklich dir. Es gibt immer noch unbeständige und leidbehaftete Dinge in ihm. Manchmal möchte er Dieses tun, machmal Jenes tun, er gehört nicht wirklich dir. Also hänge dich nicht zu sehr an ihn.

Gedankengebilde sind das große Problem. Manchmal bilden sie gute Gedanken, manchmal böse Gedanken, obwohl du es besser weißt. Du möchtest diese Dinge garnicht denken, und trotzdem erscheinen sie immer wieder im Geist, obwohl du es nicht willst. Also musst du sie als nicht dir gehörend betrachten. Untersuche sie. Es gibt nichts an ihnen, auf das man sich verlassen kann. Sie bleiben nicht bestehen. Es sind unpersönliche Ereignisse, also lasse sie im Einklang mit ihrem Wesen los.

Und gibt es da irgendetwas Bleibendes, Festes, Verlässliches, Wahres? Schau weiter nach innen. Richte deine Achtsamkeit auf den Atem und stelle diese Frage genau dort. Schließlich wirst du erkennen, was da drinnen was ist. Wann immer du Zweifel oder Probleme beim Üben hast, richte die Aufmerksamkeit auf den Atem und frage den Geist genau dort, dann wird sich Verständnis entwickeln, um deine falschen Ansichten aufzulockern und dir über die Hürde hinwegzuhelfen.

Aber selbst dieses Verständnis ist unbeständig, leidhaft und nicht-selbst. Sabbe dhamma anatta: alles, was erscheint, sagte der Buddha, ist unbeständig und nicht-selbst. Selbst die Einsichten, die im Geist auftauchen, sind nicht beständig. Manchmal erscheinen sie, manchmal nicht. Also halte dich nicht zu sehr an ihnen fest. Wenn sie erscheinen, bemerke, dass sie da sind, und dann lasse sie ihres Weges gehen. Lass deine Ansichten Rechte Ansichten sein, das heißt: genau richtig, ohne den Halt zu verlieren. Wenn du den Halt verlierst, klammerst du dich an ihnen fest, und dann betrügen sie dich, weil du aus den Augen verloren hast, was du da machst.

Auf einen Nenner gebracht heißt das: je mehr Achtsamkeit du beim Üben hast, um so besser ist es. Indem deine Achtsamkeit immer mehr heranreift, immer vollständiger wird, verwandelt sie sich in etwas Überweltliches. Die überweltliche Einsicht, von der wir vorhin gesprochen haben, entwickelt sich aus der Kraft deiner Achtsamkeit, je vollkommener diese wird.

Übe und entfalte deine Achtsamkeit also immer weiter, bis sie zur Großen Achtsamkeit wird. Versuche, sie beständig, durchgehend und zielgerichtet aufrechtzuerhalten, bis du alle Dinge so siehst, wie sie sind. So wirst du in den Lehren des Buddha vorankommen.

Befreiung   

§ „Unsere Übungspraxis besteht darin, gegen den Strom, gegen den Fluss anzugehen. Und wohin gehen wir? Zur Quelle des Stroms. Das ist die ‘Ursachenseite’ der Übungspraxis. Die ‘Wirkungsseite’ ist, dass wir loslassen und völlig unbeschwert sein können.“

§ „Die Stufen der Übungspraxis ... Tatsächlich sagen die verschiedenen Stufen ja nicht, was sie sind. Wir erfinden einfach nur Bezeichnungen dafür. Solange du dich an diesen erfundenen Bezeichnungen festhältst, wirst du niemals frei werden.“

§ „Wenn man unterschiedliche Leute unterrichtet, muss man sie je nach ihrem Temperament und ihrer Begabung unterrichten. Aber am Ende treffen sie alle auf den gleichen Punkt: Loslassen.“

§ „Nibbana ist schwer zu entdecken. Das erfordert eine Menge Einsichtsfähigkeit. Durch schiere Willenskraft lässt es sich nämlich nicht erreichen. Wenn man durch Willenskraft dorthin kommen könnte, wären schon längst alle dort.“

§ „Manche reden von ‘zeitweiligem Nibbana, zeitweiligem Nibbana’, aber wie kann Nibbana zeitlich sein? Wenn es Nibbana ist, muss es beständig sein. Wenn es keinen Bestand hat, ist es auch nicht Nibbana.“

§ „Wenn es heißt, Nibbana sei leer, dann ist damit leer von Befleckung gemeint.“

§ „Genau da, wo niemand ist, den die Schmerzen treffen, niemand, der stirbt. Genau da. Es ist in jedermann. Es ist so, als wäre die Handfläche nach unten gerichtet und man dreht sie nach oben – aber nur Menschen mit Einsichtsfähigkeit sind dazu in der Lage. Wenn man schwer von Begriff ist, sieht man es nicht, kapiert es nicht, schafft es nicht, über Geburt und Tod hinauszugehen.“

§ „Das befreite Herz ist wie das Feuerelement in der Luft. Wenn Feuer erlöscht, wird es nicht etwa vernichtet. Es durchdringt immer noch den Raum, aber es greift nicht mehr nach irgendwelchem Brennstoff, und deswegen erscheint es nicht.

Wenn der Geist von Befleckung ‘erlöscht’, dann ist er immer noch da, aber wenn neuer Brennstoff daherkommt, entzündet er sich nicht mehr, hält sich nicht fest – noch nicht einmal an sich selbst. Das wird Befreiung genannt.“

Glossary   

Abhidhamma:
Die dritte der drei Sammlungen, die den Pali-Kanon bilden. Sie besteht aus systematischen Abhandlungen über verschiedene, den Lehren des Buddha entnommene Begriffsreihen.
Ajaan:
Lehrer; Mentor.
Apadana (Avadana):
In einem späten Abschnitt des Pali-Kanon niedergelegte Geschichten, in denen es heißt, der Buddha und seine Schüler hätten ihren Weg zum Erwachen damit begonnen, dass sie einem früheren Buddha eine Spende, verbunden mit dem Wunsch nach einer bestimmten Art des Erwachens, zukommen ließen.
Arahant:
Ehrwürdiger, Gereinigter, d.h. jemand, dessen Herz von den Einflüssen geistiger Befleckungen befreit ist, und der somit keine weitere Wiedergeburt mehr erleiden wird. Ein Beiwort für den Buddha und diejenigen seiner Edlen Schüler, welche die höchste Stufe erreicht haben.
Brahma:
Ein Bewohner der höheren, formhaften und formlosen Himmelreiche, eine Stellung, die er sich – jedoch nicht dauerhaft – durch die Entfaltung von Tugend und meditativer Vertiefung (Jhana) im Verein mit den Geisteshaltungen von grenzenloser Güte, grenzenlosem Mitgefühl, grenzenloser Mitfreude und grenzenlosem Gleichmut erworben hat.
Buddho:
Erwacht – ein Beiname des Buddha.
Chedi:
Ein mit einer spitzen Kuppel überdachtes Bauwerk, in dem Reliquien des Buddha oder seiner Schüler, Gegenstände, die mit ihnen in Verbindung stehen, oder Abschriften der buddhistischen Schriften aufbewahrt werden.
Dhamma (dharma):
Die Lehre des Buddha; das Ausüben dieser Lehre; die Befreiung vom Leiden, die als Ergebnis der Lehrausübung erlangt wird.
Jataka:
Im buddhistischen Kanon aufgezeichnete Geschichten, von denen es heißt, dass sie sich mit den früheren Leben des Buddha befassen.
Jhana:
Meditative Versenkung in einer einzigen Empfindung oder geistigen Vorstellung.
Karma (kamma):
Absichtliches Handeln – in Gedanken, Worten und Taten –, das für den Handelnden Folgen beinhaltet, die der Qualität der dahinterstehenden Absicht entsprechen.
Khandha:
Haufen, Ansammlung. Die fünf khandhas sind die Einzelbestandteile, welche das sinnliche Erleben ausmachen, und bilden die Grundlage für den Eindruck, ein „Selbst“ zu haben oder zu sein. Diese sind: physische Form bzw. sinnlich wahrgenommenes Objekt; Empfindungen; Auffassungen und geistige Etiketten; Gedankengebilde; und Sinnesbewusstsein (wobei der Geist als sechter Sinn zählt).
Nibbana (nirvana):
Befreiung. Das Erlöschen von Begierde, Abneigung und Verblendung im Geist, wodurch die völlige Freiheit von Leiden und Unbehagen zustande kommt.
Pali:
Die älteste Fassung des buddhistischen Kanons; auch: die Sprache, in der diese Fassung niedergelegt ist.
Parami:
Die zehn sog. “Vollkommenheiten”, Eigenschaften, deren Entfaltung zum Erwachen führt: Großzügigkeit, Tugend, Entsagung, Einsicht, Willenskraft, Geduld, Wahrhaftigkeit, Entschlossenheit, Güte und Gleichmut.
Sangha:
Die Gemeinschaft der Nachfolger des Buddha. Auf der konventionellen Ebene bezieht sich das auf die buddhistische Mönchsgemeinde. Auf der ideellen Ebene bezieht es sich auf diejenigen Nachfolger des Buddha – ob nun Laienanhänger oder Mönch –, die in ihrer Übungspraxis zumindest die erste Stufe jener überweltlichen Eigenschaften erreicht haben, die in der Befreiung gipfeln. Zusammen werden Buddha, Dhamma und Sangha das Dreifache Juwel genannt. Durch die Zufluchtnahme beim Dreifachen Juwel – indem man sie als verbindliche Führer für das eigene Leben anerkennt – wird man zum Buddhisten.
Sumeru:
Ein sagenhafter, alles überragender Berg, von dem es heißt, er liege im Mittelpunkt der Welt, nördlich des Himalaya.
Than Phaw:
Ehrwürdiger Vater. Ein in Südostasien gebräuchlicher Ausdruck des Respekts und der Zuneigung für ältere Mönche.
Vessantara:
Der Buddha in seinem vorletzten Leben, in dem er die Tugend der Großzügigkeit zur Vollendung brachte, indem er sein Königreich und das, was er am meisten liebte, aufgab: seine Kinder und seine Frau.
Wat:
Kloster; Tempel.

Anhang: Die sieben Schritte   

§ Aus: Keeping the Breath in Mind, von Ajahn Lie.

Es gibt sieben grundlegende Schritte:

1. Beginne damit, dreimal oder siebenmal lang ein- und auszuatmen. Beim Einatmen denkst du bud-, beim Ausatmen -dho. Mache die jeweilige Meditations-Silbe so lange wie den Atemzug.

2. Nimm jedes Einatmen und jedes Ausatmen klar bewusst wahr.

3. Beobachte den Atem beim Ein- und Ausströmen und untersuche dabei, ob er sich angenehm oder unbehaglich anfühlt, weiträumig oder eng, ob es Hindernisse gibt oder ob er frei fließen kann, ob er schnell oder langsam, kurz oder lang, warm oder kühl ist. Fühlt sich der Atem nicht angenehm an, dann passe ihn an, bis er es ist. Wenn sich, zum Beispiel, langes Einatmen und langes Ausatmen nicht gut anfühlt, dann versuche es damit, kurz einzuatmen und kurz auszuatmen. Sobald du feststellst, dass sich das Atmen angenehm anfühlt, dann lasse diese angenehme Atemempfindung sich auf die verschiedenen Körperteile ausbreiten.

Nimm anfänglich die Atemempfindung an der Schädelbasis auf und lasse sie das Rückgrat hinab bis ganz zu dessen Ende fließen. Darauf, wenn du männlichen Geschlechts bist, lasse sie das rechte Bein entlang bis zur Fußsohle, bis zu den Zehenspitzen und von da hinaus in die Luft fließen. Nimm die Atemempfindung an der Schädelbasis erneut auf, lasse sie das Rückgrat hinab fließen und dann das linke Bein entlang bis zu den Zehenspitzen und hinaus in die Luft. (Wenn du weiblichen Geschlechts bist, so fange mit der linken Seite zuerst an, weil sich das männliche und das weibliche Nervensystem unterscheiden.)

Dann lasse den Atem von der Schädelbasis aus über beide Schultern, an Ellenbogen und Handgelenk vorbei, bis zu den Fingerspitzen und hinaus in die Luft fließen

Lasse den Atem vom Halsansatz aus den Zentralnerv an der Vorderseite des Körpers entlang sich ausbreiten, an Lunge und Leber vorbei, bis hinab zur Harnblase und zum Dickdarm.

Nimm den Atem in der Brustmitte auf und lasse ihn hinab bis zu den Eingeweiden fließen.

Lasse alle diese Atemempfindungen sich ausbreiten, bis sie sich verbinden und zusammenfließen, und du wirst eine große Steigerung deines Wohlergehens empfinden.

4. Lerne vier Arten, den Atem anzupassen:

a. lang ein und lang aus,
b. lang ein und kurz aus,
c. kurz ein und lang aus,
d. kurz ein und kurz aus.

Atme so, wie es für dich am angenehmsten ist. Oder, noch besser, lerne auf alle vier Arten so zu atmen, dass es angenehm ist, weil deine körperliche Verfassung und dein Atem sich ständig ändern.

5. Mache dich mit den Knoten- oder Brennpunkten für den Geist vertraut – die Ruhepunkte für den Atem – und stütze dein Wahrnehmungsvermögen auf denjenigen, bei dem es sich am angenehmsten anfühlt. Einige dieser Knotenpunkte sind:

a. die Nasenspitze,
b. die Mitte des Kopfes,
c. der Gaumen,
d. der Halsansatz,
e. das untere Ende des Brustbeins,
f. der Nabel (oder ein Punkt, der ein wenig darüber liegt).

Solltest du an häufigen Kopfschmerzen oder nervösen Störungen leiden, so verwende keine Stelle oberhalb des Halsansatzes als Fokus. Und versuche nicht, den Atem zu kontrollieren oder dich in Trance zu versetzen. Atme frei und natürlich. Der Geist soll ganz locker mit dem Atem umgehen – aber nicht so locker, dass er abschweift.

6. Verteile dein Wahrnehmungsvermögen – das bewusste Empfinden – im ganzen Körper.

7. Vereine die Atemempfindungen im ganzen Körper, indem du sie bequem zusammenfließen lässt, aber lasse dein Wahrnehmungsvermögen so breit gefächert wie möglich. Sobald du dir der Erscheinungsformen des Atems, die du im Körper bereits kennst, voll bewusst bist, wirst du auch noch alle möglichen anderen Erscheinungsformen kennenlernen. Der Atem hat seinem Wesen nach vielerlei Facetten: Atemempfindungen, die durch die Nerven fließen, solche die entlang der Nerven um diese herum fließen, solche, die sich von den Nerven zu jeder einzelnen Pore ausbreiten. Vorteilhafte und schädliche Atemempfindun

Zusammenfassend sei gesagt: (a) um die bereits überall in deinem Körper vorhandene Energie zu verbessern, damit du mit Dingen wie Krankheit und Schmerzen umgehen kannst; und (b) um das bereits in dir angelegte Wissen klar zutage treten zu lassen, damit es zur Grundlage des Könnens werden kann, das zur Befreiung und Reinheit des Herzens führt – solltest du dir diese sieben Schritte fest einprägen und dich immer an sie erinnern, weil sie absolut grundlegend für jeden Aspekt der Atemsmeditation sind.