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J 390
{Sutta: J iii 302|J 390|J 390} {Vaṇṇanā: atta. J 390|atta. J 390}
Die Erzählung von Mayhaka
390
Mayhaka-Jataka (Mayhakajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Ein Vogel namens Mayhaka

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen fremden Großkaufmann. Zu Savatthi nämlich war ein fremder Großkaufmann, der war reich und sehr wohlhabend. Er aber genoss weder selbst seinen Reichtum, noch gab er anderen davon. Er verzehrte nicht die Speisen von mannigfachem Wohlgeschmack, die ihm gebracht wurden, sondern nährte sich nur von Brei aus wildem Reis und saurer Brühe dazu; wenn ihm Kasi-Gewänder, die von Weihrauch dufteten, gebracht wurden, tat er diese weg und bekleidete sich mit Gewändern aus dicken, haarigen Stoffen wie für Zuckersäcke. Wenn ihm ein mit edlen Rossen bespannter, von Gold und Edelsteinen schimmernder Wagen gebracht wurde, ließ er ihn entfernen und fuhr auf einem alten Wagen mit einem aus Blättern bestehenden Sonnenschirm über dem Kopfe.

Da er zeitlebens weder Almosen gespendet, noch andre gute Werke vollbracht hatte, wurde er nach seinem Tode in der Roruva-Hölle wiedergeboren. Er hinterließ keinen Sohn, deshalb wurde sein Vermögen Eigentum des Königs. Sieben Tage und sieben Nächte dauerte es, bis es in den Palast des Königs geschafft war.

Als es dorthin überführt war, ging der König nach dem Frühmahle nach dem Jetavana, wo er den Meister begrüßte. Als dieser ihn fragte: „Warum, o Großkönig, kommst du nicht mehr zur Buddha-Aufwartung?“, antwortete er: „Herr, zu Savatthi starb nämlich ein fremder Großkaufmann. Während dessen herrenloses Vermögen in unser Haus verbracht wurde, vergingen sieben Tage. Obwohl er aber so viele Schätze erworben hatte, genoss er weder für sich selbst etwas, noch gab er anderen davon. Sein Vermögen glich einem von Dämonen bewachten Lotosteiche. Ohne auch nur einen einzigen Tag am Wohlgeschmack eines guten Mahles u. dgl. sich erfreut zu haben, ging er in das Tor des Todes. Was hat dieser geizige, lasterhafte Mann getan, dass er so viel Schätze erhielt, und warum wandte er seinen Sinn nicht dazu, sie zu genießen?“ Diese Frage stellte er an den Meister. Dieser erwiderte; „O Großkönig, dass er die Schätze erhielt und, nachdem er sie erhalten, nicht genoss, hat folgenden Grund. Nach diesen Worten erzählte er auf seine Bitte folgende Begebenheit aus der Vergangenheit [1].

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war ein Großkaufmann zu Benares ungläubig und geizig; er gab niemand etwas und sorgte für niemand. Als er eines Tages fortging, um dem König seine Aufwartung zu machen, sah er einen Paccekabuddha namens Tagarasikhi, wie er Almosen sammelte. Er begrüßte ihn und fragte: „Habt Ihr Almosen erhalten, Herr?“ Als dieser antwortete: „Bin ich nicht noch beim Sammeln, Großkaufmann?“, gab er einem Manne den Auftrag: „Gehe, führe ihn in unser Haus, lass ihn auf unserm Polster Platz nehmen, fülle seine Schüssel mit dem Mahle, das für uns bereitet ist, und gib sie ihm!“ Jener führte den Paccekabuddha in das Haus, ließ ihn sich niedersetzen und meldete es der Gattin des Großkaufmanns. Diese füllte die Almosenschale mit Speise von höchstem Wohlgeschmack und gab sie ihm. Er nahm die Speise, verließ das Haus des Großkaufmanns und begab sich auf die Straße.

Als nun der Großkaufmann vom königlichen Palaste zurückkehrte, sah er ihn; er grüßte ihn und fragte: „Herr, habt Ihr Speise erhalten?“ „Ich habe sie erhalten, o Großkaufmann.“ Als dieser nun die Almosenschale betrachtete, konnte er sich nicht zufrieden geben, sondern dachte immer: „Wenn solche Speise meine Diener oder meine Arbeiter verzehrten, würden sie mir damit etwas Unangenehmes antun; ach, es ist fürwahr ein Verlust für mich!“ Auf diese Weise konnte er nicht die Nachgedanken vervollständigen. Nur für den nämlich, der das Almosen durch folgende drei Gedanken vervollständigt, entsteht daraus eine große Frucht.

[§0.1] „Wir seien wohlgesinnt schon vor dem Geben. Wenn wir dann fröhlich sind beim Geben selbst und nach dem Spenden uns nicht mehr betrüben, dann werden unsre Kinder niemals sterben. [§0.2] Schon vor dem Geben fröhlich sein, dann bei dem Geben sich erfreuen und nach dem Geben noch voll Freude, das ist Vollendung erst beim Spenden.“
[§A2]

„Weil daher, o Großkönig, der fremde Großkaufmann dem Paccekabuddha Tagarasikhi eine Gabe spendete, gelangte er später zu vielen Schätzen; weil er aber nach der Gabe keinen guten Nachgedanken zu erwecken im Stande war, konnte er von seinen Schätzen keinen Gebrauch machen.“

Der König fragte weiter: „Warum erhielt er aber keinen Sohn, Herr?“ Darauf versetzte der Meister: „Dass er keinen Sohn erhielt, das kommt von folgender Ursache“; und er erzählte auf seine Bitte folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in einer achthundert Millionen besitzenden Großkaufmannsfamilie seine Wiedergeburt. Als er herangewachsen war, nahm er nach dem Tode seiner Eltern seinen jüngeren Bruder zu sich und verwaltete sein Vermögen. Er erbaute am Tore seines Hauses eine Almosenhalle, spendete reiche Gaben und führte so ein häusliches Leben. Es wurde ihm aber ein Sohn geboren. Zur Zeit, als dieser auf seinen Füßen gehen konnte, sah der Bodhisattva die Sündlichkeit der Lüste ein und den Vorteil, der in der Weltentsagung liege. Er übergab seinem jüngeren Bruder sein ganzes Vermögen samt Frau und Kind und ermahnte ihn, unablässig Almosen zu spenden; dann betätigte er die Weltflucht der Weisen, erlangte die Erkenntnisse und die Vollkommenheiten und nahm im Himalaya-Gebirge seinen Aufenthalt. —

Auch sein jüngerer Bruder bekam einen Sohn. Als er diesen heranwachsen sah, dachte er: „Wenn der Sohn meines Bruders am Leben bleibt, wird das Vermögen getrennt und in zwei Teile geteilt werden; ich werde den Sohn meines Bruders töten.“ Eines Tages drückte er ihn im Flusse unter das Wasser und tötete ihn. Als er nach dem Bade zurückkehrte, fragte ihn die Frau seines Bruders: „Wo ist mein Sohn?“ Er antwortete: „Er hat im Flusse sich am Wasserspiel erfreut; als ich ihn dann suchte, fand ich ihn nicht.“ Jene begann zu weinen und verstummte.

Als nun der Bodhisattva diese Begebenheit wahrnahm, dachte er: „Diese Tat will ich an das Licht bringen.“ Er flog durch die Luft nach Benares, wo er auf die Erde hinabstieg. Unten und oben wohl gekleidet, trat er an die Haustüre seines Bruders. Als er die Almosenhalle nicht sah, dachte er: „Auch die Halle ist von jenem Bösewicht zerstört worden.“ Als nun der jüngere Bruder hörte, dass jener gekommen sei, kam er herbei, begrüßte den Bodhisattva, führte ihn in den Palast hinein und setzte ihm köstliche Speise vor.

Nachdem das Mahl beendet war und sie in behaglichem Gespräch beisammen saßen, fragte der ältere: „Ich sehe meinen Knaben nicht; wo ist er?“ „Jener antwortete: „Er ist gestorben, Herr.“ „Bei welcher Gelegenheit?“ „An der Stelle, wo er sich im Wasser erlustigte; die genaue Ursache aber kenne ich nicht.“

Darauf versetzte der Bodhisattva: „Wie, du Bösewicht, du willst sie nicht kennen? Die Tat, die du verübtest, ist mir bekannt. Hast du ihn nicht aus dieser Ursache getötet? Wie wirst du das Vermögen behaupten können, wenn es durch die Macht von Königen u. dgl. zugrunde geht? Welcher Unterschied besteht zwischen dem Vogel Mayhaka und dir?“ Indem ihm darauf das große Wesen mit Buddha-Anmut die Wahrheit verkündigte, sprach es folgende Strophen:

[§1] „Ein Vogel namens Mayhaka [2], der in der Berge Höhlen lebt, stieg auf'nen reifen Feigenbaum und rief nur immer: ‘Mir ist's, mir.’ [§2] Doch während er so weiter schrie, da kam herbei der Vögel Schar. Sie aßen Feigen und sie gingen, doch immer schrie der Vogel weiter. [§3] So geht es auch mit manchem Menschen, der viel Vermögen hat gesammelt, doch weder sich, noch den Verwandten den richt'gen Teil zukommen lässt. [§4] Denn von der Kleidung, von der Mahlzeit, von Kränzen und duftenden Salben hat selber niemals er Genuss und gönnt es auch nicht den Verwandten. [§5] Und während er nur immer schreit: ‘'s ist mein,'s ist mein’, und es bewacht, da kommen Kön'ge oder Räuber; sie machen's wie unliebe Erben und gehen mit dem Geld davon; der Mann jedoch schreit immer fort. [§6] Doch wenn ein Weiser kommt zu Schätzen, so gibt er den Verwandten Anteil; dadurch erlangt er Ruhm und später kann er im Himmel sich erfreuen.“

Nachdem ihm so der Bodhisattva die Wahrheit erklärt hatte, bewirkte er, dass die Almosen wieder wie vorher gespendet wurden; er selbst kehrte in den Himalaya zurück und gelangte, ununterbrochener Ekstase sich erfreuend, in die Brahma-Welt.

[§A2]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, fügte er hinzu: „So, o Großkönig, hat dieser fremde Großkaufmann, weil er den Sohn seines Bruders tötete, die ganze Zeit über weder einen Sohn, noch eine Tochter bekommen.“

[§C]

Dann verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der jüngere Bruder der fremde Großkaufmann, der ältere aber war ich.“

Ende der Erzählung von Mayhaka

Anmerkungen:

1.
Dies Jātaka hat auffallenderweise zwei Erzählungen aus der Vergangenheit, von denen die zweite als die eigentliche gilt, wie aus der Zitierung des Anfangsverses hervorgeht.
2.
Mayhaka heißt wörtlich „der Mir-Vogel“.
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