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J 463
{Sutta: J iv 142|J 463|J 463} {Vaṇṇanā: atta. J 463|atta. J 463}
Die Erzählung von Supparaka
463
Supparaka-Jataka (Suppārakajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Sie tauchen auf, sie tauchen unter

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Vollendung in der Weisheit. — Eines Tages nämlich warteten die Mönche, bis der Vollendete herauskomme, um die Lehre zu verkündigen, und setzten sich in der Lehrhalle nieder. Dabei sprachen sie untereinander: „Freund, ach der Meister ist von großer Weisheit, von tiefer Weisheit, von fröhlicher Weisheit, von lebhafter Weisheit, von scharfer Weisheit, von durchdringender Weisheit; er ist ausgestattet mit einer Weisheit, die allenthalben die richtigen Mittel kennt, die ausgedehnt ist wie die Erde, die tief ist wie das große Meer und weit wie der Himmel. Auf dem ganzen Jambu-Erdteil gibt es keinen Weisen, der im Stande wäre, den mit den zehn Kräften Ausgestatteten zu überwinden. Wie eine Woge, die sich im großen Meere erhebt, das Gestade nicht überwindet, sondern sich am Gestade bricht, so kann niemand an Weisheit den mit den zehn Kräften Ausgestatteten übertreffen, sondern wenn er an die Füße des Meisters herankommt, so zerbricht er sogleich.“ So priesen sie die hohe Vollendung der Weisheit des mit den zehn Kräften Ausgestatteten. Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, ist der Vollendete voll von Weisheit, sondern auch schon früher, als seine Erkenntnis noch nicht zur völligen Reife gekommen war, war er weisheitsvoll. Obwohl er blind war, merkte er im weiten Meere am Zeichen des Wassers, dass in diesem Meere ein Edelstein von der und der Art sei.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem führte im Reiche Bharu der König Bharu die Herrschaft. Bharukaccha [1] hieß eine Hafenstadt. Damals hatte der Bodhisattva zu Bharukaccha seine Wiedergeburt genommen als Sohn des Ältesten der Schiffer; er war lieblich anzuschauen und goldfarbig. Man gab ihm den Namen Supparaka. Dieser wuchs unter großer Ehrung heran und erreichte im Alter von sechzehn Jahren die Vollendung in der Schifferkunst. In der Folgezeit wurde er nach seines Vaters Tode der Älteste der Schiffer und übte den Schifferberuf aus. Er war weise und voll Einsicht; wenn er ein Schiff bestiegen hatte, gab es dort keinen Unfall.

In der Folgezeit wurden einmal seine beiden Augen von Salzwasser getroffen und gingen dadurch zugrunde. Von da an übte er, obwohl er der Älteste der Schiffer war, den Schifferberuf nicht mehr aus, sondern er dachte: „Durch den König will ich weiterleben“, und suchte den König auf. Der König aber verlieh ihm das Amt eines Schätzers. Von da an schätzte er die kostbaren Elefanten des Königs, seine kostbaren Pferde, die schönsten Perlen, die schönsten Edelsteine u. dgl. ab.

Eines Tages brachten sie einen Elefanten herbei, der die Farbe einer schwarzen Felsspitze hatte, und sagten: „Er soll der Leibelefant des Königs werden.“ Als ihn der König sah, sprach er: „Zeigt ihn dem Weisen!“ Darauf führten sie ihm das Tier zu. Er strich mit der Hand über dessen Rücken und sagte: „Dieser passt nicht dazu, der Leibelefant des Königs zu werden; er ist auf der Hinterseite von Natur verkrüppelt. Als ihn seine Mutter gebar, konnte sie ihn nicht mit der Schulter auffangen; darum fiel er auf den Boden und wurde dadurch an den Hinterfüßen verkrüppelt.“ Man fragte diejenigen, welche den Elefanten mitgebracht hatten. Diese sagten: „Der Weise spricht die Wahrheit.“ Als aber der König diese Begebenheit erfuhr, war er hochbefriedigt und ließ ihm acht Geldstücke geben.

An einem andern Tage brachte man ein Pferd herbei, damit dies das Leibross des Königs werde. Auch dieses schickte der König zu dem Weisen hin. Dieser befühlte es mit der Hand und sagte dann: „Dies passt nicht dazu, das Leibross des Königs zu werden. Am Tage seiner Geburt nämlich starb seine Mutter; weil es deshalb nicht die Muttermilch erhielt, ist es nicht zur vollen Kraft gediehen.“ Auch diese seine Rede war wahr. Als auch dies der König hörte, ließ er ihm hochbefriedigt wieder acht Geldstücke geben.

Eines Tages brachte man einen Wagen herbei, dass dieser der Leibwagen des Königs werde. Auch diesen schickte der König zu jenem hin. Er berührte ihn mit der Hand und sagte dann: „Dieser Wagen ist aus einem hohlen Baume verfertigt, darum passt er nicht für den König.“ Auch diese Worte waren wahr. Als der König auch davon hörte, ließ er ihm wiederum nur acht Geldstücke reichen.

Darauf brachte man kostbares Tuch von hohem Werte herbei. Auch dies übersandte ihm der König. Jener strich mit der Hand darüber hin und sprach: „Es ist eine Stelle daran, die von einer Maus angenagt ist.“ Als man es untersuchte und dies bemerkte, meldete man es dem Könige. Dieser aber ließ hoch befriedigt ihm wieder nur acht Geldstücke geben.

Da dachte der Bodhisattva: „Obwohl der König solch wunderbare Dinge wahrnimmt, lässt er mir immer nur acht Geldstücke geben. Das ist das Geschenk für einen Barbier; er muss von einem Barbier abstammen! Was nützt es mir, einem solchen König zu dienen? Ich werde an meinen Wohnort zurückkehren.“ Und er kehrte nach der Hafenstadt Bharukaccha zurück. —

Damals nun richteten Kaufleute, die dort wohnten, ein Schiff her und überlegten, wen sie zum Schiffer nehmen sollten. Da dachten sie: „Ein Schiff, das der weise Supparaka bestiegen, erleidet keinen Unfall. Dieser ist klug und der Listen kundig; obwohl blind, ist Supparaka doch der beste.“ Und sie gingen zu ihm hin und sagten: „Sei du unser Schiffer!“ Als er entgegnete: „Ihr Lieben, ich bin blind; wie soll ich das Schifferamt ausführen?“, versetzten sie: „Herr, obwohl blind, bist du doch für uns der beste.“ Als er so immer wieder gebeten wurde, sagte er: „Gut, ihr Lieben, auf euren Antrag hin will ich euer Schiffer sein“, und er bestieg das Schiff.

Sie fuhren auf ihrem Schiffe in das weite Meer hinaus. Sieben Tage lang fuhr das Schiff ohne Unfall; da erhob sich ein der Jahreszeit nicht entsprechender Wind. Vier Monate lang blieb das Schiff auf dem eigentlichen Meer [2], dann geriet es in das Khuramala-Meer [3]. Dort waren Fische mit Körpern wie die Menschen und mit Nasen wie Rasiermesser; diese tauchten beständig im Wasser auf und nieder. Als diese die Kaufleute sahen, fragten sie das große Wesen nach dem Namen dieses Meeres und sprachen dabei folgende erste Strophe:

[§1] „Sie tauchen auf, sie tauchen unter, die rasiermessernäs'gen Menschen. Supparaka, wir fragen dich: was ist dies für ein Ozean?“

Als so der Bodhisattva von ihnen gefragt wurde, brachte er es mit seinem Schifferwissen zusammen und sprach folgende zweite Strophe:

[§2] „Für Kaufleute, die bei dem Suchen nach Geld Bharukaccha verlassen mit untergangbedrohtem Schiffe, heißt Khuramali dieses Meer.“

In diesem Meere aber gab es Diamanten. Da dachte der Bodhisattva: „Wenn ich ihnen sage, dass dies das Diamantenmeer ist, werden sie aus Habgier viele Diamanten mitnehmen und dadurch das Schiff zum Sinken bringen.“ Ohne ihnen etwas davon zu sagen, ließ er das Schiff anhalten, nahm mit List eine Schnur und warf das Netz aus, als wollte er Fische fangen. So zog er den Diamantenschatz heraus, legte ihn in das Schiff und ließ dafür eine andere Ware von geringem Werte wegwerfen.

Nachdem das Schiff dieses Meer durchsegelt hatte, fuhr es weiter nach dem Aggimala-Meer. Dies gab einen Glanz von sich wie eine glühende Feuermenge oder wie die Sonne zur Mittagszeit. Da fragten ihn die Kaufleute mit folgender Strophe:

[§3] „So wie das Feuer, wie die Sonne, so steht im Glanze dieses Meer. Supparaka, dich fragen wir: was ist das für ein Ozean?“

Das große Wesen setzte es ihnen auseinander mit dieser nächsten Strophe:

[§4] „Für Kaufleute, die bei dem Suchen nach Geld Bharukaccha verließen mit untergangbedrohtem Schiffe, heißt Aggimali [4] dieses Meer.“

In diesem Meere aber war Gold in Menge vorhanden. Auf die oben angegebene Art ließ er auch von hier Gold mitnehmen und legte es in das Schiff. Nachdem das Schiff auch dieses Meer durchsegelt hatte, gelangte es in das Dadhimala-Meer, das wie Milch oder wie Molken glänzte. Die Kaufleute fragten nach dessen Namen mit folgender Strophe:

[§5] „Wie Molken und wie Milch erglänzend erscheint uns dieser Ozean. Supparaka, dich fragen wir: wie wird wohl dieses Meer genannt?“

Das große Wesen antwortete mit folgender Strophe:

[§6] „Für Kaufleute, die bei dem Suchen nach Geld Bharukaccha verließen auf untergangbedrohtem Schiffe, heißt Dadhimali [5] dieses Meer.“

In diesem Meere aber gab es Silber in Menge. Jener ließ auch davon mit List nehmen und in das Schiff verbringen. Nachdem aber das Schiff auch dieses Meer durchsegelt hatte, kam es an das Nilavannakusamala-Meer [6], das wie dunkles Kusa-Gras [7] oder wie eine Menge Korn glänzte. Die Kaufleute fragten nach dessen Namen mit folgender Strophe:

[§7] „Wie Kusa-Gras oder Getreide erscheint uns glänzend dieses Meer. Supparaka, dich fragen wir: was ist das für ein Ozean?“

Jener verkündete es ihnen mit dieser nächsten Strophe:

[§8] „Für Kaufleute, die bei dem Suchen nach Geld Bharukaccha verließen auf untergangbedrohtem Schiffe, heißt Kusamali dieses Meer.“

In diesem Meere aber gab es eine Menge von kostbaren dunkelgrünen Edelsteinen (Smaragden). Auch davon ließ jener mit List nehmen und in das Schiff verbringen. Nachdem das Schiff auch dieses Meer durchsegelt hatte, kam es an das Nalamala-Meer [8], das wie ein Rohrdickicht oder auch wie ein Bambusdickicht aussah. Die Kaufleute fragten nach dessen Namen mit folgender Strophe:

[§9] „Wie Rohr oder wie Bambus auch erscheint aussehend uns dies Meer. Supparaka, dich fragen wir: was ist das für ein Ozean?“

Das große Wesen erklärte es ihnen mit dieser nächsten Strophe:

[§10] „Für Kaufleute, die bei dem Suchen nach Geld Bharukaccha verließen auf untergangbedrohtem Schiffe, heißt Nalamali dieses Meer.“

In diesem Meer aber gab es viel Lapislazuli, der die Farbe des Bambusrohres hatte. Jener ließ auch davon nehmen und in das Schiff verbringen [9].

Als aber die Kaufleute das Nalamali-Meer durchsegelten, sahen sie das sogenannte Valabhamukha-Meer [10]. Dort wird immer das Wasser angezogen und steigt auf allen Seiten in die Höhe. Das Wasser aber, das auf allen Seiten in die Höhe steigt, sieht aus wie die große Höhlung eines gespaltenen Abgrundes; wenn eine Woge sich erhebt, so sieht es auf der einen Seite aus wie ein Schlund. Dabei entsteht ein Getöse, das die Menschen erschreckt, das die Ohren zerreißt und die Herzen zerschlägt. Als dies die Kaufleute sahen, fragten sie von Furcht erschreckt mit folgender Strophe nach seinem Namen:

[§11] „Mit großer Furcht hört man dies Meer, das schreckliche, dämonische. Wie eine Höhlung, wie ein Schlund das Aussehn hat der Ozean. Supparaka, dich fragen wir: wie wird wohl dieses Meer genannt?“

Der Bodhisattva verkündete mit folgender Strophe den Namen des Meeres:

[§12] „Für Kaufleute, die bei dem Suchen nach Geld Bharukaccha verließen auf untergangbedrohtem Schiffe, Valabhamukhi heißt das Meer.“

Dann fügte er hinzu: „Ihr Lieben, wenn ein Schiff zu diesem Meere Valabhamukhi gekommen ist, ist es nicht mehr im Stande umzukehren; dies Meer bringt ein Schiff, das dorthin kommt, zum Untergehen und lässt es zugrunde gehen.“ Das Schiff aber hatten siebenhundert Mann bestiegen; diese alle stießen von Todesfurcht ergriffen alle auf einmal einen lauten Schrei nach Erbarmen aus, als ob sie in der Avici-Hölle gequält würden. Da dachte der Bodhisattva: „Außer mir ist kein anderer im Stande, ihnen zu helfen; ich will durch eine Wahrheitsbekräftigung [11] ihnen Rettung verschaffen.“ Und er sprach: „Ihr Lieben, badet mich rasch mit wohlriechendem Wasser, legt mir neue Gewänder an, richtet eine volle Schüssel her und stellt mich auf die Vorderseite des Schiffes!“ Jene taten rasch also. Darauf nahm der Bodhisattva die volle Schüssel in seine beiden Hände, trat auf das Vorderteil des Schiffes und sprach, um die Wahrheitsbekräftigung auszuführen, folgende Schlussstrophe:

[§13] „Seitdem ich mich erinnern kann, seitdem ich zu Vernunft gekommen, gedenk ich nicht, dass ich mit Absicht ein Lebewesen je verletzte. Durch dieses Wort der Wahrheit möge das Schiff heimkehren wohlbehalten.“

Das Schiff, das vier Monate lang in ferne Länder gesegelt war, drehte sich um und fuhr wie durch göttliche Wunderkraft in einem einzigen Tage nach der Hafenstadt Bharukaccha zurück. Als es aber an das Land stieß, übersprang es einen Raum acht Usabhas [12] groß und blieb vor dem Haustore des Schiffers stehen. Darauf verteilte der Bodhisattva an die Kaufleute das Gold, das Silber, die Edelsteine, die Korallen und die Diamanten und gab sie ihnen. Er ermahnte sie noch: „Es ist genug für euch mit diesen Kleinodien, gehet nicht wieder auf das Meer!“ Zeitlebens tat er gute Werke wie Almosen Spenden u. dgl. und gelangte dann in die Götterstadt.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, fügte er hinzu: „So, ihr Mönche, war auch früher schon der Vollendete von großer Weisheit“, und verband hierauf das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war die Versammlung der Leute die Buddhaschar, der weise Supparaka aber war ich.“

Ende der Erzählung von Supparaka

Anmerkungen:

1.
Dieser Ort kommt auch im Jātaka 360 vor.
2.
Dies ist wohl die Bedeutung von „pakatisamuddo“. Rouse übersetzt „on a primeval ocean“; aber dann fehlt der Gegensatz zu dem mythischen Meer, in das es dann gerät.
3.
Auf Deutsch: „Das mit Rasiermessern umkränzte“.
4.
Auf Deutsch: „Das vom Feuer umgebene“. In der Erzählung stehen immer die Formen auf mala, in den Strophen auf mali.
5.
Auf Deutsch: „Das von Molken umkränzte“.
6.
Auf Deutsch: „Das von dunkelgrünem Kusa-Gras umkränzte“.
7.
Poa cynosuroides, das auch beim Opfern verwendet wurde.
8.
Auf Deutsch: „Das vom Rohr umkränzte“.
9.
Der Kommentator fügt hinzu: „Eine andere Erklärung: Es gibt auch rotgefärbtes Rohr, wie das Skorpionrohr und das Krebsrohr; „Velu“ (= „Bambus“) ist auch der Name für die Koralle. Weil dies Meer reich an Korallen war, schimmerte es rot; deshalb fragten sie: ‘Wie Rohr oder wie Bambus’. Der Bodhisattva ließ von dort Korallen mitnehmen.“ Auch am Schluss werden Korallen erwähnt.
10.
Auf Deutsch: Das Meer, das das Aussehen einer Zinne hat. Dies ist der Name für ein mythisches Meer in der Nähe des Meru-Berges.
11.
Durch eine feierliche Erklärung einer besonders verdienstlichen, auf Wahrheit beruhenden Tat kann ein Wunder bewirkt werden. Vgl. oben das Jātaka 444.
12.
Ein Usabha sind 140 Ellen.
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