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J 453
{Sutta: J iv 078|J 453|J 453} {Vaṇṇanā: atta. J 453|atta. J 453}
Die Erzählung von dem großen Glück
453
Mahamangala-Jataka (Mahāmaṅgalajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Was soll der Mann?

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf das Lehrstück von dem großen Glück [1]. In der Stadt Rajagaha nämlich war aus irgendeinem Grunde in der königlichen Residenz [2] eine große Volksmenge versammelt. Da stand in ihrer Mitte ein Mann auf mit den Worten: „Heute ist für mich ein Glückstag“, und ging fort. Ein anderer, der dessen Worte vernommen hatte, sprach darauf: „Dieser hat von Glück gesprochen und ist dann gegangen; was ist denn dies Glück?“ Ihm erwiderte ein anderer: „Wenn man etwas sieht, das Glück verheißend aussieht, so ist dies ein Glück. So mancher, der bei Zeit aufsteht, sieht einen ganz weißen Stier oder eine schwangere Frau oder einen roten Fisch oder eine volle Schüssel oder frisch zubereitete Kuhbutter oder ein neues Gewand oder Reisbrei, und es gibt kein größeres Glück.“ Einige lobten das von ihm Gesagte und sprachen: „Dies ist gut gesagt.“

Ein andrer aber sagte: „Nicht dies ist Glück bringend, sondern das Gehörte bringt Glück. So mancher nämlich hört sagen: ‘Die Schüssel ist voll’, dann hört er: ‘Die Speise wird zubereitet’, ‘sie ist zubereitet’; dann hört er sagen: ‘Iss, verzehre sie!’ Ein größeres Glück als dies gibt es nicht.“ Auch dessen Rede lobten einige, indem sie sagten: „Das ist gut gesprochen.“—Wieder ein anderer trat auf und sprach: „Nicht dies ist ein Glück, sondern die Berührung bringt Glück. So mancher steht bei Zeit auf und berührt die Erde, er berührt grünes Gras, feuchten Kuhmist, ein ganz reines Gewand, einen roten Fisch, Gold und Silber oder eine Speise; ein größeres Glück als dieses gibt es nicht.“ Auch dessen Worte lobten einige, indem sie sagten: „Das ist gut gesprochen.“

So gab es nun drei Parteien; diejenigen, welche das Sehen als Glück betrachteten, diejenigen, welche das Hören, und diejenigen, welche das Fühlen für das größte Glück hielten; und sie konnten nicht einig werden. Von den Erdgottheiten angefangen bis zum Brahmahimmel erkannten sie nicht der Wahrheit gemäß, worin das Glück bestehe. Da dachte Gott Sakka: „Diese Frage nach dem größten Glück zu lösen, ist in der ganzen Welt der Götter und Menschen außer dem Erhabenen niemand im Stande. Ich will zu dem Erhabenen hingehen und ihm die Frage vorlegen.“ Zur Nachtzeit begab er sich zum Meister, begrüßte ihn, faltete die Hände gegen ihn und legte ihm die Frage vor, indem er begann: „Viele Götter und Menschen ...“ Darauf erklärte ihm der Meister in zwölf Strophen die achtzehn Dinge, die ein großes Glück bedeuten [2a]. Während er aber das Lehrstück vom Glück der Reihe nach vortrug, gelangten zehntausend Millionen Gottheiten zur Heiligkeit und diejenigen, die zur Bekehrung und den anderen Stufen des Heiles kamen, waren nicht zu zählen. Als nun Sakka diese Unterweisung vom Glück gehört hatte, kehrte er an seinen Wohnort zurück. Nachdem aber der Meister die Arten des Glückes verkündigt hatte, pries ihn die ganze Welt der Götter und Menschen mit den Worten: „Das war gut gesprochen.“

Damals nun begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, der Meister hat die Frage nach dem Glück, die die anderen nicht verstanden, gelöst, wie wenn er an der Himmelsfläche den Mond aufgehen ließe, indem er den Sinn der Welt der Götter und Menschen fesselte [3] und ihren Zweifel beseitigte. Von so großer Weisheit, Freund, ist der Vollendete.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier versammelt?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er weiter: „Es ist kein Wunder, ihr Mönche, wenn ich jetzt, nachdem ich zur vollkommenen Erleuchtung gekommen bin, die Frage nach dem Glücke lösen kann; aber auch als ich noch die Bodhisattva-Pfade wandelte, nahm ich Göttern und Menschen ihren Zweifel und löste die Frage nach dem Glücke.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem nahm der Bodhisattva in einem Flecken im Hause eines sehr wohlhabenden Brahmanen seine Wiedergeburt; man gab ihm aber den Namen Prinz Rakkhita. Als er herangewachsen war und zu Takkasilā die Künste erlernt hatte, nahm er ein Weib. Nach dem Tode seiner Eltern aber stellte er eine Betrachtung seiner Schätze an. Da ward sein Herz erschüttert; er spendete ein reiches Almosen, gab die Lüste auf und betätigte im Himalaya-Gebirge die Weltflucht. Er erlangte die Fähigkeit der Ekstase und die Vollkommenheiten und nahm dort an einem Orte seine Wohnung, indem er sich von den Wurzeln und Früchten des Waldes nährte. Allmählich bekam er viele Anhänger; die Zahl seiner Schüler war fünfhundert.

Eines Tages nun gingen diese Büßer zum Bodhisattva hin und sprachen zu ihm: „Meister, während der Regenzeit wollen wir vom Himalaya heruntersteigen und eine Wanderung durch das Land anstellen, um uns mit Salz und Saurem zu versehen. Auf diese Weise wird unser Körper stark werden und wir werden unsere Beine bewegen können.“ Er erwiderte: „Gehet nur; ich werde inzwischen hier bleiben.“ Darauf grüßten sie ihn, stiegen vom Himalaya herab und gelangten auf ihrer Wanderung nach Benares, wo sie im königlichen Parke ihre Wohnung nahmen. Hier wurde ihnen große Ehrung zuteil.

Als nun eines Tages zu Benares in der Stadthalle eine große Volksmenge versammelt war, wurde die Frage nach dem Glück aufgeworfen. Alles ging so wie schon oben ausgeführt. Damals aber, als die vielen Leute niemanden fanden, der im Stande gewesen wäre, den Menschen ihren Zweifel zu nehmen und die Frage nach dem Glück zu lösen, gingen sie in den Park und legten der Asketenschar diese Frage vor. Die Asketen sprachen darauf zum Könige: „O Großkönig, wir können diese Frage nicht beantworten; unser Lehrer aber, der Asket Rakkhita, der im Himalaya wohnt, ist sehr weise. Dieser wird den Sinn der Welt der Götter und Menschen fesseln und diese Frage nach dem Glück beantworten.“ Der König erwiderte: „Ihr Herren, der Himalaya ist weit und schwer zu erreichen; wir werden nicht dorthin gehen können. Fürwahr, gut wäre es, wenn ihr zu eurem Lehrer ginget, ihm die Frage vorlegtet und, wenn ihr die Antwort vernommen, wieder hierher kämet und sie uns mitteiltet.“

Jene gaben ihre Zustimmung und begaben sich zu ihrem Lehrer. Nachdem sie eine liebevolle Unterhaltung begonnen hatten, fragte sie dieser, ob der König gerecht sei und wie ihre Wanderung im Lande verlaufen sei. Da erzählten sie ihm die Geschichte von den Leuten, die das Sehen für das Glück hielten, usw. von Anfang an; sie erklärten ihm, sie seien auf die Bitte des Königs und, um selbst die Antwort auf diese Frage zu hören, zu ihm gekommen, und baten: „Gut wäre es, Herr, für uns, wenn Ihr uns die Frage nach dem Glück bekannt machen und beantworten würdet.“ Darauf sprach der älteste Schüler, um den Lehrer zu fragen, folgende erste Strophe:

[§1] „Was soll der Mann zur günst'gen Zeit hersagen,

welch einen Vedenvers, welch einen Spruch was soll in dieser und der andern Welt ein Mensch vollbringen, dass sein Heil ist sicher?“

Als so dem Bodhisattva von seinem ältesten Schüler die Frage nach dem Glück vorgelegt wurde, antwortete er, indem er damit die Ungewissheit der Götter und Menschen zerstörte: „Dies und das ist das Glück“; und indem er mit Buddha-Anmut verkündigte, was das Glück bringe, sprach er folgende Strophe:

[§2] „Wer alle Götter und ehrwürd'gen Väter, auch Schlangen und die andern Wesen alle von Lieb' erfüllt beständig hält in Ehren, der findet dadurch Heil bei allen Wesen [4].“

Nachdem so das große Wesen das erste, was Glück bringt, auseinandergesetzt hatte, sprach er, um zu verkünden, was außerdem noch Glück bringe, die folgenden übrigen Strophen:

[§3] „Wer gegen alle Welt voll Demut ist, ob Mann, ob Weib und ob es Kinder sind, bei bösem Wort Geduld übt ohne Antwort, solche Verträglichkeit bringt ihm das Glück. [§4] Wer seine alten Freunde nicht verachtet ob seiner Kunst, Familie, Geld und Abkunft, wer wohl verständig, klug zur rechten Zeit [5], der findet dadurch Glück bei seinen Freunden. [§5] Wer weise Freunde nennt sein eigen, die ihm fest vertrau'n, die er noch nie belogen, wer ohne Falschheit teilt sein Geld mit ihnen, der findet dadurch Glück bei seinen Freunden. [§6] Wer eine Gattin hat von rechtem Alter, gehorsam, einträchtig, Recht liebend, fruchtbar, von gutem Hause, tugendreich, ergeben, der findet dadurch Glück unter den Weibern. [§7] Wer einen König hat, der recht die Wesen lenket, mit Ruhm bedeckt, der Reinheit kennt und Streben, der frei von Hass bemerkt: ‘Der ist mein Freund’, der findet dadurch bei den Kön'gen Glück. [§8] Wer Trank und Speise spendet glaubensvoll, auch Kränze, Wohlgerüche, Salben schenket mit gläub'gem Herzen und erfüllt von Freude, der findet dadurch einst sein Glück im Himmel. [§9] Wen die Gereiften mit der edlen Wahrheit erfüllen, ihm des Umgangs Gunst erweisen, die hochgelehrten, tugendhaften Weisen, der findet dadurch bei den Heil'gen Glück.“

So erklärte der Bodhisattva in diesen acht Strophen die Dinge, die Glück bringen, wobei er die Verkündigung der Heiligkeit zum Gipfelpunkt machte. Darauf sprach er, um die verschiedenen Arten des Glückes zu preisen, folgende Schlussstrophe:

[§10] „Dies sind des Glückes Arten in der Welt, durch Weisheit ausgezeichnet, voll von Reinheit. Sie mög' betät'gen hier der kluge Mann; denn nicht liegt Wahrheit in dem Einzelglück [6].“ —

Nachdem die Asketen diese Dinge, die das Glück bringen, vernommen hatten, verabschiedeten sie sich von ihrem Lehrer und zogen wieder an ihren früheren Ort. Der König ging zu ihnen hin und fragte sie. Da lösten sie ihm die Frage nach dem Glück in der Art, wie es ihnen ihr Lehrer gesagt hatte, und kehrten dann in den Himalaya zurück. Von da an war auf der Welt bekannt, was das Glück bringe. Durch die Betätigung dieser Glück bringenden Dinge aber gelangten alle, welche starben, in den Himmel. Nachdem aber der Bodhisattva die Vollkommenheiten betätigt hatte, wurde er mit seiner Asketenschar in der Brahmawelt wiedergeboren.

[§C]

Nachdem der Meister mit den Worten: „Ihr Mönche, nicht nur jetzt, sondern auch früher schon löste ich die Frage nach dem Glück“, diese Unterweisung beschlossen hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war die Asketenschar die Buddhagemeinde, der die Frage nach dem Glücke stellende älteste Schüler war Sāriputta, der Lehrer aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Glück

Anmerkungen:

1.
Vgl. Sutta-Nipata II, 4.
2.
Gemeint ist ein Haus, in dem der König sich aufhielt, wenn er in der Provinz umherreiste. Rajagaha war aber selbst Hauptstadt.
3.
Oder auch: „da er die Gedanken . . . verstand.“

4.
Der Gedanke, dass man durch liebevolle Gedanken gegen die Tiere vor ihren Bissen gesichert ist, findet sich öfters.
5.
Der Kommentator erklärt: Zur Zeit, da sie ihm nützen können.
6.
Nämlich in der Annahme, dass das Sehen oder das Hören oder das Fühlen Glück bringend sei.
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