Ehedem herrschte zu Benares — diese Begebenheit aus der Vergangenheit ist
in derselben Art wie im Cula-Palobhana-Jātaka [1a] zu erzählen. — Damals aber
nahm das große Wesen, nachdem es die Brahmawelt verlassen, als der Sohn des
Königs von Kasi seine Wiedergeburt; es erhielt den Namen Prinz Anitthigandha
[2]. In der Hand von Frauen blieb er nicht, sondern in Männerkleidung gaben sie
ihm Milch zu trinken. In einem für die Meditation bestimmten Hause wohnte er;
Weiber schaute er nicht an.
Diese halbe Strophe sprach das junge Mädchen. Als aber das Mädchen so redete,
sprach zu ihm der König:
Nach diesen Worten aber fügte der König hinzu: „Man soll dieser alle
Gelegenheit gewähren“, und sandte sie fort, damit sie dem Prinzen diente. Zur
Zeit der Morgendämmerung ging sie mit ihrer Laute fort, stellte sich außerhalb
des Schlafgemaches des Prinzen in der Nähe auf und suchte ihn zu verlocken,
indem sie mit den Spitzen der Nägel die Laute spielte und dazu mit süßer Stimme
sang.
[§8]
Sie ging nach dem Palaste hin,
der viele Lüste in sich barg,
und sang dort die verschiednen Lieder
zu Herzen gehend, Lieb' erregend.
[§9]
Doch als jener die Stimme hörte
des jungen Weibes, das da sang,
entstand in ihm die Freud an Lüsten
und seine Leute fragte er:
[§10]
„Von wem kommt diese Stimme oder
wer singt da diese hohen Töne
zu Herzen gehend, Lieb' erregend,
die meinem Ohre wohl gefallen?“
[§11]
„Es ist ein Mädchen dies, o Fürst,
großes Vergnügen bringt es dir;
wenn du die Lüste kosten wolltest,
würd' es dir immer mehr gefallen.“
[§12]
„Wohlan, herein sie möge kommen
[3],
in meiner Nähe soll sie singen;
ganz nahe der Einsiedelei
soll sie in meiner Nähe singen.“
[§13]
Da sie gesungen vor der Mauer,
ging sie in's Haus des Nachdenkens
[4]
und fesselte ihn dann allmählich
wie einen Elefant im Walde. —
[§14]
Doch da er Liebeslust gekostet,
entstand in ihm die Eifersucht:
„Ich will allein die Lust genießen,
kein andrer Mann soll leben bleiben.“
[§15]
Drauf packte er ein Schwert und fing
die andern Männer an zu töten;
„ich nur allein will sie genießen,
kein andrer Mann soll leben bleiben.“
[§16]
Die Leute alle von dem Lande
kamen zusammen und sie klagten:
„Dieser dein Sohn, du großer König,
verletzt das Volk, das ihm nichts tut.“
[§17]
Und ihn vertrieb darauf der König
aus seinem Reich, der edle Krieger:
„Wie weit auch sich mein Reich erstreckt,
ist dir verboten, drin zu weilen.“
[§18]
Drauf nahm er seine Gattin mit
und wanderte ans Meer hinaus;
eine Laubhütte er erbaute
und ging zum Sammeln in den Wald.
[§19]
Doch da kam ein Asket gegangen,
er war weit übers Meer geflogen;
und der betrat des Prinzen Haus,
als grad die Essenszeit gekommen.
[§20]
Diesen verführt' des Prinzen Gattin, —
ach sieh, wie schrecklich war die Tat! —
er gab den heil'gen Wandel auf
und ward der Wunderkraft beraubt.
[§21]
Der Königssohn jedoch inzwischen
mit Wurzeln viel und Waldesfrüchten,
die er auf der Tragstange trug,
kam in die Einsiedlei zurück.
[§22]
Als der Asket den Edlen sah,
da eilt' er nach dem Meere hin;
fortfliegen wollt' er durch die Luft,
doch fiel er in das tiefe Meer.
[§23]
Als nun der Prinz sah den Asketen,
wie er im tiefen Meere lag,
mit Mitleid ward er da erfüllt
und sagte zu ihm diese Strophen:
[§24]
„Ohne das Wasser zu berühren,
kamst du durch eigne Wunderkraft;
doch da du mit dem Weib verkehrtest,
sinkst unter du im großen Meere
[5].
[§25]
Sie drehen sich, sind voll von Lüsten,
den heil'gen Wandel sie zerstören,
so sinken sie; und wer sie kennt,
der sucht, sie von sich fern zu halten.
[§26]
Nicht zu befried'gen, Sanftes redend,
den Flüssen gleich schwer auszufüllen
versinken sie, und wer sie kennt,
der sucht, sie von sich fern zu halten.
[§27]
Doch wenn sie einem sich ergeben
um Lust oder um Geldes willen,
so zehren sie geschwind ihn auf
so wie den Brennstoff frisst das Feuer
[6].“
[§28]
Als dieses Wort des Fürsten hörte
der Weise, da erlosch die Lust;
die alte Fähigkeit erhielt er
und durch die Luft flog er dahin.
[§29]
Als den Asketen sah der Edle,
wie er dahinflog durch die Luft,
da ward mit Reu' erfüllt der Edle
und zur Weltflucht entschloss er sich.
[§30]
Nachdem er dann die Welt verlassen,
die Gier nach Lüsten gab er auf,
und da die Lustgier er verloren,
gelangt' er in die Brahmawelt.