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J 314
{Sutta: J iii 047|J 314|J 314} {Vaṇṇanā: atta. J 314|atta. J 314}
Die Erzählung von dem eisernen Kessel
314
Lohakumbhi-Jataka (Lohakumbhijātakaṃ) [1]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Ein böses Leben führten wir

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf den König von Kosala. — Damals hatte nämlich der König von Kosala zur Nachtzeit die Stimme von vier in der Hölle wohnenden Wesen gehört. Das eine gab immer den Laut „du“ von sich, das zweite den Laut „sa“, das dritte den Laut „na“, das vierte den Laut „so“. Diese waren nämlich in längst vergangner Zeit zu Savatthi Königssöhne gewesen, die die Frauen andrer liebten. Sie versündigten sich an den Weibern anderer, obwohl diese behütet und bewacht wurden, hatten unreine Gelüste und taten viel Böses. Darum wurden sie durch das Todesrad zerschmettert und in der Nähe von Savatthi in den vier eisernen Kesseln wiedergeboren. Nachdem sie dort sechzigtausend Jahre lang gebraten worden waren, kamen sie herauf und sahen den Rand der Öffnung der eisernen Kessel. Da riefen sie alle vier der Reihe nach mit lauter Stimme: „Wann werden wir von diesem Leid erlöst werden?“

Als der König ihre Stimme vernahm, wurde er von Todesangst befallen und erwartete sitzend den Sonnenaufgang. Zur Zeit des Sonnenaufgangs kamen die Brahmanen und fragten den König, ob er gut geruht habe. Der König antwortete: „Woher soll ich gut geschlafen haben, ihr Lehrer? Heute habe ich vier so schreckenerregende Laute vernommen.“ Die Brahmanen wuschen sich die Hände [2]. Der König fragte nun: „Was, ihr Lehrer?“ Sie antworteten: „Es sind gewalttätige Töne, o Großkönig.“ „Sind sie wirkungslos zu machen oder nicht?“, fragte der König weiter. Die Brahmanen erwiderten: „Von selbst sind sie nicht ohne Wirkung; wir aber verstehen viel, o Großkönig.“ „Was müsst ihr tun, um ihre Wirkung aufzuheben?“ „O Großkönig, man kann eine starke Abwehr herbeiführen; wir aber wollen vor allem ein vierfaches Opfer veranstalten und dadurch die Abwehr bewirken.“

Darauf sprach der König: „Nehmt darum rasch vier Elefanten, vier Pferde, vier Stiere, vier Menschen und so fort bis zum Wachtelvogel von allen Wesen je vier, bringt ein allgemeines vierfaches Opfer dar und schafft mir dadurch Rettung!“ „Gut, o Großkönig“, erwiderten die Brahmanen; und sie nahmen, was sie brauchten, stellten einen Opferherd auf und befestigten viele lebende Wesen an Stäben. Sie dachten: „Wir werden viel Fischfleisch verzehren und viel Geld bekommen“, und waren sehr geschäftig; immer wieder kamen sie und sagten: „Dieses muss man noch erhalten, o Fürst.“

Da ging die Königin Mallikā zum Könige hin und fragte: „Warum, o Großkönig, gehen die Brahmanen so fröhlich umher?“ Er antwortete: „Fürstin, was geht dies dich an? Du bist nur auf deinen Ruhm versessen; mein Leid aber kennst du nicht.“ „Was gibt es, o Großkönig?“, fragte die Königin weiter. Darauf erwiderte der König: „O Fürstin, ich habe etwas Derartiges gehört, was nicht gehört werden darf. Weil ich nun diese Stimmen vernommen hatte, fragte ich die Brahmanen, was geschehen werde. Die Brahmanen antworteten mir: ‘O Großkönig, für Euer Reich oder für Euer Vermögen oder für Euer Leben besteht eine Gefahr [3]; wir wollen ein vierfaches Opfer von allen Tieren veranstalten und dadurch Rettung bringen.’ Mit meiner Zustimmung errichteten sie einen Opferherd und gehen nun umher, um alles zu besorgen, was sie bedürfen.“

Darauf fragte die Königin: „Wie aber, o Fürst, hast du auch den Ersten der Brahmanen in der Welt der Götter und Menschen nach der Bedeutung dieser Töne gefragt?“ Der König erwiderte: „Wer ist denn, Königin, in der Welt der Götter und Menschen der Erste der Brahmanen?“ Sie antwortete: „Der große Gotama, der völlig Erleuchtete.“ Jetzt sagte der König: „Königin, den völlig Erleuchteten habe ich nicht gefragt.“ Die Königin versetzte: „Gehet also hin und fraget ihn!“

Als der König ihre Worte vernommen, bestieg er nach dem Frühmahle seinen herrlichen Wagen und fuhr damit nach dem Jetavana, wo er den Meister begrüßte. Dann fragte er ihn: „Ich, Herr, hörte zur Nachtzeit vier Laute und fragte darum die Brahmanen. Diese antworteten, sie wollten ein vierfaches Opfer von sämtlichen Wesen darbringen und dadurch mir Rettung bringen, und deshalb haben sie einen Opferherd errichtet u. dgl. Was wird mir geschehen, weil ich diese Töne hörte?“ Der Meister antwortete: „Gar nichts, o Großkönig. Wesen, die in der Hölle leben und Leiden auszustehen haben, haben so gerufen. Diese Laute hast du aber nicht nur jetzt gehört; auch in der Vorzeit vernahmen Könige diese Töne. Auch diese fragten Brahmanen danach und hatten die Absicht, ein Tieropfer darzubringen; als sie aber die Rede der Weisen hörten, taten sie dies nicht. Die Weisen erklärten die Bedeutung dieser Laute, befreiten dadurch viele Wesen und brachten Rettung.“ Nach diesen Worten erzählte er auf die Bitte des Königs folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in einem Dorfe des Landes Kasi in einer Brahmanenfamilie seine Wiedergeburt. Als er herangewachsen war, gab er die Lüste auf und betätigte die Weltflucht der Weisen. Er erlangte die Fähigkeit zur Ekstase und die Erkenntnisse und weilte, des Glückes der Ekstase sich erfreuend, im Himalaya in einem reizenden Walde.

Damals hatte der König von Benares diese vier Laute der vier Höllenbewohner gehört und war von Angst erfüllt worden. Als auf obige Weise die Brahmanen sagten: „Eine von drei Gefahren wird es sein; mit einem vierfachen Opfer von sämtlichen Wesen wollen wir es besänftigen“, gab er seine Zustimmung dazu. Der Hauspriester mit den Brahmanen ließ einen Opferherd errichten; viele Wesen wurden an Stäben befestigt.

Damals nun hatte der Bodhisattva die Betätigung der Liebe zu seiner Führerin gemacht und betrachtete mit seinem göttlichen Auge die Welt. Da sah er, was dort vorging, und dachte: „Heute kommt es mir zu, dorthin zu gehen; für viel Volks wird Rettung daraus entstehen.“ Mit Hilfe seiner Wunderkraft flog er in die Luft empor, stieg im Parke des Königs von Benares herab und setzte sich auf dem königlichen Steinsitze nieder, einer goldenen Gestalt gleichend.

Damals war der älteste Schüler des Hauspriesters zu seinem Lehrer gegangen und hatte gefragt: „Meister, steht es nicht in unseren Veden, dass aus der Tötung eines andern kein Heil entstehe?“ Doch der Hauspriester antwortete: „Du holst die Schätze des Königs. Wir werden viel Fischfleisch verzehren; sei ruhig!“ So suchte er, ihn zurückzuhalten. Jener aber sagte: „Ich will hieran nicht beteiligt sein“, und ging fort. Als er in den königlichen Park kam, sah er den Bodhisattva. Es begrüßte ihn, begann ein liebenswürdiges Gespräch mit ihm und setzte sich ihm zur Seite.

Darauf fragte der Bodhisattva: „Wie, du junger Brahmane, führt der König in Gerechtigkeit die Regierung?“ Jener antwortete: „Herr, der König führt die Regierung in Gerechtigkeit. Zur Nachtzeit aber hat er vier Laute gehört und darum die Brahmanen gefragt. Die Brahmanen sagten, sie wollten ein vierfaches Opfer von allen Wesen veranstalten und dadurch Rettung bringen. Der König hat nun die Vorbereitungen zu einem Tieropfer getroffen und möchte sich dadurch Rettung schaffen. Viele Wesen sind an Stäben befestigt. Kommt es, Herr, jetzt nicht tugendhaften Leuten, wie du bist, zu, dass sie die Bedeutung dieser Laute verkündigen und dadurch viele Wesen vom Rachen des Todes erlösen?“ Der Bodhisattva erwiderte: „Junger Brahmane, der König kennt uns nicht und wir kennen ihn nicht. Wir kennen aber die Bedeutung jener Töne. Wenn der König uns aufsuchen und danach fragen würde, so würden wir den König von seiner Angst befreien und es ihm mitteilen.“ Jetzt versetzte der Jüngling: „Herr, bleibt darum einen Augenblick hier; ich will den König holen.“ „Gut, Jüngling“, erwiderte der Bodhisattva.

Jener ging hin, erzählte dem Könige die Sache und führte ihn dorthin. Der König begrüßte den Bodhisattva und fragte, ihm zur Seite sitzend: „Ist es wahr, dass Ihr dir Bedeutung der von mir vernommenen Töne kennt?“ „Ja, o Großkönig.“ „Sagt sie, Herr!“ Darauf antwortete der Bodhisattva: „O Großkönig, jene Leute haben mit den Frauen, die andere sorgfältig behüteten, Unzucht getrieben, wurden darum an der Grenze von Benares in den vier eisernen Kesseln wiedergeboren und werden in scharfer Eisenlauge, die vor Hitze Blasen wirft, gepeinigt. Dreißigtausend Jahre gingen sie nach unten, bis sie auf den Boden des Kessels stießen. Dann stiegen sie in die Höhe, sahen nach dreißigtausend Jahren wieder die Öffnung des Kessels und schauten heraus. Nun möchten die vier Leute vier Strophen vollständig hersagen, können dies aber nicht; sondern sie sagen jeder nur eine Silbe und versinken dann wieder in die eisernen Kessel. Das Wesen nun von ihnen, das wieder hinabsank, nachdem es den Laut ‘du’ gesagt, wollte folgende Strophe sprechen:

[§1] ‘Ein böses Leben führten wir, die wir nicht schenkten, wenn wir konnten, die wir trotz aller unsrer Schätze uns damit kein Verdienst erwarben.’

Er konnte aber diese Strophe nicht hersagen.“

Nach diesen Worten machte der Bodhisattva durch seine eigene Einsicht die Strophe vollständig und sagte sie her.

Bei den übrigen ging es ebenso. Die Strophe, die der sprechen wollte, der den Laut „sa“ von sich gab, lautete folgendermaßen:

[§2] „Es sind nun sechzigtausend Jahre vergangen, ein Tag nach dem andern. Wann wird für uns ein Ende kommen, die in der Hölle Qual wir leiden?“

Die Strophe, die der sprechen wollte, der den Laut „na“ von sich gab, aber lautete:

[§3] „Es gibt kein Ende; woher sollte es kommen? Nein, man sieht kein Ende. Bekannt ist nun das Böse alles, was du und ich getan, ihr Freunde.“

Von dem aber, der den Laut „so“ von sich gab, lautete die Strophe folgendermaßen:

[§4] „Wenn ich jetzt diesen Ort verlasse und wieder werd' als Mensch geboren, dann werd' ich nur Verständ'ges reden und tugendhaft viel Gutes tun.“

Nachdem der Bodhisattva so diese einzelnen Strophen hergesagt hatte, fügte er bei jeder hinzu: „O Großkönig, dieser Höllenbewohner wollte diese Strophe vollständig hersagen [4], konnte dies aber nicht wegen der Größe seiner Sünde. Daraus, dass Ihr seine Stimme vernommen habt, entsteht für Euch keine Gefahr. Fürchtet Euch nicht.“ So belehrte er den König. Darauf ließ der König die vielen Wesen wieder losmachen: er ließ die goldene Trommel herumgehen und befahl, den Opferherd zu zerstören.

Nachdem so der Bodhisattva vielen Wesen Rettung gebracht, blieb er noch ein paar Tage dort; dann entfernte er sich wieder und gelangte später, der ununterbrochenen Ekstase sich erfreuend, in die Brahma-Welt.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der Schüler des Hauspriesters Sāriputta, der Asket aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem eisernen Kessel

Anmerkungen:

1.
Damit ist hier ein bestimmter Ort in der Hölle gemeint.
2.
Francis meint, diese Zeremonie bezwecke die Abwendung eines bösen Vorzeichens.
3.
Vgl. hierzu und zu dem folgenden die Vorgeschichte zum 77. Jātaka.
4.
Die vier Strophen fangen der Reihe nach mit den oben genannten Silben du, sa, na und so an. Es ist also gedacht, dass der Betreffende die ganze Strophe sagen möchte, aber über die erste Silbe nicht hinauskommt.
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