„Der Schaden in Gestalt des Nutzens“
[§A]Dies erzählte der Meister, da er bei der Stadt Kundiya im Kundadhana-Walde verweilte, mit Beziehung auf die Laienschwester Suppavasa, die Tochter des Königs Kosiya. Diese hatte nämlich zu der Zeit sieben Jahre lang in ihrem Mutterleibe eine Frucht getragen und war schon sieben Tage in der Entbindung begriffen und übermäßige Wehen waren entstanden. Obwohl sie aber von diesen übermäßigen Wehen heimgesucht wurde, ertrug sie es standhaft kraft folgender drei Überlegungen: „Fürwahr, völlig erleuchtet ist der Erhabene, der seine Lehre zum Zwecke des Aufhörens eines solchen Leidens predigt; fürwahr, durch guten Wandel ausgezeichnet ist die Schülerschar dieses Erhabenen, die zum Zwecke des Aufhörens solchen Leidens ihren Wandel führt; ein großes Glück fürwahr ist das Nirvana, wo es ein solches Leiden nicht gibt.“ Und sie rief ihren Gatten und schickte ihn zum Meister, um diesem ihren Zustand und ihren Gruß mitzuteilen.
Als der Meister die Begrüßung vernommen, sprach er: „Möge Suppavasa, die Tochter des Koliya, wohlauf sein; möge sie wohlauf und gesund einen gesunden Sohn zur Welt bringen.“ Sobald der Erhabene aber dies sagte, war Suppavasa wohlauf und brachte gesund einen gesunden Sohn zur Welt. Als nun ihr Gatte nach Hause kam und sah, dass sie geboren hatte, sprach er: „Wunderbar ist dies fürwahr“, und verwunderte sich gar sehr über die Macht des Vollendeten.
Als aber Suppavasa ihren Sohn geboren hatte, wünschte sie, sieben Tage lang der Mönchsgemeinde mit Buddha, ihrem Haupte, das Mahl zu spenden, und schickte ihren Gatten nochmals fort, um sie einzuladen. Zu dieser Zeit aber war von dem Aufwärter [2] des großen Mogallana die Mönchsgemeinde mit Buddha, ihrem Haupte, eingeladen worden. Um nun Suppavasa Gelegenheit zu geben, ihr Almosen zu spenden, schickte der Meister zu dem Thera, um ihn zu verständigen, und nahm sieben Tage lang die Spenden von ihr an samt der Mönchsgemeinde. Am siebenten Tage aber schmückte Suppavasa ihren Sohn, den Prinzen Sivali, und ließ ihn den Meister und die Mönchsgemeinde begrüßen. Als er der Reihe nach auch zu dem Thera Sariputta gebracht wurde, begann dieser ein Gespräch mit ihm und fragte: „Geht es dir gut, Sivali?“ Der Knabe antwortete: „Woher soll es mir gut gehen? Sieben Jahre lang weilte ich in einem Leibe voll Blut“, und redete so mit dem Thera. Als Suppavasa dies hörte, dachte sie: „Mein Sohn, der erst sieben Tage alt ist, spricht mit dem Heerführer der Lehre, der der nächste nach Buddha ist“; und sie wurde voll Freude. — Darauf sprach der Meister: „Wünschest du noch andre solche Söhne, Suppavasa?“ „Wenn ich, Herr, hundert solche Söhne bekäme, würde ich es mir so wünschen.“ Der Meister tat einen begeisterten Ausruf [3], verrichtete die Danksagung und ging weg.
Als aber der Prinz Sivali sieben Jahre alt war, schenkte er der Lehre sein Herz und wurde Mönch; und nachdem er das gehörige Alter erreicht [4], erhielt er die Weihe. Er war tugendhaft und gelangte dadurch zu großer Ehre, so dass er die Erde ertönen ließ; er erlangte die Heiligkeit und nahm unter den Tugendhaften die erste Stelle ein. —
Eines Tages nun versammelten sich die Mönche in der Lehrhalle und begannen folgende Unterhaltung: „Freund, der Thera Sivali, der so groß ist in der Tugend, ist erbeten worden; er, der seine letzte Existenz jetzt durchlebt, war sieben Jahre lang im blutigen Leibe und seine Geburt dauerte sieben Tage. Ach, Mutter und Sohn mussten großes Leid durchmachen; was haben sie wohl getan?“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Erzählung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Ihr Mönche, dass der so tugendhafte Sivali sieben Jahre im blutigen Leibe sich aufhalten und eine sieben Tage dauernde Geburt bestehen musste, hat er durch eine Tat selbst verschuldet; und auch dass Suppavasa das Unglück hatte, sieben Jahre lang ihre Leibesfrucht zu tragen und sieben Tage lang ihre Entbindung durchzumachen, hat sie durch eine Tat selbst verschuldet.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, hatte der Bodhisattva im Schoße von dessen erster Gemahlin seine Wiedergeburt genommen. Als er herangewachsen war, erlernte er zu Takkasilā alle Künste und führte nach dem Tode seines Vaters die Regierung. — Zu dieser Zeit kam der König von Kosala mit großer Heeresmacht heran, nahm Benares ein, tötete den König und machte dessen erste Gemahlin zu seiner eigenen ersten Gemahlin. Der Sohn des Königs von Benares aber entkam, als sein Vater starb, durch die Öffnung des Abzugskanals, sammelte ein Heer, zog gegen Benares, lagerte sich unweit davon und schickte jenem König folgende Botschaft: „Er soll das Reich hergeben oder kämpfen.“ Jener schickte die Gegenbotschaft: „Ich lasse mich auf den Kampf ein.“
Als aber die Mutter des königlichen Prinzen diese Kunde hörte, schickte sie ihrem Sohne eine Botschaft mit folgendem Inhalt: „Ein Kampf ist nicht nötig. Er soll nach allen Richtungen die Zufuhr abschneiden und Benares belagern; dann wird er die Stadt, deren Bewohner durch den Mangel an Holz, Wasser und Speise ermattet sind, auch ohne Kampf einnehmen.“ Als jener diese Botschaft seiner Mutter vernommen, schnitt er sieben Tage lang die Zufuhr ab und belästigte so die Stadt. Da aber die Stadtbewohner keine Zufuhr erhielten, nahmen sie jenem Könige den Kopf und gaben ihn dem Prinzen. Der Prinz zog in die Stadt ein, ergriff die Regierung und gelangte am Ende seines Lebens an den Ort seiner Verdienste.
Dann fuhr Buddha fort: „Weil dieser sieben Tage lang die Zufuhr abschnitt und die Stadt belästigte, zur Sühne dieser Tat musste er jetzt sieben Jahre im blutigen Leibe wohnen und sieben Tage dauerte seine Geburt; weil er aber zu den Füßen des Padumuttara[5] die Bitte aussprach: ‘Ich möchte der erste der die Heiligkeit Erreichenden werden’, und dazu ein großes Almosen spendete, weil er ferner zur Zeit, da Vipassi[6] der Buddha war, mit den Stadtbewohnern zusammen Zucker und Molken im Werte von tausend spendete und dazu seine Bitte äußerte, durch die Kraft hiervon ist er der erste der die Heiligkeit Erreichenden geworden. Ebenso musste Suppavasa, weil sie ihrem Sohne die Botschaft schickte: ‘Schließe die Stadt ab und nimm sie so ein, Lieber’, sieben Jahre lang in ihrem Leibe ihre Frucht tragen und darum währte ihre Entbindung sieben Tage.“
Nachdem der Meister diese Erzählung aus der Vergangenheit beendigt hatte, sprach er, der völlig Erleuchtete, folgende Strophe:
Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war Sivali der Prinz, der die Stadt abschloss und so zur Herrschaft kam, seine Mutter war Suppavasa, der Vater aber, der König von Benares, war ich.“
Ende der Erzählung von der Schadengestalt