„Da er zuerst das Wort der Räuber hörte“
[§A]Dies erzählte der Meister, da er im Veluvana verweilte, mit Beziehung auf Devadatta. Devadatta hatte den Prinzen Ajatasattu [1] für sich gewonnen und war so zu Ruhm und Ehre gelangt. Der Prinz Ajatasattu ließ nämlich für Devadatta auf dem Berge Geierskopf ein Kloster errichten und brachte Tag für Tag fünfhundert Kessel duftender Reisspeise, aus dreijährigem Reise gefertigt, äußerst wohlschmeckend, zu ihm hin. Durch den Ruhm und die Ehrung wurde das Gefolge des Devadatta groß. Mit diesem seinem Gefolge wohnte Devadatta zusammen in seinem Kloster.
Zu der Zeit wohnten zu Rajagaha zwei Freunde. Von diesen war der eine bei Buddha Mönch geworden, der andere bei Devadatta. Diese sahen einander an dem und dem Orte und auch, indem sie einander in ihrem Kloster besuchten. Nun sprach eines Tages der Anhänger des Devadatta zu dem anderen: „Freund, warum gehst du Tag für Tag auf Almosen aus, während dir der Schweiß herunterrinnt? Devadatta sitzt in seinem Geierskopf-Kloster und verzehrt äußerst wohlschmeckende, gute Speise. Ein solches Mittel gibt's nicht mehr. Warum lebst du im Elend? Warum ziemt es für dich nicht, in der Frühe nach dem Geierskopf zu gehen, ausgezeichneten Reisschleim zu trinken, achtzehnfache feste Speise zu verzehren und so ein äußerst wohlschmeckendes, gutes Mahl einzunehmen?“ Als der andere immer wieder so angeredet wurde, bekam er Lust hinzugehen; und von da an ging er nach dem Geierskopf, aß dort jedes Mal, und wenn es Zeit war, kehrte er wieder nach dem Veluvana zurück.
Er konnte es aber nicht die ganze Zeit geheim halten und es dauerte nicht lange, so wurde bekannt, dass er nach dem Geierskopf gehe und das dem Devadatta dargebotene Mahl [2] verzehre. Da fragten ihn seine Freunde: „Ist es wahr, Freund, dass du das dem Devadatta dargebotene Mahl verzehrst?“ „Wer hat das gesagt?“ erwiderte er. „Der und der und der und der.“ „Ja, es ist wahr, Freund, ich gehe nach dem Geierskopf und speise dort; aber nicht Devadatta gibt mir das Mahl, sondern andere Leute.“ Darauf sprachen sie: „Freund, Devadatta ist ein Feind der Buddhas; er, der übel Lebende, hat den Ajatasattu für sich gewonnen und so durch Untugend Ruhm und Ehrung sich verschafft. Du aber, der du in dieser zum Heile führenden Lehre Mönch geworden bist, verzehrst das dem Devadatta mit Unrecht gespendete Mahl. Komm, wir wollen ihn zum Meister führen.“ Und sie nahmen ihn mit sich und gingen nach der Lehrhalle.
Als der Meister sie sah, fragte er: „Warum, o Mönche, seid ihr mit diesem Mönche gegen seinen Willen hierher gekommen?“ Sie antworteten: „Ja, Herr, dieser Mönch, der in Eurer Lehre Mönch geworden, verzehrt das dem Devadatta mit Unrecht gespendete Mahl.“ Der Mönch versetzte: „Herr, nicht Devadatta gibt es mir, sondern andere Leute geben es mir und dieses verzehre ich.“ Darauf sagte Buddha: „Mache hier keine Besonderheiten, Mönch. Devadatta hat nicht den rechten Wandel und lebt übel; wie kannst du, der du hier Mönch geworden bist und meiner Lehre folgst, das Mahl des Devadatta verzehren? Schon immer hast du die Gewohnheit gehabt, anderen zu folgen und folgtest jedem, den du sahest.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva dessen Lehrer. Damals besaß der König einen Leibelefanten, Mahilamukha mit Namen; der war brav und tugendhaft und verletzte niemand. Nun kamen Räuber eines Tages unmittelbar nach der Nachtzeit in die Nähe von dessen Stall, setzten sich nahe davon nieder und sprachen: „So ist ein Loch zu graben, so ist die Mauer zu zerstören. Wenn dann das Loch und der Bruch in der Mauer so deutlich und übersichtlich gemacht ist wie ein Weg oder wie eine Badestelle, dann muss man die Habe wegnehmen. Wer sie wegnimmt, muss beim Wegnehmen auch töten; so wird niemand im Stande sein, Widerstand zu leisten. Ein Räuber darf nicht tugendhaft sein und braven Wandel führen; er muss hart, grausam, gewalttätig sein.“ Nachdem sie mit solchen Worten einander belehrt hatten, gingen sie fort. Auf diese Weise kamen sie am nächsten Tage wieder; kurz sie kamen viele Tage und sprachen so. Als der Elefant ihre Worte hörte, dachte er: „Sie wollen mich belehren; jetzt muss ich hart, grausam, gewalttätig werden.“ Und er wurde so. Als in der Frühe der Elefantenwärter kam, fasste er ihn mit dem Rüssel, schleuderte ihn auf die Erde und tötete ihn. Dann tötete er auch die anderen, wer nur immer kam.
Da meldete man dem Könige: „Der Elefant Mahilamukha ist rasend geworden und tötet, wen er nur sieht.“ Der König entsandte den Bodhisattva zu ihm mit dem Auftrage: „Gehe, Weiser, und suche zu erkennen, aus welcher Ursache er so böse geworden ist.“ Der Bodhisattva ging hin; und da er an seinem Aussehen erkannte, dass er gesund war, überlegte er: „Aus welcher Ursache ist dieser wohl so böse geworden?“ Da kam er zu dem Schlusse: „Sicherlich hat er in seiner Nähe irgendjemand reden hören und ist böse geworden, weil er meinte, sie wollten ihn belehren.“ Und er fragte die Elefantenwärter: „Ist in der Nähe des Elefantenstalles bei Nacht von jemand etwas vorher gesprochen worden?“ Sie antworteten: „Ja, Herr, Räuber sind gekommen und haben gesprochen.“ Da ging der Bodhisattva zum Könige hin und teilte ihm mit: „Herr, an dem Körper des Elefanten ist keine Veränderung eingetreten, sondern er hat das Gespräch von Räubern gehört und ist dadurch böse geworden.“ Der König fragte: „Wie soll man jetzt tun?“ Der Bodhisattva erwiderte: „Tugendhafte Asketen und Brahmanen sollen sich im Elefantenstalle niedersetzen und von tugendhaftem Wandel reden.“ „Tue so, Lieber“, versetzte der König. Da ließ der Bodhisattva tugendhafte Asketen und Brahmanen sich im Elefantenstalle niedersetzen und sprach: „Redet von den Tugenden, ihr Herren.“ Sie setzten sich in der Nähe des Elefanten nieder und sprachen von den Tugenden folgendermaßen: „Man darf niemand verletzen oder töten, sondern man muss mit Tugend und gutem Wandel ausgerüstet und der Geduld, Freundlichkeit und des Mitleids beflissen sein.“ Als der Elefant dies hörte, dachte er: „Diese Leute belehren mich; von jetzt an muss ich tugendhaft sein“; und er wurde tugendhaft.
Da fragte der König den Bodhisattva: „Wie, Lieber, ist er brav geworden?“ Der Bodhisattva antwortete: „Ja, Herr; der Elefant, der so böse geworden war, ist durch die Weisen wieder zu seinen früheren Tugenden zurückgebracht worden.“ Und nach diesen Worten sprach er folgende Strophe:
Da dachte der König: „Er kennt sogar die Gedanken der Tiere“; und er erwies dem Bodhisattva große Ehre. Und nachdem er den Rest seines Lebens verbracht hatte, gelangte er mit dem Bodhisattva an den Ort seiner Verdienste.
Nachdem der Meister mit den Worten: „Schon in früherer Zeit folgtest du, Mönch, allen, die du sahest. Als du das Wort der Räuber hörtest, folgtest du den Räubern; als du das Wort der Tugendhaften hörtest, folgtest du den Tugendhaften“, diese Lehrunterweisung beendigt hatte, stellte er die gegenseitigen Beziehungen fest und verband das Jātaka mit den Worten: „Damals war Mahilamukha der meinen Feinden folgende Mönch, der König war Ananda, der Lehrer aber war ich.“
Ende der Erzählung von dem Elefanten Mahilamukha