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Umgang mit Weisen pflegen
von
Bhikkhu Bodhi
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
jb für ZzE
Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden

Das Maha-Mangala Sutta, die Große Lehrrede über Segen, ist eines der beliebtesten buddhistischen Suttas und in allen Standardausführungen der Pali-Ehrdarbietungsrezitationen enthalten. Das Sutta beginnt damit, daß eine atemberaubend schöne Deva, sich in der Stille der Nacht auf die Erde herablassend, den Buddha im Jetas Hain aufwartet und nach dem Wege zum höchsten Segen fragt. In der ersten Strophe bemerkt Buddha in seiner Antwort, daß der höchste Segen davon kommt, Dummköpfe zu meiden und sich mit den Weisen abzugeben (asevana ca balanam, panditanan ca sevana). Nachdem der Rest des Suttas damit fortfährt, alle unterschiedlichen Aspekte der menschlichen Glückseligkeit, weltlich wie auch spirituell, aufzuzeigen, dient die Verknüpfung im Umgang mit Weisen in der Eröffnungsstrophe als springender Punkt: das der Erfolg entlang des Pfades des Dhammas, davon abhängt, die richtige Wahl mit unseren Freundschaften zu treffen.

Entgegen gewisser psychologischer Theorien, ist der menschliche Geist keine hermetisch abgeriegelte Kammer, die eine unabänderlich, von Biologie und frühkindlich Erfahrungen gezeichnete, Persönlichkeit einkapselt. Vielmehr bleibt er das ganze Leben hindurch ein höchst formbares Gebilde, daß sich stets selbst, in Erwiderung zu seiner sozialen Wechselbeziehung rund erneuert. Weit weg unsere persönlichen Beziehungen als eine fixe und unveränderbaren Charakter anzusehen, bezieht uns unser regulärer und wiederholter sozialer Kontakt in einen steten Prozess der psychologischen Osmose ein, der eine kostbare Möglichkeit zum Wachsen und Verändern bietet. Wie lebende Zellen verwickelt in einen chemischen Dialog mit ihren Kollegen leben, erhält unser Geist ein ständiges Bombardement von Nachrichten und Anregungen, welche, selbst auf der Ebene unter den Schwellen des Bewußtseins, tiefgründige Veränderungen bewirken können.

Besonders entscheidend für unseren spirituellen Prozess, ist unsere Auswahl an Freunden und Gefährten, die den ausschlaggebendsten Einfluß auf unsere persönliche Fügung haben können. Es ist Aufgrund seiner Wahrnehmung wie empfindlich unsere Geist von unseren Gefährten beeinflußt werden kann, daß Buddha wiederholend den Wert von guter Freundschaft (kalyanamittata) im spirituellen Leben betonte. Der Buddha bemerkt, daß er keine andere Sache als mehr verantwortlich für das aufkommen von unheilsamen Qualitäten in einer Person sieht, als schlechte Freundschaft und nichts als so hilfreich für das Aufkommen von guten Qualitäten wie gute Freundschaft (AN 1.vii,10; I.viii,1). Wieder und wieder sagt er, daß er keinen anderen äußeren Einfluß sieht, der zu so viel Schaden wie schlechte Freundschaft führt und das kein anderer äußerer Einfluß zu mehr Nutzen führt, als gute Freundschaft. (AN 1.x,13,14). Es ist aufgrund des Einflußes eines guten Freundes, daß ein Schüler entlang des Noblen Achtfachen Pfades zur Befreiung von allem Leiden, geleitet wird (SN 45:2)

Gute Freundschaft bedeutet im Buddhismus wesentlich mehr als sich mit Leuten abzugeben, die man als zugänglich empfindet und welche die selben Interessen teilen. Es bedeutet in der Umsetzung, nach weisen Gefährten Ausschau zu halten, die man als Begleiter und Einweiser betrachten kann. Der wahre weise und mitfühlende Freund ist eine, der mit Verständnis und Anteil nehmendem Herz, bereit ist zu kritisieren und zu ermahnen, einem seine Fehler aufzeigt, bereit ist zu ermutigen und anzuregen, versteht, daß das letztliche Ziel solch einer Freundschaft ein Wachsen in das Dhamma ist. Der Buddha druckt die passende Entgegnung eines Schülers, gegenüber solch einem guten Freund, in einem Vers des Dhammapadas kurz und bündig aus: “Wenn man eine Person finden, die einem die eigenen Fehler aufzeigt und einen tadelt, sollte man solch einem Weisen und scharfsinnig Berater folgen, wie man einem Führer zu einem versteckten Schatz folgt. (Dhp. 76).

Gesellschaft mit Weisen zu pflegen ist deshalb so äußerst wichtig in der spirituellen Entwicklung, da das Beispiel eines nobel gesinnten Ratgebers oft der entscheidende Faktor für das Wecken und Nähren der Entfaltung unseres eigenen unerschlossen spirituellen Potenzials ist. Der unkultivierte Geist beherbergt einen riesige Vielfalt unerkannter Möglichkeiten und diese reichen von den Tiefen der Selbstsüchtigkeit, Egoismus und Aggressivität bis zu den Höhen der Weisheit, Selbstaufopferung und Mitgefühl. Die Aufgabe, mit der wir als Anhänger des Dhammas konfrontiert sind, ist die unheilsamen Tendenzen in Schach zu halten und den Wachstum von heilsamen Tendenzen, Qualitäten, die zum Erwachen führen, zu Freiheit und zur Reinigung, zu fördern. Wie auch immer reifen und schwinden unsere inneren Qualitäten nicht in einem Vakuum. Sie sind Gegenstand eines konstanten Einwirkung der angrenzenden Umgebung und zu den mächtigsten dieser Einflüsse zählt die Gesellschaft mit der wie uns abgeben, die Leute, auf die wir als Lehrer, Ratgeber und Freunde hoch sehen. Solche Leute sprechen unbemerkt unser verstecktes Potenzial unseres Wesens an, Potenzial, daß unter ihrem Einfuß entsprechend entweder entfaltet oder vermindert wird.

In unserem Streben nach dem Dhamma, ist es daher essenziell für uns, jene als unsere Führer und Gefährten zu wählen, die zumindest teilweise noble Qualitäten repräsentieren, welche wir in der Praxis des Dhammas verinnerlichen wollen. Das ist ganz besonders in den frühen Stadien unserer spirituellen Entwicklung, wenn unsere tugendhaften Bestrebungen noch sehr frisch und zart sind, verletzlich von unserer innerlichen Unentschlossenheit untergraben zu werden oder durch Entmutigung durch Bekannte, die unsere Ideen nicht teilen, gefährdet sind, notwendig. In dieser frühen Phase gleicht unsere Geist einem Chamäleon, welches seine Farbe entsprechend dem Hintergrund anpasst. Genau so wie diese bemerkenswerten Eidechsen sich Grün verwandeln, wenn sie im Gras sind und braun, wenn sie auf der Erde sind, so werden wir zu Dummköpfen, wenn wir uns mit Dummköpfen abgeben und Weise wenn wir mit uns mit Weisen abgeben. Innere Veränderungen kommen nicht generell unverzüglich auf, jedoch langsam, in einer so zarten Steigerung, daß wir uns selbst vielleicht gar nicht darüber bewußt sind, unsere Charaktere durchwandern eine Metamorphose, die sich am Ende möglicher Weise als dramatisch deutlich erweist.

Wenn wir uns stark an jene halten, die dem Streben nach Sinnesvergnügen, Macht, Reichtum und Ansehen, verfallen sind, sollten wir nicht annehmen, daß wir immun von diesen Süchten bleiben: mit der Zeit wird unser eigener Geist sich nach und nach zu dem selben Zielen neigen. Wenn wir eng mit jenen leben, die moralische Rücksichtslosigkeit nicht aufgeben, ihr Leben bequem angepasst und weltliche Routine leben, werden auch wir in der Fahrrinne der Allerweltlichkeit stecken bleiben. Wenn wir das höchste anstreben, die Gipfel von überweltlicher Weisheit und Befreiung, dann müssen wir in die Gesellschaft jener eintreten, die dieses Höchste darstellen. Auch wenn wir nicht so beglückt sind, Gefährten zu finden, die zu diesen Höhen aufgestiegen sind, können wir uns als gesegnet ansehen wenn wir auch nur mit wenigen spirituellen Freunden zusammen treffen, die unsere Ideale teilen und die eine ernste Anstrengung unternehmen die noblen Qualitäten des Dhammas in ihren Herzen zu nähren.

Wenn wir die Frage erheben, wie wir gute Freunde erkennen, wie wir gute Ratgeber von schlechten Ratgebern unterscheiden, gibt Buddha einen kristallklaren Rat. In "Die Kürzeren Lehrrede in einer Vollmondnacht" (MN110) erklärt er den Unterschied zwischen einer Gefährtenschaft der schlechten Leute und die Gefährtenschaft von guten Leuten. Die schlechte Person wählt als Freund und Gefährten jene, die kein Vertrauen haben, deren Verhalten gezeichnet von der Abwesenheit von Scham und sittlichen Verhalten ist, die kein Wissen über spirituelle Lehren haben, die faul und unachtsam sind und denen es an Weisheit fehlt. Als eine Konsequenz aus dem Auswählen solcher schlechten Freunde als Ratgeber, plant und handelt die schlechte Person zu ihrem eigenen Schaden, den Schaden anderer und den Schaden beider und sie trifft auf Kummer und Elend.

Im Gegensatz, setzt Buddha fort, wählt die gute Person als Freunde und Gefährten jene, die Vertrauen haben, die einen Sinn für Scham und moralischem Benehmen haben, die im Dhamma belehrt sind, tatkräftig im Kultivieren des Geistes sind, achtsam und im Besitz von Weisheit. Sich solch guten Leuten zuwendend, diese als Einweiser und Leiter sehend, strebt die gute Person die selben Qualitäten als seine eigenen Ideale an und nimmt diese in seinen Charakter auf. So wird diese Person, während sie sich selbst immer näher zur Befreiung bewegt, auch zu einem Leuchtsignal für andere. Solch einer ist fähig für jene, die immer noch im Dunklen wandern, ein inspirierendes Modell zum Nachahmen zu sein und ein weiser Freund, dem man sich zur Anleitung und Rat zuneigen kann.