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J 102
{Sutta: J i 412|J 102|J 102} {Vaṇṇanā: atta. J 102|atta. J 102}
Die Erzählung von dem Gärtner
102
Pannika-Jataka (Paṇṇikajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Der mich, die Leidgeplagte, schützen sollte

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Laienbruder, der Gärtner war. Dieser zu Savatthi wohnende Laienbruder nämlich verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Wurzeln, Kürbissen und Kumbhandi-Pflanzen [1]. Er hatte eine Tochter; die war sehr schön und lieblich, führte guten Wandel, beobachtete die Gebote und war voll Scham und Furcht zu sündigen; doch zeigte sie immer ein lachendes Antlitz. —

Als nun seine Stammesgenossen kamen, um sie zu freien, dachte jener: „Es ziemt sich für sie zu heiraten und sie zeigt immer ein lachendes Antlitz. Wenn ein Mädchen aber nicht die Mädchentugend besitzt und doch in eine andre Familie eintritt, entsteht daraus ein Tadel für seine Eltern. Ich will sie prüfen, ob sie die Mädchentugend besitzt oder nicht.“ Und eines Tages ließ er seine Tochter einen Korb mitnehmen, um im Walde Blätter zu holen, und ging mit ihr in den Wald; hier stellte er sich, um sie auf die Probe zu stellen, als wäre er auf sinnliche Lust bedacht, sprach heimlich mit ihr und fasste sie an der Hand. Sobald er sie aber anfasste, sprach sie weinend und klagend: „Dies ist Unrecht, Vater; es ist, wie wenn man aus Wasser Feuer erzeugen wollte. Tue nichts derartiges!“ Darauf sprach der Vater: „Tochter, ich habe dich an der Hand gefasst, um dich auf die Probe zu stellen. Sprich, besitzest du die Mädchentugend?“ „Ja, Vater, ich besitze sie; aus Begierde habe ich bis jetzt noch keinen Mann angeschaut.“

Darauf tröstete er seine Tochter, führte sie nach Hause, feierte ein Fest (zu ihrer Vermählung) und schickte sie zur andern Familie.

Dann begab er sich, um den Meister zu begrüßen, mit wohlriechenden Substanzen, Kränzen u. dgl. in den Händen nach dem Jetavana, begrüßte den Meister, bezeigte ihm seine Verehrung und setzte sich ihm zur Seite. Als ihm gesagt wurde: „Schon lange bist du nicht mehr gekommen“, erzählte er die Sache dem Erhabenen. Darauf sprach der Meister: „O Laienbruder, das Mädchen ist schon lange durch guten Wandel und Beobachtung der Gebote ausgezeichnet; du aber hast sie nicht nur jetzt auf die Probe gestellt, sondern auch schon früher stelltest du sie auf die Probe.“ Und hierauf erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva als eine Baumgottheit im Walde seine Wiedergeburt. Ein Gärtner aber zu Benares, ein Laienbruder [2],

[§D]

usw. wie die Erzählung aus der Gegenwart.

Als er aber seine Tochter, um sie auf die Probe zu stellen, bei der Hand fasste, sprach sie jammernd folgende Strophe:

[§1] „Der mich, die Leidgeplagte, schützen sollte, mein Vater, übt Verrat an mir im Walde. Wem klage ich mein Leid in Waldes mitten? Denn mein Beschützer tut Gewalt mir an.“

Darauf tröstete sie ihr Vater und fragte: „Tochter, hast du dich selbst bewahrt?“; und sie antwortete: „Ja, Vater, ich habe mich selbst bewahrt.“ Und er führte sie nach Hause, feierte ihr Hochzeitsfest und schickte sie zu der andern Familie.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung aber gelangte der Laienbruder zur Frucht der Bekehrung): „Der damalige Vater war auch jetzt der Vater, die Tochter war auch damals die Tochter, die Baumgottheit aber, die diese Begebenheit mit eignen Augen sah, war ich.“

Ende der Erzählung von dem Gärtner

Anmerkungen:

1.
Vgl. Jātaka 70 Anm. 5. [Mit der Kumbhandi-Pflanze ist Benincasa cerifera gemeint, eine Pflanze aus der Familie der Cucurbitaceen, die in Ostindien wegen ihrer essbaren Früchte angebaut wird.]
2.
Die Erzählungen gleichen sich also so sehr, dass der Vater sogar in der Geschichte aus der Vergangenheit als Laienbruder bezeichnet wird.
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