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J 258
{Sutta: J ii 313|J 258|J 258} {Vaṇṇanā: atta. J 258|atta. J 258}
Die Erzählung von Mandhatar
258
Mandhatu-Jataka (Mandhātujātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Soweit nur Mond und Sonne scheinen

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen unzufriedenen Mönch. Während dieser nämlich einmal zu Savatthi Almosen sammelte, sah er ein prächtig geschmücktes Weib und wurde dadurch unzufrieden mit seinem Leben. Es brachten ihn aber die Mönche in die Lehrhalle und führten ihn vor den Meister, indem sie sagten: „Dieser Mönch, Herr, ist unzufrieden.“ — Als der Meister ihn fragte: „Ist es wahr, Mönch, dass du unzufrieden bist?“, und zur Antwort erhielt: „Es ist wahr, Herr“, sprach er: „Wann willst du, o Mönch, wenn du ein häusliches Leben führst, deine Lust befriedigen können? Die Lust an sinnlichen Vergnügungen ist wie ein schwer zu füllendes Meer. In der Vorzeit konnten Leute, die über die von zweitausend Inseln umgebenen vier Erdteile die Weltherrschaft ausübten, die von den Menschen geehrt auch in der Götterwelt der vier Großkönige [1] regierten, die selbst in der Götterwelt der dreiunddreißig Götter, in der Residenz der sechsunddreißig Sakkas die Götterherrschaft ausübten, trotzdem ihre Lust nach sinnlichen Vergnügungen nicht völlig befriedigen und mussten so sterben. Wann aber wirst du im Stande sein, diese Lust zu befriedigen?“ Und er erzählte folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem lebte in den ersten Weltaltern ein König namens Mahasammata. Dieser hatte einen Sohn namens Roja, dessen Sohn hieß Vararoja, dessen Sohn hieß Kalyana, dessen Sohn war Varakalyana. Der Sohn des Varakalyana hieß Uposatha und der Sohn des Uposatha hatte den Namen Mandhatar. Dieser war mit den sieben Kostbarkeiten und mit den vier Arten der Wunderkraft ausgestattet und übte eine Weltherrschaft aus. Wenn er seine linke Hand herabsenkte und sie mit der rechten berührte, so war es, wie wenn eine göttliche Wolke einen knietiefen Regen von den sieben Arten der Kostbarkeiten herabströmen ließe; so wunderkräftig war dieser Mann. Vierundachtzigtausend Jahre erfreute er sich am Kinderspiel, vierundachtzigtausend Jahre bekleidete er die Würde eines Vizekönigs und vierundachtzigtausend Jahre übte er die Weltherrschaft aus; sein Alter aber war unermesslich.

Eines Tages nun konnte er seinen Durst nach Lust nicht befriedigen und sah daher unzufrieden aus. Die Minister fragten: „Warum, o Fürst, bist du unzufrieden?“ Er erwiderte: „Wenn ich die Kraft meiner guten Werke betrachte, was bedeutet da dies Reich? Was für ein Ort ist schöner?“ „Die Götterwelt, o Großkönig“, war die Antwort. Darauf ließ er das Rad der Weltherrschaft [2] vor sich herrollen und begab sich samt seiner Umgebung nach der Götterwelt der vier Großkönige. Es gingen ihm aber die vier Großkönige mit Ehrfurcht entgegen, göttliche Kränze und Parfüms in den Händen, umgeben von der Schar der Götter; sie gingen mit ihm nach der Götterwelt der vier Großkönige und übergaben ihm die Herrschaft.

Während er so, von seinem eigenen Gefolge umgeben, dort die Herrschalt führte, verging eine lange Zeit. Aber auch hier konnte er den Durst nach Lust nicht befriedigen und zeigte ein unzufriedenes Aussehen. Die vier Großkönige fragten ihn: „Warum bist du unzufrieden, o Großkönig?“ Er erwiderte: „Welcher Ort ist noch schöner als diese Götterwelt?“ Sie antworteten: „Wir, o Fürst, gleichen den Dienern der andern. Reizend ist der Himmel der dreiunddreißig Götter.“

Darauf ließ Mandhatar das Rad der Weltherrschaft vor sich herrollen und begab sich, von seinem Gefolge umgeben, nach dem Himmel der Dreiunddreißig. Hier kam ihm der Götterkönig Sakka ehrfurchtsvoll entgegen mit göttlichen Kränzen und Parfüms in den Händen, umgeben von der Schar der Götter; er fasste ihn an der Hand und sprach: „Komm hierher, großer König!“

Als nun der König wegging, umgeben von der Schar der Götter, nahm der älteste Sohn des Weltherrschers [3] das Rad der Weltherrschaft mit sich, begab sich mit seinem Gefolge nach dem Bereich der Menschen zurück und ging in seine Stadt.

Sakka aber führte Mandhatar in den Himmel der Dreiunddreißig; er schied die Gottheiten in zwei Teile, teilte sein Reich in der Mitte und gab ihm die eine Hälfte. Von da an führten zwei Könige dort die Herrschaft.

Während nun so die Zeit verging, starb Sakka, nachdem er sechzigmal hunderttausend Jahre und noch dreißig Millionen Jahre gelebt. Ein andrer Sakka trat an seine Stelle; auch dieser herrschte über die Götter und starb dann, als seine Frist zu Ende war. Auf diese Weise starben sechsunddreißig Sakkas. Mandhatar führte beständig die Herrschaft über die Götter, von menschlichem Gefolge umgeben.

Während nun so die Zeit verging, entstand in ihm immer mehr der Durst nach Lust; er dachte: „Was tue ich mit der halben Herrschaft? Ich will Sakka töten und allein die Herrschaft führen.“ Den Sakka zu töten ist ja nicht möglich, die Begierde aber ist die Wurzel des Unglücks. — Darum ging ihm jetzt sein Lebensrest zu Ende und seinen Körper befiel das Alter. Ein menschlicher Körper aber wird in der Götterwelt nicht zerstört; darum fiel jener aus der Götterwelt herab und kam in seinem Parke auf die Erde herunter.

Der Parkwächter verkündete in der königlichen Familie seine Ankunft. Darauf kam die Familie des Königs herbei und bereitete ihm im Parke sein Lager, auf das sich der König legte, um nicht wieder aufzustehen. Die Minister fragten ihn: „O Fürst, was sollen wir von Euch sagen?“ Er erwiderte: „Verkündigt von mir allen Leuten folgenden Auftrag: ‘Der König Mandhatar hat in den von zweitausend Inseln umgebenen vier Erdteilen die Weltherrschaft ausgeübt; er hat lange Zeit unter den vier Großkönigen geherrscht und in der Götterwelt während der Lebensdauer von sechsunddreißig Sakkas regiert. Dann musste er sterben.’“ Nach diesen Worten starb er und kam an den Ort seiner Verdienste.

[§A2]

Nachdem der Meister diese Erzählung aus der Vergangenheit beschlossen, sprach er, der völlig Erleuchtete, folgende Strophen:

[§1] „Soweit nur Mond und Sonne scheinen und alle Gegenden beleuchten, gehörten Mandhatar als Diener die Wesen alle auf der Welt. [§2] Auch nicht durch einen Goldesregen entsteht in Lüsten Sättigung. Unschmackhaft, leidvoll sind die Lüste. Wenn dies der Weise hat erkannt, [§3] So sucht er auch in Himmelsfreuden nicht seines Sinns Befriedigung; es freut sich, dass die Lust erstorben, der Jünger der Erleuchteten.“ 

Dhp. 186-187

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die vier Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener unzufriedene Mönch zur Frucht der Bekehrung und auch noch viele andre gelangten zur Frucht der Bekehrung und der übrigen Wege zur Heiligkeit): „Damals war ich der König Mandhatar.“

Ende der Erzählung von Mandhatar

Anmerkungen:

1.
Der Himmel der „vier Großkönige“ ist der nächste von der Erde. Nach ihm kommt der Himmel der „dreiunddreißig Götter“. Vgl. „Leben des Buddha“, S. 357.
2.
Dies ist das magische Rad, das vor einem Weltbeherrscher einherläuft, wenn er sich in ein andres Land begibt.
3.
Der „parinayaka“ ist der älteste Sohn eines Weltherrschers und zählt zu den sieben Kleinodien, die dieser besitzt.

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