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J 3
{Sutta: J i 113|J 003|J 003} {Vaṇṇanā: atta. J 003|atta. J 003}
Die Erzählung von dem Seri-Kaufmann
003
Serivanija-Jataka (Serivavāṇijajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

"Wenn nämlich du sie hier versäumst."

[§A]

Auch diese Geschichte erzählte der Erhabene, da er zu Savatthi verweilte, mit Beziehung auf einen Mönch, der in seinem Streben nachgelassen hatte.

Als dieser auf die oben geschilderte Weise von den Mönchen herbeigebracht wurde, sprach zu ihm der Meister: „Wenn du, o Mönch, der du in dieser die Frucht des Weges verleihenden Lehre Mönch geworden bist, in deinem Streben nachlässt, wirst du lange klagen wie der Kaufmann von Seri, der das goldene Gefäß, hunderttausend an Wert, verlor.“

Die Mönche baten den Erhabenen, ihnen dies bekannt zu machen. Und der Erhabene erzählte folgende von einer früheren Existenz her verborgene Begebenheit:

[§B]

Ehedem, im fünften Weltalter von jetzt ab, war der Bodhisattva im Reiche Seri [1] ein Händler mit Gürteln und Gefäßen namens Seriva. Dieser Seriva überschritt einmal mit einem habsüchtigen Kaufmann, der auch mit Gürteln und Gefäßen handelte, den Telavaha-Fluss und kam in die Stadt Andhapura. Hier verteilten sie die Strassen der Stadt unter sich; er verkaufte seine Ware in der Strasse, die ihm zugefallen war, und der andre nahm die Strasse, die er erhalten hatte.

In dieser Stadt nun war eine heruntergekommene Großkaufmannsfamilie; alle Söhne und Brüder und auch das Geld waren zugrunde gegangen. Nur ein Mädchen war noch übrig mit seiner Großmutter. Diese beiden lebten davon, dass sie bei anderen um Lohn dienten. In ihrem Hause aber befand sich mitten unter den Gefäßen eine goldene Schüssel, die der Großkaufmann früher mit Vorliebe benutzt hatte; weil diese aber so lange nicht mehr gebraucht wurde, war sie mit Schmutz überzogen. Sie aber wussten nicht, dass sie von Gold war. — Der habsüchtige Kaufmann nun kam zu dieser Zeit, indem er immer rief: „Kauft Wassertöpfe, kauft Wassertöpfe“, an die Türe ihres Hauses. Als das Mädchen ihn sah, sprach es zur Großmutter: „Mutter, kaufe mir einen Schmuckgegenstand.“

„Tochter, uns geht es schlecht; was können wir bei dem Kaufe geben?“ „Wir haben ja diese Schüssel und können sie nicht gebrauchen; diese wollen wir bei dem Kaufe hergeben.“

Sie rief daher den Kaufmann herbei, hieß ihn sich auf einen Sitz niederlassen und gab ihm die Schüssel mit den Worten: „Herr, nimm diese und gib deiner Schwester [2] etwas dafür.“

Als der Kaufmann die Schüssel in die Hand nahm, dachte er: „Es wird eine goldene Schüssel sein“; und er drehte sie um, zog auf dem Rücken der Schüssel mit einer Nadel einen Strich und erkannte, dass es Gold war. Doch er dachte: „Ich werde diese Schüssel bekommen, ohne ihnen etwas gegeben zu haben“; deshalb sagte er: „Was ist diese wert? Nicht einen halben Pfennig [2a] ist sie wert“, warf sie auf die Erde, stand von seinem Sitze auf und ging fort. Nun dachte der Bodhisattva: „Nachdem jener die Strasse besucht hat und wieder weggegangen ist, ist es erlaubt, sie nochmals zu besuchen.“ Und er ging auf diese Strasse und kam an die Tür des Hauses, indem er rief: „Kauft Wassertöpfe“. Das Mädchen sagte wieder dasselbe zu seiner Großmutter. Aber diese sprach: „Tochter, der Kaufmann, der zuerst kam, hat die Schüssel auf die Erde geworfen und ist weggegangen; was sollen wir jetzt geben, um kaufen zu können?“

Das Mädchen erwiderte: „Mutter, der Kaufmann hat grob geredet, dieser aber sieht lieb aus und redet mild; vielleicht nimmt er sie.“ „Sage es ihm also.“ Sie sagte es ihm. Als er nun in das Haus getreten war und sich niedergesetzt hatte, gaben sie ihm die Schüssel. Da er aber erkannte, dass sie von Gold sei, sagte er: „Frau, diese Schüssel ist hunderttausend wert; eine Ware, die dieser Schüssel an Wert gleich ist, habe ich aber nicht zur Hand.“

Darauf sprach sie: „Herr, der Kaufmann, der zuerst kam, sagte: ‘Diese ist keinen halben Pfennig wert’, warf sie zu Boden und ging; durch dein Verdienst [3] wird sie zu einer goldenen Schüssel geworden sein. Daher wollen wir sie dir geben; gib uns irgend etwas dafür, dann nimm sie und gehe.“ Der Bodhisattva, der in diesem Augenblicke etwa fünfhundert Kahapanas [4] und Waren im Werte von fünfhundert Kahapanas bei sich hatte, gab ihnen alles; dann bat er sie: „Gebt mir nur diese meine Waage und den Sack und acht Kahapanas“, und nahm dies mit sich und ging fort. Schnell begab er sich nach dem Flussufer, gab einem Schiffer die acht Kahapanas und bestieg das Schiff. Der habsüchtige Kaufmann aber ging wieder zu dem Hause hin und sagte: „Bringt die Schüssel her, ich will euch etwas dafür geben.“ Die Frau aber schalt ihn und sprach: „Du hast unsre Schüssel, die hunderttausend wert ist, nicht einmal einen halben Pfennig wert geschätzt; ein gerechter Kaufmann aber, der wie dein Herr [5] aussieht, hat tausend dafür gegeben und ist fortgegangen.“

Als er dies hörte, rief er: „Die goldene Schüssel im Wert von hunderttausend ist für mich verloren; jener hat mir fürwahr großen Schaden zugefügt.“ Und er wurde mit gewaltigem Kummer erfüllt und konnte gar nicht wieder zur Vernunft kommen. Wie von Sinnen streute er seine Geldstücke, die er in der Hand hatte, und seine Waren an der Haustür aus, warf sein Ober- und Untergewand ab, machte den Stock seiner Waage zu einem Knüttel und folgte damit den Spuren des Bodhisattva. Als er zum Flussufer kam, sah er den Bodhisattva dahinfahren und er rief: „He, Schiffer, wende dein Schiff!“ Der Bodhisattva aber hielt diesen davon ab mit den Worten: „Wende nicht!“ Als nun der andere den Bodhisattva immer weiter fahren sah, befiel ihn rasender Schmerz. Sein Herz wurde glühend, aus seinem Munde schoss ein Blutstrom [6] und sein Herz barst wie Seeschlamm. Da er also von Hass gegen den Bodhisattva erfüllt war, bewirkte er gerade dadurch die Vernichtung seines Lebens. Dies war der erste Hass des Devadatta gegen den Bodhisattva [7]. Nachdem aber der Bodhisattva durch Almosen Geben und dergleichen sich gute Werke gesammelt hatte, gelangte er an den Ort seiner Verdienste.

[§A2]

Als der völlig Erleuchtete diese Geschichte erzählt hatte, sprach er, der Erleuchtete, folgenden Vers:

[§3] „Wenn nämlich du sie hier versäumst, der Religion Betätigung, wirst lange du es noch bereu'n dem Kaufmann gleich, dem Serimann.“

Nachdem der Meister so, den Gipfel der Heiligkeit für ihn anstrebend, diese Predigt beendigt hatte, erklärte er die vier Wahrheiten. Am Ende der Erklärung aber gelangte der Mönch, der in seinem Streben nachgelassen hatte, zur höchsten Frucht, zur Heiligkeit.

[§C]

Als nun der Meister die beiden Begebenheiten erzählt hatte, legte er ihre Beziehung zueinander klar und verband das Jataka mit den Worten: „Damals war Devadatta der törichte Kaufmann, der kluge Kaufmann aber war ich.“ Damit beschloss er seine Rede.

Ende der Erzählung von dem Seri-Kaufmann

Anmerkung:

1.
Seri ist der Name des Landes, in dem der Bodhisattva lebte; der Name Seriva, den er selbst in dieser Existenz führte, heißt „der Mann von Seri“.
2.
Eine orientalische Umschreibung für die Sprecherin selbst.
2a.
Es ist eine kleine Münze von unbestimmtem Werte gemeint.
3.
Sie meint also, die eigentlich wertlose Schüssel sei durch seine Berührung zu Gold geworden.
4.
Es gab Kahapanas von Kupfer, Silber und Gold. Welche hier gemeint sind, ist nicht zu entscheiden; es soll vor allem der Gegensatz zwischen hunderttausend, die das Gefäß wert ist, und den tausend, die der Bodhisattva dafür gibt, betont werden.
5.
Sie verspottet ihn also, indem sie ihn nicht für einen richtigen Kaufmann, sondern für einen Gehilfen erklärt.
6.
Auch für die Gegner Buddhas ist der plötzliche Tod durch einen Blutsturz die Strafe. Vergl. „Leben des Buddha“, S. 134 und 187.
7.
Devadatta war, wie am Ende der Erzählung gesagt ist, in dieser Existenz der habsüchtige Kaufmann.
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