[reload all]
[simple read]

J 526
{Sutta: J_v_191|J 526|J 526} {Vaṇṇanā: atta. J 526|atta. J 526}
Die Erzählung von Nalinika
526
Nalinika-Jataka (Nalinikājātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

XVIII. Pannasa-Nipata (Achtzehntes Buch)

Verbrannt wird ja das ganze Land

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Verführung durch die frühere Frau. Bei dieser Erzählung aber fragte er den Mönch: „Durch wen bist du unzufrieden gemacht worden?“ Als dieser antwortete: „Durch meine frühere Frau“, sprach der Meister: „Diese, o Mönch, fügt dir Schaden zu. Früher wurdest du einmal durch sie der Fähigkeit zur Ekstase verlustig und stürztest in tiefes Verderben.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in einer wohlhabenden Brahmanenfamilie des Nordens seine Wiedergeburt. Nachdem er herangewachsen war und die Wissenschaften erlernt hatte, betätigte er die Weltflucht der Weisen, erlangte die Fähigkeit zur Ekstase und die Erkenntnisse und nahm im Himalaya-Gebirge seinen Aufenthalt.

In der Art, wie im Alambusa-Jātaka [Jātaka 523] erzählt, empfing durch ihn ein Antilopenweibchen und gebar einen Sohn; dieser erhielt den Namen Isisinga. Als dieser herangewachsen war, machte ihn sein Vater zum Asketen und ließ ihn die Vorbereitungen zur Herbeiführung der Ekstase erlernen. Nach kurzer Zeit erlangte er die Fähigkeit zur Ekstase und die Erkenntnisse und erfreute sich im Himalaya-Gebirge des Glückes der Ekstase. Er übte strenge Askese und hatte seine Sinne abgetötet; vom Glanze seiner Tugend erzitterte Sakkas Thron.

Als Sakka darüber nachdachte und dies als den Grund davon erkannte, dachte er: „Durch eine List werde ich seine Tugend zerstören.“ Er hielt drei Jahre lang von dem großen Königreiche Kasi den Regen fern. Das Reich war wie vom Feuer verbrannt. Weil das Getreide nicht gedieh, wurden die Menschen von Hungersnot gequält; sie versammelten sich im Hofe des königlichen Palastes und murrten. Darauf trat der König an ein Fenster und fragte sie: „Was ist dies?“ Sie antworteten: „O Großkönig, weil der Gott [2] drei Jahre lang dem Lande keinen Regen schickte, ist das ganze Reich verbrannt und die Menschen sind im Elend. Veranlasse den Gott, dass er regnen lässt, o Fürst!“ Darauf betätigte der König die Tugenden und hielt das Uposatha, konnte aber doch nicht veranlassen, dass es regnete.

Zu dieser Zeit betrat Sakka zur Mitternachtszeit dessen Schlafgemach und stand in der Luft, indem er alles mit Glanz erfüllte. Als ihn der König sah, fragte er ihn: „Wer bist du?“ „Ich bin Gott Sakka“, war die Antwort. „Warum bist du gekommen?“ „Regnet es in deinem Reiche, o Großkönig?“ „Nein, es regnet nicht.“ „Weißt du aber, warum es nicht regnet?“ „Ich weiß es nicht“, antwortete der König. Darauf sprach der Gott: „O Großkönig, im Himalaya-Gebirge wohnt ein Asket namens Isisinga, ein strenger Büßer mit ganz abgetöteten Sinnen. Dieser schaut immer zornig in die Luft hinauf, wenn der Gott regnen lässt; darum lässt der Gott nicht regnen.“

„Was ist jetzt da zu tun?“, fragte der König weiter. Der Gott versetzte: „Wenn seine Askese zerstört ist, schickt der Gott Regen.“ „Wer ist aber im Stande, dessen Askese zu zerstören?“ Darauf sprach Sakka: „Deine Tochter Nalinika, o Großkönig, ist dazu im Stande. Rufe sie her, sage ihr: ‘Gehe an den und den Ort und zerstöre die Askese des Büßers’ und schicke sie fort!“ Nachdem er so den König belehrt, kehrte er an seinen Wohnort zurück. —

Nachdem sich der König am nächsten Tage mit seinen Ministern beraten hatte, ließ er seine Tochter zu sich rufen und sprach folgende erste Strophe:

[§1] „Verbrannt wird ja das ganze Land, das Königreich geht ja zugrunde. Geh fort, Nalinika, und eile und bring mir den Brahmanen her.“

Als sie dies hörte, sprach sie folgende zweite Strophe:

[§2] „Ich halte keine Mühsal aus, des Wegs bin ich nicht kundig, König. Wie kann ich gehen durch den Wald, den Elefanten rings durchstreifen?“

Darauf sprach der König folgende zwei Strophen:

[§3] „Zieh'n wirst du durch das blüh'nde Land mit Elefanten und Gespannen, auf einem holzgefügten Wagen; so reise hin, Nalinika. [§4] Nimm Elefanten, Reiter, Wagen, auch Fußvolk nimm dir, Edle, mit; doch nur durch deiner Schönheit Glanz wirst du in deine Macht ihn bringen.“

So sagte er seiner Tochter wegen der Beschützung des Reiches auch solche Dinge, die nicht gesagt werden sollten. Sie aber sagte: „Gut“, und gab ihre Zustimmung. Nachdem er ihr sodann alles mitgegeben hatte, was sie erhalten musste, sandte er sie mit seinen Ministern fort. Die Minister begaben sich nach dem Grenzlande und schlugen dort ein befestigtes Lager; die Königstochter ließen sie aufheben und zogen auf einem von Jägern gebahnten Wege in den Himalaya. Zur Vormittagszeit gelangten sie in die Nähe der Einsiedelei von jenem.

In diesem Augenblicke hatte der Bodhisattva seinen Sohn nach der Einsiedelei zurückkehren lassen und war selbst in den Wald gegangen, um Waldfrüchte zu holen. Die Jäger kamen nun selbst an die Einsiedelei heran; als sie jenen aber sahen, blieben sie stehen, zeigten ihn Nalinika und sprachen folgende zwei Strophen:

[§5] „An Zeichen von Bananen kenntlich, von Bhurja-Bäumen rings umgeben ist ganz entzückend anzusehen Isisingas Einsiedelei. [§6] Dies Feuer ist von ihm erzeugt, hier sieht man auch den Rauch davon; ein Feuer, glaub ich, uns entzündet der wunderstarke Isisinga.“

Als nun der Bodhisattva in den Wald hineingegangen war, umringten die Minister seine Einsiedelei und stellten eine Wache aus. Sie ließen die Königstochter die Kleidung eines Asketen annehmen, gaben ihr goldglänzenden Bast zum Unter- und Obergewand und schmückten sie aufs schönste. Dann gaben sie ihr einen an eine Schnur gebundenen bunten Ball in die Hand und ließen sie in den Bereich der Einsiedelei eintreten; sie selbst blieben draußen stehen und hielten Wache. Mit dem Ball spielend stieg sie zum Ende des Wandelganges hinab. In diesem Augenblick saß gerade Isisinga an der Tür der Laubhütte auf der Bank der Hütte. Als er sie kommen sah, stand er voll Angst und Furcht auf, ging in die Laubhütte hinein und blieb dort stehen. Sie aber ging an die Türe der Laubhütte hin und spielte weiter mit ihrem Ball.

Um dies und das, was sich weiter ereignete, zu verkündigen, sprach der völlig Erleuchtete folgende drei Strophen:

[§7] Als er nun jene kommen sah mit Edelstein- und Perlgehängen, ging Isisinga voller Furcht hinein zur blattgedeckten Hütte. [§8] Am Tore der Einsiedelei da spielte sie mit ihrem Ball, indem sie ihre Glieder zeigte, verborgene und sonst gesehne. [§9] Als sie nun spielen sah der Büßer [3], der in die Hütte war geflüchtet, da kam heraus er aus der Hütte und sprach zu ihr folgendes Wort: [§10] „Holla, was ist das für ein Baum, von dem die Frucht so zu dir kommt [4]? Auch weit geworfen kehrt sie wieder, nicht lässt sie dich und rollt davon.“

Darauf sprach sie zu ihm, indem sie ihm den Baum nannte:

[§11] „Am Gandhamadana [5], Brahmane, ganz nah meiner Einsiedelei da gibt es viele solcher Bäume wie der, von dem die Frucht ich habe. Auch weit geworfen kehrt sie wieder, nicht lässt sie mich und rollt davon.“

So log sie; der andere aber glaubte dies und dachte: „Dies ist ein Asket.“ Er begann eine liebenswürdige Unterhaltung mit ihr und sprach dabei folgende Strophe:

[§12] „Es komm' der Herr in diese Hütt' und speise; Wasser und Speise nehm' er an; ich geb es. Auf diesem Sitze möge Platz er nehmen; dann soll der Herr Wurzeln und Früchte essen.“

„Was hast du da?“ So sagte er, als sie die Laubhütte betreten, sich auf ein Lager aus Holz niedergesetzt hatte und, da das goldglänzende Bastgewand sich dabei teilte, ihr Körper unverhüllt sich zeigte. Weil nämlich der Asket vorher noch keinen weiblichen Körper gesehen hatte, meinte er, es sei eine Wunde, und er sprach:

[§13] „Was hast du da inmitten deiner Schenkel? Gar fest gepresst [6] glänzt dunkel es hervor. Beantworte mir dies auf meine Frage: ist in der Muschel drin dein Glied verborgen?“

Um ihn zu täuschen, sprach sie darauf folgendes Strophenpaar:

[§14] „Als ich im Wald nach Wurzeln sucht' und Früchten, traf ich'nen Bären, furchtbar von Gestalt; er eilte auf mich zu, erreicht' mich rasch, stieß mich zu Boden, riss mir aus das Glied. [§15] Und diese Wunde beißt und juckt noch immer; die ganze Zeit empfind ich keine Freude. Kannst du, Herr, diesen Kitzel nicht bezwingen? Ein heil'ges Werk tust du auf meine Bitte.“

Jener glaubte ihren Lügenworten, als seien sie Wirklichkeit, und versetzte: „Wenn es so für Euch ein Glück ist, so werde ich es tun.“ Und indem er die Stelle betrachtete, sprach er folgende weitere Strophe:

[§16] „Tief ist die Wunde und sie schimmert blutig, von Fäulnis frei, ohne Geruch, gewaltig; mit duft'gen Stoffen werd ich dich behandeln, damit du, Herr, zu höchstem Glück gelangest.“

Darauf sprach Nalinika folgende Strophe:

[§17] „Nicht Zaubersprüche, noch duftende Stoffe, noch Heilmittel helfen hier, Heiliger. Mit dem, was weich an dir, bezwing den Kitzel, dass ich dadurch zu höchstem Glück gelange.“

Jener dachte: „Sie spricht die Wahrheit“, und wusste nicht, dass durch unzüchtiges Beiwohnen die Tugend zerstört und die Fähigkeit zur Ekstase vernichtet wird; sondern weil er noch niemals ein Weib gesehen hatte und die Unzucht noch nicht kannte und weil jene sagte, dies sei ein Heilmittel, trieb er Unzucht mit ihr. Sogleich aber wurde seine Tugend zerstört und seine Fähigkeit zur Ekstase vernichtet.

Nachdem er ihr zwei- oder dreimal beigewohnt, wurde er müde. Er ging hinaus, stieg in den Teich hinab und badete. Als dann seine Ermattung sich wieder gelegt hatte, kehrte er zurück, setzte sich in die Laubhütte und sprach, da er sie immer noch für einen Asketen hielt, um sie nach ihrem Wohnort zu fragen, folgende Strophe:

[§18] „In welcher Richtung liegt des Herrn Einsiedelei? Erfreut sich nicht vielleicht der Herr im Walde? Hast du vielleicht viel Wurzeln, viele Früchte? Verletzen nicht den Herrn die wilden Tiere?“

Darauf sprach Nalinika folgende vier Strophen:

[§19] „Von hier gerade in nördlicher Richtung entfließt der Khema-Fluß dem Himavant. An seinem Strand liegt meine schöne Hütte; wohlauf, besuch meine Einsiedelei! [§20] Mangos und Salas, Tilakas und Jambus [7], Uddalakas und Patalas [8] dort blühen; von Feen wird sie überall umsungen; wohlauf, besuch meine Einsiedelei! [§21] Von Palmen hab ich Wurzeln dort und Früchte, mit Wohlgeruch und Schönheit ausgezeichnet [9]. Mit schönen Fleckchen ist sie wohl versehen; wohlan, besuch meine Einsiedelei! [§22] Gar viele Früchte hab ich dort und Wurzeln, mit Schönheit, Duft und Wohlgeruch versehen. Es kommen Räuber auch an diesen Ort; wohlan, besuch meine Einsiedelei!“

Als dies der Asket hörte, sprach er, um sie zum Warten zu veranlassen, bis sein Vater zurückkehre, folgende Strophe:

[§23] „Mein Vater ging nach Wurzeln aus und Früchten; jetzt kommt er dann zurück zur Abendzeit. Wir beide wollen gehn nach deiner Hütte, sobald mein Vater wiederkehrt vom Sammeln.“

Da dachte das Mädchen: „Weil dieser bis jetzt im Walde aufgewachsen ist, weiß er nicht, dass ich ein Weib bin. Wenn aber sein Vater mich sieht und erkennt, könnte er sagen: ‘Du da, was tust du hier?’, mich mit der Spitze seiner Tragstange treffen und mir sogar das Haupt zerschmettern. Solange er noch nicht zurückgekehrt ist, muss ich fortgehen; der Zweck meines Kommens ist ja erreicht.“ Und indem sie ihm ein Mittel verriet, wie er zu ihr kommen könne, sprach sie folgende weitere Strophe:

[§24] „Viel' andre Weise, königliche Büßer von gutem Aussehn wohnen unterwegs. Frag sie nach der Einsiedelei von mir; sie werden dich in meine Nähe bringen.“

Nachdem sie so für sich ein Mittel erhalten, davonzulaufen, verließ sie die Laubhütte, und als er ihr nachschaute, sagte sie: „Kehre nur um.“ Auf dem Wege, den sie gekommen, kehrte sie zu den Ministern zurück; diese nahmen sie in Empfang, gingen nach dem befestigten Lager und gelangten so allmählich wieder nach Benares. An demselben Tage noch ließ Gott Sakka hocherfreut im ganzen Reiche Regen herabströmen. —

Kaum aber war sie fortgegangen, da entstand im Körper des Asketen Isisinga ein Fieber; zitternd ging er in die Laubhütte hinein, zog sein Bastgewand an und legte sich betrübt nieder. Am Abend kehrte der Bodhisattva zurück. Als er seinen Sohn nicht sah, dachte er: „Wohin ist er denn gegangen?“, legte seine Tragstange ab und ging in die Laubhütte hinein. Da sah er ihn daliegen; mit den Worten: „Mein Sohn, was machst du da?“, rieb er ihm den Rücken und sprach dabei folgende drei Strophen:

[§25] „Du hast die Hölzer nicht gespalten, du hast kein Wasser hergeholt, auch Feuer hast du nicht entzündet; warum liegst du so träge da [10]? [§26] Sonst war das Holz gespalten, angezündet das Feuer und der Topf bereit, du Heil'ger; auch meine Bank und Wasser war gerichtet. Daran erfreutest, Frommer, du dich früher. [§27] Du hast kein Holz gespalten, nicht das Wasser geholt, Feuer entzündet, Speise bereitet, auch hast du heute mich nicht angeredet. Verlorst du etwas? Hast du Herzeleid?“

Als jener die Worte seines Vaters vernahm, sprach er, um ihm den Grund seines Verhaltens mitzuteilen:

[§28] „Es kam hierher ein heiliger Asket, schön anzusehn, ganz schlank erschien er mir; nicht allzu lang und auch nicht allzu klein,mit Haaren, schwärzer noch als schwarz versehn. [§29] Bartlos war er, von jugendlichem Aussehn, ein edler Schmuck hing ihm vom Hals herab; zwei Schwellungen hatt' er an seiner Brust wie rote Kugeln strahlend, weit erglänzend. [§30] Von ganz besondrer Schönheit war sein Antlitz, an seinen Ohren hingen runde Ringe; sie glänzten, wenn der Jüngling sich bewegte, und auch die Schnur, die seine Flechten band. [§31] Noch andre Schmuckstücke, vier an der Zahl, dunkelblau oder blutigrot von Farbe, die klirrten, wenn der Jüngling sich bewegte, wie Scharen kleiner Vögel bei dem Regen. [§32] Er trug den Gürtel nicht aus Munja-Gras [11] und nicht das Bastgewand wie wir Asketen; die Kleider, die um seine Hüften hingen, erglänzten wie der Blitzstrahl in der Luft. [§33] Von Stacheln ganz befreit und frei von Stängeln, unter dem Nabel an der Hüft' befestigt machten sie unberührt doch immer ‘kling’; von welchem Baume sind das Früchte, Vater? [§34] Und seine Flechten, lieblich anzusehen, mehr denn hundert, gekräuselt und wohlduftend, schön war das Haupt geteilt ihm in zwei Teile; besitze ich vielleicht so schöne Flechten? [§35] Und wenn er seine Flechten schüttelte, die voller Schönheit und voll Wohlgeruch wie blauer Lotos, den der Wind bewegt, ward diese Waldeshütt' davon erfüllt. [§36] Sogar sein Schmutz war lieblich anzuschauen, nicht war er derart wie an meinem Körper; denn Duft verbreitet' er vom Wind getrieben so wie der blüh'nde Wald zur Sommerszeit. [§37] Und eine Baumfrucht warf er auf die Erde bunt aussehend, gefällig, schön von Anblick; und die geworf'ne kehrt' zu ihm zurück; was ist dies, Vater, wohl für eine Baumfrucht? [§38] Und seine Zähne, lieblich anzuschauen, ganz rein und gleichmäßig, wie Muscheln glänzend; dem Herz gefielen sie, wenn er sie öffnet'. Nicht hat er Kräuter mit diesen gekaut. [§39] Nicht rauh, nicht ungelenk, sondern gar sanft, ruhig und ohne Hast war seine Sprache; und lieblich weinend mit des Kuckucks Wohllaut [12] zu Herzen gehend entzückt' er meinen Sinn. [§40] Sanft war sein Ton, nicht allzu laut die Stimme, nicht wie bei dem, der weise Sprüche sagt. Ich wünsche ihn gar sehr wiederzusehen, denn freundlich war zu mir vorher der Jüngling. [§41] 'ne Wunde hatt' er, festgefügt und überall geglättet, groß und schön, wie Blumen glänzend; damit stieg über mich der Jüngling und sie öffnend drückt' er den Schenkel mein mit seiner Lende. [§42] So wie des Blitzes Strahlen in der Luft erglühen und erglänzen und erstrahlen, so leuchtete sein weicher Arm, bedeckt mit Haaren so schwarz wie Augensalbe, und die bunten Ringe. [§43] Weich waren seine Glieder, kurzbehaart, die langen Nägel hatten rote Spitzen; mit seinen weichen Armen mich umfangend erfreute mich und diente mir der Schöne. [§44] So weich wie Baumwolle und wie ein Goldschmuck oder ein Spiegel glänzend, zart von Haut die Hände waren; damit streichelt' er mich und ging fort; sie brennen mich, o Vater. [§45] Damit trug er noch keine Last von Gras und nicht hat selbst er Hölzer je gespalten; nicht fällt er damit Bäume mit der Axt und nicht trägt Schwielen er an seiner Hand. [§46] Ein Bär hat ihm die Wunde einst geschlagen. Er sprach zu mir: ‘O mache mich gesund!’ Ich tat es und auch er brachte mir Freude; drauf sagt' er: ‘Jetzt bin ich gesund, Brahmane. [§47] Doch dies dein Lager hier aus Strauch und Blättern kam in Unordnung jetzt durch mich und dich. Ermüdet lass im Wasser uns erfreuen und abermals dann in die Hütte gehn.’ [§48] Heut fallen nicht die Sprüche ein mir, Vater, nicht mag ich Feuer anzünden, noch opfern; auch will ich Früchte nicht, noch Wurzeln essen, bis ich den Heiligen nicht wiedersehe. [§49] Gewiss verstehst auch du es, lieber Vater, in welcher Richtung dieser Heil'ge wohnt; lass mich in diese Gegend rasch gelangen, damit ich dir nicht sterb in dieser Hütte. [§50] Denn bunte Blumen hat der Wald, so hört' ich, durchklungen und belebt von Vogelscharen. Lass mich in diese Gegend rasch gelangen, bevor ich's Leben lass in dieser Hütte.“ —

Als das große Wesen ihn so klagen und jammern hörte, erkannte er: „Durch ein Weib wird seine Tugend zerstört worden sein.“ Und um ihn zu ermahnen, sprach er folgende sechs Strophen:

[§51] „In diesem Zauberwalde, der von Göttern und Göttermädchenscharen ist belebt und der von Alters ist der Weisen Wohnung, kannst du zu solcher Unlust nicht gelangen. [§52] Freundschaften gibt es und gibt sie nicht mehr, zu Freunden und Verwandten fasst man Liebe; doch der ist niedrig, wem er auch ergeben, der nicht auch weiß: ‘Warum bin ich gekommen?’ [§53] Denn durch Zusammensein die Freundschaft immer aufs Neue wird befestigt; doch wenn man nicht zusammenkommt, vergeht die Freundschaft durch die Trennung [§54] Wenn diesen heilig Wandelnden du siehst, wenn du mit diesem Heil'gen dich besprichst, so wie die große Flut das reife Korn, verlierst geschwind du dieser Tugend Kraft. [§55] Wenn diesen Heiligen du wiedersiehst, wenn wieder du mit diesem Heil'gen sprichst, so wie die große Flut das reife Korn, verlierst geschwind du dieser Tugend Glut. [§56] Denn die Dämonen wandeln in der Welt, mein Sohn, in gar verschiedener Gestalt. Nicht diene ihnen ein verständ'ger Mann; denn ihr Verkehr dem Heil'gen bringt Verderben.“

Als jener die Worte seines Vaters vernommen, dachte er: „Dies war eine Dämonin“, und voll Furcht wandelte er seine Gesinnung um. Mit den Worten: „Vater, ich werde nicht von hier weggehen; verzeiht mir!“, bat er ihn um Verzeihung. Dieser aber tröstete ihn und sprach: „Komm, o Jüngling, betätige Liebe, Mitleid, Sanftmut und Gleichmut.“ So lehrte er ihn die Betätigung der vier Vollkommenheiten. Jener wurde ihrer teilhaftig und erlangte wieder die Fähigkeit zur Ekstase.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband das Jātaka (am Ende der Wahrheitsverkündigung aber gelangte der unzufriedene Mönch zur Frucht der Bekehrung) mit folgenden Worten: „Damals war Nalinika die frühere Frau, Isisinga war der unzufriedene Mönch, der Vater aber war ich.“

Ende der Erzählung von Nalinika

Anmerkungen:

2.
Gemeint ist der Regengott Parjanya (pali: „Pajjunna“).
3.
Wörtlich: „der Flechtenträger“.
4.
Der Kommentator bemerkt: Weil er noch keinen bunten Ball gesehen, glaubt er, es müsse eine Baumesfrucht sein.
5.
Ein Berg im Himalaya.
6.
„picchito“ wohl von der Wurzel „pid“ = „drücken“.
7.
Der Sala-Baum ist Shorea robusta, Tilaka ist Clerodendrum phlomoides, Jambu ist der Rosenapfelbaum, Eugenia Jambu.
8.
Cassia fistula und Bignonia suaveolens.
9.
Statt „upetarupam“, das wohl nur Dittographie zu dem gleichlautenden Worte der nächsten Zeile ist, ist zu lesen „upetarupa“, entsprechend dem „upeta“ in der nächsten Strophe.
10.
Diese Strophe findet sich im Jātaka 477 Strophe 1.
11.
Saccharum munja; aus den Fasern dieses Grases wurden die Gürtel der Brahmanen gefertigt.
12.
Vgl. Jātaka 523 Anm. 16. [Der Kokila, der indische Kuckuck, vertritt in Indien die Stelle der Nachtigall.]
[vorige Seite][nächste Seite]