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J 361
{Sutta: J iii 192|J 361|J 361} {Vaṇṇanā: atta. J 361|atta. J 361}
Die Erzählung von der Schönheit und dem hohen Wuchse
361
Vannaroha-Jataka (Vaṇṇārohajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

2. Vaṇṇārohavaggo

An Schönheit und an hohem Wuchse

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die beiden ersten Schüler. — In einer Zeit nämlich dachten die beiden großen Theras: „Während dieser Regenzeit wollen wir uns in einem leeren Hause der Einsamkeit ergeben.“ Nachdem sie vom Meister Abschied genommen, verließen sie die Schar, gingen allein mit Almosenschale und Obergewand aus dem Jetavana fort und nahmen in einem Walde in der Nähe eines Grenzdorfes Wohnung. —

Auch ein Mann, der von den Überresten der Speisen lebte, wohnte in ihrer Nähe und diente ihnen. Als nun dieser die Eintracht der Theras sah, dachte er: „Diese leben gar einträchtig; ist es möglich, sie zu entzweien?“ Er ging zum Thera Sāriputta hin und fragte ihn: „Herr, habt Ihr vielleicht irgend eine Feindschaft mit dem großen Thera Mogallana?“ „Was denn, Lieber?“, fragte Sāriputta. Der Mann erwiderte: „Herr, dieser sagt: ‘Wenn ich fortgebe, was vermag dann Sāriputta an Geschlecht, Abstammung, Rang und Kaste oder an Kraft der Durchdringung der heiligen Schriften gegen mich?’, und redet so immer von Euren Fehlern.“ Der Thera lächelte und sprach: „Gehe nur, Lieber!“

Am andern Tage ging jener zu dem großen Thera Mogallana hin und erzählte dasselbe. Auch dieser lächelte und sagte: „Gehe nur, Lieber.“ Dann ging er zum Thera Sāriputta hin und fragte: „Lieber, hat dieser Resteverzehrer etwas bei Euch erzählt?“ Sāriputta antwortete: „Ja, Freund, er hat auch mir etwas gesagt; man muss ihn vertreiben.“ „Gut, vertreibe ihn also, Lieber“, versetzte Mogallana. Darauf schnippte Sāriputta mit den Fingern nach jenem und vertrieb ihn mit den Worten: „Bleibe nicht hier wohnen.“

Nachdem nun die beiden einträchtig miteinander gehaust hatten, gingen sie zum Meister hin, begrüßten ihn und setzten sich ihm zur Seite. Der Meister begann eine liebevolle Unterhaltung mit ihnen und fragte: „Habt ihr glücklich die Regenzeit verbracht?“ Sie erwiderten: „Herr, ein Resteverzehrer wollte uns entzweien; da er uns aber nicht zu entzweien vermochte, lief er davon.“ Darauf sprach der Meister: „Nicht nur jetzt, Sāriputta, sondern auch früher schon wollte euch dieser entzweien; da er es aber nicht konnte, lief er davon.“ Und er erzählte auf ihre Bitte folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva eine Baumgottheit in einem Walde. Damals wohnten ein Löwe und ein Tiger in einem Walde in einer Berghöhle. Ein Schakal diente ihnen, fraß die Reste ihrer Mahlzeit und wurde dadurch groß von Körper. Eines Tages dachte er: „Ich habe noch nie Löwen- und Tigerfleisch verzehrt [1]. Ich muss die beiden miteinander entzweien; dann werden sie miteinander streiten und sich töten und ich werde ihr Fleisch fressen.“ Er ging daher zu dem Löwen hin und fragte: „Herr, habt Ihr vielleicht irgendeine Feindschaft mit dem Tiger?“ „Was willst du, Lieber?“ „Herr, dieser sagt: ‘Wenn ich fortgehe, so erreicht der Löwe nicht einmal den sechzehnten Teil von mir an Körperschönheit, an Höhe und Breite, an Abstammung, Stärke und Kraft’, und erzählt so immer von Euren Fehlern.“ Der Löwe aber erwiderte: „Gehe nur, jener spricht nicht so von mir.“

Der Schakal suchte auch den Tiger auf und redete mit ihm auf dieselbe Weise. Als dies der Tiger hörte, ging er zum Löwen und fragte: „Lieber, hast du das und das gesagt?“ Dabei sprach er folgende erste Strophe:

[§1] „‘An Schönheit und an hohem Wuchse, an Stärke und an Abstammung nicht besser ist als ich Subahu [2]’, hast du, Sudatha, dies gesagt?“

Als dies Sudatha hörte, sprach er die folgenden vier übrigen Strophen:

[§2] „‘An Schönheit und an hohem Wuchse, an Stärke und an Abstammung nicht besser ist als ich Sudatha’; hast du, Subahu, dies gesagt? [§3] Wenn du von mir, der bei dir wohnet, so böse Dinge reden wolltest, so würde mir, mein Freund Subahu, deine Gesellschaft nicht mehr passen. [§4] Wenn man den andern Glauben schenkt, als wären Wahrheit ihre Worte, entzweit man rasch sich mit dem Freunde und tiefe Feindschaft wird erzeugt. [§5] Nicht der ist Freund, der immer unablässig an Bruch der Freundschaft denkt und Fehler sieht; doch wer wie einen Sohn uns trägt im Herzen, der ist ein Freund, von andern unzerstörbar.“

Als so mit diesen vier Strophen der Löwe die Vorzüge eines Freundes auseinandergesetzt hatte, sagte der Tiger: „Es ist meine Schuld“, und bat den Löwen um Verzeihung. Darauf wohnten sie dortselbst einträchtig beieinander. Der Schakal aber lief davon und begab sich anderswohin.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der Schakal der Resteverzehrer, der Löwe war Sāriputta, der Tiger Mogallana; die in diesem Walde wohnende Gottheit aber, die diesen Vorgang mit eigenen Augen beobachtete, war ich.“

Ende der Erzählung von der Schönheit und dem hohen Wuchse

Anmerkungen:

1.
Vgl. dazu das Jātaka 349.
2.
„Subahu“ = „der Starkarmige“ ist in dieses Erzählung der Name des Tigers, „Sudatha“ = „der Starkzähnige“ der des Löwen.
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