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J 136
{Sutta: J i 476|J 136|J 136} {Vaṇṇanā: atta. J 136|atta. J 136}
Die Erzählung von dem Goldschwan
136
Suvannahamsa-Jataka (Suvaṇṇahaṃsajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Was man erhält, damit sei man zufrieden.

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Nonne Thullananda [1]. — Zu Savatthi nämlich versorgte ein Laienbruder die Nonnengemeinde mit Knoblauch und hatte seinem Feldhüter folgende Anweisung gegeben: „Wenn die Nonnen kommen, so gib einer jeden Nonne zwei oder drei Knollen.“ Von da an kamen die Nonnen in sein Haus und auf sein Feld, um Knoblauch zu holen.

An einem Festtage nun war in dessen Hause der Knoblauch ausgegangen. Da kam die Nonne Thullananda mit ihrer Begleitung in sein Haus und sagte: „Lieber, wir möchten Knoblauch.“ Er aber erwiderte: „Ich habe keinen, Edle; der Knoblauch, der gebracht wurde, ist zu Ende gegangen. Geht auf das Feld.“ Darauf ging sie auf das Feld und ließ dort Knoblauch nehmen, ohne ein Maß zu kennen. — Erzürnt sprach der Feldwächter: „Wie können doch diese Nonnen, ohne ein Maß zu kennen, den Knoblauch wegnehmen?“ Als die genügsamen unter den Nonnen seine Worte hörten, ärgerten auch sie sich; und als die Mönche deren Worte hörten, wurden auch sie ärgerlich. In ihrem Ärger aber teilten sie es dem Erhabenen mit.

Nachdem der Erhabene die Nonne Thullananda getadelt, sprach er: „Ihr Mönche, ein ungenügsamer Mensch ist selbst seiner Mutter, die ihn geboren, unlieb und unangenehm. Er ist nicht im Stande, Unbekehrte zu bekehren oder Bekehrte noch mehr im Glauben zu bestärken, er kann sich nicht eine ihm noch nicht zuteil gewordene Ehrung verschaffen oder eine ihm schon zuteil gewordene dauernd machen. Ein Genügsamer aber vermag Unbekehrte zu bekehren und Bekehrte noch mehr im Glauben zu bestärken; er kann sich eine ihm noch nicht zuteil gewordene Ehrung verschaffen und eine ihm schon zuteil gewordene dauernd machen.“ Nachdem er auf diese und ähnliche Weise den Mönchen die dementsprechende Lehre auseinandergesetzt hatte, sagte er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, ist Thullananda ungenügsam, sondern auch schon früher war sie ungenügsam.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in einer Brahmanenfamilie seine Wiedergeburt. Als er herangewachsen war, führten ihm seine Stammesgenossen eine Gattin zu. Diese bekam drei Töchter, Nanda, Nandavati und Sundarinanda mit Namen [2]. Nachdem sich diese verheiratet hatten, starb der Bodhisattva und wurde als ein Goldschwan wiedergeboren; er besaß aber die Kenntnis der Erinnerung an seine frühere Existenz.

Als er herangewachsen war und seine prächtige, große, mit Goldfedern bedeckte Gestalt sah, überlegte er: „Aus welcher Existenz heraus bin ich gestorben, bevor ich hierher kam?“ Da er erkannte: „Aus einer menschlichen Existenz“, untersuchte er weiter: „Wie leben jetzt wohl meine Brahmanin und meine Töchter?“ Da merkte er: „Sie leben kümmerlich, indem sie für andere um Lohn arbeiten“; und er dachte: „An meinem Körper sind goldene Federn, als wären sie von gehämmertem und geschmiedetem Golde. Von jetzt an werde ich ihnen eine Feder nach der andern geben; davon werden meine Gattin und meine Töchter bequem leben.“ Und er flog dorthin und setzte sich auf das Ende des Dachbalkens.

Als die Brahmanin und ihre Töchter ihn sahen, fragten sie: „Woher kommst du, Herr?“ Er antwortete: „Ich bin euer Vater. Nach meinem Tode wurde ich als ein Goldschwan wiedergeboren. Ich bin gekommen, um euch zu besuchen. Von jetzt an braucht ihr nicht mehr für andere um Lohn zu arbeiten und dadurch kümmerlich euer Leben zu fristen. Ich werde euch nämlich eine meiner Federn nach der andern geben; diese verkauft und lebt damit in Bequemlichkeit.“ Und er gab ihnen eine Feder und flog fort. Auf diese Weise kam er immer wieder und gab ihnen jedes Mal eine Feder; die Brahmaninnen aber lebten sicher und bequem. Eines Tages aber sprach die Brahmanin zu ihren Töchtern: „Ihr Lieben, schwach ist der Verstand der Tiere; einmal wird euer Vater nicht mehr hierher kommen. Wenn er jetzt wieder kommt, werden wir ihm alle seine Federn ausreißen und nehmen.“ Jene entgegneten: „Auf diese Weise wird unser Vater geplagt werden“, und gaben nicht ihre Zustimmung. In ihrer Ungenügsamkeit aber sagte die Brahmanin, als eines Tages der Goldschwan wiederkam: „Komm doch her, Herr!“; und als er zu ihr heranflog, packte sie ihn mit beiden Händen und riss ihm alle Federn aus. Diese aber erhielten, weil sie gegen den Willen des Bodhisattva ihm mit Gewalt weggenommen worden waren, alle das Aussehen von Kranichfedern.

Der Bodhisattva breitete jetzt seine Flügel aus, konnte aber nicht fliegen. Darauf setzte sie ihn in ein großes Gefäß und ernährte ihn. Als seine Federn ihm aber wieder wuchsen, waren sie weiß. Nachdem ihm die Flügel wieder gewachsen waren, flog er weg nach seinem Wohnort und kehrte nicht mehr dorthin zurück.

[§A2]

Nachdem der Meister diese Erzählung aus der Vergangenheit beendigt hatte, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, ist Thullananda ungenügsam, sondern auch schon früher war sie ungenügsam und ging infolge ihrer Ungenügsamkeit des Goldes verlustig; jetzt aber wird sie infolge ihrer Ungenügsamkeit auch des Knoblauchs verlustig gehen. Deshalb wird sie von nun an keinen Knoblauch mehr essen dürfen und ebenso wie Thullananda ihretwegen auch die übrigen Nonnen. Darum, wenn man auch viel erhält, muss man ein Maß kennen; wenn man aber wenig erhält, so muss man sich mit dem begnügen, wie man es erhalten; weiteres soll man nicht erstreben.“ Nach diesen Worten sprach er folgende Strophe:

[§1] „Was man erhält, damit sei man zufrieden; die übergroße Lust von Übel ist. Da sie den Schwanenkönig fingen, des Goldes gingen sie verlustig.“

Nachdem der Meister dies gesagt und auf mancherlei Art seinen Tadel ausgesprochen hatte, verkündete er eine neue Lehrvorschrift, indem er sagte: „Welche Nonne noch Knoblauch isst, die ist der Sühne schuldig [3].“

[§C]

Darauf verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war die Brahmanin diese Thullananda, ihre drei Töchter sind jetzt ihre drei Schwestern, der Goldschwankönig aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Goldschwan

Anmerkungen:

1.
Auf deutsch: „die törichte Nanda“.
2.
Die beiden letzten Namen, die nur eine Umschreibung von Nanda (= „Freude“) sind, stehen nur in einer einzigen Handschrift.
3.
Vgl. die Vorgeschichte zu Jātaka 16, wo auch eine neue Vorschrift in dieser Form gegeben wird.
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