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J 252
{Sutta: J ii 280|J 252|J 252} {Vaṇṇanā: atta. J 252|atta. J 252}
Die Erzählung von der Hand voll Sesam
252
Tilamutthi-Jataka (Tilamuṭṭhijātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Noch heute hab ich im Gedächtnis

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen jähzornigen Mönch. — Ein Mönch nämlich war jähzornig und sogleich außer sich. Wenn man nur weniges zu ihm sagte, war er zornig und ärgerlich; Zorn und Groll zeigte er ohne jeden Grund.

In der Lehrhalle begannen nun die Mönche folgendes Gespräch: „Freund, der Mönch so und so ist jähzornig und sogleich außer sich. Er braust beständig auf wie Salz, das in den Ofen geworfen wird. Er, der in dieser so leidenschaftslosen Lehre Mönch geworden, kann nicht einmal seinen Zorn bändigen.“ Als der Meister dies hörte, schickte er einen Mönch fort und ließ jenen rufen. Er fragte ihn: „Ist es wahr, Mönch, dass du jähzornig bist?“ Als jener erwiderte: „Ja, es ist wahr Herr“, sprach der Meister: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon war dieser jähzornig.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, hatte er einen Sohn mit Namen „Prinz Brahmadatta“ [0a]. Die früheren Könige aber schickten ihre Söhne, damit ihr Hochmut und Stolz gebrochen werde, damit sie Kälte und Hitze ertragen und den Wandel der Welt kennen lernten, in die Fremde in ein andres Reich, auch wenn in ihrer eigenen Stadt ein weltbekannter Lehrer sich befand, damit sie die Künste erlernten. — Darum rief auch dieser König seinen Sohn, als er sechzehn Jahre alt war, zu sich. Er übergab ihm Schuhe mit einer Sohle, einen Sonnenschirm aus Blättern und tausend Kahapanas und schickte ihn fort mit den Worten: „Mein Sohn, gehe nach Takkasilā und erlerne die Künste!“

Jener sagte: „Gut“, grüßte seine Eltern und zog fort. Nachdem er allmählich Takkasilā erreicht, fragte er nach dem Hause des Lehrers. Er fand diesen, wie er, nachdem er den jungen Brahmanen Unterricht erteilt, aufgestanden war und am Tore des Hauses auf- und abwandelte. Er ging in das Haus hinein und legte, sobald er den Meister erblickt, seine Schuhe ab, stellte den Sonnenschirm hin, grüßte den Meister und blieb stehen. Jener merkte seine Ermüdung und ließ ihm den Empfang zuteil werden, wie er fremden Ankömmlingen ziemt.

Nachdem der Prinz sein Mahl verzehrt und sich ein wenig ausgeruht hatte, ging er zum Meister hin und begrüßte ihn. Der Lehrer fragte: „Woher kommst du, Lieber?“ Er antwortete: „Von Benares.“ „Wessen Sohn bist du?“ „Der Sohn des Königs von Benares.“ „Wozu bist du gekommen?“ „Um die Künste zu erlernen.“ „Hast du den Lehrerlohn mitgebracht oder willst du ein Freischüler [1] werden?“ Der Prinz antwortete: „Ich habe den Lehrerlohn mitgebracht.“ Nach diesen Worten legte er einen Beutel, der tausend Geldstücke enthielt, zu den Füßen des Lehrers und bezeigte ihm seine Verehrung. — Die Freischüler nämlich verrichten bei Tage Arbeiten für den Lehrer und erlernen bei Nacht die Künste; diejenigen aber, welche dem Lehrer einen Lohn zahlen, sind in seinem Hause wie die ältesten Söhne und erlernen nur die Künste. Darum lehrte auch jener Lehrer den Prinzen unter sehr leichten Bedingungen die Künste.

Während nun der Prinz die Künste erlernte, ging er eines Tages mit seinem Lehrer zum Baden. Eine alte Frau aber hatte weiße Sesamkörner zubereitet und ausgebreitet; sie saß dabei und gab Acht darauf. Als der Prinz die weißen Sesamkörner sah, bekam er Lust, davon zu essen; er nahm eine Handvoll voll Sesam und verzehrte dies. Die alte Frau dachte: „Er wird von Begierde getrieben sein“; und sie blieb still und sagte nichts. Am nächsten Tage tat er zur gleichen Zeit das Nämliche. Auch jetzt sagte sie nichts. Am dritten Tage tat der andre ebenso. Jetzt schrie die Alte mit erhobenen Händen: „Der weltberühmte Lehrer lässt mich von seinen Schülern ausplündern.“ Der Lehrer drehte sich um und fragte: „Was ist dies, Mutter?“ Sie erwiderte: „Gebieter, dein Schüler hat von den von mir zubereiteten weißen Sesamkörnern heute eine Handvoll verzehrt, gestern eine und vorher auch eine. Wird nicht, wenn er so weiter isst, meine ganze Habe verloren gehen?“ Der Lehrer versetzte: „Mutter, weine nicht; ich werde dir den Preis dafür geben lassen.“ Doch die Alte sagte: „Gebieter, ich will kein Geld; belehre aber den Prinzen, dass er nicht mehr so tut.“

Nun sprach der Lehrer: „Sieh also her, Mutter.“ Er ließ von zwei jungen Brahmanen den Prinzen an den beiden Händen fassen, nahm ein Stück Bambusrohr und schlug ihn damit dreimal auf den Rücken, indem er sagte: „Tue dies nicht wieder.“ Der Prinz wurde von Zorn über den Lehrer erfasst; seine Augen röteten sich und er schaute ihn vom Fuß bis zum Kopf an. Jener aber merkte, dass ihn sein Schüler zornig anschaue.

Nachdem nun der Prinz mit Eifer die Künste erlernt, dachte er: „Ich muss ihn töten“, und behielt die von jenem begangene Schuld im Herzen. Als er wegging, grüßte er den Lehrer und sagte, als wäre er voll Liebe: „Meister, wenn ich zu Benares den Thron bestiegen, werde ich zu Euch schicken; kommt dann zu mir.“ Er erhielt dessen Zustimmung und reiste ab. — Als er nach Benares gekommen war, begrüßte er seine Eltern und zeigte seine Künste. Der König dachte: „Bei meinen Lebzeiten habe ich noch meinen Sohn gesehen; bei meinen Lebzeiten will ich ihn noch in königlicher Pracht sehen“; und er übergab seinem Sohne die Herrschaft.

Während nun dieser in königlicher Pracht lebte, erinnerte er sich an die Schuld, die sein Lehrer begangen; er dachte voll Zorn: „Ich werde ihn töten lassen“, und schickte einen Boten zu seinem Lehrer, um ihn herbeizuholen. Der Lehrer dachte: „Solange er jung ist, werde ich ihn nicht besänftigen können“, und ging nicht hin. Als der König aber im mittleren Alter stand, dachte er: „Jetzt werde ich ihn besänftigen können“, und er zog dorthin. Am Tore des königlichen Palastes blieb er stehen und ließ melden, der Lehrer aus Takkasilā sei gekommen.

Erfreut ließ der König den Brahmanen zu sich rufen. Als er sah, dass jener in seiner Gewalt war, wurde er zornig; seine Augen röteten sich und er sagte zu seinen Ministern: „He, heute noch schmerzt mich die Stelle, wo ich von meinem Lehrer geschlagen wurde. Der Lehrer ist, den Tod auf der Stirne tragend, hierher gekommen, um zu sterben. Heute noch muss er das Leben lassen.“ Und er sprach die folgenden zwei ersten Strophen:

[§1] „Noch heute hab ich im Gedächtnis, wie wegen einer Handvoll Sesam er mich am Arme packen ließ und mich mit einem Stock geprügelt. [§2] Dich freut dein Leben wohl nicht mehr, weil du gekommen bist, Brahmane, der du mich an den Armen packtest und dreimal mit dem Stocke schlugst!“

So sprach er, um ihm Todesfurcht einzuflößen. Als dies der Lehrer hörte, sprach er folgende dritte Strophe:

[§3] „Ein Edler, der unedles Tun verhindern will, indem er straft, tut dies zur Lehr' und nicht zum Hass; so haben es erkannt die Weisen [2].“

Dann fuhr er fort: „Darum, o Großkönig, merke dir dies! In einer solchen Stellung darfst du keinen Hass empfinden. Wenn du nämlich nicht von mir in dieser Weise belehrt worden wärst, o Großkönig, hättest du im Laufe der Zeit Kuchen, Zucker u. dgl. oder Waldfrüchte weggenommen. Du hättest dich an Diebereien gewöhnt, Einbrüche und Straßenraub begangen und Dörfer geplündert. Dann hätte man dich als einen Räuber am Eigentum des Königs samt deiner Beute gefangen und vor den König geführt. Der König hätte gesagt: ‘Geht und vollzieht an ihm die seinen Verbrechen entsprechende Strafe’, und du wärst der Königsstrafe [3] verfallen gewesen. Woher ist dir also dieser Glanz zuteil geworden? Hast Du nicht durch mich diese Herrschaft erlangt?“

So besänftigte der Lehrer den König. Die Minister, die ringsumher standen, sagten, als sie dessen Rede hörten: „Es ist wahr, o Fürst; diese deine Herrschaft verdankst du deinem Lehrer.“ In diesem Augenblick sah der König den Vorzug des Lehrers ein und sprach: „Die ganze Herrschaft übergebe ich dir, o Lehrer; empfange das Reich.“ Der Lehrer aber wies dies zurück mit den Worten: „O Großkönig, mich verlangt nicht nach dem Reiche.“ Darauf schickte der König nach Takkasilā, ließ die Frau und die Kinder des Lehrers herbeiholen und übertrug ihnen eine große Macht. Den Lehrer selbst aber machte er zu seinem Hauspriester und hielt ihn wie einen Vater. Er beharrte bei dessen Ermahnung, verrichtete gute Werke wie Almosen Geben u. dgl. und gelangte darauf in den Himmel.

[§A2]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen, verkündete er die Wahrheiten. Am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener jähzornige Mönch zur Frucht der Nichtrückkehr und auch viele andere wurden bekehrt oder einmalzurückkehrend oder nichtzurückkehrend.

[§C]

Dann sprach der Meister: „Damals war der König der jähzornige Mönch, der Lehrer aber war ich.“

Ende der Erzählung von der Hand voll Sesam

Anmerkungen:

0a.
Auf Pali: „Brahmadattakumara“.
1.
Wörtlich: „ein Tugendschüler“. Vgl. dazu das Jātaka 41.
2.
Der Kommentator reiht hier drei Strophen an zur Erläuterung des Begriffs „edel“. Diese sind, weil ohne jede Beziehung zur Erzählung, in der Übersetzung weggeblieben.
3.
Zu diesem Ausdruck für die Todesstrafe. Vgl. Jātaka 118 Anm. 3. [Ein Ausdruck für die Hinrichtung.]

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