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J 503
{Sutta: J_iv_429|J 503|J 503} {Vaṇṇanā: atta. J 503|atta. J 503}
Die Erzählung von Sattigumba
503
Sattigumba-Jataka (Sattigumbajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Gazellen jagen wollt' der König

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er bei Maddakucchi in dem Gazellenhaine verweilte, mit Beziehung auf Devadatta. — Als nämlich Devadatta den Felsen hinab geworfen hatte und ein Splitter davon den Fuß des Erhabenen durchbohrte, entstanden starke Schmerzen [1]. Um aber den Vollendeten zu besuchen, versammelten sich viele Mönche. Als nun der Erhabene seine Gemeinde versammelt sah, sprach er: „Ihr Mönche, dieses Zimmer ist zu enge; es wird eine große Versammlung werden. Bringet mich mit meiner Sänfte nach Maddakucchi!“ Die Mönche taten also; Jivaka aber heilte wieder den Fuß des Vollendeten.

Als nun die Mönche in der Nähe des Meisters saßen, begannen sie folgendes Gespräch: „Freund, Devadatta ist selbst schlecht und auch sein Gefolge ist schlecht; so lebt dieser Böse beständig von Bösen umgeben.“ Der Meister fragte: „Was erzählt ihr da, ihr Mönche?“ Als sie antworteten: „Dies und dies“, sprach er weiter: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon war Devadatta böse und nur von Bösen umgeben.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem herrschte in der Stadt Uttarapancala ein König namens Pancala. Damals war der Bodhisattva in einer Waldgegend auf einer Hochfläche in einem Seidenwalde [2] als der Sohn eines Papageienkönigs wiedergeboren worden. Es waren zwei Brüder. In der Gegend über dem Winde [2a] von diesem Berge aber war ein Räuberdorf, der Aufenthaltsort für fünfhundert Räuber; unter dem Winde [2b] jedoch befand sich eine Einsiedelei, der Aufenthaltsort von fünfhundert Asketen.

Zur Zeit aber, da die jungen Papageien flügge wurden, kam ein Wirbelwind. Von ihm getroffen fiel der eine junge Papagei in das Räuberdorf mitten zwischen die Waffen der Räuber hinein; weil er aber dorthin gefallen war, gaben sie ihm den Namen Sattigumba (= Speerdickicht). Der andere fiel in der Einsiedelei auf eine Sandfläche zwischen Blumen hinein; weil er dorthin gefallen war, gaben sie ihm den Namen Pupphaka (= der Blumige). Sattigumba wuchs unter den Räubern auf, Pupphaka aber unter den Asketen.

Eines Tages nun bestieg der König, mit all seinem Schmuck geziert, seinen schönsten Wagen und fuhr mit großem Gefolge, um Gazellen zu jagen, in ein Wäldchen unweit der Stadt, das ganz entzückend war mit seinen schönen Blüten und Früchten. Nachdem er verkündigt: „Auf wessen Seite eine Gazelle entkommt, dem kostet es den Hals“, stieg er von seinem Wagen herunter und versteckte sich im Dickicht in einer Hütte, wo er mit dem Bogen in der Hand Aufstellung nahm.

Als seine Leute, um die Gazellen aufzuscheuchen, auf das Dickicht des Waldes schlugen, erhob sich eine Eni-Gazelle [3] und sah, auf welchem Wege sie davonkommen könne. Da sie nur an dem Orte, wo der König stand, eine Öffnung sah, sprang sie darauf los und lief davon. Die Minister fragten, auf wessen Seite die Gazelle entflohen sei; als sie merkten, dies sei auf der Seite des Königs geschehen, trieben sie mit dem König ihren Spott darüber.

In seinem hohen Selbstgefühl konnte der König ihren Spott nicht ertragen, sondern mit den Worten: „Jetzt werde ich die Gazelle fangen“, bestieg er seinen Wagen, befahl dem Wagenlenker, recht rasch zu fahren und kam so auf den Weg, den die Gazelle genommen hatte. Während aber der Wagen so rasch fuhr, war sein Gefolge nicht im Stande, ihm zu folgen.

So fuhr der König mit seinem Wagenlenker selbzweit bis zur Mittagsstunde dahin. Als er die Gazelle nicht mehr sah, kehrte er um. Dabei sah er in der Nähe jenes Räuberdorfes eine entzückende Höhle; er stieg vom Wagen herab, badete, trank Wasser und stieg wieder heraus. Darauf holte sein Wagenlenker die obere Decke des Wagens heraus und breitete sie im Schatten eines Baumes aus. Jener legte sich darauf, der Wagenlenker aber setzte sich daneben, indem er dessen Füße rieb.

Manchmal schlief der König und manchmal wachte er dazwischen wieder auf. Auch die Räuber, die in dem Räuberdorfe wohnten, waren, um den König zu beschützen, in den Wald hineingegangen; in dem Räuberdorfe war nur Sattigumba und ein Koch namens Patikolamba, diese beiden ganz allein, zurückgeblieben.

In diesem Augenblicke flog Sattigumba zum Dorfe hinaus und sah den König. Da dachte er: „Wir wollen diesen im Schlafe töten und ihm seine Schmucksachen rauben“; er ging zu Patikolamba hin und teilte ihm die Sache mit.

Um dies zu verkündigen, sprach der Meister folgende Strophen:

[§1] Gazellen wollt' der König jagen, der Landesherrscher der Pancalas; mit seinem Heere zog er aus und ging allein zum Wald hinein. [§2] Dort sah er in des Waldes Mitten ein Haus, für die Räuber erbaut; aus diesem Hause kam heraus ein Papagei und sprach wild' Worte: [§3] „Ein junger Mann mit seinem Wagen, mit Edelsteinen reicht geschmückt, leuchtet mit seiner roten Krone so wie die Sonne hell am Tage. [§4] Da nun der Mittag da ist, schläft der König mit dem Wagenlenker; wohlan, wir wollen jetzt geschwind ihm rauben seinen ganzen Schmuck. [§5] So heimlich wie zur Nachtzeit schläft der König mit dem Wagenlenker; das Kleid und die Juwelen wolln wir nehmen, ihn töten und mit Zweigen dann bedecken.“

Als jener dessen Worte vernahm, kam er heraus und schaute jenen an. Da er aber erkannte, dass jener der König sei, sprach er voll Furcht folgende Strophe:

[§6] „Was sagst du da, Sattigumba, als hättst du den Verstand verloren? Schwer zu besiegen ist ein König, dem Feuer gleich, das lodernd brennt!“

Der Papagei aber erwiderte ihm mit folgender Strophe:

[§7] „Du plapperst jetzt, Patikolamba, törichte Dinge wie von Sinnen. Wo meine Mutter nackt muss gehen [4], was schreckst du vor der Tat zurück?“ —

Da wachte der König auf und hörte, was der Papagei in menschlicher Sprache mit jenem redete. Er dachte: „Gefährlich ist dieser Ort“, weckte den Wagenlenker auf und sprach folgende Strophe:

[§8] „Erheb dich eilig, lieber Freund, den Wagen schirre an, o Lenker. Der Vogel da gefällt mir nicht; gehn wir an einen andern Ort [5]!“

Jener stand schnell auf, schirrte den Wagen an und sprach folgende Strophe:

[§9] „Der Wagen ist bespannt, o König, und angeschirrt die starken Rosse. Besteige ihn, du großer König; gehn wir an einen andern Ort.“

Sobald aber der König den Wagen bestiegen hatte, sprangen die Sindhu-Rosse mit Windeseile davon. — Als Sattigumba den Wagen davoneilen sah, sprach er voll Verwirrung folgende zwei Strophen:

[§10] „Wohin sind alle denn gegangen, die sonst an diesem Orte weilen? Da fährt Pancala frei dahin, weil ihn die anderen nicht sahen. [§11] Ergreifet eure Bogen doch und eure Lanzen, eure Speere! Da fährt dahin Pancala; lasset ihn nicht, von dem ihr leben könnt [6]!“ —

Während aber der Papagei so schrie und beständig umherflatterte, gelangte der König nach der Einsiedelei der Asketen. In diesem Augenblicke waren gerade die Asketen fortgegangen, um sich Waldfrüchte zu sammeln; nur der Papagei Pupphaka war in der Einsiedelei geblieben. Als dieser den König sah, ging er ihm ehrfurchtsvoll entgegen und begann mit ihm eine liebevolle Unterhaltung.

Um dies zu verkünden sprach der Meister folgende vier Strophen:

[§12] Der andre Papagei jedoch mit rotem Schnabel ihn begrüßte: „Willkommen dir, du großer König, nicht ungünstig bist du gekommen. Als Herrscher kamest du hierher; erfahre jetzt, was wir hier haben. [§13] Tinduka- und Piyala-Blätter und süße Kasumari-Früchte [7]; zwar klein sind sie und wenig nur, doch iss, o König, nur die besten. [§14] Auch dieses Wasser hier ist kühl, herbeigebracht aus Bergeshöhle; trinke davon, du großer König, wenn du danach Verlangen hast. [§15] Zum Sammeln in den Wald gegangen sind die, die hier zu weilen pflegen; steh auf und nimm dir selbst davon, denn mit der Hand kann ich nichts geben.“

Durch dessen freundliche Worte befriedigt sprach der König folgendes Strophenpaar:

[§16] „Glückbringend ist fürwahr der Vogel, mit höchster Tugend ausgestattet; doch jener andre Vogel dort, der Papagei, sprach wilde Worte. [§17] ‘Fesselt und tötet diesen Mann, lasst ihn nicht, von dem ihr könnt leben’; während er so beständig rief, kam heil ich zur Einsiedelei.“

Als aber Pupphaka diese Worte des Königs vernommen, sprach er folgende zwei Strophen:

[§18] „Brüder sind wir, du großer König, von einem Schoße, einer Mutter; auf einem Baum wuchsen wir auf, da kam'n wir in verschiedne Hände. [§19] Sattigumba kam zu den Räubern, ich kam hierher zu den Asketen, zu Bösen er, zu Guten ich; drum ist verschieden unsre Art.“

Jetzt sprach er, um ihre Art im einzelnen zu schildern, folgendes Strophenpaar:

[§20] „Dort gibt's Gefangenschaft und Mord, auch Lügen und Betrügereien, Räuberei und Gewalt Antun und dieses hat er dort gelernt. [§21] Hier gibt es Wahrheit nur und Tugend, Selbstzucht, Bezähmung, Nichtverletzen; die andern Sitz und Wasser geben [8], bei denen, Bharata [9], wuchs ich auf.“

Um jetzt dem König noch die Wahrheit zu erklären, sprach er folgende Strophen:

[§22] „Wem immer einer folgt, o König, dem Guten oder auch dem Bösen, dem Tugendreichen oder Schlechten, in dessen Macht begibt er sich. [§23] Wie der beschaffen ist, den er zum Freund sich macht und dem er folgt, ebenso ist er selbst beschaffen, ebenso der, der bei ihm wohnt. [§24] Wer einen anderen verehrt und einen anderen berührt, dem geht's, wie beim vergifteten Pfeil: das ganze Bündel macht er giftig. [§25] Aus Furcht vor Ansteckung der Weise mag nicht der Freund des Bösen werden. Wenn einen faulen Fisch ein Mann ins beste Gras hineingewickelt, so wird das Gras selbst übelriechend; so ist's auch, wenn man ehrt die Toren. [§26] Und wenn ein Mann duftendes Pulver [10] einwickelt in Palasa-Blätter [11], so werden auch die Blätter duftend; so ist's auch, wenn man ehrt die Weisen. [§27] Wenn man darum die eigne Reife wie bei'nem Früchtekorb erkennt, so soll der Weise nicht verehren die Bösen, sondern Gute ehren; die Bösen führen in die Hölle, die Guten bringen in den Himmel.“

Der König war über seine Tugendunterweisung erfreut. Es kam aber auch die Asketenschar herbei. Der König begrüßte ehrfurchtsvoll die Asketen und sagte zu ihnen: „Ihr Ehrwürdigen, nehmt aus Mitleid mit mir an meinem Wohnorte euren Aufenthalt!“ Nachdem er ihre Zustimmung erhalten, ging er in seine Stadt und gewährte den Papageien Sicherheit des Lebens. Auch die Asketen begaben sich dorthin. Der König wies der Asketenschar in seinem Parke ihre Wohnung an, diente ihnen zeitlebens und gelangte so auf den Weg zum Himmel. Auch sein Sohn behütete, nachdem er den Sonnenschirm über sich hatte erheben lassen, immer die Asketenschar; und im weiteren Wechsel der Herrscher spendeten ihnen sieben Könige ihre Almosen. — Das große Wesen aber blieb im Walde wohnen und gelangte hierauf an den Ort seiner Verdienste.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, fügte er hinzu: „So, ihr Mönche, war auch früher schon Devadatta von Bösen umgeben“, und verband sodann das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war Sattigumba Devadatta, die Räuber waren die Umgebung des Devadatta, der König war Ananda, die Asketenschar war die Buddhagemeinde, der Papagei Pupphaka aber war ich.“

Ende der Erzählung von Sattigumba

Anmerkungen:

1.
Vgl. „Leben des Buddha“, S. 176.
2.
Ein Wald aus Seidenbäumen (Bombax heptaphyllum).
2a.
In der Richtung, aus der der Wind weht = auf der windzugewandten Seite = Luv.
2b.
In der Richtung, in die der Wind weht = auf der windabgewandten Seite = Lee.
3.
Das Weibchen einer bestimmten Gazellenart.
4.
Nach dem Kommentator ist die Frau des Räuberhauptmanns gemeint, die nur ein Gewand aus Zweigen und Laub hatte.
5.
Wörtlich: „in eine andere Einsiedelei“.
6.
Das ist nach dem Kommentator der Sinn von „ma vo muncittha jivitan“. Es ist gemeint, dass sie den nicht entkommen lassen sollen, von dessen Wertsachen sie lange ihr Leben fristen können.
7.
Diospyros embryopteris und Buchanania latifolia. Kasumari ist nicht näher zu bestimmen.
8.
Die den Fremden die Werke der Barmherzigkeit erweisen.
9.
Mit diesem oft vorkommenden Namen redet er den König an.
10.
Eigentlich ein Pulver, das aus dem Strauch Tabernaemontana coronaria gewonnen wird.
11.
Butea frondosa.
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