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J 417
{Sutta: J iii 427|J 417|J 417} {Vaṇṇanā: atta. J 417|atta. J 417}
Die Erzählung von Kaccani
417
Kaccani-Jataka (Kaccānijātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

VIII. Atthaka-Nipata (Achtes Buch)

Mit reinen Kleidern

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf jemand, der seine Mutter ernährte. Dieser nämlich, ein Sohn aus gutem Hause zu Savatthi, übte edlen Wandel. Nachdem sein Vater gestorben war, wurde er der Beschützer seiner Mutter; er pflegte seine Mutter, indem er ihr das Antlitz wusch, ihr Holz gab zum Reinigen der Zähne, sie badete, ihr die Füße wusch und sonstige Sklavendienste an ihr verrichtete und sie auch mit saurem Schleim und Reisbrei ernährte. Da sprach seine Mutter zu ihm: „Mein Sohn, es gibt auch andere Pflichten für den, der im Hause wohnt. Führe ein Mädchen heim aus einer Familie, die der unsrigen entspricht. Dies wird mich pflegen; du aber tue deine Arbeit.“ Doch ihr Sohn erwiderte: „Mutter, ich diene Euch, weil ich nach Eurem [1] Glück und Heil verlange. Wer anders wird so dienen?“ Die Mutter versetzte: „Mein Sohn, es ziemt dir, unsre Familie fortzupflanzen.“ Doch der Sohn erwiderte: „Ich verlange nicht nach dem häuslichen Leben; wenn ich Euch gedient habe und Euer Leichnam verbrannt ist, werde ich die Welt verlassen.“

Als nun seine Mutter trotz ihrer wiederholten Bitten seine Zustimmung nicht erhalten konnte, führte sie, ohne auf seinen Willen Rücksicht zu nehmen, ihm aus einer der ihrigen entsprechenden Familie eine Braut zu. Er stieß seine Mutter nicht zurück und lebte mit der jungen Frau zusammen. Diese aber dachte: „Mein Gatte dient mit großem Eifer seiner Mutter; auch ich will ihr dienen“, und sie erwies ihr große Ehrung. Als nun ihr Gatte merkte, dass sie seiner Mutter mit Aufmerksamkeit diene, gab er von da an alle süßen Kuchen, die er erhielt, nur ihr.

In der Folgezeit aber dachte sie: „Dieser gibt alle süßen Kuchen, die er erhält, nur mir; gewiss hat er Lust, seine Mutter aus dem Hause zu schaffen. Ich werde ihm ein Mittel dazu geben.“ Infolge dieses törichten Gedankens sprach sie eines Tages zu ihrem Gatten: „Herr, wenn du das Haus verlassen hast, schilt mich deine Mutter.“ Doch er blieb stumm. Da dachte sie bei sich: „Ich will die Alte reizen und sie dadurch ihrem Sohne widerwärtig machen.“ Wenn sie von da an ihr sauren Schleim gab, so war er entweder zu heiß oder zu kalt, zu salzig oder zu wenig gesalzen. Wenn dann die Mutter sagte: „Tochter, er ist zu heiß und zu sehr gesalzen“, füllte sie ihn mit kaltem Wasser auf; wenn dann jene sagte: „Er ist zu kalt und zu wenig gesalzen“, machte die Junge ein großes Geschrei, indem sie rief: „Zuerst sagte sie, er sei zu heiß und zu sehr gesalzen; wer kann es ihr recht machen?“ Auch das Waschwasser machte sie zu heiß und rieb ihr damit den Rücken ab. Wenn dann die Mutter sagte: „Tochter, mein Rücken verbrennt“, füllte sie es mit kaltem Wasser auf; und als die Alte sagte: „Es ist zu kalt“, rief jene: „Zuerst sagte sie, es sei zu heiß, und jetzt schreit sie, es sei zu kalt; wer kann ihre Launen befriedigen?“, und erzählte es den Nachbarn. Als die Alte sagte: „Tochter, in meinem Bette sind viele Flöhe“, zog sie das Bett heraus, schlug darüber ihr eigenes Bett aus und legte dann jenes wieder zurecht mit den Worten: „Ich habe es ausgeklopft.“ Nun aber wurde die ehrwürdige Laienschwester von der doppelten Zahl von Flöhen gebissen; die ganze Nacht saß sie da und dachte darüber nach. Dann sagte sie: „Tochter, die ganze Nacht hindurch wurde ich von den Flöhen gebissen.“ Doch die andere rief dagegen: „Gestern wurde dein Bett ausgeklopft und auch vorher schon wurde es ausgeklopft. Wer ist im Stande, ihre Aufträge auszuführen?“

Dann dachte sie: „Jetzt will ich den Sohn zornig machen“, und sie verstreute allenthalben Speichel, Rotz und graue Haare. Als sie gefragt wurde: „Wer hat das ganze Haus unrein gemacht?“, antwortete sie: „Deine Mutter hat so getan.“ Doch als er ihr erwiderte: „Tue nicht so“, begann sie zu streiten und rief: „Ich kann mit einer solchen Unglückskrähe nicht in einem Hause wohnen; lasse sie im Hause bleiben oder mich!“ Als er ihre Worte vernahm, versetzte er: „Liebe, du bist noch jung, du kannst gehen, wohin immer du willst. Meine Mutter aber ist schwach; ich bin ihre einzige Hilfe. Verlasse du das Haus und kehre zu deiner Familie zurück!“ Da sie aber diese Worte hörte, dachte sie voll Furcht: „Man kann ihn nicht mit seiner Mutter entzweien; ganz besonders lieb ist ihm seine Mutter. Wenn ich aber in das Haus meiner Familie zurückkehre und das Leben einer Witwe führe, werde ich unglücklich sein. Ich will wieder auf die frühere Weise meine Schwiegermutter für mich gewinnen und sie pflegen.“ Und von da an pflegte sie dieselbe wie zuvor.

Eines Tages nun begab sich jener Laienbruder, um die Predigt zu hören, nach dem Jetavana; er begrüßte den Meister und setzte sich ihm zur Seite. Als dieser ihn fragte: „Wie, Laienbruder, wirst du nicht müde in guten Werken, erfüllst du gegen deine Mutter die Pflicht des Dienstes?“, antwortete er: „Ja, Herr. Meine Mutter hat mir wider meinen Willen ein Mädchen aus guter Familie zugeführt; dies hat dies und dies unziemliche Werk getan.“ Nachdem er so dem Meister alles erzählt hatte, schloss er mit den Worten: „So, Erhabener, vermochte diese Frau nicht mich mit meiner Mutter zu entzweien; jetzt aber dient sie ihr wieder mit Eifer.“ Als der Meister seine Rede vernommen, sprach er: „Jetzt, Lieber, tatest du nicht nach ihrem Wort; früher aber hast du auf ihr Wort hin deine Mutter verstoßen und wurdest durch mich veranlasst, sie wieder in dein Haus zurückzuführen und zu pflegen.“ Nach diesen Worten erzählte er auf die Bitte der andern folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Sohn einer Familie nach dem Tode seines Vaters der Beschützer seiner Mutter. Auf die oben angegebene Weise pflegte er seine Mutter

[§D]

usw. ganz in der Art, wie oben ausgeführt.

Als seine Frau aber sagte; „Mit einer solchen Unglückskrähe vermag ich nicht zusammen zu wohnen; entweder lasse sie im Hause bleiben oder mich“, nahm er ihre Worte an und dachte: „An meiner Mutter liegt allein die Schuld.“ Und er sprach zu seiner Mutter: „Du erregst in diesem Hause beständig Streit; gehe von hier fort und wohne irgendwo anders, wo du magst.“ Sie versetzte: „Gut“, und verließ weinend das Haus. Bei einer befreundeten Familie diente sie um Lohn und fristete so elend ihr Leben.

Als aber die Schwiegermutter weggezogen war, entstand im Leibe der Schwiegertochter eine Frucht und sie erzählte beständig ihrem Gatten und ihren Nachbarn: „So lange jene Unglückskrähe im Hause weilte, empfing ich nicht; jetzt aber habe ich eine Frucht empfangen.“ Auch nachdem sie in der Folgezeit einen Sohn geboren hatte, sagte sie zu ihrem Manne: „Solange deine Mutter im Hause wohnte, bekam ich keinen Sohn; jetzt aber habe ich einen erhalten. An dieser Tatsache kannst du erkennen, dass sie ein Unglücksvogel war.“

Als aber die andere hörte, dass ihre Schwiegertochter, nachdem sie selbst aus dem Hause getrieben war, einen Sohn bekommen habe, dachte sie bei sich: „Sicherlich wird in dieser Welt das Recht gestorben sein. Denn wenn das Recht nicht gestorben wäre, würden diejenigen, die ihre Mutter geschlagen und aus dem Hause gejagt haben, keinen Sohn bekommen und könnten nicht glücklich leben. Ich werde dem Rechte die Totenspeise darbringen.“ Eines Tages nahm sie Sesammehl und Reis nebst einem Kochtopf und Löffel und ging damit auf das Totenfeld. Aus drei Menschenschädeln machte sie einen Ofen und zündete Feuer an. Sie selbst stieg in das Wasser hinab, badete sich ganz vom Kopf bis zu den Füßen und wusch ihr Gewand. Dann kehrte sie zu dem Orte zurück, wo der Ofen stand, löste ihre Haare auf und begann den Reis zu waschen.

Damals war der Bodhisattva der Götterkonig Sakka; die Bodhisattvas aber sind unermüdlich. Als er in diesem Augenblick die Welt betrachtete und jene sah, wie sie in der Meinung, das Recht sei gestorben, diesem Totenspeise darbringen wollte, dachte er: „Heute werde ich meine Gewalt zeigen.“ In der Kleidung eines Brahmanen stellte er sich, als sei er auf der Heerstraße und habe sie gesehen. Er verließ die Straße, ging zu ihr hin und sagte: „Mutter, es gibt doch niemand, der auf dem Totenfelde sich seine Mahlzeit kocht; was willst du hier mit diesem gekochten Reiswasser machen?“ Und indem er mit ihr eine Unterhaltung begann, sprach er folgende erste Strophe:

[§1] „Mit reinen Kleidern, sauber, mit feuchten Haaren, Kaccani, warum setzest den Topf du auf und reinigst du zerstoßenen Reis und Sesam; wozu soll denn das Sesamwasser dienen?“

Jene aber sprach, um ihm dies zu verkünden, folgende zweite Strophe:

[§2] „Nicht, o Brahmane, um als Nahrung zu dienen, wird dieses Sesamwasser hier gut gekocht. Gestorben ist das Recht; zu seinem Gedächtnis bereit ich diese Speise im Leichenfelde.“

Darauf sprach Sakka folgende dritte Strophe:

[§3] „Mit gutem Bedacht, Kaccani, tust du dieses; das Recht ist tot, wer hat dich dies gelehrt? Des Tausendäugigen [2] Macht ist unvergleichlich und niemals wird das wahre Recht ersterben.“

Als die andere diese Worte vernahm, sprach sie die folgenden beiden Strophen:

[§4] „Fest bin ich davon überzeugt, Brahmane; das Recht ist tot, daran kann ich nicht zweifeln. Denn die nur immer böse sind auf Erden, die werden alle jetzt des Glückes voll. [§5] Unfruchtbar war die Schwiegertochter mein; ein Sohn ward ihr, nachdem sie mich vertrieben. Jetzt ist sie Herrin meines ganzen Stammes, ich aber bin verstoßen und allein.“

Darauf sprach Sakka folgende sechste Strophe:

[§6] „Noch lebe ich, noch bin ich nicht gestorben, um deinetwillen nur kam ich hierher. Die einen Sohn gebar, nachdem sie dich vertrieben, in Asche werd' ich sie samt ihrem Sohn verwandeln.“

Da aber die andre dies hörte, dachte sie: „Was sagst du da? Ich werde bewirken, dass mein Enkel nicht sterben muss!“ Und sie sprach folgende siebente Strophe:

[§7] „Wenn dieses dir gefällt, o Götterkönig, wenn du um meinetwillen bist gekommen, so möge ich, mein Sohn, die Schnur [2a], der Enkel in Eintracht weiter leben in dem Hause.“

Darauf erwiderte ihr Gott Sakka mit der folgenden achten Strophe:

[§8] „Wenn dieses dir gefällt, o Katiyani [3], und du, obwohl geschlagen, nicht das Recht verlässt, so mögest du, dein Sohn, die Schnur [2a], der Enkel, in Eintracht weiter leben in dem Hause.“

Nach diesen Worten aber stellte sich Sakka mit voller Pracht geziert durch seine göttliche Kraft in die Luft und sprach: „O Kaccani, fürchte dich nicht! Dein Sohn und deine Schwiegertochter werden durch meine Macht unterwegs zu dir kommen, dich um Verzeihung bitten und dich wieder mit sich nehmen. Bleibe in deinem Eifer!“ Nach diesen Worten kehrte er an seinen Ort zurück.

Jene beiden aber erinnerten sich infolge Sakkas Macht an den Vorzug der Mutter und fragten im Dorfe die Leute: „Wo ist unsre Mutter?“ Als sie hörten, sie sei nach dem Leichenfelde zu gegangen, schlugen sie unter beständigen Rufen: „Mutter, Mutter“, auch den Weg zum Leichenfelde ein. Da sie sie sahen, fielen sie ihr zu Füßen und baten sie um Verzeihung, indem sie sagten: „Mutter, vergib uns unsere Schuld!“ Jene aber nahm den Enkel in ihre Arme. So gingen sie einträchtig nach Hause und lebten von da an in Eintracht.

[§9] Mit ihrer Schwiegertochter Katiyani in Eintracht lebte weiter in dem Hause; es dienten ihr ihr Sohn und auch ihr Enkel, vom Götterkönig dazu angetrieben.

Diese Strophe sprach der völlig Erleuchtete.

[§C]

Nachdem aber der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener Laienbruder zur Frucht der Bekehrung): „Damals war der Sohn, der die Mutter ernährte, derselbe wie jetzt, die damalige Gattin war auch die jetzige Gattin, der Gott Sakka aber war ich.“

Ende der Erzählung von Kaccani

Anmerkungen:

1.
Es könnte auch heißen: „nach meinem Glück“.
2.
Beiname des Sakka (Indra), der alles sieht und das Recht beschützt.
2a.
Veralteter Ausdruck für „Schwiegertochter“.
3.
Auch im Original ist aus metrischen Gründen der Name Kaccani in diese ursprüngliche Form auseinandergezogen.
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