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J 398
{Sutta: J iii 329|J 398|J 398} {Vaṇṇanā: atta. J 398|atta. J 398}
Die Erzählung von Sutana
398
Sutana-Jataka (Sutanujātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Der König schickte zu dir Speise

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Mönch, der seine Mutter ernährte.

[§D]

Die Begebenheit wird im Sama-Jātaka [1] erzählt werden.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva seine Wiedergeburt in einer armen Hausväterfamilie; man gab ihm den Namen „Sutana“. Als er herangewachsen war, diente er um Lohn und ernährte damit seine Eltern, und nachdem sein Vater gestorben war, unterhielt er seine Mutter. —

Zu der Zeit aber war der König von Benares ein Freund der Jagd. Eines Tages zog er mit großem Gefolge in einen Wald, der ein oder zwei Yojanas groß war, und ließ allen verkünden: „An wessen Standort ein Stück Wild entkommt, der hat verloren.“ Die Minister aber errichteten für den König an dem Hauptwege eine bedeckte Hütte und gaben sie ihm.

Als nun die Leute die Wohnungen der Gazellen umstellten und durch ihr Geschrei die Gazellen aufscheuchten, gelangte eine Ena-Gazelle an den Ort, wo der König stand. Der König schoss einen Pfeil ab, um sie zu erlegen. Die Gazelle aber, die sich auf die Listen verstand, drehte sich herum, als sie merkte, wie der Pfeil auf ihre Seite zuflog, und ließ sich hinfallen, als wenn sie getroffen wäre. Der König dachte, er habe die Gazelle getroffen, und lief auf sie zu, um sie zu fangen. Da sprang die Gazelle empor und floh mit Windeseile. Die Minister aber und die anderen Begleiter lachten den König aus.

Dieser verfolgte die Gazelle. Als sie ermüdet war, hieb er sie mit seinem Schwerte in zwei Teile und hängte sie an einen Stock. Während er nun so daherkam, als trüge er eine Tragstange, dachte er: „Ich will mich ein wenig ausruhen“, und ging auf einen in der Nähe des Weges stehenden Bananenbaum zu, wo er sich niederlegte und einschlief. In diesem Bananenbaum aber wohnte ein Dämon, Makhadeva mit Namen; dieser hatte von Vessavana[2] die Erlaubnis erhalten, alle zu verzehren, die an den Baum kämen. Als nun der König aufstand und fortgehen wollte, nahm jener ihn bei der Hand und sagte: „Bleibe, ich muss dich auffressen.“ „Wie heißt du denn?“, fragte der König. Er antwortete: „Ich bin ein hier hausender Dämon; ich darf alle diejenigen auffressen, welche an diesen Ort kommen.“

Nun wendete der König eine List an [3] und fragte: „Warum willst du nur heute fressen? Willst du nicht für immer Nahrung erhalten?“ Der Dämon erwiderte: „Wenn ich es kann, will ich lieber für immer Nahrung erhalten.“ Darauf sprach der König: „Verzehre heute diese Gazelle und lasse mich frei. Ich werde dir von morgen an täglich einen Mann mit einer Schüssel Reisbrei schicken.“ Der Dämon erwiderte: „Tue dies nur unablässig; denn an dem Tage, da du mir nichts schickst, werde ich dich auffressen.“ Der König versetzte: „Ich bin der König von Benares; es gibt nichts, was ich nicht könnte.“ Der Dämon nahm die Zustimmung des Königs an und entließ ihn.

Dieser kehrte in die Stadt zurück, erzählte die Begebenheit einem seiner Ratgeber und fragte: „Was muss man da tun?“ „Habt Ihr eine Begrenzung der Tage angegeben?“, fragte jener. „Nein, dies tat ich nicht.“ „Da habt Ihr etwas Unpassendes getan. Aber habt keine Angst; im Gefängnis sind viele Leute.“ Der König erwiderte: „Besorge also du diese Angelegenheit und rette mir das Leben!“ Der Minister gab seine Zustimmung. Jeden Tag holte er aus dem Gefängnis einen Mann, ließ ihn die Schüssel mit Reisbrei nehmen und schickte ihn zu dem Dämon, ohne ihn etwas wissen zu lassen. Wenn dann der Dämon den Reisbrei verzehrt hatte, fraß er den Mann auf.

In der Folgezeit wurden die Gefängnisse leer von Insassen. Als so der König niemand mehr fand, der die Speise forttragen wollte, zitterte er vor Todesangst. Sein Minister aber tröstete ihn mit folgenden Worten: „O Fürst, stärker als die Lebenslust ist die Geldgier. Wir wollen auf dem Rücken eines Elefanten einen Beutel mit tausend Goldstücken befestigen und durch Trommelschlag verkünden lassen: ‘Wer will einem Dämon Reisbrei bringen und dafür dieses Geld bekommen?’“

So geschah es. Da dachte der Bodhisattva bei sich: „Ich bringe durch meine Lohnarbeit nur anderthalb Masakas [4] zusammen und kann damit kaum meine Mutter ernähren. Ich will das Geld annehmen, es meiner Mutter geben und zu dem Dämon hingehen. Wenn ich den Dämon bändigen kann, so ist es gut; wenn ich es aber nicht kann, so wird doch wenigstens meine Mutter behaglich leben können.“ Er erzählte die Sache seiner Mutter; doch sie wies ihn zweimal zurück mit den Worten: „Genug, mein Sohn; ich brauche kein Geld.“ Beim dritten Male aber sagte er zu den Leuten des Königs, ohne die Zustimmung seiner Mutter erhalten zu haben: „Ihr Herren, bringt mir die tausend Goldstücke; ich werde den Reisbrei wegtragen.“ Nachdem er die tausend erhalten, gab er sie seiner Mutter und sprach zu ihr: „Mutter, sei unbekümmert! Ich werde den Dämon bezwingen, dadurch viel Volks erretten und heute noch zurückkehren, indem ich dein von Tränen überströmtes Antlitz dadurch wieder heiter mache.“

Nachdem er sich von seiner Mutter verabschiedet, ging er mit den Leuten des Königs zum Könige hin, begrüßte ihn und blieb vor ihm stehen. Darauf fragte der König: „Mein Lieber, willst du die Speise überbringen?“, und er antwortete: „Ja, o Fürst.“ „Was musst du dazu erhalten?“, fragte der König weiter. „Eure goldenen Schuhe, o Fürst.“ „Aus welchem Grunde?“ Der Bodhisattva erwiderte: „O Fürst, jener Dämon darf diejenigen auffressen, welche am Fuße des Baumes auf der Erde stehen; ich aber werde mich nicht auf den Boden stellen, der ihm gehört, sondern auf den Schuhen stehen bleiben.“ „Brauchst du noch etwas anderes?“ „Euren Sonnenschirm, o Fürst.“ „Warum dies?“ „O Fürst, der Dämon darf diejenigen auflassen, die im Schatten seines Baumes stehen; ich aber werde mich nicht in den Schatten des Baumes stellen, sondern im Schatten des Sonnenschirmes stehen bleiben.“

Der König fragte weiter: „Brauchst du noch etwas anderes?“ „Euer Schwert, o Fürst.“ „Wozu brauchst du es?“ „O Fürst, auch die Dämonen fürchten sich vor denen, die Waffen in den Händen haben“, war die Antwort. Wieder fragte der König: „Brauchst du sonst noch etwas?“ Der Bodhisattva erwiderte: „O Fürst, ich möchte, dass eine goldene Schüssel mit dem Reisbrei, den Ihr selbst zu verzehren pflegt, gefüllt werde.“ „Warum, mein Lieber?“ „O Fürst, für einen weisen Mann wie ich passt es nicht, auf einer irdenen Schüssel unschmackhafte Speise zu tragen.“

„Gut, mein Lieber“, antwortete der König. Er ließ ihm alles geben und schickte noch ein Gefolge von Dienern mit. Der Bodhisattva sagte darauf: „O Großkönig, fürchte dich nicht; heute noch werde ich zurückkehren, nachdem ich den Dämon gebändigt und Euch Rettung gebracht habe.“ Nach diesen Worten grüßte er den König, ließ die Utensilien mitnehmen und begab sich an jenen Ort. Unweit von dem Baume ließ er seine Begleiter zurück, stieg auf die goldenen Schuhe, gürtete das Schwert um, hielt den weißen Sonnenschirm über sein Haupt, nahm die goldene Schüssel mit dem Reisbrei und ging zu dem Dämon hin.

Als der Dämon auf den Weg schaute und ihn sah, dachte er bei sich: „Dieser Mann kommt nicht auf die Weise wie in früheren Tagen; was ist daran schuld?“ Der Bodhisattva aber kam an den Baum heran, schob die Reisbreischüssel mit der Spitze seines Schwertes in den Schatten, blieb selbst nahe dem Schatten stehen, und sprach so folgende erste Strophe:

[§1] „Der König schickt dir diese Speise, gar fein, mit Fleischessaft beträufelt. Wenn hier der Makhadeva wohnt, so komm heraus, verzehre sie!“

Da dies der Dämon hörte, dachte er: „Ich werde diesen Mann betrügen und ihn, wenn er in den Schatten tritt, auffressen.“ Und er sprach folgende zweite Strophe:

[§2] „So komm doch näher her, o Jüngling, mit deiner wohl gewürzten Speise. Denn du, o Jüngling, und dein Mahl, ihr zwei seid mir zum Fraß bestimmt.“

Darauf sprach der Bodhisattva die folgenden beiden Strophen :

[§3] „Um kleinen Vorteil willst du, Dämon, des großen Vorteils dich berauben; nicht werden dir dein Mahl mehr bringen die Leute, die des Tods gedenken. [§4] Für immer, Dämon, kannst dies Mahl du haben, das wohlschmeckende, feine, gut gewürzte; doch wirst du, wenn du mich frisst, schwer noch finden den Mann, der dir herbeibringt deine Speise.“

Der Dämon merkte: „Etwas Passendes sagt der junge Brahmane“; und befriedigten Herzens sprach er folgende zwei Strophen:

[§5] „Dies ist mein Vorteil, Sutana, wie du es sagst, junger Brahmane. Von mir erhältst du die Erlaubnis, in Frieden geh zu deiner Mutter. [§6] So geh und nimm das Schwert mit dir, den Sonnenschirm, die Schüssel, Jüngling; in Frieden sehe dich die Mutter und du auch sieh die Mutter wieder.“

Als der Bodhisattva des Dämons Worte vernommen, dachte er: „Mein Werk ist vollendet. Ich habe den Dämon bezwungen, ich habe viel Geld erhalten, ich habe den Auftrag des Königs erfüllt.“ Beruhigten Herzens brachte er dem Dämon seine Danksagung dar und sprach zu diesem Zwecke folgende Schlussstrophe:

[§7] „So lebe, Dämon, glücklich weiter mit allen deinen Anverwandten. Erhalten habe ich mein Geld; des Königs Auftrag ist erfüllt.“

Nach diesen Worten sprach er folgendermaßen zu dem Dämon: „Lieber, da du früher böse Werke tatest, bist du als ein roher, grausamer Dämon wiedergeboren worden, der sich von dem Fleisch und Blut der andern nährt. Vollführe von nun an keinen Mord mehr an lebenden Wesen u. dgl.“ Nachdem er ihm so die Vorteile der Tugend und die Nachteile der Lasterhaftigkeit dargelegt hatte, befestigte er den Dämon in den fünf Geboten und fügte hinzu: „Was brauchst du im Walde zu wohnen? Komme, ich lasse dir am Stadttor eine Wohnung bereiten und werde bewirken, dass du vorzügliche Speise erhältst.“

Nach diesen Worten verließ er mit dem Dämon diesen Ort, ließ den Dämon das Schwert und die andern Gegenstände mitnehmen und kehrte nach Benares zurück. Hier meldete man dem Könige: „Der junge Brahmane Sutana kommt mit dem Dämon zurück.“ Da ging der König, umgeben von der Schar seiner Minister, dem Bodhisattva feierlich entgegen, wies dem Dämon am Stadttore eine Wohnung an und ließ ihm vorzügliche Speise reichen. Hierauf kehrte er in die Stadt zurück, ließ durch Trommelschlag die Stadtbewohner zusammenrufen, schilderte ihnen den Vorzug des Bodhisattva und gab diesem die Stelle seines Heerführers. Er selbst aber beharrte bei der Ermahnung des Bodhisattva, tat gute Werke wie Almosen Spenden u. dgl. und gelangte dadurch in den Himmel.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener Mönch, der seine Mutter ernährt hatte, zur Frucht der Bekehrung): „Damals war der Dämon Angulimala [5], der König war Ananda, der junge Brahmane aber war ich.“

Ende der Erzählung von Sutana

Anmerkungen:

1.
Jātaka 540.
2.
Der Gehilfe von Indra und Beherrscher der Dämonen.
3.
Es kann auch heißen: „Er fasste Mut.“
4.
Eine kleine Scheidemünze.
5.
Ein von Buddha bekehrter Räuber, der dann einer seiner treuesten Anhänger wurde.
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