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J 353
{Sutta: J iii 161|J 353|J 353} {Vaṇṇanā: atta. J 353|atta. J 353}
Die Erzählung von dem Zweiggeflecht
353
Dhonasakha-Jataka (Venasākhajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Nicht wird beständig man so handeln, Brahmadatta

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er beim Volke der Bhaggas bei dem Krokodil-Berge [Sumsumaragiri] im Bhesakala-Parke [Bhesakalavana] verweilte, mit Beziehung auf den Prinzen Bodhiraja [Bodhirajakumara]. Der Prinz Bodhiraja nämlich, der Sohn des Udena, wohnte zu dieser Zeit am Krokodil-Berge. Er ließ einen in seiner Kunst sehr geschickten Baumeister rufen und diesen für ihn einen Palast, Kokanada mit Namen, erbauen, der den Palästen der andern Könige nicht ähnlich war. Als der Bau fertig gestellt war, dachte er: „Dieser Baumeister könnte auch für einen andern König einen solchen Palast erbauen“; und aus Neid ließ er ihm die Augen ausstechen.

Dass er dem Baumeister aber die Augen hatte ausstechen lassen, wurde unter der Mönchsgemeinde bekannt. Darum begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, der Prinz Bodhiraja hat diesem so vorzüglichen Baumeister die Augen ausstechen lassen; fürwahr er ist grausam, roh und gewalttätig.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Ihr Mönche, nicht nur jetzt, sondern auch früher schon war dieser grausam, roh und gewalttätig; nicht nur jetzt tat er dies, sondern früher ließ er sogar tausend Fürsten die Augen ausstechen, ließ sie töten und brachte mit ihrem Fleische ein Opfer dar.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva ein weitberühmter Lehrer zu Takkasilā. Von dem ganzen Jambu-Erdteil kamen die Fürstensöhne und die Brahmanensöhne und erlernten bei ihm die Künste. Auch der Sohn des Königs von Benares, Prinz Brahmadatta [Brahmadattakumara] mit Namen, erlernte bei ihm die drei Veden. Er war aber von Natur grausam, roh und gewalttätig. Das große Wesen bemerkte durch seine Kenntnis der Vorzeichen, dass jener grausam, roh und gewalttätig sei, und er sagte zu ihm: „Mein Sohn, du bist grausam, roh und gewalttätig. Die Herrschaft, die ein Grausamer erlangt, dauert nicht lange. Wenn seine Herrschaft verloren ist, so findet er keinen festen Stand mehr, gleich einem zerschmetterten Schiff auf dem Meere. Sei darum nicht derart!“ Und indem er ihn ermahnte, sprach er folgende zwei Strophen:

[§1] „Nicht wird beständig man so bleiben, Brahmadatta, so ruhig, so im Überfluss, im Glücke lebend; dass nicht dein Glück vergeh' und du in Not kommst wie ein zerbrochnes Schiff in Meeres mitten! [§2] Die Taten, die ein Mann getan, die sieht er alle an sich selbst. Wer Gutes tat, der siehet Gutes; wer aber Böses tat, sieht Böses. Denn wie der Same, den man säet, so wird die Frucht sein, die man erntet [1].“

Jener verabschiedete sich darauf von seinem Lehrer und kehrte nach Benares zurück. Nachdem er hier seinem Vater gezeigt, was er gelernt hatte, wurde er zum Vizekönig erhoben und bestieg nach seines Vaters Tode den Thron. Er hatte einen Hauspriester namens Pingiya; der war grausam und roh. Aus Ehrbegierde dachte dieser: „Wie, wenn ich nun meinen König veranlassen würde, alle Könige auf dem ganzen Jambu-Erdteil gefangen zu nehmen? Auf diese Weise wird er der einzige König sein und ich der einzige Hauspriester.“ Und er bewirkte, dass der König seine Worte annahm.

Der König verließ mit einem großen Heere die Stadt, schloss die Stadt eines Königs ein und nahm den König gefangen. Auf diese Weise eroberte er die Herrschaft über den ganzen Jambu-Erdteil. Dann zog er, von tausend Königen umgeben, aus, um auch zu Takkasilā die Herrschaft zu erhalten. Der Bodhisattva aber ließ die Stadt befestigen und machte sie für andere uneinnehmbar.

Der König von Benares ließ nun am Ufer des Ganges [2] am Fuße eines großen Nigrodha-Baumes ein Zelt errichten, ließ oben einen Baldachin anbringen und sich darunter sein Lager bereiten. Hier nahm er seine Wohnung. — Als er nun im Gebiete des Jambu-Erdteils tausend Könige gefangen genommen hatte und trotz tapferen Kampfes Takkasilā nicht einnehmen konnte, fragte er den Hauspriester: „Mein Lehrer, wir sind mit so vielen Königen hierher gekommen und können Takkasilā nicht einnehmen; was ist da zu tun?“ Der Hauspriester antwortete: „O Großkönig, wir wollen den tausend Königen die Augen ausstechen, den Leib aufschlitzen und mit ihrem fünffach süßen Fleische der Gottheit, die in diesem Nigrodha-Baume wohnt, ein Opfer darbringen; dann wollen wir rings um den Baum einen Rand herumziehen und fünf Zoll hoch Blut [3] darauf gießen. Auf diese Weise wird uns bald der Sieg zuteil werden“.

Der König stimmte dem Vorschlage zu. In seinem Zelte stellte er Kämpfer von großer Stärke auf, ließ dann die Könige einzeln herbeirufen, sie durch Umklammerung bewusstlos machen, ihnen die Augen ausstechen und sie töten. Das Fleisch nahm er, während ihre Leichname in den Ganges geworfen wurden, und brachte in der angegebenen Art ein Opfer dar. Dann ließ er die Kriegstrommel schlagen und ging zum Kampfe.

Da kam von einem Wartturm ein Dämon herbei, stach ihm das rechte Auge aus und entfernte sich wieder. Es entstanden große Schmerzen. Von Schmerz überwältigt kehrte er zurück und legte sich lang ausgestreckt auf sein Lager, das am Fuße jenes Nigrodha-Baumes bereitet war. In diesem Augenblick ließ ein Geier, der einen Knochen mit scharfer Spitze gefunden hatte, nachdem er auf der Spitze dieses Baumes sitzend das Fleisch gefressen hatte, den Knochen fallen; die Spitze des Knochens traf das linke Auge des Königs, bohrte sich hinein wie eine eiserne Spitze und zerstörte das Auge.

Jetzt verstand der König das Wort des Bodhisattva und sagte: „Als unser Lehrer sagte: ‘Die Menschen ernten das, was ihren Taten entspricht, ebenso, wie man eine dem Samen entsprechende Frucht erntet’, sah er dies mein Schicksal voraus, glaube ich“. Und lallend sprach er folgende zwei Strophen:

[§3] „So lautete das Wort des Lehrers, das Parasariya [3a] gesprochen: Nicht darfst du etwas Böses tun, das dich, wenn es geschehen, peinigt [4]. [§4] Dies ist, o Pingiya, das Zweiggeflecht, wo ich getötet tausend Könige, die reich geschmückt nach Sandel dufteten; nun ist auch mir dasselbe Leid geworden.“

Während er so jammerte, gedachte er seiner ersten Gemahlin und sprach dabei folgende Strophe:

[§5] „Du Schwarze, deren Körper glänzt von Sandel, gewachsen wie ein Spross vom Sobhanjana [5], sterben muss ich und kann dich nicht mehr sehen, o Ubbari [5a]! Das macht den Tod mir härter.“

Während er noch so vor sich hin lallte, starb er und wurde in der Hölle wiedergeboren. Sein Hauspriester, der so nach der Herrschaft gejagt hatte, konnte ihm keinen Schutz gewähren, noch erlangte er selbst für sich die Herrschaft. Sobald aber jener gestorben war, löste sich seine Heeresmacht auf und entfloh.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der räuberische König der Prinz Bodhiraja, Pingiya war Devadatta, der weitberühmte Lehrer aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Zweiggeflecht

Anmerkungen:

1.
Dies ist die zweite Strophe des Jātaka 222.
2.
Takkasilā liegt im Pandschab, also nicht am Ganges.
3.
Ähnlich dem Brauche, fünf Zoll hoch wohlriechende Substanzen auszugießen.
3a.
Der Name des Bodhisattva.

4.
Auch diese Strophe steht in dem oben erwähnten Jātaka 222 und zwar an erster Stelle.
5.
Dies ist der Baum Hyperanthera moringa.
5a.
Der Name der ersten Gemahlin des Brahmadatta.
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