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J 309
{Sutta: J iii 029|J 309|J 309} {Vaṇṇanā: atta. J 309|atta. J 309}
Die Erzählung von dem Leichnam
309
Chavaka-Jataka (Chavakajātakaṃ) [1]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Dies alles ist ein niedrig Tun

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die sechs bekannten Mönche.

[§D]

Die Begebenheit ist im Vinaya [2] ausführlich dargestellt. Folgendes ist aber in Kürze der Inhalt:

Der Meister hatte jene sechs bedeutenden Mönche rufen lassen und sie gefragt: „Ist es wahr, ihr Mönche, dass ihr auf niedrigem Sitze sitzend einem andern, der auf hohem Sitze saß, die Lehre erklärt habt?“ Als sie sagten: „So ist es, Herr“, tadelte er die Mönche und sprach: „Ein Unrecht ist es, ihr Mönche, dass ihr so wenig Ehrerbietung gegen meine Lehre zeigt. In der Vorzeit tadelten Weise einen Mann, der auf niedrigem Sitze sitzend nur die ketzerischen Zaubersprüche [3] lehrte.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in einer Candala-Familie seine Wiedergeburt. Nachdem er herangewachsen war, ernährte er seine Familie. — Seine schwangere Frau aber bekam Gelüste nach Mangofrüchten und sprach zu ihm: „Herr, ich wünsche, eine Mangofrucht zu essen.“ Jener erwiderte: „Meine Liebe, jetzt gibt es keine Mangofrüchte; ich werde dir eine andere säuerliche Frucht bringen.“ Doch die Frau antwortete: „Herr, wenn ich eine Mangofrucht erhalte, so werde ich leben; wenn ich keine bekomme, so muss ich sterben.“ Da nun jener sein Herz an sie gefesselt hatte, dachte er nach, wo er eine Mangofrucht erhalten könnte.

Zu dieser Zeit aber befand sich im Parke des Königs von Benares ein Mangobaum, der beständig Früchte hatte. Der Bodhisattva dachte: „Von da will ich eine Mangofrucht holen und damit ihr Gelüste befriedigen.“ Zur Nachtzeit ging er in den Park, stieg auf den Mangobaum und suchte von Zweig zu Zweig nach einer Mangofrucht. Während er aber so tat, fing es an, gegen Morgen hell zu werden. Jetzt dachte er: „Wenn ich jetzt hinabsteige und fortgehe, wird man mich sehen und festnehmen in der Meinung, ich sei ein Dieb. Zur Nachtzeit werde ich mich entfernen.“ Er stieg in die Baumkrone hinauf und setzte sich dort nieder, an den Baum gelehnt.

Damals nun erlernte der König von seinem Hauspriester die heiligen Sprüche. Er ging in seinen Park, setzte sich selbst auf einen hohen Sitz, ließ den Lehrer auf einem niederen Sitze Platz nehmen und lernte die Sprüche. Da dachte der oben Sitzende: „Wie ungerecht ist dieser König, der auf erhöhtem Sitze sitzend die heiligen Sprüche erlernt. Unrecht tut auch der Brahmane, dass er auf niedrigem Sitze sitzend die Sprüche lehrt. Ferner tue auch ich Unrecht, dass ich mich in die Gewalt eines Weibes begeben habe und, ohne auf mein Leben zu achten, eine Mangofrucht holen will.“ Und indem er vom Baume herabstieg und einen herabhängenden Zweig erfasste, trat er mitten zwischen die beiden und sprach: „O Großkönig, ich bin verloren, du bist töricht und der Brahmane ist tot.“ Als der König fragte: „Warum?“, sprach der Bodhisattva folgende erste Strophe:

[§1] „Dies alles ist ein niedrig Tun; ihr beide wisst nicht, was sich ziemt. Ihr beide seid, als wärt ihr tot [4], sowohl der, der die Sprüche lehrt, als der, der sie erlernen will.“

Als dies der Brahmane hörte, sprach er folgende zweite Strophe:

[§2] „Ich esse gern schmackhaften Reis, beträufelt mit des Fleisches Saft; darum befolge ich auch nicht die Tugend, der die Weisen folgen [5].“

Da der andere dies hörte, sprach er die folgenden beiden anderen Strophen:

[§3] „Geh fort von hier, groß ist die Welt; auch andre Menschen kochen Speise. Beharre nicht beim Unrecht, gleich dem Stein, der einen Topf zerbricht. [§4] Pfui, o Brahmane, wenn man so zu Ruhm gelangt, zu Schätzen kommt, wenn man sich Vorteil sucht durch Unrecht, das nur Verderben nach sich zieht.“

Der König aber war befriedigt über seine Erklärung des Rechtes und fragte: „He, Mann, von welcher Kaste bist du?“ Jener antwortete: „Ich bin ein Candala, Fürst.“ Darauf sprach der König: „He, wenn du aus edler Kaste stammtest, würde ich dir das Königtum übertragen. Von jetzt an aber werde ich bei Tage König sein und du sei bei Nacht König.“ Und er nahm den Blumenkranz, der seinen Hals schmückte, und zierte damit den Hals des Bodhisattva; auch machte er ihn zum Wächter über die Stadt [6]. Daher stammt der Gebrauch, dass die Stadtwächter um den Hals einen Kranz von roten Blumen tragen.

Von da an aber beharrte der König bei der Ermahnung des Bodhisattva; er erwies seinem Lehrer Ehrung und erlernte auf einem niedrigen Sitze sitzend die heiligen Sprüche.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten „Damals war der König Ananda, der Candala-Sohn aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Leichnam

Anmerkungen:

1.
Der Titel ist nur von einem Wort der ersten Strophe hergenommen.
2.
Vinaya-Pitaka, Vol. IV, S. 203.
3.
Gemeint sind die Sprüche der Veden.
4.
Weil in ihnen der Sinn für das Recht erstorben ist. Der Kommentator fügt hinzu:
„Vor Alters war fürwahr die Tugend sichtbar, doch nachher kam das Unrecht in die Welt.“
5.
Auch diese zwei Verse übersetzt Francis sehr frei und ungenau. Er sagt: „For why should a sinner fulfil A rule meant for sants, when they sat.”
6.
Gemeint ist der Hofbeamte, der die Oberaufsicht über die nächtliche Bewachung der Stadt führt.
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