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In [1] alten Zeiten, als seefahrende Händler in Schiffen zur See setzten, nahmen sie einen Vogel mit sich, um Land zu sichten. Wenn das Schiff außer Sichtweite von Land war, entließen sie den Vogel; und er flog ostwärts und westwärts, nordwärts und südwärts, aufwärts und ringsherum. Und wenn der Vogel kein Land sah, kehrte er zum Schiff zurück; aber wenn der Vogel Land in der Nähe sichtete, war er wirklich verschwunden. [2]
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Eines Tages [3] war da ein königlicher Feigenbaum, genannt Standfest, der dem König Koravya gehörte, dessen fünf ausgestreckte Äste einen kühlen und wohltuenden Schatten spendeten. Sein Umfang erstreckte sich auf 500 Meilen, und seine Wurzeln breiteten sich vierzig Meilen weit aus. Und die Früchte jenes Baumes waren in der Tat großartig: So groß wie Erntekörbe — so waren dessen saftige Früchte — und so klar wie der Honig von Bienen.
Ein Anteil wurde vom König genossen, gemeinsam mit seinem Haushalt an Frauen; ein Anteil wurde von der Armee genossen; ein Anteil wurde von den Leuten der Stadt und des Dorfes genossen; ein Anteil wurde von Brahmanen und Asketen genossen; und ein Anteil wurde von den Tieren und Vögeln genossen. Niemand bewachte die Früchte jenes königlichen Baumes, noch verletzte irgendeiner einen anderen um dessen Früchte willen.
Aber dann kam ein gewisser Mann entlang, der ernährte sich soviel von Standfests Früchten, wie er wollte, brach einen Zweig ab und ging seines Weges. Und die Deva, die in Standfest hauste, dachte zu sich selbst: "Es ist erstaunlich, es ist wahrhaft außerordentlich, dass solch ein böser Mann es wagen würde, sich soviel von Standfests Früchten zu ernähren, wie er wollte, dann einen Zweig abzubrechen und weiter seines Weges zu gehen! Nun, was, wenn Standfest in der Zukunft keine Früchte mehr tragen würde?" Und so trug der königliche Feigenbaum Standfest keinerlei Früchte mehr.
Sodann ging König Koravya hoch dort hin, wo Sakka, Oberhaupt unter den Göttern, hauste, und nachdem er sich genähert, sprach er dies: "Sicherlich müsst ihr wissen, Herr, dass Standfest, der königliche Feigenbaum, keine Früchte mehr trägt?" Und dann schuf Sakka eine magische Erschaffung von solch einer Form, dass ein mächtiger Wind und Regen nieder kamen und den königlichen Feigenbaum Standfest umstürzten, ihn dabei vollständig entwurzelten. Und dann die Deva, die in Standfest wohnte, grämte sich, wehklagte und stand weinend an einer Seite mit einem Gesicht voller Tränen.
Und dann ging Sakka, Oberhaupt unter den Göttern, dort hin, wo die Deva stand, und nachdem er sich genähert hatte, sagte dies: "Warum ist es, Deva, dass du dich grämst und wehklagst und an einer Seite stehst mit einem Gesicht voller Tränen?" "Es ist, weil, Herr, ein mächtiger Wind und Regen niedergekommen sind und meine Wohnstätte umgestürzt haben, sie dabei vollkommen entwurzelnd."
"Und hieltest du, Deva, das Dhamma der Bäume aufrecht, während dies passierte?" "Aber wie ist es, Herr, dass ein Baum das Dhamma der Bäume aufrecht erhält?"
"Wie dies, Deva: Wurzelschneider nehmen die Wurzeln des Baumes; Rindenabreißer nehmen die Rinde; Blattpflücker nehmen die Blätter; Blumenpflücker nehmen die Blumen; Fruchtpflücker nehmen die Früchte — und nichts von diesem ist Grund genug für eine Deva, nur an sich selbst zu denken oder missmutig zu werden. Solcher Weise ist es, dass ein Baum das Dhamma der Bäume aufrecht hält."
"Dann in der Tat, Herr, hielt ich nicht das Dhamma der Bäume aufrecht, als der mächtige Wind und Regen kamen und meine Wohnstätte umstürzten, sie dabei vollkommen entwurzelten." "Wenn es der Fall wäre, Deva, dass du das Dhamma der Bäume aufrecht erhältst, mag es sein, dass deine Wohnstätte so wäre, wie sie vorher war." "Ich werde in der Tat, Herr, das Dhamma der Bäume aufrecht erhalten! Möge meine Wohnstätte sein, wie sie vorher war!"
Und dann schuf Sakka, König unter den Göttern, eine magische Erschaffung von solcher Form, dass ein mächtiger Wind und Regen niederkamen und den königlichen Feigenbaum Standfest aufrichteten, und seine Wurzeln waren gänzlich geheilt.
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Sein gegebener Name war Siddhatta; als ein wandernder Asket unter seinem mütterlichen Stammesnamen "Gotama"; er war die Welt hindurch als der Weise seiner väterlichen Familie, oder Sakyamuni bekannt; und als er erleuchtet war, wurde er bekannt als Buddha, der Erwachte. Seine Nachfolger benannten ihn zumeist als Bhagavant, oder "der Gesegnete", aber der Name, den er fast immer für sich selbst benutzte, war Tathagata.
Tathagata war immer ein schwierig zu übersetzendes Wort. Tatha für sich allein genommen bedeutet etwas wie "so", "solchermaßen" oder "in dieser Weise"; und gata ist das Vergangenheits-Partizip des Verbs "gehen" und heißt einfach "gegangen". Wir finden daher den Ausdruck in den Texten häufig als "So-gegangen" oder "So-gekommen" übersetzt. Der Kommentator Buddhaghosa listet acht verschiedene Wege, wie das Wort aufgefasst werden kann (Digha Atthakatha 1.59), und im Zuge dessen ergeht er sich in etwas eigentümlich kreativer Etymologie.
Ich gebe zu, dass ich niemals wirklich die Wichtigkeit des Begriffs Tathagata in ihrer Gänze verstanden habe — bis ich auf diese Geschichte stieß. Mit dem Bild des Vogels, der von Seeleuten freigelassen wird, auf der Suche nach Land, auf welchem er sich niederlassen könnte, begannen eine Anzahl an Dingen an ihren Platz zu fallen. [Anm. des Bearbeiters ZzE: Siehe weiter unten, da da vielleicht etwas missverstanden ist]
Zunächst sollten wir zwei Wege erkennen, wie der Ausdruck benutzt wird: zum einen in Bezug auf den Buddha als ein Wesen, das nicht mehr wiedergeboren wird, und zum anderen beschreibend, wie das Bewusstsein einer erwachten Person in dieser Welt immer noch zum Objekt der Erfahrung Bezug hat.
Manchmal, wenn einer der Arahats dahinscheidet, kann Mara wie eine dunkle Wolke gesehen werden, auf der Suche nach dem Ort, wo ihr Bewusstsein sich wieder etabliert (d.h. wiedergeboren) hat. In solchen Fällen sagt der Buddha von einem Arahat, dass ihr Bewusstsein "nicht irgendwo von Neuem stationiert" ist (z.B. SN 22.87). In diesem Sinne benutzt der Buddha klar den Bezeichner "Tathagata" in der Bedeutung, dass er nicht wiedergeboren werden wird — wie der Vogel, der das Schiff verlässt, ohne zurückzukehren, landet sein Bewusstsein nicht mehr in irgendeiner der anderen Welten, um wieder-verbunden zu werden mit einem anderen Körper.
Aber da ist außerdem noch ein Sinn, in welchem der Bezeichner passend die Natur des erwachten Geistes hier in diesem Leben beschreibt. Wenn seine Fragesteller versuchen, den Buddha darauf festzunageln, ob sein Bewusstsein nach dem Tod überlebt oder nicht, tadelt er sie, indem er sagt, dass selbst hier und jetzt das Bewusstsein eines Tathagata unverfolgbar ist, da es kein Mittel gibt, es zu messen oder zu kennen (z.B. Sn 1074). Vom erwachten Geist sagt man, dass er hanglos zu allem in der Welt ist — wie ein Vogel, der nicht auf irgendeinem Objekt der Erfahrung landet und so daran gebunden wird.
In der Tat ist das Lernen, den Geist von seinen Fesseln ab-zu-hängen [un-attach Wortspiel im Englischen hier im Deutschen nicht leicht nachvollziehbar] ein guter Teil von dem, was Einsichtsmeditation im Ganzen ausmacht. Das Satipatthana Sutta, zum Beispiel (der Haupttext, der Anweisungen für die Einsichtsmeditation gibt) besagt, dass eine Person, wenn sie Achtsamkeit richtig praktiziert, "verweilt unabhängig, nicht an irgendetwas in der Welt hängend" (MN 10). Der Haushälter Anathapindika erhielt kurz vor seinem Tod Anweisungen von Sariputta, der ihn dazu antrieb, sich auf diese Weise zu üben: "Ich werde nicht an dem Hängen, was gesehen, gehört, gefühlt, erkannt, begegnet, gesucht und vom Geist untersucht wird; mein Bewusstsein wird nicht abhängig von irgendetwas von diesen sein." (MN 143).
All dies fügt sich zusammen, vorzuschlagen, dass ein entscheidender Aspekt der Lehren Buddhas in der Auffassung von Bewusstsein liegt, welches unabhängig von mentalen oder physischen Objekten ist. In der Augenblick-zu-Augenblick-Praxis bedeutet dies, von Abhängigkeiten loszulassen und Erfahrung einfach das sein zu lassen, was sie ist. Vielleicht können wir mit richtiger Praxis leben wie ein Vogel, frei das Schiff unseres Körpers und unserer Welt umkreisend, anstatt als jemand, der in einem Käfig auf dessen Deck eingesperrt ist.
Im Bezug auf den Vogel und See(h)fahrt im Bezug auf Dhamma, sehen Sie das Bild und die Erklärung in Dhamma lehren mit Bilder ein.
Wie jede buddhistische Geschichte, arbeitet diese auf vielen Ebenen gleichzeitig. Es ist kein Zufall, dass der große Baum fünf Zweige hat, oder dass das Wort, welches für jeden Teil benutzt wird, "khandha" ist — der Begriff, welcher die fünf Ansammlungen von Form, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen und Bewusstsein bezeichnet. Der Mann, der seine Portion an Früchten isst, manifestiert Gier, Begierde oder Verlangen, und sein Abbrechen des Zweiges repräsentiert Hass, Wut oder Abneigung. Dies sind zwei der drei giftigen Wurzeln, aus welcher alle unheilsame Handlung entsteht (die dritte — Unwissenheit — ist stets präsent, wenn die anderen aufkommen). Daher ist das gesamte Bild repräsentativ für eine Person, welche von einem anderen betrogen wird oder sich der Eruption ihrer eigenen latenten Tendenzen für schädliche Handlung ausgesetzt findet.
Man bemerke, dass die Geschichte den "bösen Mann" nicht den Fehler seiner Wege lehrt, denn häufig ist da nichts, das man tun kann, um solche Leute oder solche Neigungen in sich selbst zu vermeiden. Die Lehre handelt mehr von unserer Antwort auf Übertretungen. Sakkas Punkt ist, dass es selbstsüchtig ist, verdrießlich auf solch einen Affront zu reagieren, und dass die einzige passende Antwort mit Wohlwollen und Großzügigkeit ist — zu sich selbst ebenso wie zu anderen. Wie der Dhammapada so passend sagt, "Niemals zu irgendeiner Zeit in dieser Welt werden Feindseligkeiten durch Feindseligkeit aufgelöst; sondern durch Wohlwollen werden sie aufgelöst — dies ist eine ewige Wahrheit" [Dhp 5].
Diese Lehre wird an Dhammika gegeben, einen Mönch, der sich über seine Behandlung durch gewisse Laien beschwert. Der Buddha spiegelt die Situation auf Dhammika zurück, der, wie es sich herausstellt, seine Mitmönche nicht sehr gut behandelt. Es ist eine Gelegenheit, mit der Hilfe dieser Geschichte, das Dhamma zu lehren, das "Dhamma eines Einsiedlers", welches sich kurz ausdrücken lässt als "nicht die Beleidigung auf den Beleidiger zurück zu werfen, die Wut auf den Wütenden oder die Schändung auf den Schänder."
[Der Bearbeiter für ZzE merkt an, dass es sich da wohl um einer Verwechslung von Kommentargeschichten handelt. Hier die Kommentargeschichte zu Dhp5 und hier die Geschichte zu Dhammika, der ein Laienanhänger war, im Bezug auf Dhp 16