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Setze auf die Kleinigkeiten
von
Thanissaro Bhikkhu
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
Laien für ZzE
Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden
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In unserem Üben gibt es viele kleine Dinge, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten müssen, denn wenn man den kleinen Dingen keine Aufmerksamkeit entgegenbringt, übersieht man auch das Ganze. Ajahn Mun machte einst eine Bemerkung, daß es äußerst selten wäre, von einem Baumstamm zu erblinden. Es ist viel gängiger, daß Leute am Sägemehlstaub erblinden. Mit anderen Worten: Der Umstand, daß du den kleinen Dingen keine Aufmerksamkeit schenkst, kann dich blind machen.

Das ist ein wichtiges Prinzip der Praxis. Wir geben uns mit einem großen Thema ab: Leiden. Aber man wird Leiden nicht erkennen, wenn man stets nur an die großen Dinge denkt. Wenn man an die großen Dinge denkt, gibt man sich mit Abstraktionen ab. Und manchmal können Abstraktionen zu groß werden, als daß man damit umgehen kann.

Die größte Abstraktion ist die Auffassung von „Ich bin“ : „Ich bin eine gute Person; ich bin eine schlechte Person.“ Wenn du das Gefühl hast, eine schlechte Person zu sein, dann hast du viel damit zu tun, die Wurzeln dieser Schlechtigkeit zu suchen. Die meisten von uns schwingen stets vor und zurück. Wir nehmen an, daß wir vollkommen in Ordnung sind, und wenn wir dann über etwas stolpern, das uns zeigt, daß wir nicht vollkommen in Ordnung sind, laufen wir schnell in die andere Richtung. Wir sind miserabel, wir sind ohne Hoffnung. Aber keine dieser Haltungen ist hilfreich auf dem Pfad.

Dies ist der Grund, warum Buddha, als er seinem Sohn Rahula lehrte, wie man meditiert, noch lange bevor er überhaupt auf die Atemmeditation zu sprechen kam, erklärte, er solle sich auf die Unbeständigkeit der Dinge konzentrieren, um die Einbildung „Ich bin“ abzuschneiden. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß, sobald du deinen Geist beobachtest, du realisierst, daß da gute und schlechte Absichten miteinander vermischt sind. Wenn du dir die Details ansiehst, stellt sich die Frage, ob du nun eine dahinter liegende Natur hast, die gut oder die schlecht ist, nicht. Du möchtest heraus aus der Abstraktion einer „dahinter liegenden Natur“ und einfach nachsehen, was da vor sich geht. Indem du deine Aufmerksamkeit auf den Moment richtest, indem du etwas ungeschicktes tust, arbeitest du mit einer bestimmten Absicht. Du mußt dich nicht mit deinem gesamten Charakter auf einmal befassen. Du siehst dir an, was genau hier, genau jetzt, mit dieser bestimmten ungeschickten Absicht passiert, da du mit einzelnen Ereignissen umgehen kannst. Diese sind nicht zu groß. Diese überwältigen dich nicht. Und wenn du die Qualität des Sorgfältigseins erlernst, vervollständigst du wirklich die Praxis. Du entwickelst die Qualitäten, die für den Pfad erforderlich sind.

Wenn wir das Wort Einbildung, so wie in der Einbildung „Ich bin“, hören, denken wir zumeist daran in der Bedeutung, daß wir uns besser als andere Leute fühlen. Aber aus der buddhistischen Anschauung, bedeutet dies, daß du dich vergleichst, dich zu etwas ewigem machst, das entweder gut oder schlecht im Vergleich mit anderen ist. Es könnte dies das Gefühl sein, schlimmer als andere zu sein, oder auch, daß du ihnen gleich bist. Das sind auch Einbildungen. Und mit der Einbildung, die du hast, hast du eine große Angelegenheit, mit der du dich abgeben mußt, und du hast keine Zeit, dich mit den kleinen Angelegenheiten auseinander zu setzen. Das steht wirklich im Weg. In diesem Sinne erfordert es eine Bescheidenheit, die da sagt: „Ja, ich kann mich mittels der kleinen Dinge in einer sinnvollen Art ändern. Ich kann meine Gewohnheiten ändern, die Gewohnheiten meines Geistes, indem ich mich an die Details halte.“ Das ist die Haltung, die dich durchblicken läßt. Das ist die Art von Bescheidenheit die dir gefällt. Es ist nicht die Bescheidenheit, die meint, daß du schlecht bist, da dies im Grunde gar keine Bescheidenheit ist. Wirkliche Bescheidenheit ist eine, die gewillt ist, an den kleinen Dingen zu lernen. Das ist es, was für die Praxis nützlich ist.

Sind doch all die Bewegungen des Geistes nichts anderes als sehr kleine Dinge: Oder etwa etwas anderes? Sie sind so schnell, daß du sie nur schwer bemerkst. Das ist der Grund, warum wir uns zuerst mit den kleinen Dingen auf einer externen Ebene abgeben. Sieh dir die Regeln der Mönche an. Zwei große Bände, und das ist nur die aufbereitete Version. Der ganze Weg von den großen Regeln, wie nicht zu töten, hinunter zu den kleinen Regeln, wie man seine Almosenschüssel trägt oder wie man die Robe trägt. Und so wie Ajahn Suwat einmal aufgezeigt hat: Viele der Mönchsregeln sind nicht nur für die Mönche. Viele Regeln beeinflussen, wie Laien mit Mönchen interagieren, und damit hinterlassen diese auch einen Eindruck auf Laien. Auf diese Weise machen dieses Regeln auch Laien penibler.

So wie du lernst, die kleinen Dinge rund um dich zu beobachten, tendierst du damit auch dazu, die kleinen Dinge in dir zu beobachten. Die kleinen Veränderungen des Atems, die anzeigen, daß Gier, Haß oder Angst aufgekommen ist. Zu oft sind wir uns dieser Emotionen nur dann bewußt, wenn sie unseren Geist schon vereinnahmt haben. Aber um mit ihnen in bester Weise umzugehen, möchtest du sie gerade, wenn sie aufzukommen beginnen, wahrnehmen. Und das erfordert, daß du sehr aufmerksam gegenüber den Feinheiten des Atems bist, den Feinheiten der Gefühle im Körper, die mit diesen Emotionen üblicher Weise einhergehen, sodaß du sie zeitgerecht abfangen kannst. Das ist der Grund, warum das Konzentrieren auf die kleinen Dinge keine Ablenkung ist. Ich war einmal mit einer Person konfrontiert, die in einem Zen-Center gelernt hatte, und sich über die Besessenheit zum Detail, wie er es nannte, beklagte. Er sah es als eine Ablenkung von der großen Weite der Offenheit der Leere, die große weite offene Freiheit, die da wartet, wenn man aufhört, sich auf kleine Dinge zu konzentrieren. Aber es funktioniert nicht in dieser Weise. Um die Todlosigkeit zu sehen, mußt du sehr genau mit deiner Kraft der Vorstellung sein. Und überdies ist die Todlosigkeit immer da. Warum sehen wir sie nicht? Weil wir zu wenig feinfühlig dafür sind. Wie wird man feinfühliger? Indem man sich auf die kleinen Dinge konzentriert: Diese kleinen Bewegungen des Geistes, die zu geschickten oder ungeschickten Handlungen führen. Wie nährst du die Geschickten und wie wirst du die Ungeschickten los? Das ist die große Frage.

Wenn du dich nur mit den großen Abstraktionen abgibst, wirst du die kleinen Details übersehen, da dir die große Abstraktion vermittelt, daß große Angelegenheiten wichtiger sind. Das ist die Stimme, die da sagt: „Müh dich nicht mit den Kleinigkeiten ab, das sind alles Lappalien.“ Sicher ist da Kleinkram, der dich zum schwitzen bringt. Bescheidenheit ist eine Lektion, Bescheidenheit ist es, die es dir erlaubt, anzunehmen, daß da viele kleine Dinge sind, die du zu lernen hast. Du läßt es nicht zu, daß du dich genervt fühlst, wenn diese als Grundlagen erscheinen und du dich immer wieder am Anfang siehst. Jedes mal, wenn du an den Anfang zurück gehst, lernst du neue Dinge. Es ist, als ob du zurück gehst und Ajahn Lee lesen würdest. Ich hab das persönlich bei vielen seiner Schriften bemerkt. Wenn man zurückgeht, und sie nach ein oder zwei Monaten wieder liest, erkennt man neue Dinge. Es ist das selbe Buch, aber du bist eine andere Person. Du bemerkst andere Details. Dasselbe gilt auch für den Atem. Du hältst daran, auf den Atem zurück zu kommen, zurück zum Atem, und du beginnst mit der Zeit, mehr Dinge zu sehen. Dieser Prozess mag graduell sein, so graduell, daß du dies kaum bemerkst. Das Bildnis im Kanon ist das eines Zimmermanns, der einen Hammer benutzt. Er weiß, daß er den Hammer jeden Tag hält und ihn benutzt, um die Nägel einzuhämmern, der Griff des Hammers wird immer abgenützter. Innerhalb eines Tages kann er das Ausmaß der Abnützung nicht sehen, aber mit der Zeit beginnt er, die Anzeichen zu erkennen. Eines Tages wird er vollkommen abgenützt sein.

Es ist derselbe Prozess mit dem Geist. Manchmal ist es nur in kleinen Schritten, aber das bedeutet nicht, daß es wirklich weniger ist. Das Wichtige ist, gewillt zu sein, an den kleinen Dingen zu lernen, die kleinen Dinge zu bemerken, die kleinen Dinge zu meistern, da im Meistern der kleinen Dinge die großen Dinge klar werden. Wenn du versuchst die großen Dinge zu bewältigen, deine grundlegenden Charaktereigenschaften, oder was immer, gibst du dich hauptsächlich mit Abstraktionen ab, und Abstraktionen können alle Arten von Dingen verbergen. Sie mögen groß, wichtig und beeindruckend klingen, aber wenn du dann wirklich auf sie zugehst, siehst du, daß da nicht viel da ist. Sie sind eine Nebelwand. Die wichtigen Dinge sind alle in diesem Nebel verborgen.

Versuche also diese Haltung zu entwickeln, die gewillt ist, an jeder Lektion, so klein sie auch sein mag, lernen zu wollen. Und das ist die Haltung, die es vermag, durchzublicken.