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J 193
{Sutta: J ii 120|J 193|J 193} {Vaṇṇanā: atta. J 193|atta. J 193}
Die kleine Erzählung von Paduma
193
Cullapaduma-Jataka (Cūḷapadumajātakaṃ) [1]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Dies ist nur sie und ich auch bin kein andrer

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen unzufriedenen Mönch.

[§D]

Die Begebenheit wird im Ummadanti-Jātaka [Jāt.527] erzählt werden.

Als aber jener Mönch auf die Frage des Meisters: „Ist es wahr, Mönch, dass du unzufrieden bist?“, zur Antwort gab: „Es ist wahr, Erhabener“, wurde er weiter gefragt: „Wer aber hat dich unzufrieden gemacht?“, und erwiderte: „Da ich, Herr, ein prächtig geschmücktes Frauenzimmer sah, geriet ich in die Gewalt der Lust und wurde unzufrieden.“ Darauf sprach zu ihm der Meister: „O Mönch, das Geschlecht der Weiber ist undankbar und verräterisch. Infolge ihrer Hartherzigkeit haben auch Weise der Vorzeit, obwohl sie ihr Blut von ihrem rechten Knie zu trinken gaben und ihr Leben lang Geschenke spendeten, nicht das Herz einer Frau gewinnen können.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, wurde der Bodhisattva im Schoße von dessen erster Gemahlin wiedergeboren. Am Tage der Namengebung erhielt er den Namen „Lotosprinz“ [Padumakumara]. Nach ihm kamen noch sechs jüngere Brüder. Als nun diese sieben Leute allmählich herangewachsen waren, blieben sie im Hause wohnen und lebten wie Freunde des Königs.

Als aber eines Tages der König dastand und in den königlichen Hof hinabschaute, sah er, wie jene mit großem Gefolge kamen, um dem König ihre Aufwartung zu machen. Da bekam er Furcht, sie möchten ihn töten und sein Reich in Besitz nehmen; und er ließ sie zu sich rufen und sprach zu ihnen: „Ihr Lieben, ihr dürft in dieser Stadt nicht bleiben. Gehet anderswohin, und wenn ich gestorben bin, so kommt zurück und nehmt das eurer Familie gehörige Reich in Besitz“. Jene stimmten den Worten ihres Vaters zu; klagend und weinend gingen sie in ihre Häuser, nahmen ihre Gattinnen mit und dachten: „Wir wollen da- und dorthin gehen und dort leben.“ So verließen sie die Stadt.

Als sie so ihres Weges gingen, kamen sie in eine Wildnis. Hier fanden sie weder Speise und Trank. Da sie ihren Hunger nicht beschwichtigen konnten, dachten sie: „Wenn wir am Leben bleiben, werden wir wieder Frauen bekommen“; und sie töteten die Gattin des jüngsten Bruders, machten dreizehn Teile daraus und verzehrten das Fleisch. Der Bodhisattva aber und seine Gattin legten von den erhaltenen Teilen einen zur Seite und verzehrten zu zweien den anderen Teil. — So töteten sie an sechs Tagen sechs Frauen und aßen ihr Fleisch. Der Bodhisattva aber legte jeden Tag einen Teil zur Seite, im ganzen sechs Teile. Als die anderen nun am siebenten Tage sagten: „Wir wollen die Gattin des Bodhisattva töten“, gab ihnen der Bodhisattva jene sechs Portionen und sprach: „Esset diese sechs Portionen; morgen werde ich weiter sehen.“ Als sie aber das Fleisch verzehrt hatten und in Schlaf gesunken waren, nahm er seine Frau und lief davon.

Nachdem sie ein Weilchen gegangen war, sagte sie: „Herr, ich kann nicht mehr gehen.“ Darauf nahm sie der Bodhisattva auf seine Schultern und kam zur Zeit des Sonnenaufgangs aus der Wüste hinaus. Als die Sonne aufgegangen war, sagte jene: „Herr, ich habe Durst.“ Der Bodhisattva erwiderte: „Liebe, es ist kein Wasser da.“ Da sie aber immer wieder über Durst klagte, verwundete er sich mit seinem Schwerte am rechten Knie und sprach zu ihr: „Liebe, Wasser ist keines da; setze dich aber nieder und trinke das Blut von meinem rechten Knie.“ Sie tat also. — Allmählich gelangten sie so an die große Ganga, wo sie tranken und badeten. Als sie dann Waldfrüchte gegessen und sich an einem passenden Orte erholt hatten, erbauten sie sich an einer Krümmung der Ganga eine Einsiedelei und blieben dort wohnen.

Eines Tages aber hatte man am Oberlauf der Ganga einem Räuber, der sich gegen den König verfehlt hatte, Hände und Füße sowie Ohren und Nase abgeschnitten, ihn auf einen Kahn gesetzt und auf der großen Ganga forttreiben lassen. Er gelangte an diese Stelle, während er laute Schmerzensrufe ausstieß. Als der Bodhisattva seine Mitleid erregenden Klagelaute hörte, dachte er: „Ein unglückliches Wesen geht, wenn ich dabei stehe, nicht zugrunde.“ Und er ging an das Ufer des Ganges, zog jenen heraus und verbrachte ihn in seine Einsiedelei, wo er mit wohlriechenden Wassern und Salben seine Wunden pflegte. Seine Gattin aber sprach: „Einen solchen Krüppel bringt er vom Ganges und pflegt ihn!“ Und aus Ekel vor dem Krüppel spie sie beständig vor ihm aus.

Als nun dessen Wunden wieder zugeheilt waren, ließ ihn der Bodhisattva bei seiner Gattin in der Einsiedelei und holte aus dem Walde Waldfrüchte, mit denen er ihn und seine Gattin ernährte. Während sie aber so zusammen waren, verliebte sich das Weib in jenen Krüppel und trieb Unzucht mit ihm. Dadurch bekam sie Lust, den Bodhisattva zu töten, und sie sprach darum zu ihm: „Gebieter, als ich auf Eurer Schulter sitzend aus der Wildnis herauskam, da schaute ich diesen Berg an und betete: ‘O du edle Gottheit, die du auf diesem Berge wohnst! Wenn ich mit meinem Gatten in Gesundheit das Leben behalte, so werde ich dir ein Opfer darbringen.’ Nun hat sie mich gerettet; darum will ich ihr das Opfer darbringen.“ Da der Bodhisattva ihre List nicht merkte, gab er mit dem Worte: „Gut“, seine Zustimmung, richtete eine Opfergabe her, ließ sie das Opfergefäß nehmen und stieg auf die Spitze des Berges hinauf. Darauf sprach sie zu ihm: „Gebieter, nicht diese Gottheit, sondern du bist meine höchste Gottheit. Darum will ich zuerst dich mit Waldblumen verehren, von rechts umwandeln und dir so meine Huldigung darbringen; dann erst werde ich der Gottheit das Opfer darbringen.“ Sie stellte den Bodhisattva so auf, dass er dem Abgrund das Gesicht zukehrte, verehrte ihn mit Waldblumen und umwandelte ihn von rechts. Dann trat sie, als ob sie ihm huldigen wollte, an seine Hinterseite und gab ihm einen Stoß in den Rücken, dass er in den Abgrund hinabstürzte. Jetzt dachte sie: „Nun habe ich den Rücken meines Feindes gesehen“; und befriedigten Herzens stieg sie von dem Berge herab und ging zu ihrem Krüppel.

Als nun der Bodhisattva dem Abgrunde entlang vom Berge herunterfiel, blieb er an der Krone eines Udumbara-Baumes in einem von Dornen freien, mit Blättern bedeckten Gebüsch hängen. Bis an den Fuß des Berges hinabzusteigen vermochte er nicht; darum setzte er sich in das Geäste und verzehrte die Udumbara-Früchte. — Eine Rieseneidechse aber von großem Körper pflegte unten vom Fuße des Berges aus hinaufzusteigen und auf diesem Udumbara-Baume die Früchte zu verzehren. Als sie an diesem Tage den Bodhisattva sah, lief sie davon. Am andern Tage kam sie wieder, fraß die Früchte auf der einen Seite und machte sich dann davon. Während sie aber so immer wieder kam, wurde sie vertraulich gegen den Bodhisattva und fragte: „Wie bist du an diesen Ort gekommen?“ Als er antwortete: „Auf die und die Art“, sagte sie: „Fürchte dich darum nicht“; und sie ließ den Bodhisattva auf ihrem Rücken Platz nehmen, stieg vom Baume herab und verließ den Wald. Sodann brachte sie den Bodhisattva an die Heerstraße und schickte ihn fort mit den Worten: „Gehet diesen Weg“; darauf ging sie wieder in den Wald hinein.

Der Bodhisattva aber kam in ein Dorf und wohnte daselbst. Da hörte er, sein Vater sei gestorben; und er begab sich nach Benares und bestieg den seiner Familie gehörigen Thron unter dem Namen „König Lotos“ [Padumaraja]. Er beobachtete die zehn Königstugenden und führte in Gerechtigkeit seine Regierung. An den vier Stadttoren, in der Mitte der Stadt und am Tore seines Palastes ließ er Almosenhallen, im ganzen sechs, erbauen und spendete täglich Almosen, indem er hunderttausend dafür aufwendete.

Jenes böse Weib aber hatte den Krüppel auf ihre Schulter gesetzt und den Wald verlassen. Indem sie im Bereich der Menschen Almosen sammelte und sich Reisschleim und Brei geben ließ, ernährte sie den Krüppel. Wenn man sie fragte: „Was ist dir dieser?“, antwortete sie: „Ich bin die Tochter seines Onkels, er ist der Sohn meiner Tante; sie gaben mich ihm zur Frau. Diesen meinen mit Verstümmelung bestraften Mann nahm ich auf und trage ihn herum, indem ich ihn durch Almosen Sammeln ernähre.“ Die Leute dachten: „Dies ist ein ergebenes Weib“; und von da an gaben sie ihr noch mehr Reisschleim und Brei. — Da sprachen andere zu ihr: „Gehe du nicht so umher! Zu Benares regiert der König Lotos; er gibt Almosen, dass er den ganzen Jambu-Erdteil dadurch in Aufregung versetzt. Wenn er dich sieht, wird er befriedigt sein und in seiner Freude wird er dir viel Geld geben. Lass deinen Gatten sich hier niederlegen und gehe zu ihm hin!“ Und sie gaben ihr einen festen Weidenkorb.

Das lasterhafte Weib ließ den Krüppel in dem Weidenkorbe Platz nehmen, hob den Korb auf und begab sich nach Benares. Hier blieb sie und nahm in den Almosenhallen ihr Mahl ein. — Der Bodhisattva aber pflegte, auf dem Rücken eines reich geschmückten Elefanten sitzend, sich nach der Almosenhalle zu begeben, hier acht oder zehn Leuten mit eigner Hand Almosen zu spenden und dann wieder nach Hause zurückzukehren. Jenes lasterhafte Weib nun ließ den Krüppel in ihrem Korbe sich niedersetzen, nahm den Korb auf und stellte sich auf den Weg, den der König kommen sollte. Als der König sie sah, fragte er: „Was ist dies?“ „Ein ergebenes Weib, o Fürst“, war die Antwort. Darauf ließ er sie zu sich rufen. Er erkannte sie, ließ den Krüppel aus seinem Korbe herausheben und fragte: „Was ist dir dieser?“ Sie erwiderte: „O Fürst, es ist der Sohn meiner Vaterschwester, der mir von meiner Familie zum Manne gegeben wurde.“ Da die Leute den Sachverhalt nicht kannten, sagten sie: „O, dies ist eine ergebene Frau“, und priesen mit diesen und ähnlichen Worten das lasterhafte Weib. Abermals fragte der König: „Ist dieser Krüppel dein dir von deiner Familie gegebener Gatte?“ Da sie den König nicht erkannte, entgegnete sie keck: „Ja, o Fürst.“ Jetzt sprach der König zu ihr: „Ist also dieser der Sohn des Königs von Benares? Bist du nicht die Gattin des Prinzen Lotos und die Tochter des Königs so und so? Hast du nicht, nachdem du aus meinem Knie das Blut getrunken, mich in den Abgrund gestürzt, da du dich in diesen Krüppel verliebtest? Jetzt bist du, die du den Tod auf der Stirn trägst, in der Meinung, ich sei tot, an diesen Ort gekommen; lebe ich nicht mehr?“ Nach diesen Worten wendete er sich an seine Minister, indem er fortfuhr: „He, ihr Minister, habe ich euch nicht auf eure Fragen folgendes erzählt: ‘Meine sechs jüngeren Brüder töteten ihre sechs Frauen und verzehrten ihr Fleisch; ich aber erhielt meine Gattin am Leben, brachte sie an das Ufer des Ganges und wohnte dort. Einen mit Verstümmelung bestraften Krüppel zog ich heraus und pflegte ihn; dies Weib aber verliebte sich in ihn und stürzte mich von einem Berge hinab. Nur infolge meiner freundlichen Gesinnung blieb ich am Leben.’ Die mich vom Berge hinabstieß, ist keine andere als diese Lasterhafte und auch der mit Verstümmelung bestrafte Krüppel ist kein anderer als dieser.“ Nach diesen Worten sprach er folgende Strophen:

[§1]„Dies ist nur sie und ich auch bin kein anderer; auch der ist's, dem die Hände abgeschnitten. Sie sprach: ‘Dies ist der Gatte meiner Jugend.’ Die Weiber müssen sterben, denen Wahrheit fremd. [§2] Den Elenden hier tötet mit der Keule, den blut'gen Leichnam [3], den verruchten Buhler; und diese, die dem Bösen ist ergeben, soll leben, aber ohne Nas' und Ohren.“

Da der Bodhisattva seinen Zorn nicht unterdrücken konnte, verurteilte er sie zu dieser Strafe. Trotzdem aber ließ er nicht so tun; sondern als sein Groll klein geworden war, ließ er ihr den Korb so fest anbinden, dass sie ihn nicht mehr vom Kopfe herunternehmen konnte, ließ dann den Krüppel hineinwerfen und jagte sie aus seinem Reiche.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündet hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener unzufriedene Mönch zur Frucht der Bekehrung): „Damals waren die sechs Brüder irgendwelche Mönche, die Gattin war die junge Brahmanin Ciñcā, der Krüppel war Devadatta, der Rieseneidechsenkönig war Ānanda, der König Lotos aber war ich.“

Anmerkungen:

1.
Paduma, d. i. „Lotos“, heißt der Held der Geschichte. Dies Jātaka heißt das „kleine“ im Gegensatz zur „großen Erzählung von Paduma“, dem 472. Jātaka.
3.
Der Kommentator erklärt diesen Ausdruck, indem er sagt, durch das Fehlen der Tugend habe jener einem Toten geglichen. Näher liegt die Beziehung auf den aller Extremitäten beraubten Rumpf.
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