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J 185
{Sutta: J ii 101|J 185|J 185} {Vaṇṇanā: atta. J 185|atta. J 185}
Die Erzählung von der Unzufriedenheit
185
Anabhirati-Jataka (Anabhiratijātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Wie in getrübtem, ruhelosem Wasser

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen jungen Brahmanen. Zu Savatthi nämlich lehrte ein junger Brahmane, der die drei Veden genau kannte, viele junge Edle und junge Brahmanen die heiligen Sprüche [1]. Als er in der Folgezeit einen eigenen Hausstand begründete, dachte er an seinen Besitz an Kleidern, Schmuck, Sklaven, Sklavinnen, Feldern, Grundstücken, Kühen, Ochsen, Frauen und Kindern; darum wurde er von Begierde, Hass und Verblendung [2] befallen. Dadurch ward sein Geist ruhelos und er konnte die heiligen Sprüche nicht mehr in der richtigen Reihenfolge hersagen; daher fielen ihm die heiligen Sprüche hier und da gar nicht ein.

Eines Tages nun nahm er viel Wohlgerüche, Kränze u. dgl. und begab sich damit nach dem Jetavana. Hier begrüßte er den Meister und setzte sich ihm zur Seite. Nachdem der Meister mit ihm eine freundliche Unterhaltung begonnen, fragte er: „Du lehrst die heiligen Sprüche, junger Brahmane; kennst du die heiligen Sprüche auswendig?“ Jener erwiderte: „Früher, Herr, kannte ich die heiligen Sprüche auswendig. Seitdem ich aber ein häusliches Leben führe, ist mein Geist ruhelos; darum kenne ich die heiligen Sprüche nicht mehr auswendig.“ Darauf sprach zu ihm der Meister: „Nicht nur jetzt, du junger Brahmane, sondern auch früher schon kanntest du die heiligen Sprüche auswendig, so lange dein Geist nicht unruhig war; als er aber infolge der Begierde usw. ruhelos wurde, fielen dir deine heiligen Sprüche nicht mehr ein.“ Und er erzählte, von jenem gebeten, folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in einer vermögenden Brahmanenfamilie seine Wiedergeburt. Nachdem er herangewachsen war und zu Takkasilā die heiligen Sprüche erlernt hatte, lehrte er zu Benares viele junge Krieger und Brahmanen die heiligen Sprüche. Bei ihm lernte auch ein junger Brahmane die drei Veden auswendig; und ohne auch nur bei einem Verse zu stocken, lehrte er als Unterlehrer die heiligen Sprüche. Später aber gründete er einen Hausstand; und da er an das Hauswesen dachte, wurde sein Geist unruhig und er konnte die heiligen Sprüche nicht mehr hersagen.

Da fragte ihn sein Lehrer, als er einmal zu ihm kam: „Kennst du die heiligen Sprüche auswendig, junger Brahmane?“ Er antwortete: „Seit der Zeit, da ich ein häusliches Leben führe, ist mein Geist unruhig geworden; ich kann die heiligen Sprüche nicht mehr hersagen.“ Darauf sagte der Lehrer: „Mein Lieber, wenn der Geist unruhig ist, fallen auch die auswendig gelernten Sprüche nicht ein; wenn aber der Geist nicht unruhig ist, gibt es kein Nichteinfallen.“ Und er sprach folgende Strophen:

[§1] „Wie in getrübtem, ruhelosem Wasser man keine Perlenmuscheln kann gewahren, nicht Kies und Sand und nicht der Fische Menge, so sieht der, dessen Geist der Ruh beraubt, nicht eignen Vorteil noch des Nächsten Nutzen [3]. [§2] Doch wie in klarem, ungetrübtem Wasser man Muscheln und der Fische Menge sieht, so sieht der, dessen Geist von Unruh frei ist, den eignen Vorteil und des Nächsten Nutzen.“
[§C]

Nachdem der Meister diese Erzählung aus der Vergangenheit beendigt und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte der Brahmanenjüngling zur Bekehrung): „Damals war dieser junge Brahmane derselbe wie jetzt, der Lehrer aber war ich.“

Ende der Erzählung von der Unzufriedenheit

Anmerkungen:

1.
Darunter versteht man nicht nur die Sprüche des Veda, sondern auch Zauberformeln.
2.
Dies sind die sogenannten „drei Wurzeln der Sünde“.
3.
Diese Strophe umfasst im Pali-Text unregelmäßigerweise fünf Zeilen, von denen die vierte um zwei Silben kürzer ist als die übrigen.
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