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J 32
{Sutta: J i 209|J 032|J 032} {Vaṇṇanā: atta. J 032|atta. J 032}
Die Erzählung vom Tanze
032
Nacca-Jataka (Naccajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Schön ist dein Singen

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Mönch, der viel Eigentum besaß.

[§D]

Die Geschichte gleicht der oben im Devadhamma-Jātaka [1] erzählten.

Der Meister fragte den Mönch: „Ist es wahr, o Mönch, dass du viel Eigentum besitzest?“ Er antwortete: „Ja, Herr.“ Buddha fragte weiter: „Warum behältst du so viel als Eigentum?“ Als jener dies hörte, wurde er zornig, zerriss sein Ober- und Untergewand und trat mit den Worten: „Jetzt will ich auf diese Weise leben“, nackt vor den Meister hin. Die Leute sagten: „Pfui, pfui!“ Da lief er fort und wendete sich zum Niedrigen zurück [2]. —

Als nun die Mönche in der Lehrhalle versammelt waren, besprachen sie seine Untugend mit den Worten: „Vor dem Meister kannst du so etwas tun!“ Da kam der Meister und fragte die Mönche: „Zu welcher Unterhaltung habt ihr euch jetzt hier niedergelassen, ihr Mönche?“ Sie erwiderten: „Herr, wir haben uns niedergesetzt zur Erzählung seiner Untugend, dass nämlich dieser Mönch vor Euch inmitten der vierfachen Versammlung die Scham und die Furcht vor der Sünde aufgab und wie ein Dorfknabe nackt vor Euch stand, und dass er dann von den Leuten verabscheut sich zum Niedrigen wandte und aus dem Orden austrat.“ Darauf sprach der Meister: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, hat dieser Mönch, da er keine Scham noch Furcht vor der Sünde besaß, diesen Edelstein-Orden verloren, sondern in früherer Zeit hat er dadurch den Besitz eines Edelstein-Weibes verloren.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem im ersten Weltalter machten die Vierfüßler den Löwen zum König, die Fische den Ananda-Fisch [3], die Vögel den Goldschwan. Die Tochter des Goldschwankönigs aber, das junge Schwanenweibchen, war schön; deshalb gewährte ihr ihr Vater einen Wunsch. Sie wünschte, den ihr Gefallenden zum Gatten wählen zu dürfen. Der König bewilligte ihr diesen Wunsch und hieß alle Vögel am Himalaya-Gebirge zusammenkommen. Da versammelten sich die verschiedenen Vogelarten, wie Schwäne, Pfauen u. dgl., und kamen auf einer großen Felsfläche zusammen. Der König ließ seine Tochter rufen, indem er sagte: „Sie soll kommen und sich den ihr gefallenden Gatten auswählen.“ Als sie nun die Schar der Vögel betrachtete, erblickte sie einen Pfau mit einem Hals von der Farbe eines Edelsteines und mit glänzenden Flügeln und wählte ihn aus mit den Worten: „Dieser soll mein Gatte sein.“ Da gingen die Vogelscharen zu dem Pfau hin und sprachen: „Lieber Pfau, die Königstochter hier hat, als sie aus der Mitte dieser so vielen Vögel einen Gatten sich aussuchte, an dir Gefallen gefunden.“ Da dachte der Pfau: „Bis heute hast du meine Kraft nicht gesehen“; und in seiner großen Freude ließ er die Scham und die Furcht vor Sünde beiseite, entfaltete inmitten der großen Vogelschar seine Flügel und begann zu tanzen. Beim Tanze aber war er entblößt. Darüber wurde der König Goldschwan von Scham ergriffen und er dachte: „Dieser besitzt weder die aus dem Innern stammende Scham, noch die von außen kommende Furcht vor Sünde; ihm, der die Scham und die Furcht vor Sünde beiseite gesetzt hat, werde ich meine Tochter nicht geben.“ Und inmitten der Vogelversammlung sprach er folgenden Vers:

[§1] „Schön ist dein Singen, schimmernd ist dein Rücken, wie Lapislazuli erglänzt dein Hals, ein ganzes Klafter messen deine Flügel; doch weil du tanzst, geb ich dir nicht die Tochter.“

Darauf gab der König Schwan inmitten dieser Versammlung seinem Neffen, einem jungen Schwan, seine Tochter. Als aber der Pfau das junge Schwanenweibchen nicht bekam, schämte er sich, stand auf und lief fort. Auch der König Schwan begab sich nach seinem Wohnorte.

[§C]

Nachdem der Meister mit den Worten: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, hat dieser, da er keine Scham noch Furcht vor der Sünde zeigte, den Edelstein-Orden verloren, sondern in früherer Zeit hat er dadurch den Besitz eines Edelstein-Weibes verloren“, diese Lehrunterweisung beendigt hatte, stellte er die gegenseitigen Beziehungen klar und verband das Jātaka mit den Worten: „Damals war der Pfau der Mönch mit dem vielen Eigentum, der König Schwan aber war ich.“

Ende der Erzählung vom Tanze

Anmerkungen:

1.
Jātaka 6
2.
D. h. er trat aus dem Orden zurück und lebte wieder als Weltmensch.
3.
Das Wort bedeutet „Freude“. [Die Geschichte ist erzählt im 2. Kapitel des Jātaka 537.]
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