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J 182
{Sutta: J ii 095|J 182|J 182} {Vaṇṇanā: atta. J 182|atta. J 182}
Die Erzählung von dem Kampfgewohnten
182
Samgamavacara-Jataka (Saṅgāmāvacarajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Du bist ein Kampf gewohnter Held

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf den Thera Nanda. Als nämlich der Meister auf seiner ersten Reise nach Kapilapura kam [1], bekehrte er seinen jüngsten Bruder, den Königssohn Nanda, zum Mönchtum, verließ dann wieder Kapilapura und begab sich auf seiner Wanderschaft nach Savatthi zurück, wo er blieb. Da erinnerte sich der ehrwürdige Nanda, wie damals, als er die Almosenschale des Erhabenen in der Hand haltend zusammen mit dem Vollendeten das Haus verließ, Janapadakalyani [die Schöne vom Lande], da sie hörte, der Prinz Nanda gehe mit dem Meister zusammen weg, die Haare noch halb in Unordnung, zum Fenster hinausschaute und zu ihm sagte: „Ach, du Edler, komm doch zurück.“ Da er daran dachte, wurde er unzufrieden und freudlos; seine Farbe ward immer gelber und die Adern traten an seinem Körper hervor.

Als der Meister sein verändertes Aussehen bemerkte, dachte er: „Wie, wenn ich Nanda zur Heiligkeit bringen würde?“ Und er ging in dessen Zelle, ließ sich auf einem hergerichteten Sitze nieder und fragte: „Bist du glücklich in diesem Orden, Nanda?“ Dieser antwortete: „Herr, da mein Herz an Janapadakalyani gefesselt ist, bin ich nicht glücklich.“ Der Meister fragte weiter: „Bist du früher schon einmal im Himalaya herumgewandelt, Nanda?“ „Ich bin dort noch nicht herumgewandert, Herr.“ „Lass uns also gehen.“ „Ich besitze keine Wunderkraft, Herr; wie soll ich dorthin kommen?“ Der Meister erwiderte: „Ich werde dich durch meine Wunderkraft dorthin bringen, Nanda“; und er nahm ihn bei der Hand und wandelte in der Luft.

Unterwegs zeigte er ihm ein verbranntes Feld und eine Äffin, die auf einem verbrannten Baumstumpfe saß mit zerbrochener Nase, zerbrochenem Schwanz, verbrannten Haaren, zerrissenem Fell, die nur aus Haut bestand und mit Blut bedeckt war. Er fragte: „Siehst du nicht diese Äffin, Nanda?“ „Ja, Herr“, versetzte Nanda. Darauf sprach der Meister: „Schaue sie dir genau an!“ Dann nahm er ihn mit und zeigte ihm die sechzig Yojanas große Manosila-Ebene, den Anotatta-See und die anderen der sieben großen Seen, die fünf großen Ströme, das mit dem Goldberg, dem Silberberg, dem Edelsteinberg geschmückte, mit viel hundert Reizen ausgestattete Himalaya-Gebirge.

Darauf fragte er weiter: „Hast du schon den Himmel der dreiunddreißig Götter gesehen, Nanda?“ Als dieser erwiderte: „Ich habe ihn noch nicht gesehen, Herr“, fuhr er fort: „Komm, Nanda, ich will dir den Himmel der dreiunddreißig Götter zeigen.“ Und er führte ihn dorthin und ließ sich auf dem aus gelbem Stein bestehenden Throne Sakkas nieder. Der Götterkönig Sakka kam mit der Götterversammlung aus zwei Götterwelten herbei, begrüßte den Erhabenen und setzte sich ihm zur Seite. Seine Dienerinnen, fünfundzwanzig Millionen an Zahl, und fünfhundert Göttermädchen mit Taubenfüßen kamen auch herbei, begrüßten den Erhabenen und setzten sich zur Seite. — Da ließ der Meister den ehrwürdigen Nanda die fünfhundert Göttermädchen in Liebesglut immer wieder anschauen. „Siehst du, Nanda, diese taubenfüßigen Göttermädchen?“ „Ja, Herr, ich sehe sie“, war die Antwort. „Sind nun diese schön oder Janapadakalyani?“ „Ebenso wie im Vergleich mit Janapadakalyani jene beschmierte Äffin, so ist im Vergleich mit diesen Janapadakalyani.“ „Was willst du jetzt tun, Nanda?“ „Was muss man tun, Herr, um diese Göttermädchen zu erhalten?“ „Wenn man ein Asketenleben führt, Herr [3], erhält man diese Göttermädchen.“ „Wenn mir der Erhabene Bürge dafür ist, dass man durch das Asketenleben diese Mädchen erhält, will ich das Asketenleben betätigen.“ „Tue es, Nanda, ich bürge dir dafür.“

Nachdem so der Thera inmitten der Götterversammlung den Vollendeten sich zum Bürgen gemacht hatte, sagte er: „Herr, haltet Euch nicht zu lange auf! Auf, wir wollen gehen; ich möchte das Asketenleben betätigen.“ Darauf kehrte der Meister mit ihm nach dem Jetavana zurück. Der Thera aber begann, ein Asketenleben zu führen [4].

Der Meister aber teilte dies dem Heerführer der Lehre mit folgenden Worten mit: „Sāriputta, mein jüngster Bruder Nanda hat in der Tāvatimsa-Götterwelt inmitten der Götterversammlung wegen der Göttermädchen mich zu seinem Bürgen genommen.“ Auf dieselbe Weise teilte er es auch dem großen Thera Mogallana, dem großen Thera Kassapa, dem Thera Anuruddha, dem Thera Ananda, dem Schatzmeister der Lehre, kurz allen achtzig großen Schülern, ja noch mehr allen übrigen Mönchen mit. — Darauf ging der Thera Sāriputta, der Heerführer der Lehre, zu dem Thera Nanda hin und sprach: „Ist es wahr, Lieber, dass du in der Tāvatimsa-Götterwelt inmitten der Götterversammlung, um die Göttermädchen zu erlangen, den mit den zehn Kräften Ausgestatteten zum Bürgen dafür genommen hast, dass du das Asketenleben betätigen willst?“ Dann fuhr er fort: „Führst du nicht, wenn es sich so verhält, den heiligen Wandel nur wegen des weiblichen Geschlechts, nur wegen der Befleckung? Wenn du so um der Weiber willen das Asketenleben betätigst, besteht da ein Unterschied zwischen dir und einem Arbeiter, der um des Lohnes willen seine Arbeit verrichtet?“ So beschämte er den Thera und löschte in ihm die Glut. Auf dieselbe Art beschämten auch alle die anderen achtzig großen Schüler sowie auch die übrigen Mönche den ehrwürdigen Nanda. Da dachte er: „Fürwahr, etwas Unrechtes habe ich getan“; und aus Scham und voll Furcht vor der Sünde nahm er einen gewaltigen Anlauf, stärkte seine übernatürliche Einsicht und gelangte so zur Heiligkeit. Darauf ging er zu dem Erhabenen hin und sagte: „Herr, ich löse den Erhabenen von seinem Versprechen.“ Der Meister erwiderte: „Als du zur Heiligkeit gelangtest, Nanda, da war ich auch von meinem Versprechen befreit.“

Als nun die Mönche diese Begebenheit erfuhren, begannen sie in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Wie zugänglich für Ermahnungen ist dieser liebe Thera Nanda! Infolge einer einzigen Ermahnung empfand er Scham und Furcht vor der Sünde; er betätigte das Asketenleben und gelangte dadurch zur Heiligkeit.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon war Nanda für Ermahnungen zugänglich.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, wurde der Bodhisattva in einer Elefantenabrichtersfamilie wiedergeboren. Als er herangewachsen und in der Kunst des Elefanten Abrichtens zur Vollendung gelangt war, diente er einem dem König von Benares feindlichen Könige. Er richtete dessen königlichen Leibelefanten ab und machte ihn sehr gelehrig.

Nun dachte einmal dieser König: „Ich will das Reich von Benares erobern.“ Und er nahm den Bodhisattva mit, bestieg seinen königlichen Leibelefanten und zog mit einem großen Heere nach Benares, das er belagerte. Dem Könige aber schickte er einen Brief mit folgendem Inhalt: „Er soll mir sein Reich übergeben oder kämpfen.“ Brahmadatta erwiderte: „Ich werde kämpfen“; und er stellte an die Mauern, die Tore, die Warttürme und die Zinnen der Mauern eine große Streitmacht und begann den Kampf.

Der feindliche König ließ seinen Leibelefanten wappnen; er selbst legte auch seine Rüstung an, bestieg den Rücken des Elefanten, nahm einen spitzen Stachel zur Hand und trieb den Elefanten der Stadt entgegen, indem er dachte: „Ich will in die Stadt eindringen, meinen Feind ums Leben bringen und mich in den Besitz seines Reiches setzen.“ — Als aber der Elefant sah, wie die Leute glühend gemachten Lehm, Steinkugeln und mancherlei andere Geschosse schleuderten, erfasste ihn Todesfurcht; er vermochte nicht weiterzugehen und kehrte um. Da ging der Elefantenabrichter auf ihn zu und sagte: „Mein Lieber, du bist ein Held und gehörst in den Kampf; an einem solchen Platze ist Zurückweichen für dich nicht passend.“ Und indem er den Elefanten ermahnte, sprach er folgende Strophen:

[§1] „Du bist ein Kampf gewohnter Held; als Starker bist du weit berühmt. Warum kehrst, Elefant, du um, wo du dem Torbogen dich nahst? [§2] Zerstöre rasch des Tores Balken [5], zerschmettere die festen Pfeiler, zertrample rasch des Tores Bögen und dringe ein, o Elefant.“

Als der Elefant dies hörte, kehrte er auf die eine Ermahnung des Bodhisattva um, riss die Stützen der Pfeiler mit seinem Rüssel weg und warf sie wie Schlangenleichname beiseite. Dann zerschmetterte er den Torbogen, riss den Torbalken herunter und zerstörte so das Stadttor; hierauf ging er in die Stadt hinein, nahm die Herrschaft an sich und gab sie seinem Könige.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der Elefant Nanda, der König war Ananda, der Elefantenabrichter aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Kampf Gewohnten

Anmerkungen:

1.
Eine andre Form des gewöhnlich gebrauchten Namens Kapilavatthu.
3.
Hier redet merkwürdigerweise Buddha den Nanda mit dem eigentlich nur ihm oder doch nur den angesehensten Mönchen zukommenden Titel „bhante“ an.
4.
D. h. ein strengeres Leben zu führen, als es eigentlich durch die Ordensgesetze vorgeschrieben war.
5.
Damit sind die eisernen Balken oben am Tore gemeint, die die Torflügel zusammenhalten.
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