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J 186
{Sutta: J ii 106|J 186|J 186} {Vaṇṇanā: atta. J 186|atta. J 186}
Die Erzählung von Dadhivahana
186
Dadhivahana-Jataka (Dadhivāhanajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Von Schönheit, Wohlgeruch, Geschmack

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Veluvana verweilte, mit Beziehung auf einen Verräter.

[§D]

Die Begebenheit aus der Gegenwart gleicht der oben erzählten [1].

Damals aber sprach der Meister: „Ihr Mönche, das Zusammensein mit Schlechten ist böse und schädlich. Doch was ist da zu sagen über die Schädlichkeit des Zusammenseins mit Schlechten bei den Menschen? In früherer Zeit aber verlor durch das Zusammensein mit einem schädlichen, bitteren Nimba-Baum [2] ein empfindungsloser [3] Mangobaum, der süße Früchte voll göttlichen Wohlgeschmacks hatte, seine Süße und bekam bittere Früchte.“ Und er erzählte folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, betätigten im Reiche Kasi vier Brahmanen, die Brüder waren, die Weltflucht der Weisen. Im Himalaya-Gebirge erbauten sie sich in einer Reihe ihre Laubhütten und lebten daselbst. — Der älteste Bruder von ihnen aber starb und wurde als der Gott Sakka wiedergeboren [4]. Nachdem er den Zusammenhang erkannt [5], kam er in bestimmten Zwischenräumen immer nach Ablauf von sieben oder acht Tagen, um ihnen seine Aufwartung zu machen.

Eines Tages begrüßte er den ältesten Asketen, setzte sich ihm zur Seite und fragte: „Herr, wessen bedarfst du?“ Der Asket, der an Gelbsucht litt, antwortete: „Ich bedarf des Feuers.“ Da gab ihm Sakka ein Schermesser-Beil. — (Ein Schermesser-Beil ist, je nachdem man es am Griffe anfasst, ein Schermesser wie auch ein Beil [6]). — Darauf fragte der Asket: „Wer wird mir damit Holz herbeischaffen?“ Sakka aber erwiderte: „Wenn du Holz bedarfst, Herr, so streiche dieses Beil mit der Hand und sprich: ‘Hole mir Holz und mache ein Feuer’: dann wird es Holz holen und für dich ein Feuer machen.“ Damit gab er ihm das Schermesser-Beil.

Darauf ging er zu dem zweiten hin und fragte: „Herr, wessen bedarfst du?“ Bei dessen Laubhütte aber ging der Elefantenpfad vorbei. Da er nun von den Elefanten belästigt war, sprach er: „Durch die Elefanten geschieht mir Leid, verscheuche sie!“ Darauf überreichte ihm Sakka eine Trommel und sagte: „Herr, wenn du auf diese eine Fläche schlägst, werden deine Feinde davonlaufen, und wenn du auf die andre schlägst, werden sie dir freundlich gesinnt werden und dich mit einem vierfachen Heer umgeben [7].“

Nachdem er ihm die Trommel gegeben, ging er zu dem Jüngsten hin und fragte: „Wessen bedarfst du, Herr?“ Es hatte aber auch dieser die Gelbsucht; darum sprach er: „Ich bedarf Molken.“ Darauf gab ihm Sakka einen Molkentopf und sprach: „Wenn Ihr wünscht, so dreht diesen Topf herum; dann wird er große Wogen von Molken herauskommen lassen, dass sie wie ein großer Strom werden. Er wird Euch die Möglichkeit geben, selbst ein Königreich damit zu gewinnen.“ Nach diesen Worten entfernte er sich. — Von dieser Zeit an machte das Schermesser-Beil dem ältesten Bruder Feuer; wenn der zweite die Trommel schlug, liefen die Elefanten davon; der dritte aber verzehrte seine Molken.

Zu dieser Zeit aber fand ein Eber, der an einem Orte weilte, wo früher ein Dorf gewesen war, einen großen Edelstein, der mit Zauberkraft begabt war. Er verschluckte den Edelstein; da flog er durch dessen Zauberkraft in die Luft empor und gelangte an eine Insel inmitten des Ozeans. Hier ließ er sich herab und nahm an einem passenden Orte am Fuße eines Udumbara-Baumes [8] seinen Aufenthalt. Eines Tages legte er den Edelstein vor sich hin auf die Wurzel des Baumes und verfiel in Schlaf. —

Ein Bewohner des Königreichs Kasi aber war von seinen Eltern mit den Worten: „Dieser ist uns keine Hilfe“, aus ihrem Hause gestoßen worden und von da nach einem Hafendorf gekommen. Nachdem er hier ein Schiffsarbeiter geworden, bestieg er einmal ein Schiff; doch dieses scheiterte in der Mitte des Meeres. Auf einem Brette liegend gelangte er auf jene Insel. Während er sich hier Waldfrüchte suchte, sah er den schlafenden Eber. Leise ging er zu ihm hin und nahm den magischen Edelstein. Durch dessen Zauberkraft flog er in die Luft empor und setzte sich auf den Udumbara-Baum. Da kam ihm folgender Gedanke: „Dieser Eber ist durch die Zauberkraft dieses Juwels ein Luftwandler geworden und hierher gekommen, glaube ich. Ich muss ihn möglichst bald töten, sein Fleisch verzehren und dann zurückkehren.“ Und er brach einen Zweig ab und warf ihn auf des Ebers Kopf. Der Eber erwachte; und da er seinen Edelstein nicht mehr sah, lief er zitternd überall umher. Da lachte der auf dem Baume sitzende Mann. Der Eber schaute auf; und als er ihn sah, rannte er mit seinem Kopf an den Baum und starb auf der Stelle. Darauf stieg der Mann herab, machte ein Feuer, kochte und verzehrte dessen Fleisch.

Sodann flog er in die Luft empor und begab sich nach dem Gipfel des Himalaya. Hier sah er die Einsiedeleien und er stieg hinab nach der Einsiedelei des ältesten Asketen. Er blieb daselbst zwei oder drei Tage und erwies dem Asketen allerlei Dienste. Dabei bemerkte er die Zauberkraft des Schermesser-Beiles. Er dachte: „Dieses muss ich bekommen“; und er zeigte dem Asketen die Zauberkraft des Edelsteins und sagte: „Herr, nehmt diesen von mir und gebt mir das Schermesser-Beil dafür.“ Da der Asket Lust hatte, in der Luft zu wandeln, nahm er den Edelstein und gab ihm das Schermesser-Beil dafür. — Jener nahm es und entfernte sich ein wenig; dann strich er das Schermesser-Beil mit der Hand und sprach: „Du Schermesser-Beil, zerschlage dem Asketen sein Haupt und bringe mir den magischen Edelstein!“ Das Beil flog fort, spaltete des Asketen Haupt und brachte ihm den Edelstein zurück.

Darauf versteckte er das Schermesser-Beil an einem verborgenen Orte und ging zu dem mittleren der Asketen hin. Als er ein paar Tage dort zugebracht und die Zauberkraft der Trommel gesehen hatte, gab er ihm den magischen Edelstein, nahm die Trommel dafür und ließ hierauf auf die oben angegebene Art auch diesem das Haupt spalten. — Dann suchte er den Jüngsten auf, sah die Zauberkraft von dessen Molkentopf, gab ihm seinen magischen Edelstein, nahm den Molkentopf dafür und ließ darauf auch diesem auf die vorige Art das Haupt spalten.

Jetzt flog er mit dem magischen Edelstein, dem Schermesser-Beil, der Trommel und dem Molkentopf in die Luft empor, machte unweit von Benares Halt und schickte dem Könige von Benares durch die Hand eines Mannes einen Brief mit folgendem Inhalt: „Er soll kämpfen oder mir sein Reich übergeben.“ Als der König diese Botschaft vernahm, sagte er: „Wir wollen den Spitzbuben fangen“, und zog gegen ihn. Darauf schlug jener auf die eine Seite der Trommel und es umstand ihn ein vierfaches Heer. Als er erfuhr, der König stelle sich in Schlachtordnung auf, drehte er den Molkentopf um. Da kam ein großer Molkenstrom heraus; die Volksmenge haftete in der Molke fest und konnte nicht herauskommen. Endlich strich er das Schermesser-Beil und sprach: „Hole mir des Königs Haupt“; und das Schermesser-Beil entfernte sich, brachte den Kopf des Königs und legte ihn zu seinen Füßen. Kein einziger aber war im Stande, dabei eine Waffe zu erheben.

Von einem großen Heer umgeben zog nun jener in die Stadt ein, ließ sich zum König weihen und führte unter dem Namen „König Dadhivahana“ (= „Molkenbringer“) in Gerechtigkeit die Regierung. —

Eines Tages belustigte er sich damit, das Netz in dem großen Strome auszuwerfen; da kam aus dem Kannamunda-See [9] eine Mangofrucht, wie sie die Götter zu verzehren pflegen, geschwommen und blieb in dem Netze hängen. Als man das Netz heraushob, sah man sie und gab sie dem Könige. Sie war groß, vom Umfang einer Schüssel, ganz rund und goldfarbig. Der König fragte die Jäger [10], was dies für eine Frucht sei. Als er hörte, es sei eine Mangofrucht, verspeiste er sie, ließ ihren Kern in seinem Parke einpflanzen und mit Milchwasser begießen. Der Baum wuchs und trug im dritten Jahre Früchte. Dieser Mangobaum aber wurde sehr geehrt: Man begoss ihn mit Milchwasser, man goss fünf Finger hoch [11] wohlriechende Substanzen daran, man umgab ihn mit Girlanden und Kränzen; eine Lampe mit wohlriechendem Öl ließ man dabei brennen und um ihn herum war ein Schirm aus feinem Stoffe gestellt. Die süßen Früchte waren goldfarbig.

Es schickte aber der König Dadhivāhana anderen Königen solche Mangofrüchte; doch aus Furcht, es möchten neue Bäume daraus entstehen, durchbohrte er die Stelle, wo der Schößling herauskommt, mit einem Mandu-Dorne und schickte sie so fort. Wenn nun jene die Frucht verzehrt hatten und den Kern einpflanzten, entspross daraus kein Baum. Sie fragten: „Was ist denn schuld daran?“, und erfuhren den Grund. — Ein König aber ließ seinen Parkwächter rufen und fragte ihn: „Wirst du im Stande sein, den Wohlgeschmack der Früchte des Dadhivāhana zu vernichten und sie bitter zu machen?“ Als dieser antwortete: „Ja, o Fürst“, sagte der König: „Gehe also“, und schickte ihn weg, indem er ihm tausend schenkte.

Jener begab sich nach Benares und ließ dem König melden, es sei ein Parkwächter gekommen, worauf ihn der König hereinrufen ließ. Er ging hinein und begrüßte den König; und als dieser fragte: „Bist du ein Parkwächter“, antwortete er: „Ja, o Fürst“, und rühmte seine Fähigkeiten. Der König erwiderte: „Gehe und bleibe bei unserm Parkwächter.“ Von da an besorgten die zwei Leute den Park. — Der kürzlich gekommene Parkwächter aber machte den Park entzückend, indem er Blumen vor der Zeit zum Blühen und Früchte vor der Zeit zum Reifen brachte. Der König schenkte ihm dafür seine Gunst; und er entließ den früheren Parkwächter und übergab jenem allein den Park.

Als dieser nun merkte, dass der Park in seine Hand gegeben sei, pflanzte er rings um den Mangobaum Nimba-Pflanzen und giftige Schlinggewächse. Allmählich wurden die Nimba-Pflanzen groß. Mit den anderen Wurzeln vereinigten sich ihre Wurzeln, mit den anderen Zweigen trafen ihre Zweige zusammen und neigten sich zu ihnen hin. Durch die Vereinigung mit diesem schädlichen, bitteren Gewächs aber wurden auch die süßen Mangofrüchte bitter und glichen im Geschmack den Nimba-Blättern. Als der Parkwächter merkte, dass die Mangofrüchte bitter geworden waren, machte er sich davon.

Als nun Dadhivāhana wieder in seinen Park ging und eine Mangofrucht verzehrte, konnte er den in seinen Mund gekommenen Mangosaft, der so schlecht wie ein Nimba-Blatt schmeckte, nicht hinunterschlucken, sondern von Ekel erfüllt spie er ihn aus. Damals aber war der Bodhisattva sein Ratgeber in den weltlichen Dingen und in den Tugenden. — Der König sagte zum Bodhisattva: „O Weiser, bei diesem Baume wurde in der früheren Pflege nichts unterlassen; trotzdem ist seine Frucht bitter geworden. Was ist daran schuld?“ Und indem er so fragte, sprach er folgende erste Strophe:

[§1] „Von Schönheit, Wohlgeruch, Geschmack war früher dieser Mango voll; warum, wo solche Pfleg' er hatte, ist bitter seine Frucht geworden?“

Der Bodhisattva aber sprach, um ihm die Ursache hiervon mitzuteilen, folgende zweite Strophe:

[§2] „Von Nimba-Sträuchern ist umgeben dein Mango, Dadhivahana. Zusammenwuchsen ihre Wurzeln, die Zweige haben sich vereint; durch die Vereinigung mit Schlechtem des Mango Frucht ist bitter worden.“

Als der König seine Worte vernommen, ließ er alle Nimba-Sträucher und alle Schlingpflanzen zerstören, ihre Wurzeln herausreißen und überall die bittere Erde wegnehmen. Dann ließ er süßes Erdreich auflegen und den Mangobaum mit Milchwasser, Zuckerwasser und wohlriechendem Wasser pflegen. Durch die Vereinigung mit Süßem aber wurde er wieder süß. — Darauf übergab der König wieder dem früheren Parkwächter die Pflege des Parkes; und nachdem er den Rest seines Lebens verbracht hatte, gelangte er an den Ort seiner Verdienste.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war ich der weise Minister.“

Ende der Erzählung von Dadhivahana

Anmerkungen:

1.
D. h. der Vorgeschichte zum vorigen Jātaka [1a], bzw. zum Jātaka 26.
1a.
Gemeint ist das Jātaka 184.
2.
Vgl. Jātaka 149 Anm.6. [Azadirachta indica, ein Baum mit sehr bitteren Früchten.]
3.
Im Gegensatz zu den Menschen.
4.
Wörtlich: „Er erreichte die Existenz als Sakka“.
5.
Nämlich zwischen seiner jetzigen und der vorigen Existenz.

6.
Es ist offenbar ein Instrument gemeint, dessen Griff auf der einen Seite in ein Schermesser, auf der andern in ein Beil endigt.
7.
Vgl. oben Jātaka 183 Anm. 2. [Nämlich aus Elefanten, Wagen, Reitern und Fußvolk.]
8.
Dies ist der Baum Ficus glomerata.

9.
Dies ist einer der sieben Seen im Himalaya; vgl. die Vorgeschichte zu Jātaka 182.
10.
Vgl. Jātaka 159 Anm. 1. [Damit sind die halbwilden Ureinwohner des Landes gemeint, die von der Jagd lebten.]
11.
Rouse meint, der an sich unklare Ausdruck beziehe sich auf die Sitte, zur Abwendung des bösen Blickes an den Gegenständen das Bild einer Hand mit fünf ausgestreckten Fingern anzubringen. Dann wäre also eine Anordnung wohlriechender Blumen in Form der fünf Finger gemeint; doch ist die Deutung zweifelhaft.
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